Abwanderung von Arbeitskräften aus Italien, der Türkei und Jugoslawien
Dietrich von Delhaes-Günther Othmar Nikola Häberl Alexander Schölch
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Zusammenfassung
Die Autoren analysieren unter vergleichendem Aspekt Ursachen und Folgen der Abwanderung von Arbeitskräften aus den drei wichtigsten mediterranen Entsendeländern: Italien, der Türkei und Jugoslawien. Dabei werden jeweils die ökonomischen Ausgangs-bedingungen, der historische Verlauf der Abwanderungsströme und die wichtigsten ökonomischen Effekte für diese Länder dargestellt. Im jugoslawischen Fall geht es darüber hinaus um die Klärung der Frage nach der Vereinbarkeit der Entsendung von Arbeitskräften in westeuropäische Industriestaaten mit den Prinzipien einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Die hier gezogene Bilanz der erhofften entwicklungspolitischen Effekte der Abwanderung für die Entsendeländer ist überwiegend negativ: Die Migration erweist sich in allen drei Fällen als ein ungeeignetes Mittel, um die hohe Arbeitslosigkeit in den jeweiligen Heimatländern mittel-oder langfristig in den Griff zu bekommen, zumal die Entsendeländer auf diesem Wege von der Konjunkturentwicklung der Anwerbeländer abhängig werden und in Rezessionsphasen Rückwandererwellen in Kauf nehmen müssen. Die regionalen Entwicklungsgefälle in den Entsendeländern wurden durch die Migration nicht abgebaut sondern eher noch verstärkt. Die Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung durch die Ersparnisse der Abwanderer waren minimal. Ebenso sind die erhofften technisch-industriellen Lerneffekte der Migration gering geblieben bzw. es wurden erhöhte berufliche Qualifikationen nicht adäquat verwertet. In höherem Maße als für Italien sind die Devisentransfers der Abwanderer für Jugoslawien von Bedeutung; als noch wichtiger aber haben sie sich für die Türkei erwiesen, wo es mit ihrer Hilfe gelang, das Handelsbilanzdefizit zu kompensieren. Ein spezifisches Problem ergibt sich für Jugoslawien: hier steht der „instrumentalen Systemstabilisierung“ durch Abwanderung (Verringerung der Möglichkeit sozialer und politischer Konflikte) deren ideologische Systemunvereinbarkeit gegenüber. Die Diskussion über dieses Problem ist in Jugoslawien nach einer Phase der Verdrängung nicht zuletzt deshalb in Gang gekommen, weil die gegenwärtige und auch für die Zukunft angekündigte restriktive Anwerbepolitik der westeuropäischen Industriestaaten alle mediterranen Entsendeländer zur Entwicklung neuer, langfristig wirksamer beschäftigungspolitischer Konzeptionen zwingt.
I Obgleich die jüngste Rezession in den westeuropäischen Ländern zu einer Verminderung L der Anzahl der ausländischen Arbeitnehmer L geführt hat, besteht die Problematik der r europäischen Arbeitskräfteemigration nach I wie vor. Erst in jüngster Zeit reagierte I die Forschung verstärkt auf das Phänomen der in den sechziger Jahren bedeutend zunehi menden Wanderungsbewegungen von Ar-I beitskräften aus dem Mittelmeerraum nach I Westeuropa. Obwohl innerhalb von wenigen I Jahren eine fast unübersehbare Literatur zu Thema entstanden ist, weist sie doch I bestimmte Lücken auf. So werden insbesonde-in der deutschsprachigen Literatur die Ab-
Wanderungsursachen und die Auswirkungen Abwanderung auf die jeweiligen Abgabe-länder in der Regel vernachlässigt. Gründe I dafür sind in den mangelnden Fremdsprachenkenntnissen bzw. in der Tatsache zu sehen, daß die in den Abgabeländern durchger führten Forschungen nur zum geringen Teil Übersetzungen vorliegen. Darüber hinaus I scheuen jedoch einige deutsche Autoren die I Kosten der Informationsbeschaffung oder ; bestimmte Probleme bewußt aus. So L wurde z. B. in vergleichenden Studien über I die Abwanderung aus verschiedenen Mittel-I'meerländern die Nichtbehandlung Jugoslawi-I ens damit begründet, daß es nicht gelungen I-sei, Literatur und Statistiken von jugoslawiI sehen Institutionen zu erhalten bzw. daß es um ein Land mit „unterschiedlicher I Wirtschaftsordnung" handle vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, Ur-und Folgen von Abwanderungsbewe-I gungen in Italien, der Türkei und Jugoslawi-r en vergleichend zu analysieren. Dabei soll insbesondere auf italienisches, türkisches und
Einführung
Abbildung 1
Quelle: die Daten wurden nach SGJ — 74, S. 515, berechnet.
Quelle: die Daten wurden nach SGJ — 74, S. 515, berechnet.
jugoslawisches — manchmal nur schwer zugängliches — Material zurückgegriffen werden. Die Auswahl der drei Abwanderungsländer erfolgte nicht zufällig, sondern unter dem Gesichtspunkt ihrer'gegenwärtig dominierenden Stellung bei der Entsendung von Arbeitskräften nach Westeuropa. Um einerseits den historisch-individuellen Merkmalen und andererseits der Vergleichbarkeit der einzelnen Abwanderungsbewegungen Rechnung zu tragen, wurden die drei Länder zwar getrennt, jedoch im Hinblick auf eine gemeinsame Fragestellung untersucht. Einheitlich werden zunächst bei allen Ländern die ökonomischen Ausgangsbedingungen umrissen. In einem zweiten Schritt werden die Abwanderungsströme in ihrem historischen Verlauf analysiert. Schließlich wird die Frage nach den wichtigsten ökonomischen Effekten der Abwanderung für die Abgabeländer diskutiert. Darüber hinaus wird auf die systemspezifischen Unterschiede hinsichtlich der Abwanderungspolitik hingewiesen, die sich aufgrund des sozialistischen Anspruchs Jugoslawiens ergeben. In diesem Zusammenhang wird die Frage aufgeworfen, inwieweit sich die Entsendung jugoslawischer Arbeitskräfte in die westeuropäischen Industrieländer mit den Prinzipien einer sozialistischen Gesellschaftsordnung vereinbaren läßt.
Abbildung 8
Tabelle 5: Jährliche Gesamtabwanderung aus der Türkei seit 1961 Jahr Gesamt-abwanderung Jahr Gesamt-abwanderung Jahr Gesamt-abwanderung
Tabelle 5: Jährliche Gesamtabwanderung aus der Türkei seit 1961 Jahr Gesamt-abwanderung Jahr Gesamt-abwanderung Jahr Gesamt-abwanderung
Abweichend von den in der Literatur verwendeten Begriffen wie „Gastarbeiter", „Arbeitsemigranten", „ausländische Arbeitnehmer", „temporär im Ausland Beschäftigte" soll im folgenden von „Abwanderung“ und „Abwanderem" gesprochen werden. Darunter sind Personen zu verstehen, die in der Regel zunächst ohne Familienangehörige das betreffende Abgabeland verlassen, um im westeuropäischen Ausland eine Arbeit aufzunehmen. Sowohl die Regierungen des Entsende-bzw. Ziellandes als auch die individuellen Abwan-derer rechnen zumindest zum Zeitpunkt der Abwanderung mit einem befristeten Auslandsaufenthalt und einer anschließenden Rückkehr in das jeweilige Heimatland. Daher ist die Abwanderung von der Auswanderung abzugrenzen, die in der Regel einschließlich der Familienangehörigen erfolgt und zur dauerhaften Existenzgründung im Ausland führt. Es kann sich allerdings nur um eine globale Abgrenzung handeln, da auch Fälle auftreten, in denen sich Auswanderungen ex post als vorübergehend und Abwanderungen entgegen den ursprünglichen Absichten als dauerhafter Verbleib im Ausland erweisen.
I. Abwanderung von Arbeitskräften aus Italien
Abbildung 2
Quelle: Savezni komitet za rad i zaposljavanje, a. a. O., tabela 9 und 24.
Quelle: Savezni komitet za rad i zaposljavanje, a. a. O., tabela 9 und 24.
1. Ausgangssituation Die italienische Wirtschaft durchlief im Anschluß an die unmittelbare Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg drei sechs-bis siebenjährige Konjunkturzyklen, deren Minima in den Jahren 1952, 1958 und 1964 lagen. Im Durchschnitt stieg das reale Bruttosozialprodukt 1954 bis 1963 um 5, 6 v. H., in den Jahren 1963 bis 1973 um 4, 7 v. H. Innerhalb weniger Jahre gelang der Sprung in die Gruppe der hochindustrialisierten Länder. Hauptmerkmale dieses an Ausmaß und Intensität einmaligen Wachstums in der italienischen Wirtschaftsgeschichte waren eine tiefgreifende Transformation der Wirtschaftsstruktur und extreme regionale Entwicklungsunterschiede. Im Zeitraum 1951— 1971 schieden über 5 Mio. Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft aus, davon 3, 1 Mio. in Nord-und Mittelitalien und 1, 9 Mio. in Süditalien. Gleichzeitig erhöhte sich das Angebot an Arbeitsplätzen im sekundären Sektor zwar insgesamt um ca. 2, 3 Mio., jedoch lediglich um ca. 240 000 in den südlichen und den Inselprovinzen Nach Ansicht der Auswanderungsbehörde in Rom konnten im Hinblick auf die Wirtschaftsstruktur des Landes Anfang 1950 allenfalls 12 der 16 Mio. Arbeitskräfte in Italien effektiv beschäftigt werden 1954 war die Arbeitslosigkeit auf 21/2 Mio. Personen angestiegen und konnte vor allem in Süditalien nur langsam abgebaut werden. Nach den vorsichtigen offiziellen Schätzungen betrug die italienische Arbeitslosenquote Ende 1950 noch über 5°/o, sank während des Aufschwungs Anfang 1960 auf 2, 5 °/o und schwankte bis 1973 zwischen 3, 2 und 3, 9 °/o (vgl. Tabelle 2) ") Hinter diesen
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Tabelle 6: Gesamtzahl der türkischen Abwanderer in der Bundesrepublik seit 1960
Tabelle 6: Gesamtzahl der türkischen Abwanderer in der Bundesrepublik seit 1960
Werten, die einer Reihe von Autoren bei weitem zu gering erscheinen um die effektive Arbeitslosigkeit zu erfassen, verbergen sich deutliche regionale Differenzen. In Süditalien war die Arbeitslosenquote 1970— 1973 ungefähr doppelt so hoch wie in Norditalien. In Kalabrien und der Basilicata erreichte sie sogar über 7 °/o
Abbildung 10
Abbildung 10
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Seit 1950 wurde der Abbau des Einkommens-gefälles zwischen dem Norden und dem Süden zum vorrangigen wirtschaftspolitischen Ziel erklärt. Im Rahmen der Förderungsprogramme durch die „Cassa per il Mezzogiorno"
Abbildung 11
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wurden 1950— 1964 (insbesondere nach den Vorschlägen des Vanoni-Entwicklungsplans 1955— 1964) über 2 000 Mrd. Lire überwiegend für die Modernisierung der Landwirtschaft und die Verbesserung der landwirtschaftlichen Infrastruktur Süditaliens aufgewendet.
Abbildung 12
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In der folgenden Periode 1965— 1970 konzentrierten sich die wirtschaftspolitischen Interventionen auf die Errichtung „industrieller Entwicklungszentren". Daher wurden in diesem Zeitraum ca. 2 800 Mrd. Lire aus der Cassa per il Mezzogiorno etwa zur Hälfte im sekundären und nur noch zu 17 °/o im primären Sektor (Landwirtschaft) investiert Dessenungeachtet verstärkte sich im Süden wie auch im übrigen Italien der Exodus aus der Landwirtschaft Doch blieb dort das Angebot an außeragrarischen Arbeitsplätzen weit geringer als in anderen Landesteilen. Die Industrialisierungspolitik konzentrierte sich zum großen Teil auf die Ansiedlung kapitalintensiver Unternehmen (wie der Stahlwerke und petrochemischen Fabriken in Taranto, Brindisi und Crotone) mit geringem Beschäftigungseffekt. Während sich die Zahl der Beschäftigten im sekundären Sektor 1961— 1971 in Süditalien um 70/0 erhöhte, stieg sie im Norden um 15 °/o und in Zentralitalien um 21 °/o Die Maßnahmen zur regionalen Wirtschaftsförderung blieben somit von geringem Erfolg. Während der Nordwesten seinen Entwicklungsvorsprung immer weiter ausbaute, verschärfte sich die relative Unterentwicklung Süditaliens. Die Pro-Kopf-Einkommen der südlichen Festlandsund Inselprovinzen — in denen ca. ein Drittel der gesamten Bevölke °/o und in Zentralitalien um 21 °/o 12). Die Maßnahmen zur regionalen Wirtschaftsförderung blieben somit von geringem Erfolg. Während der Nordwesten seinen Entwicklungsvorsprung immer weiter ausbaute, verschärfte sich die relative Unterentwicklung Süditaliens. Die Pro-Kopf-Einkommen der südlichen Festlandsund Inselprovinzen — in denen ca. ein Drittel der gesamten Bevölkerung lebt — blieben in den Jahren 1951— 1973 unverändert nur etwa halb so hoch wie diejenigen der übrigen Provinzen. Infolge der Bevölkerungsumverteilungen durch Süd-Nord-wanderungen innerhalb Italiens stiegen im gleichen Zeitraum die Zuwachsraten des regional erwirtschafteten Gesamtprodukts stärker in den nördlichen und zentralen als in den südlichen Regionen 13):
Abbildung 13
Abbildung 13
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Die italienische Wohnbevölkerung erhöhte sich 1951— 1973 trotz hoher Wanderungsverluste gegenüber dem Ausland (1951— 1971 weit über 2 Mio.) um 16°/o von 47, 5 auf 55, 3 Mio. 14) (vgl. Tabelle 1), wobei sich jedoch aufgrund einer starken Süd-Nord-Binnenwanderung Veränderungen in der Regionalverteilung ergaben. Während vor allem die nordwestlichen Provinzen und das Gebiet um Rom hohe Wanderungsgewinne verzeichneten, vermehrte sich die Einwohnerzahl der Süd-und Inselprovinzen 1951— 1971 lediglich von 17, 7 Mio. auf 18, 6 Mio., so daß ihr Anteil an der gesamten nationalen Bevölkerung von 37, 2 auf 34, 8 °/o sank. Es wird geschätzt, daß fast 2, 2 Mio. Arbeitskräfte zwischen 1951 und 1971 (1961— 1970 = 1, 5 Mio.) aus dem Süden vor allem in das Gebiet um Turin und Mailand abwanderten 7 Mio. auf 6 Mio., so daß ihr Anteil an der gesamten nationalen Bevölkerung von 37, 2 auf 34, 8 °/o sank. Es wird geschätzt, daß fast 2, 2 Mio. Arbeitskräfte zwischen 1951 und 1971 (1961— 1970 = 1, 5 Mio.) aus dem Süden vor allem in das Gebiet um Turin und Mailand abwanderten 15). Sie übten einen dämpfenden Effekt auf das dortige Lohnniveau aus, ermöglichten dadurch eine höhere Exportfähigkeit der Industrie und waren damit eine unabdingbare Voraussetzung für die Entstehung des „italienischen WirtschaftsWunders". Entsprechend der oben erwähnten Konjunkturbewegung nahm diese Binnenwanderung sehr stark während des Aufschwungs 1959— 1963 zu, ging während des Abschwungs 1964/65 bedeutend zurück und verstärkte sich aufgrund der wirtschaftlichen Wiederbelebung nach 1971 16). 2. Analyse der Abwanderungsströme Von insgesamt ca. 7 Mio. Auswanderern bzw. Abwanderern aus Italien im Zeitraum 1946— 1972 kehrten ca. 3, 8 Mio. wieder zurück, so daß ein Wanderungsverlust von 3, 2 Mio. entstand (d. h. von ca. 125 000 Personen im Jahresdurchschnitt). Ungefähr die Hälfte dieser 3, 2 Mio. Personen blieb in außereuropäischen Ländern (1, 65 Mio.), die andere Hälfte in europäischen Ländern (1, 55 Mio.) 17).
Wählt man als Periodisierungskriterium für den Wanderungsverlauf die Wanderungsentfernung, so läßt sich für das erste Nachkriegsjahrzehnt eine starke überseeische Ausrichtung der italienischen Wanderungsbewegungen feststellen. 45 °/o aller Arbeitskräfte (einschließlich Familienangehöriger), die im Zeitraum 1946— 1957 Italien verließen, hatten außereuropäische Ziele. 1958— 1969 sank dieser Anteil auf 21 0/0 und ging 1970— 1973 noch weiter zurück (vgl. Tabellen 3 und 4) 18).
Die zunehmende Konzentration des italienischen Wanderungsstroms auf europäische Länder erfolgte seit Ende der fünfziger Jahre im Anschluß an das EWG-Abkommen und die Freizügigkeitsbestimmungen auf dem europä-ischen Arbeitsmarkt Seit 1958 können, drei Perioden unterschieden werden, in deren Verlauf sich sowohl die Jahresdurchschnittswerte als auch die Bedeutung der italienischen Abwanderung in Relation zu den Arbeitskräftewanderungen aus anderen Ländern des Mittelmeerraumes schrittweise verringerten: Während 1958— 1963 durchschnittlich 257 000 Italiener pro Jahr in westeuropäische Industrieländer abwanderten (der absolute Höhepunkt seit dem zweiten Weltkrieg wurde 1961 mit 330 000 Abwanderern erreicht), waren es 1964— 1969 189 000 und 1970— 1973 nur noch 115 000 Für den westeuropäischen Arbeitsmarkt ist Italien bis zur Gegenwart mit beträchtlichem Abstand vor der Türkei und Jugoslawien das wichtigste Arbeitskräftereservoir geblieben, wenngleich der Anteil der Italiener an den insgesamt in Westeuropa beschäftigten ausländischen Arbeitnehmern von mehr als zwei Dritteln 1958— 1963 auf ca. ein Drittel 1964/65 und weniger als ein Fünftel Anfang der siebziger Jahre zurückging
Wichtigste Zielländer der italienischen Abwanderung waren bis 1959 die Schweiz und Frankreich, danach mit beträchtlichem Abstand vor Frankreich die Schweiz und die Bundesrepublik. Insgesamt wanderten 1946 bis Anfang 1973 ca. 2 Mio. Italiener in die Schweiz ab, 1 Mio. nach Frankreich und 1 Mio. (1956 bis Anfang 1973) in die Bundesrepublik Deutschland. Unter Berücksichtigung der Rückwanderung aus diesen Ländern ergibt sich von 1946— 1972 für Italien ein negativer Wanderungssaldo mit Frankreich von 487 000, mit der Bundesrepublik von 409 000 Und mit der Schweiz von 442 000 Personen (vgl. Tabellen 3 und 4). /Nach den italienischen Rezessionen von 1958 und 1964 ist die Wanderungsbewegung durch eine zunehmende „Meridionalisierung" gekennzeichnet. 1957— 1959 kamen 51 bis 56 0/0 aller italienischen Abwanderer in westeuropäischen Ländern aus Süditalien einschließlich der Inseln und nur ca. 19 °/o aus Venetien bzw. Friaul-Julisch Venetien. Seit 1960 erreichte der süditalienische Anteil über 60 0/0 und stieg zeitweise auf über 70 °/o (ygl. Tabelle 7) Insgesamt verlor der Süden 1951— 1971 mehr als 4 Mio. Einwohner, davon 1, 8 Mio. an das Ausland, den Rest durch die Binnenwanderung
Bei näherer Betrachtung zeigt sich die Abhängigkeit der Wanderungsbewegungen von den Konjunkturverläufen westeuropäischer Ziel-länder. Dies gilt insbesondere für die Abwanderung in die Bundesrepublik. Die jährlichen Wanderungssalden (italienische Abwanderung nach Westdeutschland abzüglich der Rückwanderung) stiegen jeweils in den Aufschwungs-und Boomphasen, insbesondere in den Jahren-1959 bis Mitte 1961 und auf niedrigerem Niveau 1964 bis Mitte 1965 sowie 1968 bis zur konjunkturellen Abschwächung 1971. In Perioden des Abschwungs sanken die Wanderungssalden, wie z. B. 1962/63 und vor allem von Juni 1966 bis Januar 1968, als sich die Zahl der in der Bundesrepublik beschäftigten italienischen Arbeitskräfte um 171 500 verringerte In jüngster Vergangenheit läßt sich aufgrund der internationalen Konjunkturlage eine restriktive Politik aller Anwerbeländer beobachten und damit eine Kontraktion der Wandeiungsbewegungen, die sich auch auf die italienische Abwanderung auswirkt (vgl. Tabelle 4).
Ungefähr die Hätte aller Italiener im europäischen Ausland war 1972/73 jünger als 30 Jahre Vor der Abwanderung hätte der größte Teil von ihnen in der Landwirtschaft oder im Baugewerbe gearbeitet. Fast 47 % der abgewanderten Italiener fanden 1973 in Westeuropa als ungelernte und 28 °/o als gelernte Arbeiter Beschäftigung. Sie sind vor allem in-Fertigungsberufen (Baugewerbe, Eisen-, Metallerzeugung und -Verarbeitung) sowie im Dienstleistungssektor anzutreffen
Nach den offiziellen Statistiken betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei 65— 75% der Ende 1960 und Anfang 1970 aus westeuropäischen Ländern nach Italien zurück-gekehrten Arbeitskräfte weniger als ein Jahr. Lediglich bei den Rückwanderern aus Frankreich hatten ca. ein Drittel mehr als fünf Jahre und ca. zwei Drittel mehr als ein Jahr im Ausland verbracht. Als vorrangiges Rückwanderungsmotiv wurde die Familientrennung angegeben, als zweitrangige Motive Integrationsschwierigkeiten, wirtschaftliche Probleme und Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Wegen der sehr kurzfristigen Ausländserfahrungen hatte der größte Teil der Abwanderer weder Gelegenheit, sich in die Gesellschaft des Anwerbelandes zu integrieren, noch die Möglichkeit, eine Fachausbildung zu erhalten. 3. ökonomische Effekte Die negativen Auswirkungen der Abwanderung insbesondere in einigen Provinzen des Mezzogiorno sind offensichtlich, hingegen sind die häufig erwähnten „positiven Effekte" mit Skepsis zu betrachten. 1951— 1971 hat die Abwanderung von über vier Millionen Personen fast ausschließlich im arbeitsfähigen Alter zu einer anomalen Altersstruktur der Wohnbevölkerung Süditaliens und zu einer erheblichen Reduktion des Arbeitspotentials geführt. Die Erwerbsquoten der südlichen Provinzen lagen bei weitem unter denen anderer Landesteile Der Anteil der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung an der Wohnbevölkerung betrug 1971 im nationalen Durchschnitt 35%, in Sizilien aber nur 29%, in Sardinien 27 % und in Kalabrien 20 %
Berücksichtigt man ferner, daß in der Regel gerade diejenigen Arbeitskräfte abwandern, die die stärkste Eigeninitiative zur Verbesserung ihrer Einkommensverhältnisse entwik-keln und daß darüber hinaus auch beruflich höher qualifizierte Personen mit geringer Rückwanderungsquote abwandern, so wird deutlich, daß der Süden für seine Entwicklung knappe Ressourcen verliert, d. h. die Unterentwicklung treibt zur Abwanderung (bzw. zur Auswanderung), die wiederum Unterentwicklung erzeugt. Eine Erhebung ergab 1969, daß die Rückwanderer in der Regel ihre vor der Ausreise ausgeübten Berufe Wiederaufnahmen. Das galt insbesondere auch für Landwirte bzw. Landarbeiter, die zu 74 % im Ausland nicht-agrarische Tätigkeiten ausgeübt hatten Die Anwendungsmöglichkeit im Ausland erworbener beruflicher Qualifikationen nach der Wiedereingliederung in die italienische Volkswirtschaft konnte nur bei einem kleinen Teil der Rückwanderer vermutet werden.
Die von den Auswanderern in die Heimatorte übersandten Devisenbeträge wurden fast ausschließlich für konsumtive Zwecke verwendet, ohne in direkter Form der regionalen Wirtschaftsentwicklung zugute zu kommen. Durch eine Umfrage von 1970 wurde ermittelt, daß über 7O°/o dieser Summen zum Unterhalt der zurückgebliebenen Familien diente, der Rest zum Ausbau oder Neubau von Häusern, zum Erwerb von Grundstücken, zur Errichtung von Einzelhandelsgeschäften, Bars und Restaurants überwiegend in Abwanderungsgebieten mit abnehmender Wohnbevölkerung. Wiederholt ist eine wirtschaftspolitische Lenkung der Auslandsüberweisungen in produktivere Verwendungsrichtungen gefordert worden. Sie sollten direkt in landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften und lokale Industriebetriebe investiert oder aber prämienbegünstigt angelegt werden Doch blieb es lediglich bei den Vorschlägen.
Nur derjenige Teil der Geldtransfers, der in Form direkter Bank-und Postüberweisungen bzw. Schecks erfolgt, läßt sich erfassen. Direkt nach Italien transferierte Devisen-und Lirebeträge der im Ausland beschäftigten Italiener entziehen sich jedoch der statistischen Überprüfbarkeit. Da die Lira in jüngster Zeit in Italien häufig höher als im Ausland bewertet wurde, bestand ein Anreiz, diese Art des Geldtransfers zu praktizieren, obwohl die italienische Regierung für den Import von heimischer Währung nur bestimmte Höchstbeträge pro Person zuließ.
Ebenso unüberprüfbar sind auch bestimmte Vermittlungsgeschäfte schweizer Banken. Beispielsweise überweisen sizilianische Abwanderer aus Deutschland ihre Ersparnisse an ein Züricher Bankinstitut auf das Konto eines Mailänder Industriellen, der wegen der geringen Wertbeständigkeit der Lira Vermögenstitel in ausländischer Währung zu erwerben versucht. Letzterer sendet den Gegenwert in Lire zu einem höheren als dem offiziellen Wechselkurs an die betreffenden Familienan-gehörigen nach Sizilien. Unter Umgehung behördlicher Kontrollen werden auf diesem Wege Maßnahmen der italienischen Regierung gegen eine allgemeine Kapitalflucht unterlaufen.
Die Gesamtsumme der von Auslandsitalienern überwiesenen Geldtransfers — soweit sie sich überhaupt schätzen läßt — erhöhte sich nach den Berechnungen der Banca d’Italia 1947— 1960 von auf 398 und stieg bis 1971 auf 1157 Mio. US $ 34). Seit Anfang 1960 übertrafen die von den europäischen Ab-wanderem überwiesenen Beträge die Transfers der Auslandsitaliener aus den übrigen Teilen der Welt (insbesondere Nordamerika). Im Dienstleistungsverkehr mit dein Ausland nehmen die Transfers — allerdings mit deutlichem Abstand hinter den Tourismuseinnahmen — den zweitwichtigsten Aktivposten ein. Zum Ausgleich des chronischen Defizits der italienischen Handelsbilanz sind daher in erster Linie die Devisentransfers der Touristen von Bedeutung (vgl. Tabelle 10).
Ein dominierendes Gewicht erlangten die Geldtransfers aus der Bundesrepublik, die zwar 1967/68 infolge der Konjunkturkrise spürbar zurückgingen, im Durchschnitt der Jahre 1970/73 jedoch 57 % des europäischen und 38 °/o des gesamten nach Italien überwiesenen Transfervorlumens ausmachten Auch hinsichtlich der Pro-Kopf-Überweisungen italienischer Abwanderer im europäischen Ausland lag die Bundesrepublik mit Abstand vor der Schweiz an erster Stelle. Wichtigste Transferempfangsgebiete waren Sizilien mit 16%, Venetien mit 11 %, die Abruzzen und Kampanien mit je 9 % und Kalabrien mit 7 % aller nach Italien transferierten Beträge
Nach Schätzungen werden ca. 3/4 aller von Italienern im Ausland erwirtschafteten Einkommen in den jeweiligen Aufnähmeländern konsumiert bzw. investiert. Nur ungefähr der vierte Teil wird gespart und nach Italien transferiert Berücksichtigt man ferner die oben ahgedeuteten geringen Multiplikatoreffekte dieser Transfers im Investitionsbereich, so läßt sich zusammenfassend feststellen,. daß von den Transfers keine wesentlichen entwicklungsfördernden Impulse, für den Süden Italiens ausgegangen sind, die den entwicklungshemmenden Faktoren der Massenabwanderung hätten entgegenwirken können.
II. Abwanderung von Arbeitskräften aus der Türkei
Abbildung 3
Tabelle 1: Die Bevölkerungsentwicklng in Italien, der Türkei und in Jugoslawien 1950 bis 1974 (in Mio.) Quellen: Italien: Istituto Centrale di Statistica (Hg.), Le regioni in cifre, Edizione 75, Roma 1975, S. 74. Türkei: Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Länderberichte, Türkei 1972, Stuttgart 1973, S. 100; S. Paine, Exporting Workers: The Turkish Case, Cambridge 1974, S. 27,Anm. 3.Jugoslawien: SGJ-74, S.71 und 373.
Tabelle 1: Die Bevölkerungsentwicklng in Italien, der Türkei und in Jugoslawien 1950 bis 1974 (in Mio.) Quellen: Italien: Istituto Centrale di Statistica (Hg.), Le regioni in cifre, Edizione 75, Roma 1975, S. 74. Türkei: Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Länderberichte, Türkei 1972, Stuttgart 1973, S. 100; S. Paine, Exporting Workers: The Turkish Case, Cambridge 1974, S. 27,Anm. 3.Jugoslawien: SGJ-74, S.71 und 373.
1. Ausgangssituation Nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, dessen ökonomische Entwicklung in hohem Maße von ausländischen Kapitalinteressen bestimmt worden war, durchlief die Wirtschaft der türkischen Republik bisher vier Entwicklungsphasen, die von unterschiedlichen politischen Zielvorstellungen bestimmt Wurden. Die erste Phase des kemalistischen „Etatismus" (1923— 1933) war gekennzeichnet durch staatlichen Schutz und staatliche Hilfe für den Aufbau einer nationalen, aber vorwiegend privaten Industrie. Da diese Politik nicht den erhofften Erfolg zeitigte, wurde in der folgenden Phase der Schwerpunkt auf die zentrale Staatliche Wirtschaftsplanung gelegt (erster Fünfjahresplan ab 1934, zweiter ab 1938). Nach dem Zweiten Weltkrieg, in der dritten Phase von 1950— 1960, erfolgte eine totale Revision der kemalistischen Politik; jetzt wurden die Entwicklung der Landwirtschaft und der privaten Industrie gefördert und das ausländische Kapital begünstigt. Der Umsturz von 1960 setzte . dieser Phase ein Ende.
Die seitherige Wirtschaftspolitik kombiniert praktisch die Zielvorstellungen der beiden kemalistischen Phasen. Wichtigste Elemente sind die staatliche Wirtschaftslenkung und Entwicklungspolitik. Die Produktionskapazitäten sind teils in privater, teils in öffentlicher Hand. Der staatliche Sektor besteht durchweg aus Großbetrieben, auf die etwa die Hälfte der industriellen Produktion entfällt. Die Fünfjahrespläne (1963— 1967, 1968— 1972, 1973— 1977) stellen für den staatlichen Sektor verbindliche Leitlinien dar, für den privaten Sektor dagegen nur richtungweisende Empfehlungen. Allerdings blieben die Ergebnisse hinsichtlich Produktion und Beschäftigung in Industrie und Landwirtschaft bisher erheblich hinter den gesteckten Planzielen zurück, wobei der private Sektor besser abschnitt als der staatliche. Zwar sank der Anteil der im Agrarsektor Beschäftigten an der gesamten aktiven Bevölkerung von 77 % (9, 22 Mio.) im Jahre 1962 auf 66% (8, 76 Mio.) im Jahre 1971, doch stieg der Anteil der in der Industrie Beschäftigten im gleichen Zeitraum lediglich von 8% (1 Mio.) auf 11% (1, 45 Mio.) trotz der für die Türkei konstatierten „optimale(n) Bedingungen für eine industrielle Entwicklung" im Hinblick auf geographische Lage, Klimazonen und Bodenschätze Zudem ist es nicht gelungen, die regionalen Ungleichheiten abzubauen. Die Industrie ist überwiegend im nordwestlichen Landesteil angesiedelt, vor allem um Ankara und in den Küstenregionen um Istanbul, Izmir und Zonguldak. Allein in Istanbul und Umgebung befindet sich etwa ein Viertel aller Industriebetriebe und Industriearbeiter der Türkei
Angesichts des bescheidenen industriellen Wachstums einerseits und einer jährlichen Wachstumsrate der Bevölkerung von 2, 7 bis 3 % andererseits ist ein Ende der hohen Arbeitslosigkeit nicht abzusehen. Die Bevölkerung hat sich in dem Vierteljahrhundert seit 1950 verdoppelt und nimmt gegenwärtig um rund eine Million pro Jahr zu (vgl. Tabelle 1). Daher erreichte die Arbeitslosenziffer inzwischen schwindelerregende Höhen. Die offiziellen Angaben (1962: 985 000; 1967: 1, 44 Mio.; 1971: 1, 56 Mio. besagen dabei nicht sehr viel, da sie die effektiv Mio.; 1971: 1, 56 Mio. 42)) besagen dabei nicht sehr viel, da sie die effektive Arbeitslosigkeit unberücksichtigt lassen; ein großer Teil der Unterbeschäftigten, Saison-und Gelegenheitsarbeiter ist auf die Unterstützung durch Mitglieder seiner Großfamilie angewiesen. Umfassendere Schätzungen sprechen daher von 8 Mio. (und mehr) offen oder versteckt Arbeitslosen, d.
h.der Hälfte der Erwerbsfähigen im Alter von 15— 65 Jahren 43). Die unkontrollierte und statistisch nicht exakt erfaßte Binnenwanderung in die Großstädte des Westens der Türkei bewirkt weitgehend nur eine regionale Verlagerung des Problems der Arbeitslosigkeit; die Neuankömmlinge finden sich überwiegend in einer „Gecekondu", „über Nacht erbauten" Notbehausung, in den Slums am Rande der Städte wieder 44). 2. Analyse der Abwanderungsströme Die Abwanderung von Arbeitskräften ist für die Türkei ein völlig neues Phänomen. Nach den tastenden Schritten einzelner bzw. kleiner Gruppen setzte sie in größerem Umfang erst ein, nachdem 1961 ein entsprechendes Abkommen mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossen worden war. Sie ist also genauso alt wie die jetzige Planungsphase in der Türkei. Die Migration als solche war und ist zwar nicht geplant, doch wurde sie bereitwillig als ein Hilfsmittel der Wirtschaftspolitik in einem Augenblick aufgegriffen, als einerseits die Bevölkerungsexplosion und als Folge davon die steigende Arbeitslosigkeit unkontrollierbar zu werden drohten und andererseits das Zahlungsbilanzdefizit seit Beginn der sechziger Jahre immer größer und der bisher praktizierte Kapitalimport zu seinem Ausgleich stets schwieriger und problematischer wurde (wegen der Zurückhaltung der ausländischen Kapitalgeber zum einen und der Rückzahlungsverpflichtungen zum anderen). Die Überweisungen und zurückgeführten Ersparnisse der Abwanderer sollten dazu dienen, die steigenden und für die Industrialisierung notwendigen Importe zu finanzieren. Die geschätzten Deviseneinnahmen aus dieser Quelle haben daher einen festen und prominenten Platz in den türkischen Fünfjahresplänen.
Die Abwanderung türkischer Arbeitskräfte ist bisher weitgehend eine deutsch-türkische Angelegenheit geblieben Zwischen 80 und 90 % aller türkischen Arbeitnehmer im Ausland waren stets in der Bundesrepublik be-schäftigt, wo sie seit Anfang 1972 das größte Kontingent ausländischer Arbeitskräfte stellen; ihr prozentualer Anteil stieg von 22, 4 °/o im Januar 1973 auf 24% im März 1974 und 26% im März 1975 Die Stärke der jährlichen Abwanderungsströme (s. Tabelle 5) hing daher weitgehend von der Nachfrage aus und damit der konjunkturellen Lage in der Bundesrepublik sowie von den zwischenstaatlichen vertraglichen Regelungen ab. Dabei, sind drei Hauptphasen erkennbar: von der ersten deutsch-türkischen Vereinbarung im Jahre 1961 bis zum konjunkturellen Tief von 1966/67 in der Bundesrepublik; von der Inkraftsetzung des deutsch-türkischen Abkommens von 1964 (das während der Rezession liegengeblieben war) Anfang 1968 bis zum Anwerbestopp im November 1973; die seither andauernde Phase der Kontraktion.
Von den bis Ende 1971 abgewanderten 791 100 türkischen Arbeitskräften waren 520 600 offiziell entsandt worden
der Rest verließ die Türkei auf anderen legalen Wegen. Nicht eingeschlossen in der Gesamt-ziffer sind die illegalen Abwanderer. Die Schätzungen ihrer Anzahl in der Bundesrepublik schwankten für 1971 zwischen 30 000 und 100 000 Im September 1971 standen außerdem mehr als 1 2 Mio. Bewerber um einen Arbeitsplatz in der Bundesrepublik auf den offiziellen türkischen Wartelisten. Facharbeiter mußten dabei mit einer durchschnittlichen Wartezeit von zwei Jahren, ungelernte Arbeitskräfte von bis zu sieben Jahren rechnen Die Zahl der Bewerber dürfte im Augenblick eher steigen als sinken, über die Rückwanderung gibt es keine verläßlichen Statistiken, doch wurde die Anzahl der Rückwanderer, die bis zu 11 Jahren im Ausland gewesen waren, Ende 1972 auf 210 000 geschätzt
Entgegen einer immer noch häufig vertretenen Ansicht 50a) kommt die Mehrheit der abwandernden türkischen Arbeitskräfte weder aus den am wenigsten entwickelten Regionen der Türkei noch rekrutieren sich die Abwanderer vorwiegend aus dem Heer der Arbeitslosen;
sie kommen vielmehr zu über 70 % aus den Bezirken, in denen die Industriezentren des Landes liegen (s. Tabelle 8), und die große Mehrheit hatte vor der Ausreise einen festen Arbeitsplatz: In der Repräsentativauswahl einer soziologischen Untersuchung waren das 82 % einer anderen Erhebung zufolge verließ nur einer von neun Abwanderern die Türkei, weil er arbeitslos oder mit seiner ausgeübten Tätigkeit unzufrieden war. Das Hauptmotiv der übrigen acht waren die im Verhältnis zur Türkei um ein Vielfaches höheren Realeinkommen in Westeuropa obgleich die Hauptmasse der Abwanderer gerade den mittleren türkischen Verdienstklassen zuzurechnen ist. Die distributiven Effekte der Migration sind daher negativ, d. h. Einkommensdisparitäten werden nicht ausgeglichen, sondern noch verstärkt Auch die regionalen Ungleichheiten werden akzentuiert, weil die Mehrzahl der Abwanderer aus Groß-und Kleinstädten kommt und sich ein noch größerer Teil nach der Rückwanderung in Städten niederlassen möchte.
Auch wenn man zumindest für einen Teil der Abwanderer aus der Marmara-Region eine der Abwanderung vorausgegangene Binnen-wanderung in Rechnung stellt, werden die Aussagen zur regionalen Herkunft und zum Arbeitsverhältnis der Abwanderer durch ihre Qualifikationsstruktur noch unterstrichen. Da die Migration nicht in erster Linie von der individuellen Motivation, sondern vor allem von der konjunkturell bedingten Nachfrage nach Arbeitskräften in der Bundesrepublik und der entsprechenden Auswahl durch die deutsche Vermittlungsbehörde abhängt, ergibt sich, daß die Abwanderer überwiegend nicht nur im besten arbeitsfähigen Alter stehen (Durchschnitt 29 Jahre sondern auch, was Schulbildung und berufliche Qualifikation anbelangt, den Arbeitskräften in der Türkei weit überlegen sind.
Nur 44 % der letzteren, aber 80 % der Abwanderer haben eine abgeschlossen Schulausbildung; 46 % der Arbeitskräfte in der Türkei, aber nur 5, 6 °/o der Abwanderer sind Analphabeten Entsprechend besteht nur etwa die Hälfte der Abwanderer aus ungelernten Arbeitern. 1971 waren 46, 3 0/0 der von der Deutschen Verbindungsstelle in Instanbul vermittelten türkischen Arbeitskräfte nach deren Bewertungskriterien beruflich qualifiziert, 1973 aufgrund der veränderten Nachfrage allerdings nur noch 29, 7 0/0 Von den in einer Repräsentativuntersuchung erfaßten Abwanderern waren nach türkischen Standards sogar 0/0 Facharbeiter 58). Die Türken weisen jedenfalls von allen ausländischen Arbeitnehmern in der Bundesrepublik das höchste berufliche Qualifikationsniveau auf Sie sind hier überwiegend in der Eisen-und Metallindustrie (41 °/o) sowie im verarbeitenden Gewerbe (26 °/o) beschäftigt 3. ökonomische Effekte Der unmittelbare ökonomische Nutzeffekt der Abwanderung wurde und wird in der Ventil-funktion für den Arbeitsmarkt, vor allem aber in den Deviseneinnnahmen durch die Geld-transfers der türkischen Arbeitskräfte im Ausland gesehen. 1971 konnte dadurch das Handelsbilanzdefizit nahezu kompensiert, 1973 sogar beträchtlich überkompensiert werden (s. Tabelle 10). Die Überweisungen der türkischen Arbeitnehmer in Deutschland nahmen auch nach dem Anwerbestopp vom November 1973 weiter zu Dabei transferieren sie nicht viel mehr als die Hälfte ihrer Ersparnisse auf dem Bank-oder Postweg; den Rest bringen sie selbst nach Hause
Die Überweisungen der Abwanderer wurden schon bald zum wichtigsten Posten der türkisehen Devisenbilanz. Die Einnahmen aus dem Tourismus waren demgegenüber bis 1970 völlig irrelevant, in manchen Jahren gar defizitär. Erst seit 1971 ist hier ein Aufschwung zu verzeichnen
Im türkischen Fall wird mit den Devisentransfers der Abwanderer keineswegs nur der u. U. steigende Import von Konsumgütern finanziert, der auf einer durch die Überweisungen induzierten erhöhten Nachfrage beruhen könnte 63a). In den Jahren 1968— 1970 machten die Investitionsgüter vielmehr 31, 6% des Gesamtwerts der türkischen Importe aus, die Rohstoffe 56, 3 % und die Konsumgüter nur 12, 1 %. In den Jahren 1964— 1967 waren die Relationen ähnlich Das Staatliche Statistische Institut bezifferte den Anteil der Konsumgüter am Gesamtimport seit 1963 sogar auf nur rund 5% In der Türkei werden mit den zurückgeführten Ersparnissen der Ab-wanderer vorwiegend Landesprodukte gekauft, was vor allem auf die staatliche Import-kontrolle zurückzuführen ist
Wegen dieser positiven Effekte für die Devisenbilanz ergriff die türkische Regierung schon früh Maßnahmen, um zu verhindern, daß Ersparnisse der Abwanderer auf den Schwarzmarkt gelangten. So wurde 1964 für die türkischen Arbeitskräfte im Ausland u. a. ein Bonus von 27 % auf den offiziellen Wechselkurs eingeführt Die Abwertung des türkischen Pfundes von 1970 ist partiell im gleichen Zusammenhang zu sehen Unter diesem Aspekt muß es der türkischen Regierung daher als Vorteil erscheinen, wenn die verheirateten Abwanderer ihre Familienangehörigen zu Hause zurücklassen, weil sonst der tägliche Konsum im Anwerbeland stattfindet und die Überweisungsrate sinkt. Den gleichen negativen Effekt auf die Transfers haben ein sehr langer Auslandsaufenthalt oder gar die permanente Emigration.
Doch wäre es kurzsichtig, wegen dieses partiellen Vorteils vielleicht schwerwiegendere negative Folgen der Abwanderung für die ökonomische Entwicklung der Türkei zu übersehen. So ist zu fragen, ob der bei der beschriebenen Qualifikationsstruktur der Ab-wanderer als industrieller brain-drain zu bezeichnende Wanderungsverlust angesichts des Bemühens der Türkei, im Hinblick auf die angestrebte EG-Mitgliedschaft eine im europäischen Rahmen konkurrenzfähige industrielle Produktion in Gang zu bringen, nicht verhängnisvolle Konsequenzen haben muß. Zwar kamen spezielle Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß die Abwanderung von qualifizierten Arbeitskräften bisher nur zu kurzfristigen, lokalen und partiellen, jedoch zu keinen generellen und schwerwiegenden Produktionsengpässen oder gar -Verlusten geführt hat, vor allem deshalb, weil die freigewordenen Stellen meist mühelos mit Rückwanderern und aus dem vorhandenen Arbeitskräfte-angebot besetzt werden konnten Es wurde auch festgestellt, daß die verarbeitende Industrie und das Baugewerbe, die besonders von der Abwanderung von Fachkräften betroffen wurden, seit Beginn der Migration ein schnelleres Wachstum zeigten als zuvor und daß sich der Wertzuwachs pro Arbeiter und Jahr in diesen Bereichen nicht verringerte Doch spricht man andererseits oft von einem generellen, einschneidenden Mangel an Fachkräften in der Türkei Langfristig werden sich negative Auswirkungen auf die Industrialisierung und das Wirtschaftswachstum jedenfalls nur dann in Grenzen halten lassen, wenn die türkische Regierung versucht, auf der Basis verläßlicher Daten die Migration in den Griff zu bekommen, d. h. eine Migrationspolitik zu formulieren und durchzusetzen sowie Entwicklungsstrategien zu entwerfen, deren Ziel es vor allem sein müßte, die Rückwanderer ihren potentiell neuen bzw. verbesserten Fähigkeiten entsprechend gezielt für den Wirtschaftsaufbau einzusetzen. Dieser Weg wurde bisher aber erst in Ansätzen beschritten
Die Migration ist also nicht zu dem oft beschworenen 72a) wichtigen Instrument der Entwicklungspolitik geworden. Zwar wurde errechnet, daß die Ausbildung eines türkischen Industriearbeiters in der Bundesrepublik in einem Fünftel bis einem Sechstel der Zeit erfolgen kann, die dafür in der Türkei erforderlich ist. Entsprechend niedriger sind in der Bundesrepublik auch die Produktionsverluste während der Lemperiode Auch sind die generellen (Vertrautwerden mit der industriellen Arbeitswelt etc.) und die speziellen Qualifizierungseffekte der Abwanderung unbestreitbar wenn auch keineswegs so bedeutend, wie sie sein könnten. Doch ist allgemein bekannt, daß die überwiegende Mehrzahl der Rückwanderer nicht in die türkische Industrie zurückkehren oder erstmals in diesem Sektor eine Arbeit aufnehmen möchte, sondern nach einer selbständigen Tätigkeit im Kleinhandel, im Kleingewerbe, im Dienstleistungssektor oder in der Landwirtschaft strebt. Selbst von den Rückwanderern, die es in die Städte zog (fast zwei Drittel), wollte nach Befragungen von 1968 und 1969 nur ein kleiner Teil (zwischen sechs und sieben Prozent) Lohnarbeit verrichten Fabrikarbeit ist noch immer mit einem sehr geringen Sozialprestige verbunden
Eine türkische Soziologin charakterisierte die Abwanderer aufgrund ihrer Beschäftigungsziele nach der Rückkehr daher als „pseudoouvriers", „proletaire-bourgeois", „travailleur-patrons" Partiell ist dieses Phänomen erklärbar vor dem Hintergrund der absteigenden sozialen Mobilität, welche die Arbeitsauf_ nähme in Westeuropa unter dem vorrangigen Aspekt des Geldverdienens für viele Abwan-derer bedeutet hat Für die meisten Rückwanderer sind die o. g. Tätigkeitswünsche freilich gar nicht oder nur für kurze Zeit erfüllbar Oft werden sie nach deprimierenden und finanziell verlustreichen Erfahrungen mit einer selbständigen Tätigkeit gezwungen, Lohnarbeit anzunehmen — sofern es ihnen überhaupt gelingt, eine Stelle zu finden — oder ihr Glück erneut im Ausland zu versuchen. Ebenso unbedeutend wie die technisch-industriellen Lerneffekte ist bisher auch der Investitionseffekt geblieben. Die Entbehrungen der Migration werden ja allein um persönlicher Ziele willen, die mit Hilfe der Ersparnisse verwirklicht werden sollen, ertragen. Neben der Unterstützung zurückgebliebener Angehöriger, der Rückzahlung von Schulden und dem Erwerb von Konsumgütern dienen die Überweisungen und zurückgeführten Ersparnisse vor allem dem Bau oder Kauf von Häusern und Wohnungen, dem Kauf von Land, Vieh und landwirtschaftlichen Geräten, der Eröffnung kleiner Läden und Handwerksbetriebe sowie dem Kauf von Autos. Wesentliche Industrialisierungsimpulse waren und sind von ihnen also gar nicht zu erwarten, solange nicht individuelle und gesamtgesellschaftliche Interessen wenigstens in Teilbereichen zur Deckung gebracht werden können
In diesem Zusammenhang wurden und werden große Hoffnungen, sowohl was die Nutzbarmachung des Know-hows der Rückwanderer als auch was den Einsatz ihrer Ersparnisse für die Industrialisierung des Landes betrifft, in die türkischen Arbeitnehmergesellschaften in der Bundesrepublik gesetzt
Mit dem Ziel, durch Einbringung eines Teils der Ersparnisse vor allem in Aktiengesell-schäften zur Realisierung von Projekten, die den Beteiligten nach der Rückkehr in erster Linie sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze bieten sollen, schossen derartige Gesellschaften und Projekte besonders in den Jahren 1966— 1970 wie Pilze aus dem Boden. Die meisten dieser Unternehmungen scheiterten jedoch bereits bei der Kapitalbeschaffung, ein weiterer großer Teil in der Aufbauphase. ISO-PLAN konnte 1973 nur 13 realisierte Projekte von elf Gesellschaften orten, von denen aber auch nicht alle als wirtschaftlich erfolgreich eingestuft wurden. Zudem zeigte sich, daß die realisierten Projekte wiederum in der Westtürkei (vor allem in der Marmara-Region) angesiedelt sind und somit auch sie zur Verstärkung der regionalen Ungleichheiten beitragen. Bemühungen der türkischen Regierung, die Abwanderer zur Investition in landwirtschaftliche und andere Kooperativen zu ermutigen, müssen als vorerst gescheitert angesehen werden Neueren, durch diese negativen Erfahrungen geförderten Bestrebungen, die Arbeitskräfte im Ausland anzuhalten, Anteile an der staatlichen Industrie in der Türkei zu erwerben, dürfte kein allzu großer Erfolg be-schieden sein. Erstens kommen diese Bestrebungen nicht dem Unabhängigkeits-und Selbständigkeitsdrang entgegen und zweitens würden auf diese Weise ja nicht unmittelbar Arbeitsplätze für die Investoren geschaffen Kurzfristig scheint eine planmäßige und tatkräftige Hilfestellung der türkischen Regierung durch die Schaffung von Entfaltungsmöglichkeiten sowohl für individuelle Rückwanderer als auch für Arbeitnehmergesellschaften die größere Chance zu bieten, die verbesserten technisch-industriellen Fähigkeiten und die Ersparnisse der türkischen Arbeitnehmer im Ausland in produktive Bahnen zu lenken.
Die Abwanderung kann also nur dann als ein bedeutsames entwicklungspolitisches Instrument angesehen werden, wenn man, wie die türkische Regierung, die unmittelbaren Nutzeffekte und den Anstieg der Investitionsrate im staatlichen Sektor im Vordergrund sieht Die Bewertung der Migrationspolitik fällt aber negativ aus, wenn man in Rechnung stellt, daß die türkische Regierung die gebotenen Möglichkeiten bisher nicht oder nur unvollkommen genutzt hat und daß die Abwanderung von Arbeitskräften, selbst wenn man sie als eine vorübergehende Erscheinung deklariert, dazu beiträgt, daß die erforderliche Lösung der sozio-ökonomischen Probleme des Landes (z. B. auf dem Agrarsektor) als nicht so dringlich erscheint, wie sie in Wirklichkeit ist Die türkische Regierung jedenfalls sieht im Augenblick und für die nahe Zukunft keine Alternative zur Entsendepolitik. Die Erfüllung des dritten Fünfjahresplans hängt in nicht unbeträchtlichem Maße von ihr ab.
III. Abwanderung von Arbeitskräften aus Jugoslawien
Abbildung 4
Tabelle 2: Die Arbeitslosenquoten seit 1962 (in %) Quellen: Italien: Annuario di Statistiche del Lavoro, Vol. XIV, Roma 1973, S. 29; G. Andreotti, E. Colombo, Relazione generale sulla situazione economica del paese presentata al parlamento, Roma 1975, S. 44. Türkei: eigene Berechnungen nach: S. Paine, a. a. O., S. 34. Jugoslawien: Savezni komitet za rad i zaposlja- vanje, a. a. O., tabela 2, str. 2.
Tabelle 2: Die Arbeitslosenquoten seit 1962 (in %) Quellen: Italien: Annuario di Statistiche del Lavoro, Vol. XIV, Roma 1973, S. 29; G. Andreotti, E. Colombo, Relazione generale sulla situazione economica del paese presentata al parlamento, Roma 1975, S. 44. Türkei: eigene Berechnungen nach: S. Paine, a. a. O., S. 34. Jugoslawien: Savezni komitet za rad i zaposlja- vanje, a. a. O., tabela 2, str. 2.
1. Ausgangssituation Nach der Gründung des „Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen" im Jahre 1918, das später in „Königreich Jugoslawien" umbenannt wurde, stellte die Machteroberung durch die jugoslawischen Kommunisten im Jahre 1945 das zweite einschneidende Datum der jüngsten Geschichte der jugoslawischen Nationen dar. Die KPJ begann sofort nach Machtantritt eine Wirtschafts-und Indu-
striealisierungspolitik, die sich sehr eng an das sowjetische Vorbild anlehnte Die nach dem Bruch mit der Sowjetunion notwendig gewordene Neuorientierung äußerte sich ideologisch-politisch in der Proklamierung der Arbeiterselbstverwaltung im Jahre 1950 sowie zwei Jahre später in der Umbenennung
der „Kommunistischen Partei Jugoslawiens" in „Bund der Kommunisten Jugoslawiens" wirtschaftspolitisch aber in der Beseitigung der rigorosen zentralen Planung und der Einführung einer „zentralen Rahmenplanung" in der ersten Hälfte der 50er Jahre, die nach einer Zwischenstufe 1961 im Juli 1965 mit der Einführung der „sozialistischen Marktwirtschaft" endete Die konsequente Betonung von Marktprinzipien zog nicht zuletzt auch eine Neubewertung des Faktors Arbeit nach sich.
In den zwanzig Jahren zwischen der Machteroberung und der Durchführung dieser Wirtschaftsreform erlebte Jugoslawien eine weitgehende Veränderung der Sozial-und Wirtschaftsstruktur. Der von der Landwirtschaft abhängige Bevölkerungsanteil fiel zwischen den Volkszählungen von 1948 und 1971 von 67, 2 auf 38, 2 0/0 Parallel dazu fiel der Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts von 1947 bis 1973 von 42, 6 auf 19, 5 °/o, während der der Industrie von 18, 0 auf 38, 5% anstieg Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Dienstleistungssektor noch größere Steigerungsraten aufwies. So pendelte die Anzahl der im Primärsektor Beschäftigten von 1958 bis 1973 im wesentlichen um 375 000, während diejenige im sekundären von ca. 1, 5 Mio. auf 2, 2 Mio., die im tertiären Sektor dagegen von 0, 7 Mio. auf 1, 7 Mio. anstieg Stetig verlief diese Strukturveränderung indes nicht, weil es auch in Jugoslawien Entwicklungsphasen gab, die durchaus im Sinne von Konjunkturzyklen interpretiert werden können, d. h. Phasen stärkeren und geringeren Wachstums, die sich auch in der Beschäftigungspolitik niederschlugen
Den erzielten Strukturveränderungen standen teilweise erhebliche regionale Ungleichheiten gegenüber. Zwar stiegen die durchschnittlichen persönlichen Einkommen von 1952 bis 1973 von 92 auf 1 938 Din. und wiesen damit eine Steigerung von 2 106% auf, wobei freilich die Realeinkommen um lediglich 282 % wuchsen Doch waren die Republiken bzw. autonomen Provinzen an der Entstehung des gesellschaftlichen Gesamtprodukts höchst unterschiedlich beteiligt. Es ist allen Bemühungen zum Trotz nicht gelungen, den Anteil der unterentwickelten Regionen an der Entstehung des Gesamtprodukts entscheidend zu erhöhen Dies wird durch die Entwicklung der persönlichen Einkommen im Zeitraum 1963 bis 1973 bestätigt. Lediglich die beiden entwickelten Republiken Kroatien und Slowenien lagen sowohl 1963 als auch 1973 über dem jugoslawischen Durchschnitt; alle anderen Republiken lagen darunter, wobei sich ihre Situation teilweise sogar verschlechtert hatte Es ist offensichtlich, daß solche regionalen Ungleichheiten sich auch auf die Arbeitslosenquoten auswirken müssen. Obwohl die Anzahl der Beschäftigten seit 1947 fast stetig gestiegen ist und obwohl selbst nach der Wirtschaftsreform von 1965 die Beschäftigungsquote gesteigert werden konnte, gelang es doch nicht, alle Arbeitswilligen zu beschäftigen. Die seit 1956 regelmäßig ausgewiesenen Arbeitslosenquoten sind nämlich ebenfalls gestiegen, wobei wiederum die unterentwickelten Regionen die größten Steigerungsraten aufwiesen (vgl. Tabelle 2) Ob-wohl die Situation durch verstärkte Binnen-wanderung hätte gemildert werden können, wird von der Möglichkeit der Beschäftigung etwa in Slowenien, wo auf einen Arbeitslosen zwei bis drei offene Arbeitsplätze kommen, nur wenig Gebrauch gemacht während in Kosovo bzw. Mazedonien gleichzeitig auf eine offene Arbeitsstelle 24, 6 bzw. 16, 1 Arbeitslose entfallen Doch selbst eine intensive Binnenwanderung hätte nicht allen Arbeitswilligen zur Beschäftigung verhelfen können. Die Abwanderung zur Arbeit ins Ausland war daher geradezu unvermeidlich geworden. 2.
Analyse der Abwanderungsströme Jugoslawische Abwanderer gab es in Europa allerdings nicht erst nach dem Beginn der massiven Arbeitslosigkeit, d. h. nach der Wirtschaftsreform von 1965, die gleichsam die politische Kapitulation vor dem Beschäftigungsproblem darstellte. Während es aber nach 1965 vom System her ermöglicht wurde, daß jugoslawische Arbeiter ins Ausland abwanderten, obwohl die Abwanderung bewußt noch nicht gefördert wurde, galt es vor 1965 geradezu als Verrat am Sozialismus, außerhalb Jugoslawiens eine Beschäftigungsmöglichkeit zu suchen Es ist unmöglich, die genaue Anzahl aller jugoslawischen Abwanderer in Westeuropa festzustellen, weil es keine exakten Statistiken gibt. Denn weder wurden von Anfang an alle Abwanderer erfaßt,
noch kann die teilweise auch jetzt praktizierte „illegale Abwanderung" kalkuliert werden. Die zugänglichen Daten weisen dennoch eindeutig darauf hin, daß die Bundesrepublik von Anfang an das wichtigste Zielland der jugoslawischen Abwanderer War und daß zwei weitere europäische Staaten — Österreich und Frankreich — als Zielländer bedeutend sind. Zeitweilig waren mehr als zwei Drittel aller jugoslawischen Abwanderer in der Bundesrepublik beschäftigt; in der Zwischenzeit ist dieser Anteil gesunken, er beträgt aber immer noch mehr als 50 °/o. 1974 arbeiteten in den drei wichtigsten Zielländern fast 88 % aller jugoslawischen Abwanderer (vgl. Tabellen 3 und 4). Ebenso ist es unmöglich, die Verteilung der Abwanderer auf die Anwerbeländer sowie ihre Herkunft nach Republiken/autonomen Provinzen in Jugoslawien anzugeben. Hierzu gibt es lediglich einige Daten für die seit 1970 vom jugoslawischen „Bundesamt für Beschäftigung" offiziell vermittelten Arbeitskräfte. Aus ihnen geht der absolute Vorrang der Bundesrepublik als Anwerbeland für die jugoslawischen Abwanderer hervor — und deshalb indirekt auch der Schock, der Jugoslawien getroffen haben muß, als in der Bundesrepublik der Anwerbestopp verkündet wurde (vgl. Tabelle 3). Während in der Anfangszeit das Gros der jugoslawischen Abwanderer aus den beiden entwickelten Republiken Kroatien und Slowenien stammte, so daß die Kroaten und Slowenen unter den Abwanderern heute noch die stärkste Gruppe bilden weisen die Daten des Bundesamtes für Beschäftigung für den Zeitraum 1970 bis 1974 auf einen innerjugoslawischen Ausgleich hin, d. h. auf die wenigstens teilweise Verwirklichung der Bestrebung, Arbeiter vornehmlich aus den unterentwickelten südlichen Regionen abwandern zu lassen. Die Verteilung der — wenigen — Ab-wanderer nach Beginn des Anwerbestopps freilich zeigte, daß die Anwerbeländer aufgrund ihrer Einwirkungsmöglichkeiten während des Vermittlungsprozesses auf die Zusammensetzung der Abwanderer größeren Einfluß haben als die Abgabeländer. Infolge ihres Bedarfs und ihrer dadurch bedingten Nachfrage nach qualifizierteren Arbeitern war der Anteil der besser ausgebildeten Ab-wanderer aus den beiden entwickelten Republiken Kroatien und Slowenien im Jahre 1974 erheblich höher als in den Jahren zuvor (vgl. Tabelle 9).
Noch ungenauer als diese Daten sind die Angaben über die Rückkehrer, weil die jugoslawischen Statistiken nur solche Rückkehrer ausweisen, die sich zwecks Arbeitsaufnahme bei den Ämtern für Beschäftigung registrieren lassen. So kommt es, daß für 1974 nur 14 000 Rückkehrer angegeben werden, obwohl mindestens 50 000 allein aus der Bundesrepublik Deutschland nach Jugoslawien zurückgekehrt sind (vgl. Tabelle 4)
Dennoch lassen die zugänglichen Zahlen über die Abwanderungs-und Rückkehrquoten auf Abwanderungsphasen schließen. Der Phase eines langsamen Anstiegs der Abwandererzahlen bis zur Wirtschaftsreform von 1965 folgen zwei Jahre einer beschleunigten Zunahme. Einem Zwischentief — im wesentlichen durch die Rezession in der Bundesrepublik bedingt — folgt eine dritte Phase mit einer extrem schnellen Zunahme der jugoslawischen Abwanderer in Westeuropa, besonders in der Bundesrepublik. Diese Phase endet mit dem Beginn der jüngsten Rezessionsperiode. Zwischen beiden Rezessionsperioden aber gibt es für Jugoslawien einen wichtigen Unterschied: die Rezession der 70er Jahre führte zu einer plötzlichen Steigerung der Rückkehrer, die der 60er Jahre zu einer erheblich schwächeren. Gleichzeitig fiel die Anzahl der jugoslawischen Abwanderer in der Bundesrepublik 1966/67 nur geringfügig, während sie in Europa insgesamt fast konstant blieb. Im Verlauf der jüngsten Rezessionsphase dagegen nahmen beide Größen stark ab (vgl. Tabellen 3 und 4). Das heißt, daß der ökonomische Druck, der zur Abwanderung veranlaßte, 1966/67 in Jugoslawien selbst schwerer wog als die zu erwartende Unsicherheit des Arbeitsplatzes infolge der Rezession in der Bundesrepublik, weshalb jeder Rückkehrer durch einen neuen Abwanderer abgelöst wurde. Dagegen hat die jüngste Rezessionsperiode die westeuropäischen Industriestaaten so schwer getroffen, daß Jugoslawien keine Möglichkeit gelassen wird, seine Beschäftigungsprobleme zu exportieren.
Die Beschäftigung der Abwanderer in Leicht-lohngruppen bzw. in Berufen mit geringem sozialen Prestige entspricht — anders als bei den türkischen Abwanderern — der Qualifikationsstruktur te Arbeiter, während diese Gruppe lediglich 24, 4 °/o der im gesellschaftlichen Sektor Beschäftigten in Jugoslawien ausmacht. Umgekehrt zeigen die Daten für 1974, daß es, je höher das Qualifikationsniveau ist, für den Abwanderungswilligen um so leichter ist, im Ausland auch unter ungünstigen wirtschaftlichen Gesamtbedingungen einen Arbeitsplatz zu finden 3. Ökonomische Effekte Abgesehen vom Abbau der Arbeitslosigkeit werden auch auf jugoslawischer Seite selbst noch in jüngster Zeit die Geldtransfers der Abwanderer als ein sehr wichtiger Aspekt der Beschäftigung im Ausland angesehen Tatsächlich haben die Überweisungen der Abwanderer einen erheblichen Einfluß auf die Dienstleistungsbilanz. Devisentransfers in Höhe von 1, 7 Mrd. Din. im Jahre 1967 standen 1972 17, 9 Mrd. Din. gegenüber. Während die Geldtransfers der Abwanderer 1967 67 °/o der Devisentransfers insgesamt ausmachten — für die vorhergehenden Jahre weisen die jugoslawischen Statistiken lediglich die Summe aller Devisentransfers aus, machen also keine speziellen Angaben über die Geldtransfers der Ab-wanderer —, waren sie 1972 bereits auf 84 0/0 der Gesamtdevisentransfers gestiegen. Trotz dieser Bedeutung der Geldtransfers der Ab-wanderer war Jugoslawien in der Periode 1967— 1972 lediglich 1972 imstande, das Handelsbilanzdefizit durch die Devisentransfers der Abwanderer auszugleichen (vgl. Tabelle 10) Dafür aber waren in hohem Maße Importrestriktionen sowie eine unerwartete Steigerung der Exporte verantwortlich In der zweiten Hälfte der 60er Jahre waren die jugoslawischen Importe sprunghaft angestiegen, während es nicht gelang, den Export auch nur annähernd gleich zu steigern, so daß sich innerhalb von lediglich fünf Jahren der Negativsaldo der Handelsbilanz von ca. 8 Mrd. Din. auf 24 Mrd. Din. verdreifachte. Dies aber waren Größenordnungen, die nicht einmal durch die zusätzlichen Deviseneinnahmen von ausländischen Touristen ausgeglichen werden konnten— von 1972 abgesehen, als es sogar gelang, einen Uberschuß von fast 9 Mrd. Din. zu erwirtschaften.
Parallel dazu fiel die relative Bedeutung der Touristentransfers. Während sie 1967 bis 1969 noch deutlich über den Abwanderertransfers gelegen hatte, betrugen sie 1972 nur noch knapp die Hälfte dieser Transfers (vgl. Tabelle 10). Sollte freilich der Anwerbestopp in Westeuropa noch über längere Zeit beibehalten werden, ist es zumindest denkbar, daß den Touristentransfers angesichts der sinkenden Anzahl der jugoslawischen Abwanderer wieder größere Bedeutung zukommt als den Devisentransfers der Ab-wanderer. Abgesehen von der nicht vollständigen Dek-
kung des Handelsbilanzdefizits durch die Geldtransfers der Abwanderer könnten diese für Jugoslawien dennoch einen langfristig positiven Effekt gehabt haben, wenn ein bedeutender Teil dieser Transfers für Investitionszwecke genutzt worden wäre. Gerade das aber war nicht der Fall. So ist es nicht gelungen, bei der Verfünffachung des Imports den relativen Anteil von zu kurz-oder längerfristigem Konsum bestimmten Gütern zu senken Ein bedeutender Teil der Devisen-transfers der Abwanderer wurde vielmehr konsumiert und damit nicht produktiv genutzt. Dabei aber ist zusätzlich zu berücksichtigen, daß ein nennenswerter Teil der AbWanderer seine Ersparnisse unmittelbar im Ausland anlegt oder aber diese im Ausland für kurz-oder mittelfristigen Konsum verwendet. Folgende Daten dürften die Einkommensverwendung der jugoslawischen Abwanderer charakterisieren: Die Einfuhr von Landwirtschaftsmaschinen hat seit Beginn der Abwanderung, also seit Beginn der 60er Jahre, absolut und relativ zugenommen, wobei es 1968/69 wohl infolge der durch die Rezession besonders in der Bundesrepublik bedingten Verunsicherung der jugoslawischen Abwanderer keine Zunahme gab Noch signifikanter ist die seit 1965 statistisch ausgewiesene Anzahl von im Privatbesitz befindlichen Kraftfahrzeugen. Die Anzahl von Traktoren in privater Hand stieg von 1965 bis 1973 von ca.
11 000 auf mehr als 125 000 an-, bei Personen-kraftwagen von 160 000 auf mehr als eine Million; bei Lastkraftwagen von mehr als 10 000 auf 36 000
Sofern es dabei darum geht, eine wirtschaftliche Existenz zu gründen, dienen die Einkommensverwendungen zur Mechanisierung kleiner Landwirtschaftsbetriebe bzw. zur Schaffung kleinerer Dienstleistungsunternehmen, wozu auch der Kauf von Werkzeugen und Einrichtungen für Kleinbetriebe gehört Während aber die Mechanisierung der Landwirtschaft wirtschaftlich noch als rational bezeichnet werden kann, weil sie zur Erhöhung der Agrarproduktion führen kann, ist die Rationalität der Gründung von kleineren Dienstleistungsunternehmen angesichts ihrer Anhäufung in den Großstädten bzw. in ihrer unmittelbaren Umgebung mehr als zweifelhaft, weil in manchen Dienstleistungsbereichen mittlerweile ein Überangebot besteht. In jüngster Zeit gehen einige Abwanderer nach ihrer Rückkehr noch einen Schritt weiter. Infolge ihres Auslandsaufenthaltes kapitalkräftig geworden, benutzen sie Landwirtschaftsmaschinen nicht nur für die Bearbeitung eigener Felder, sondern leihen sie auch aus und bereichern sich damit auf Kosten anderer Bauern bzw. nehmen sogar fremde Dienstleistungen in Anspruch, was sich von einem von den Kommunisten kritisierten Ausbeutungsverhältnis kaum noch unterscheidet Der weitaus größte Teil der Geldtransfers der Ab-wanderer dürfte jedoch für den Haus-bzw. Wohnungsbau ausgegeben werden. 1960 wur-den fast 36 000 Wohnungen im gesellschaftlichen, 40 000 im Privatsektor gebaut. 1973 war das Verhältnis 45 000 zu 90 000 Die Ungleichgewichtigkeit wird noch deutlicher, wenn die Wohnungsgrößen verglichen werden. Von den 1973 im gesellschaftlichen Sektor gebauten Wohnungen waren 20 °/o Drei-und nur 2°/o Vier-Zimmer-Wohnungen bzw. größer; von den im Privatbesitz gebauten dagegen 28 °/o Drei-und sogar 11 % Vier-Zimmer-Wohnungen bzw. größer
Durch die Abwanderung verliert Jugoslawien einen bedeutenden Teil der Altersschicht zwischen 20 und 45 Jahren Angesichts der hohen Arbeitslosenquoten in Jugoslawien ist anzunehmen, daß die jugoslawischen Abwanderer ihren Aufenthalt im Ausland eher verlängern als beenden möchten. Das aber heißt, daß Jugoslawien auf absehbare Zeit einerseits auf den Einsatz dieser Arbeitskräfte verzichten, andererseits aber mit der — u. U. plötzlichen — Rückkehr einer großen Anzahl von Abwanderern rechnen muß. Obwohl Jugoslawien durch die Abwanderung von Arbeitskräften kurzfristig gewiß manchen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt aus dem Weg gehen konnte, wobei es freilich den Anwerbeländern bedeutendes „human Capital" zur Verfügung stellte droht die jüngste Rezessionsphase auf die jugoslawische Abwanderung erheblich einzuwirken und dadurch die Inkonsequenz des Ansatzes — Lösung der Beschäftigungsprobleme durch Ermöglichung der Abwanderung ins Ausland — mehr als deutlich unter Beweis zu stellen. 4. Politische Implikationen der Abwanderung Weil Jugoslawien seinem Anspruch nach ein sozialistisches Land ist und weil sich die jugoslawischen Kommunisten infolgedessen selbst nach der Vereinbarkeit der Abwanderung von Arbeitskräften ins kapitalistische Ausland mit dem eigenen sozialistischen Anspruch fragen müßten, muß hier für Jugoslawien speziell nach den politischen Implikationen der Abwanderung jugoslawischer Arbeitskräfte nach Westeuropa gefragt, werden. Diese Fragestellung wiegt um so schwerer, als die Klassiker des Marxismus wiederholt auf die Probleme der Abwanderung von Arbeitskräften hingewiesen haben, aus denen eigentlich notwendig die Systemunvereinbarkeit von sozialistischem Anspruch und Abwanderung von Arbeitskräften folgt Gerade deshalb aber vermeiden es die jugoslawischen Politiker und Ideologen geflissentlich, in diesem Fall die Klassiker zu zitieren.
Daher ist es kein Zufall, daß die politische Führung nicht zuerst dieser Frage nachging. Vielmehr wurde, nachdem 1965 die Abwanderung ermöglicht worden war, versucht, durch Vereinbarungen mit den wichtigsten Zielländern den wirtschaftlichen und sozialen Status der Abwanderer zu sichern. Dabei gelang es Jugoslawien nicht, unmittelbar nach Beginn der massiven Abwanderung mit dem wichtigsten Zielland, der Bundesrepublik, ein entsprechendes Abkommen zu schließen; vielmehr bedurfte es erst der Überwindung der Rezession von 1966/67 und der Wiederanknüpfung der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten im Januar 1968, damit im Oktober desselben Jahres ein Abwanderungsabkommen unterzeichnet werden konnte, das im Februar 1969 in Kraft trat
1965 bereits waren solche Abkommen mit Österreich und Frankreich, 1966 mit Schweden, 1970 mit den Benelux-Staaten geschlossen worden
Nicht minder wichtig als die Regelung der Abwanderungs-und Beschäftigungsverfahren sowie sozialer Probleme der Abwanderer dürfte für die jugoslawischen Politiker die Möglichkeit der politischen Beeinflussung der Abwanderer im Ausland gewesen sein. Denn entgegen vereinzelten — selbst in Jugoslawien kaum abgenommenen — Behauptungen, daß die jugoslawischen Abwanderer in Westeuropa einen revolutionären Kern darstellen sind sie eher durch eine Politisierung von rechts durch die politische jugoslawische Emigration bzw. von links durch die „neue Linke"
in Europa bedroht. Die jugoslawischen Stellen selbst sind sich durchaus bewußt, daß die Politisierungsintentionen von Erfolg gekrönt werden könnten weshalb sie z. B. eigene Betreuungszentren für die Ab-wanderer einrichten
Nachdem nicht mehr zu übersehen war, daß jugoslawische AbWanderer zu Hunderttausenden im Ausland beschäftigt waren, konnte das politisch bedingte Schweigen über dieses Problem kaum noch aufrechterhalten werden. Da als erste die Kroaten massiv abwanderten, kann es kaum verwundern, daß es — wenn auch nicht ausschließlich — Kroaten waren, die zur Diskussion und damit zur Bewußtseinsbildung über dieses Problem beitrugen Nachdem aber zugegeben worden war, daß die Abwanderung für Jugoslawien ein wichtiges politisches Problem darstellte, ergaben sich drei Folgerungen: Zunächst wurde versucht, den Abwanderungsstrom organisatorisch und gesetzlich in den Griff zu bekommen, wozu nach verschiedenen nur als vorläufig zu bezeichnenden Regelungen
das am 8. Juni 1973 verabschiedete „Gesetz über Grundbedingungen für die temporäre Beschäftigung und den Schutz der jugoslawischen Bürger, die im Ausland arbeiten"
diente, das die Regelung der Abwanderung dem Bundesamt für Beschäftigung übertrug; sodann, wurden Äußerungen laut, die nur als Beginn der Erarbeitung eines Programms für die Abwanderungsfrage interpretiert werden können; schließlich wurden Überlegungen über die Vereinbarkeit von sozialistischem Anspruch und Arbeitslosigkeit bzw.der Notwendigkeit zur Abwanderung angestellt.
Während die innenpolitische Diskussion die notwendige Voraussetzung für die Erarbeitung eines jugoslawischen Abwanderungsprogramms darstellte, bildeten die „Ölkrise" und die ihr folgende Rezession in Westeuropa das unmittelbar auslösende Moment für den Beginn der Erarbeitung eines solchen Programms sowie für den Fall der plötzlichen Rückkehr einer unerwartet großen Anzahl von Abwanderern. Nach entsprechenden Vorbereitungen durch die gemeinsamen Beschlüsse der Präsidien der SFRJ und des BKJ vom Februar 1973 sowie die Resolution des 10. Kongresses des BKJ zur Beschäftigungspolitik vom Mai 1974, die auch Probleme der Abwanderung behandelte wurde in einer im März 1975 angefertigten internen Analyse des jugoslawischen Bundesamtes für Beschäftigung u. a. auch die Notwendigkeit kurzfristig greifender Maßnahmen für den Fall einer plötzlichen Rückkehr von Abwanderern unterstrichen. Erstmalig wurde in dieser Analyse auf der jugoslawischen Seite offiziell betont, daß zwischen den Interessen der Anwerbe-und der Abgabeländer durchaus Widersprüche existieren können, die die ersteren auf Kosten der letzteren zu regeln neigten
Seit Anfertigung dieser Analyse ist zu wenig Zeit vergangen, als daß vor allem das Programm der schnell greifenden Maßnahmen hätte vorgelegt werden können. Von der Einsicht in die Notwendigkeit eines Programms gegen die Abwanderung bis zu seiner Erarbeitung und Anwendung dürfte es aber weniger weit sein als von der Ignorierung eines politisch-wirtschaftlichen Problems bis zur Einsicht in die Notwendigkeit eines Programms zur Lösung eben dieses Problems.
Sollte aber ein solches in absehbarer Zeit wirklich greifen, würde es gleichzeitig den schärfsten Kritikern der Abwanderung den Wind aus den Segeln nehmen.
Diese aber befinden sich in Jugoslawien selbst. Dabei kann es nicht verwundern, daß sich Kritiker der Abwanderung nicht unter den Vertretern der politischen Führung finden lassen. Diese entwickelten vielmehr — der Not gehorchend — die den Klassikern des Marxismus widersprechende These der Systemvereinbarkeit von Sozialismus und Abwanderungsmöglichkeit Die ersten kritischen Äußerungen gegen die Abwanderung stammen aus dem Frühjahr 1968 Während aber diese Äußerungen eher ungehört verhallten, kommt den Studentendemonstrationen vom Juni 1968 das Verdienst zu, u. a. das Problem der Arbeitslosigkeit in ganz Jugoslawien bewußt gemacht zu haben Nachdem der Zagreber Ökonom Milan krbi auf einem Symposium im Februar 1969 die Arbeitslosigkeit als Gefährdung des sozialistischen Anspruches interpretiert hatte zog sein Fachkollege Novica Vui — allerdings kaum zufällig in einer ausländischen Zeit-schrift — eine für den jugoslawischen Sozialismus vernichtende Schlußfolgerung: eine Gesellschaft, die gezwungen sei, einen nicht geringen Teil ihrer Arbeitskraft zu exportieren, habe keine Existenzberechtigung mehr
Die Behauptung, daß sozialistischer Anspruch und Abwanderung von Arbeitskräften vereinbar seien, sowie die genau gegenteilige These von ihrer Unvereinbarkeit führen zur Schlußfolgerung, daß in Jugoslawien die Abwanderung von Arbeitskräften auf das politische System in zwei Richtungen wirkt. Einerseits nämlich fungiert die Abwanderung als systemstabilisierendes Moment, weil potentielle Arbeitslosigkeit und damit ökonomische und politische Unruhe exportiert werden können — insoweit könnte die Abwanderung im Sinne der politischen Führung als „systemkonform" bezeichnet werden—, andererseits wird die Abwanderung, ausgehend vom sozia-listischen Anspruch Jugoslawiens, von einem Teil der jugoslawischen Theoretiker als unsozialistisch und damit systeminkonform aufgefaßt.
III. Vergleichende Analyse
Abbildung 5
Tabelle 3: Jährliche Verteilung der italienischen/jugoslowischen Abwanderung in Europa seit 1946 (absolut und in %) Quellen: Italien: Eigene Berechnungen nach Angaben in: MAE, 1974, S. 84 f. Jugoslawien: Savezni komitet za rad i raposljavanje, a. a. O., tabela 23.
Tabelle 3: Jährliche Verteilung der italienischen/jugoslowischen Abwanderung in Europa seit 1946 (absolut und in %) Quellen: Italien: Eigene Berechnungen nach Angaben in: MAE, 1974, S. 84 f. Jugoslawien: Savezni komitet za rad i raposljavanje, a. a. O., tabela 23.
Die Ausgangsbedingungen der ökonomischen Entwicklung der drei hier untersuchten Länder nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren sehr unterschiedlich. So ist zwar auch die seitherige Entwicklung in der Türkei und in Jugoslawien durch eine relativ beschleunigte Industrialisierung gekennzeichnet, doch nur in Italien führte sie zu einem — allerdings regional begrenzten — „Wirtschaftswunder". übereinstimmend hatte der Industrialisierungsprozeß jedoch eine Verstärkung historisch überkommener regionaler Ungleichheiten zur Folge, die auch Redistributionsmaßnahmen nicht zu beseitigen vermochten. Stärker industrialisierten Regionen und Provinzen stehen wirtschaftlich sehr schwach entwickelte Gebiete gegenüber, in denen für die aus der Landwirtschaft ausscheidende Bevölkerung keine oder nicht genügend Arbeitsplätze im sekundären und tertiären Sektor zur Verfügung stehen und in denen teilweise sogar die landwirtschaftliche Produktion rückläufig ist.
Doch sind diese regionalen Ungleichheiten nicht die übereinstimmende unmittelbare Ursache der Abwanderung ins Ausland. Lediglich die italienischen Abwanderer stammen überwiegend — bei steigender Tendenz — aus Süd-und Inselitalien. Sie weisen dementsprechend ein relativ niedriges berufliches Qualifikationsniveau auf. Die Binnenwanderung in die Industriezentren des Nordens und die Abwanderung ins Ausland tragen in diesen Regionen, wenn auch nur vorübergehend, zu einer unmittelbaren Entschärfung des Problems der Arbeitslosigkeit bei. Wesentlicher Faktor für das Anschwellen des jugoslawischen Abwandererstroms war die Wirt-schaftsreform von 1965 und die daraus resultierende erhöhte Arbeitslosigkeit. In der Tür* kei bilden die Bevölkerungsexplosion — ein Problem, das in Italien und Jugoslawien n dieser Form nicht existiert — auf der einen und die niedrigen industriellen Wachstumsraten auf der anderen Seite die Antriebskräfte der Abwanderung, Im Gegensatz zu den italienischen Abwanderern kommen die türkischen und jugoslawischen aber mehrheitlich gerade aus den Regionen mit dem höchsten industriellen Entwicklungsniveau. Die türkisehen Abwanderer sind überdies zu einem hohen Prozentsatz beruflich qualifiziert und standen vor der Ausreise in einem festen Arbeitsverhältnis. Anzahl und Qualifikationsstruktur der Abwanderer hängen generell weit mehr von der konjunkturellen Entwicklung in den Anwerbeländern als von den Gegebenheiten und Bedürfnissen der Abgabeländer ab. Die Abhängigkeit von der Konjunktur etwa der Bundesrepublik gilt dabei trotz der Freizügigkeitsbestimmungen der Europäischen Gemeinschaft auch für die Abwanderung aus dem Mitgliedsland Italien.
Zur Rechtfertigung der Abwanderung werden immer wieder eine Reihe „entwicklungspolitischer Effekte" angeführt: die Verringerung der Arbeitslosenquote, Deviseneinnahmen durch die Geldtransfers der Abwanderer, der Investitionseffekt ihrer Ersparnisse und technisch-industrielle Lerneffekte. Längerfristig, so wird vermutet, sei als Folge der Migration also ein Abbau des Nord-Süd-Gefälles in Europa zu erwarten, selbst wenn der Süden Europas durch die vorübergehende Entsendung von Arbeitskräften einen bedeutenden Beitrag zur Steigerung des Wohlstands im Norden leiste. Die Überprüfung dieser Behauptungen hat jedoch zu einem überwiegend negativen Gesamtergebnis geführt.
Bezogen auf die Einnahmen durch ausländische Touristen sind die statistisch erfaßten Geldtransfers der Abwanderer für Italien nur zweitrangig, für Jugoslawien dagegen volkswirtschaftlich von erheblicher Bedeutung, während Deviseneinnahmen von ausländischen Touristen für die Türkei bisher noch ohne Gewicht blieben. Trotz ihrer Bedeutung für die jugoslawische Zahlungsbilanz konnten die Geldtransfers der Abwanderer den Handelsbilanzsaldo den bisher bekannt gewordenen Daten zufolge lediglich in einem einzigen Jahr ausgleichen. Die Türkei zieht den sichtbarsten Vorteil aus den Überweisungen. Sie sind hier inzwischen nämlich weit höher geworden als der Handelsbilanzsaldo und ermöglichen dadurch den Import von Investitionsgütern und Rohstoffen für die Industrialisierung des Landes. In der Türkei kann deshalb das Abwanderungsproblem mit einiger Berechtigung vorrangig unter dem Aspekt der Geldtransfers gesehen werden.
In allen drei Ländern erwies sich die Abwanderung als ein ungeeignetes Mittel, die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Die offiziell ausgewiesenen — im italienischen und türkischen Fall mit Sicherheit zu niedrig angesetzten — Arbeitslosenquoten weisen für die Türkei und Jugoslawien im Gegenteil auf eine Verschärfung dieses Problems hin.
Was den Einsatz der Ersparnisse für produktive Investitionen, vor allem durch die Rückwanderer selbst, und die Nutzbarmachung ihrer im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen anbelangt, so sind in allen drei Ländern nur minimale Erfolge erzielt worden. Während in der Türkei und in Jugoslawien wenigstens versucht wurde, die Geldtransfers der Abwanderer produktiv anzulegen, sind solche Ansätze in Italien bisher lediglich diskutiert worden. Die oben angesprochenen „entwicklungspolitischen Effekte" sind bisher also ausgeblieben oder allenfalls nur in Ansätzen zu erkennen. Die Migrationspolitik widerspricht auch insofern entwicklungspolitischen Zielen, als sich die Entsendeländer in eine zunehmende Abhängigkeit von der konjunkturellen Entwicklung der Anwerbeländer begeben und in Rezessionsphasen plötzliche Rückwandererwellen in Kauf nehmen müssen. Zusätzlich stellt sich für Jugoslawien die Frage nach der Systemvereinbarkeit des Exports von Arbeitslosen mit dem eigenen sozialistischen Anspruch. Zwar hat die Abwanderung von Arbeitskräften wie für Italien und die Türkei auch für Jugoslawien einen „systemstabilisierenden Aspekt". Im jugoslawischen Fall wird jedoch deutlich, daß „Systemstabilisierung" in zwei Richtungen interpretiert werden muß. Einerseits ist nämlich festzustellen, daß die Abwanderung von Arbeitskräften kurzfristig für die politische Führung einen stabilisierenden Effekt hat: Die Verringerung des Potentials der Arbeitslosen minimiert gleichzeitig auch die Wahrscheinlichkeit sozialer Konflikte und damit unerwünschte politische Unruhe. Die Möglichkeit, daß ökonomische Schwierigkeiten in eine wirtschaftliche und schließlich sogar politische Krise umschlagen könnten, wird also zumindest unwahrscheinlicher. Andererseits aber steht dieser „instrumentellen Systemstabilisierung“ die ideologische Systemunvereinbarkeit gegenüber. Von ihrem eigenen ideologischen Ansatz — dem Anrecht auf Arbeit im Rahmen der Theorie der Arbei-B erselbstverwaltung — ausgehend, dürfen die jugoslawischen Kommunisten die AbWanderung nicht zulassen. Ungeachtet der deologischen Unvereinbarkeit hatte die Ein-ührung einer „sozialistischen Marktwirt-chaft" mit der Wirtschaftsreform von 1965 ine große Anzahl Arbeitsloser zur Folge, für ie die Möglichkeit der Abwanderung ge-chaffen wurde. Allerdings ist bis jetzt noch icht klar, ob sich die Befürworter der unge-
inderten Abwanderung innerhalb der politichen Führung Jugoslawiens dieser Diskre-panz in der Zwischenzeit bewußt geworden sind. Äußerungen jedenfalls, die ein solches Bewußtsein wenigstens ahnen ließen, sind nicht zu finden. Das aber heißt, daß die politische Führung keinerlei Anstalten macht, sich der ideologischen Zwangsjacke zu entledigen, in die sie durch die Abwanderung von Arbeitskräften geriet. Ob die in den letzten Monaten feststellbaren Tendenzen zur Entwicklung eines Programms gegen die weitere Abwanderung in diese Richtung gehen, ist noch nicht eindeutig zu beantworten.
Da in den letzten Jahren eine allgemeine Kontraktion der Abwanderungsströme eingetreten ist und da die führenden westeuropäischen Industrieländer in allerjüngster Zeit zu erkennen gaben, daß sie künftig eine restriktive Anwerbepolitik anstreben würden, werden auch Italien und die Türkei nicht umhin können, neue, langfristig wirksame Konzeptionen der Abwanderungs-und Beschäftigungspolitik zu entwickeln.
IV. Tabellarische Übersichte
Abbildung 6
Tabelle 4: Gesamtzahl der italienischen/jugoslawischen Abwanderer nach Anwerbeländern seit 1946 (absolut)
Tabelle 4: Gesamtzahl der italienischen/jugoslawischen Abwanderer nach Anwerbeländern seit 1946 (absolut)
Dietrich von Delhaes-Günther, Dr. rer. pol., Dipl. -Volksw., geboren 1941. Studium der Wirtschaftswissenschaften und romanischen Sprachen in Marburg, Wien und Porto Alegre. 1972/73 Lehrbeauftragter an der Universität Marburg. Seit Oktober 1972 Wissenschaftlicher Assistent im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Universität Essen — Gesamthochschule. Veröffentlichungen u. a.: Industrialisierung in Südbrasilien, Köln/Wien 1973; Beiträge in deutschen, italienischen und brasilianischen Zeitschriften über die europäische Auswanderung nach Brasilien sowie über die Bedingungen der Einkommensverteilung in Südamerika. Othmar Nikola Häberl, Dr. phil., Dipl. -Pol., geb. 1943 in Sarajewo/Jugoslawien. Studium in Münster, Heidelberg und an der FU Berlin (Politikwissenschaft, Slavistik, Osteuropäische Geschichte und Zeitgeschichte). Mehrere Forschungsaufenthalte in Jugoslawien. Seit 1974 Wissenschaftlicher Assistent an der Universität Essen — Gesamthochschule (Osteuropäische Zeitgeschichte). Veröffentlichungen u. a.: Die Emanzipation der KP Jugoslawiens von der Kontrolle der Komintern/KPdSU 1941— 1945, München 1974; Parteiorganisation und nationale Frage in Jugoslavien, Diss., Freie Universität Berlin, 1974 (erscheint demnächst); Beiträge in verschiedenen deutschen und jugoslawischen Zeitschriften zu Fragen der europäischen Arbeiterbewegung sowie der Zeitgeschichte Ost-europas. Alexander Schölch, Dr. phil., geb. 1943; Studium der Politikwissenschaft, Geschichte des Völkerrechts und orientalischer Sprachen; 1969— 1972 Junior Member des St. Antony's College in Oxford, 1972— 1975 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, seit 1975 Akademischer Rat an der Universität Essen — Gesamthochschule (Geschichte der Region Nordafrika/Vorderasien). Veröffentlichungen u. a.: Ägypten den Ägyptern! Die politische und gesellschaftliche Krise der Jahre 1878— 1882 in Ägypten, Zürich 1972; Aufsätze zur Sozial-und Wirtschaftsgeschichte des Nahen Ostens in verschiedenen deutschen und englischen Zeitschriften.
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