Probleme der „Vermarktung" von Wissenschaft durch Massemedien.
Heinz-Dietrich Fischer
/ 55 Minuten zu lesen
Link kopieren
Zusammenfassung
Selbst dem Fachmann ist es bisweilen kaum noch möglich, mit dem rapide ansteigenden wissenschaftlichen Schrifttum Schritt zu halten. Es erscheint daher problematisch, die Vermittlungsfunktion für eine breitere 'Öffentlichkeit von Wissenschaft allein den auflagestarken Massenmedien zuzuweisen. Immerhin hat die Wissenschaftsberichterstattung in einer Reihe von Tages-und Wochenzeitungen einen festen Platz erobern können, doch die Kontinuität in der Verfolgung bestimmter Themen fehlt häufig ebensosehr wie die exakte Wiedergabe auf engstem Raume. So sind die Wissenschaftsmagazine im Fernsehen auch nur bedingt geeignet, hier weiterzuführen, zumal in ihnen die naturwissenschaftliche Ausrichtung absolut dominiert: Die sich ständig wiederholende Szenerie von weißen Kitteln, Labors und Instrumenten hat beim Laienpublikum den Eindruck verstärkt, daß eigentlich nur dort Wissenschaft aktiv betrieben wird, wo etwas fließt, rotiert oder sich sonstwie deutlich sichtbar bewegt. Zum Teil haben die Wissenschaftskommunikatoren in Presse, Rundfunk und Fernsehen die medienspezifischen Möglichkeiten der Umsetzung von Wissenschaft entweder nicht erkannt oder diese werden so gut wie nicht genutzt. Häufig wird nämlich bereits bei der Verbalisierung wissenschaftlicher Resultate ein — bisweilen vermeidbares — Fachchinesisch dermaßen überstrapaziert, daß die nicht fachlich vorgebildeten Kommunikatoren, die als Multiplikatoren in den populären Medien in Frage kämen, oftmals resignieren. Es wäre zu erwägen, ob bei künftigen Ausbildungsgängen für Journalisten auch der Sektor Wissenschaftspublizistik in die Lehrpläne integriert werden könnte.
I. Leistungsfähigkeit publizistischer Transportsysteme
Hält man die von Karl Steinbuch vor zehn Jahren erhobene Forderung nach einer „informierten Gesellschaft" aufrecht, so muß man jedoch gleichzeitig die Frage stellen, von weicher Quantität und Qualität denn eine solche umfassende Unterrichtung zu sein hat. Angesichts einer permanent ansteigenden Informationsflut aus allen Bereichen, die bisweilen auch schon als Daten-und Faktenlawine im Sinne eines echten Überrollt-Werdens des Menschen durch gewaltige Informationsmengen typisiert zu werden pflegt, sind beim publizistischen Endverbraucher — dem Rezipienten — zunehmend Anzeichen von. Apathie und/oder Resignation festzustellen, die bisweilen schon in eine mehr oder weniger deutlich artikulierte iniormalionsphobie ausufern Der nahezu unumgängliche Zwang zur Begrenzung auf eine noch einigermaßen handhabbare Informationsmenge hat etwa bei einem Nachrichtenunternehmen wie der Deut-
Abbildung 9
Abbildung 9
Abbildung 9
Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Vortrag innerhalb einer von der Sektion für Publizistik und Kommunikation der Ruhr-Universität Bochum im Wintersemester 1975/76 veranstalteten Ringvorlesung zum Thema „Wissenschaft in Massenmedien — Vermittlungsprobleme und Rezeptionsbarrieren"; neben diesem Einleitungsreferat wurden in der Veranstaltungsreihe noch folgende Themen exemplarisch abgehandelt: „Verstehen und Behalten — Zur Psychologie der Mediengestaltung" (Michael Bock); „Wissenschaft in Massenmedien — wissenschaftshistorisch betrachtet" (Albrecht Timm); „Erziehungsproblematik und Erziehungswissenschaft im Fernsehen" (Bernhard Dilger); „Möglichkeiten und Gefahren der Popularisierung von Philosophie in Massenmedien" (Albert Menne); „Verwertung wirtschaftswissenschaftlicher Aussagen durch die Presse“ (Paul Klemmer); „Darstellungsmöglichkeiten der Geschichte des Turnwesens in Massenmedien" (Horst Ueberhorst); „Zur Zusammenarbeit von kriminologischer Forschung und Presse _ erläutert am Beispiel der Dunkelfeldforschung" (Hans-Dieter Schwind); „Deutsch für Inländer — Sprachwissenschaftliche Erörterungen" (Siegfried Grosse); „Schulbücher als Medien zur Popularisierung geographischen Wissens" (Eberhard Kroß); „Chancen und Risiken medizinischer Publizistik für Laien" (J. F. Volrad Deneke); „Strategien der Verbraucher-Aufklärung" (Lothar Neu-mann); „Wissenschafts-und Hochschulberichterstattung in der Presse" (Gerd Depenbrock).
sehen Presse Agentur (dpa) dazu geführt, tagtäglich rigorose Quantitätsbeschneidungen des Materials vorzunehmen. In der Hamburger dpa-Zentrale trafen beispielsweise im Mai 1968 pro Tag rund 350 000 Wörter von allen nur denkbaren Zuträgern (Eigenkorrespondenten, Fremdagenturen etc.) ein; davon wurden durchweg nur rund 10 Prozent, also etwa 35 000 Wörter, über den dpa-Basisdienst an die Subskribenten der Agentur (Presse, Rundfunkanstalten u. a.) weitergeleitet Diese Informationsmenge entsprach durchweg 200 bis 300 Meldungen und erwies sich für publizistische Organe immer noch als dermaßen umfangreich, daß von den Abnehmermedien erneut Selektionen vorgenommen werden mußten, so daß beispielsweise selbst bei Presseorganen mit umfangreichen Nachrichtenteilen höchstens zehn Prozent des dpa-Ausstoßes Verwendung fanden, mithin bestenfalls ein Prozent des ursprünglichen Gesamtaufkommens berücksichtigt werden konnte
Derlei Rahmenbedingungen der Kommunikation bewirken, daß infolge solcher Auswahl-vorgänge „aus dem Ereignisuniversum nur ein Teil zur öffentlichen Aussage gelangt; aus diesem ausgesagten Teil wiederum gelangt nur ein weiterer Teil endlich zur Rezeption", so daß schließlich nur noch kleine Bruchteile vom publizistischen Endabnehmer „konsumiert" zu werden pflegen. Insgesamt wirkt sich „das Anwachsen des Austauschvolumens .. . dahin gehend aus, daß Kommunikationsabläufe unbeweglicher werden", und ein Teil dessen, was man Kommunikationserfolg nen-nen könnte, ist durch jenen publizistischen Entscheidungsträger auf der Kommunikator-seite bestimmt, den man als Schleusenwärter (gatekeeper) zu typisieren gewohnt ist, und der permanent als Selektor zwischen angeblich Wichtigem und Unwesentlichem fungiert Diese typischen Gegebenheiten eines über Massenmedien kanalisierten Informationsflusses, in der amerikanischen Kommunikationstheorie seit langem als „flow oi news" beachtet können den Orientierungspunkt bilden für eingehendere Beschäftigung mit sektoralen Informationsflüssen des Ereignis-universums. Als eine der wohl umfassendsten Sub-Kategorien gilt der Bereich Wissenschaitsberichterstattung.Daß hier seit Generationen der permanente „Wissenszuwachs" ein für Studenten und Dozenten gleichermaßen mühevolles Mithalten-Wollen bzw. -Müssen zu Problemen in Lehre und Forschung führte, zählt heute bereits zu den trivialsten Feststellungen. Ein Schweizer Beobachter veranschaulicht den permanenten Informationszuwachs mit diesen Worten „Wegen der Asymmetrie der Zeit und wegen des Bevölkerungswachstums nimmt das Wissen der Menschheit rasch zu. Die Zahl der Publikationen wächst in geometrischer Progression. Gleichzeitig wird die Zahl der Wissenschaftler immer größer. ... Je mehr Menschen sind, desto mehr -wissenschaftlich tätig wis senschaftliche Arbeiten werden veröffentlicht; und je mehr wissenschaftliche Publikationen es gibt, desto mehr Wissenschaftler braucht es wieder zu ihrer Verarbeitung.“ Bereits Immanuel Kant klagte ausgangs des 18. Jahrhunderts: „Die wissenschaftlichen Dinge häufen sich in unseren Zeiten. Bald wird unsere Fähigkeit zu schwach und unsere Lebenszeit zu kurz sein, nur den nützlichsten Teil daraus zu erfassen.“ Der seitdem ins Gigantische gesteigerte Forschungsertrag hat zu erheblichen Vermarktungsproblemen des Produktivfaktors „Wissenschaft" geführt. Wie stark sich eine wissenschaftliche Informationslawine in der Gegenwart abzeichnet, mag zunächst anhand einiger Ziffern über die Quantitäten von Wissenschafts-Output dargelegt werden: Nach einer vom Bielefelder (Institut für Dokumentation und Information über Sozialmedizin'(IDIS) im Jahre 1974 durchgeführten Erhebung ist die Zahl der ausgesprochen wissenschaftlichen Zeitschriften in der Welt „auf rund 90 000 angestiegen"; davon entfällt der größte Teil, nämlich etwa 500 Titel, auf technische Fachzeitschriften, während auf Landwirtschaft 4 000 und je 3 000 auf die Medizin sowie die Naturwissenschaft kommen. Die meisten der ermittelten Fachperiodika erscheinen in den USA, es folgen die Bundesrepublik Deutschland, die DDR, Japan, Frankreich, UdSSR und Großbritannien. Uber die Gesamtzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen existieren jedoch kaum verläßliche Zahlen, denn hierunter wären neben Dissertationen auch Forschungs-und Tagungsberichte sowie Gutachten jedweder Provenienz zusätzlich zu erfassen 9). Nach Angaben des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft werden allein in der Bundesrepublik jährlich etwa 9 000 bis 000 Dissertationen abgeschlossen 10).
Wie das genannte Bielefelder Institut feststellte, sei die Hälfte der wissenschaftlichen Publikationen nach etwa sechs Jahren bis überholt, weshalb auch die Dokumentationswissenschaft von sogen. Halbwertzeiten spricht. Die größten . Halbwertzeiten'innerhalb der Naturwissenschaften hat danach die Geologie mit zwölf Jahren aufzuweisen, gefolgt von der Mathematik mit elf, der Botanik mit zehn Jahren; am raschesten überholt sind wissenschaftliche Veröffentlichungen zur metallurgischen Technik mit vier Jahren, während auf medizinischem Sektor die . Halbwertzeit'der Physiologie bei neun Jahren, hingegen bei der Frauenheilkunde bei nur drei Jahren liegen soll Bleibt man zunächst bei der Heilkunde, so wird beispielsweise in einem Bericht über den Wissensstand von Medizinern festgestellt, daß durch die Informationslawine „viele Ärzte in eine Orientierungskrise geraten sind, die einerseits zu einer Verunsicherung ihres Selbstverständnisses und andererseits zu einem entscheidungshemmenden Informationssammeln geführt" habe. Untersuchungen von David darüber, wieweit Mediziner über ihr eigenes Fachgebiet informiert waren, hatten zum Ergebnis, daß die Befragten 50 bis 80 Prozent der einschlägigen Literatur nicht kannten; nur 10 Prozent der Arbeiten waren im Original gelesen, hingegen 40 bis 50 Prozent aus Referaten und Übersichten entnommen worden. Nach einer anderen Untersuchung, durchgeführt von Arntz, nimmt angeblich die Gesamtheit aller Wissenschaftler nur ein Prozent des Weltschrifttums ihres engeren Fachgebietes im Original, vier Prozent aus Referaten und Übersichten und 95 Prozent überhaupt nicht zur Kenntnis
Freilich muß man spätestens an dieser Stelle anfügen, daß derartige Quantifizierungen nur bedingt Aussagewert besitzen; denn es muß zunächst einmal überprüft werden, ob neuer-scheinende Arbeiten auch tatsächlich immer die betreffende Fachwissenschaft einen kleinen oder größeren Schritt voranbringen, oder ob es sich nicht in zahlreichen Fällen um durchaus entbehrliche Duplizierungen des bereits längst hinlänglich Bekannten handelt, worüber ein Autor in der . Neuen Zürcher Zeitung'prägnant ausführte: „Der heutige Wissenschaftler steht unter ständigem Produktionszwang ... Folge davon ist die von Jahr zu Jahr überproportional anschwellende Literatur-flut..., eine beziehungslose Masse von Dokumenten aller Art, in denen die Erkenntnisse der Menschheit verborgen sind —, totgeborene Schätze, die in riesigen Papierfriedhöfen begraben liegen! In ihrer Gesamtheit wird diese gewaltige Literaturfülle zur völlig unübersehbaren Datenmenge. Allein in den USA werden jedes Jahr 1, 5 bis 4 Milliarden Dollar verschwendet, weil veröffentlichte Forschungsergebnisse nicht gefunden werden. Jede zehnte wissenschaftliche Veröffentlichung in der Chemie ist wertlos, da das Resultat schon publiziert ist. Mehr als ein Drittel aller Patentanmeldungen muß abgelehnt werden, weil es sich bei den Erfindungen nicht um Neuigkeiten handelt." (Vielleicht müßte man in diesem Zusammenhang auch einmal konkreter fragen, ob beispielsweise in Dissertationen der von den Promotionsordnungen geforderten Weiterführung der Wissenschaft — und sei es nur um einen kleinen Schritt — tatsächlich stets entsprochen wird!)
II Probleme öffentlicher Wissenschaft
Abbildung 2
Abbildung 2
Abbildung 2
In seiner Kritik an der Praxis pausenloser Datenanhäufung betont Hofmann das „Mißverhältnis zwischen emsiger und gleichzeitig maulwurfblinder Detailarbeit", was zu „ganzen Schutthalden" geführt habe Brigitte Eckstein meint sogar: „Die Informationsflut selbst ist ... nicht , sach-, d. h. wissenschaftsbedingt, sondern beruht auf . gesellschaftlichen Zwängen'— dem Karriere-und damit Publikationszwang des Wissenschaftlers... Der größte Teil der auf Tagungen gehaltenen Vorträge und ein beträchtlicher Teil der schriftlichen Publikationen dienen primär der Karriere des Autors und nicht der wissenschaftlichen Kommunikation." Hinzu kommt der oft gehörte Vorwurf, daß Wissenschaft und Wissenschaftler sich nicht selten bewußt in einem Elfenbeinturm aufhalten und diesen kaum zu verlassen geneigt sind. Die häufig registrierte geringe Bereitschaft von
Forschern, ihre Produktion wissenschaftlicher Resultate einer quasi unbegrenzten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, bewirkt nicht selten ein nach wie vor zu registrierendes Ar-kanwissen für Insider. Manche Autoren sprechen sogar von einem typischen „Herrschaftswissen", das sich in dieser (Ent-) Haltung offenbare!
Es kann hier und in dem begrenzten Rahmen nicht möglich sein, das Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit generell zu untersuchen, dennoch sollten einige grundsätzliche Befunde genannt werden: Im allgemeinen, so stellt Gerhard Depenbrock fest, wird „die Öffentlichkeit über die Hochschulen und Forschungsinstitute sowie deren wissenschaftliche Forschungstätigkeit oft nur unzureichend und zum Teil sogar falsch unterrichtet. Viele Berichte über Vorgänge an den Universitäten befassen sich ausschließlich mit dem hochschulpolitischen Bereich und sind oft nur dazu geeignet, die schon in starkem Maße vorhandenen Vorurteile gegenüber den wissenschaftlichen Institutionen" zu verfestigen Und der Politologe und praktizierende Politiker Ulrich Lohmar fügt diesem Gedanken hinzu: „Die wirksamen Medien der öf- fentlichen Meinungsbildung in der Bundesrepublik haben es, aufs Ganze gesehen, bislang nicht vermocht, den Bewußtseinsrückstand der Öffentlichkeit gegenüber der Produktiv-kraft Wissenschaft zu überwinden. Dies ist nur in Ansätzen auf der Ebene der Information, kaum aber auf der Ebene einer kritischen gesellschaftlichen Reflexion und noch weniger hinsichtlich der Entwicklung eines wissenschaftlichen Engagements geschehen '.. 17)
Aufgrund dieser mißlichen Situation erschallt zunehmend deutlicher der Ruf nach einem Transparentmachen des Wissenschaftsbetriebes, ein klares Plädoyer für eine öffentliche Wissenschaft beinhaltend 18). Die Legitimation eines solchen Verlangens wird aus der Tatsache hergeleitet, daß faktisch jeder Steuerzahler die Wissenschaftseinrichtungen am L
Aufgrund dieser mißlichen Situation erschallt zunehmend deutlicher der Ruf nach einem Transparentmachen des Wissenschaftsbetriebes, ein klares Plädoyer für eine öffentliche Wissenschaft beinhaltend Die Legitimation eines solchen Verlangens wird aus der Tatsache hergeleitet, daß faktisch jeder Steuerzahler die Wissenschaftseinrichtungen am Leben erhalte und daher auch jedermann Zugang zu Forschungsresultaten beanspruchen könne.
Doch zugleich ergibt sich die eigentlich zentrale Frage, wie eine optimale Information des Bürgers über „Wissenschaft" ermöglicht werden kann, etwa über die Massenmedien.
Nicht wenige Wissenschaftler nämlich, die durchaus bereit wären, ihre Forschungsresultate ungehindert zugänglich zu machen, befürchten eine zu starke Popularisierung, ein Problem, über das Joachim H. Knoll instruktiv berichtet: „Der Begriff Popularisierung und die damit zusammenhängenden Bedeutungsschattierungen populär, populärwissenschaftlich werden in der Wissenschaft mit Argwohn betrachtet, weil ihnen eine Atmosphäre des Unseriösen, Leichtfertigen und Oberflächlichen anzuhaften scheint. Aber auch im Umkreis der Erwachsenenbildung wird Distanz zu diesem Begriff geübt, weil er im Zeitalter zunehmender Verwissenschaftlichung als unangemessen und die wissenschaftlichen Tatbestände vergröbernd erachtet wird. Die Geschichte der Erwachsenenbildung ist neben anderem eine Geschichte, in der die Antinomie von Wissenschaftlich und Allgemeinverständlich ausgetragen wurde, wobei durch die Gleichsetzung von Popularisierung mit . volkstümlicher Bildung'oder , Laienbildung'die Vorstellung suggeriert wurde, als ereigne sich hier Welterklärung auf niedrigerem, bescheidenerem Niveau, auf der Ebene des einfachen, wissenschaftlich nicht vorgebildeten Mannes. Der Gedanke, der mit Popularisierung ohne abschätziges Vorurteil verbunden ist, bezieht sich auf alle Versuche und Unternehmungen, Welt und Natur einem breiteren Publikum außerhalb der wissenschaftsinternen Öffentlichkeit zu erschließen. Popularisierung ist solchermaßen ein Akt von Aufklärung." 19)
Das andiskutierte Problem faßt Henningsen mit zwei Sätzen zusammen 20): „Unzutreffend ist, daß es eine Sprache für Wissenschaft gibt. Richtig ist vielmehr, daß es Sprache gibt." Ob indes die wissenschaftliche Fachsprache sich als Hemmschuh für die Schaffung einer öffentlichen Wissenschaft erweist, diskutierten Mitarbeiter und Autoren einer namhaften Wissenschafts-Zeitschrift 21). So stellt Wolfram Huncke u. a. fest: „Diese Fachsprache setzt sich von der Öffentlichkeit, vom Publikum, das eine populäre Sprache oder . Gemeinsprache'spricht, ab. Darin dokumentiert sich ein elitäres Bewußtsein der Wissenschaftler und Techniker." Dagegen gab Günter Ropohl zu bedenken: „So berechtigt die Forderung nach verständlicher Ausdrucksweise ist, sollte man andererseits nicht vergessen, daß Sprachformen und Denkformen in sehr engem Zusammenhang stehen und daß der Zuwachs an sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten in den Fachwissenschaften auch einen Zuwachs an Einsicht und Verständnis dieser Probleme bedeutet." Und Gerhard Priesemann führte aus: „Die Wissenschaft hat damit angefangen, Sprachbarrieren zu errichten. .. Jede Disziplin ist exoterisch und esoterisch zugleich. Wie weit exoterisch sie ist, ist ihr didaktisches Problem. Die Fachsprachen sind notwendig und die Differenzierung der Fachsprachen ist unvermeidlich." Robert Jungk führte aus: „Die große Gefahr der Wissenschaftssprache ist, daß ihre Termini wie Fertigbauteile gehandhabt werden, fertig aus-geformt und zweifelsfrei. Man tut damit so, als ob man sich das weitere Nachdenken und die genauere Überprüfung, ob dieser Begriff nun tatsächlich dem fraglichen Gegenstand oder der vielleicht ganz neuen, andersartigen Erscheinung entspricht, leichthin ersparen könne". Schließlich konstatierte Heinz Haber: „Ich finde, daß wir noch lange nicht soweit sind, zum Begriff öffentliche Wissenschaft das Regelbuch zu schreiben. Ich glaube, daß wir den Prozeß der Auswahl etwas zu sehr idealisiert haben.. . Ich glaube, daß man Themen wie Weltraumfahrt und so weiter einfach überzogen hat. Das war eine Weile lang das Thema mit Sexappeal, und eine ganze Nation ist auf dieses Thema hereingefallen, weil es so aufregend war. Was kann man nun machen, daß auch andere Themen, die viel wichtiger sind, wie Ergonomie, auch diesen Reiz bekommen für die berühmte Putzfrau? Die müßte nämlich mal wissen, warum sie eigentlich so arbeitet und warum man das nicht anders machen könnte. Es geht darum, das Einfache glänzend, interessant zu machen."
Wird überhaupt, so müßte man hiernach auch einmal fragen, seitens des Publikums eine . Aufklärung'über Fragen der Wissenschaft durch publizistische Medien erwartet bzw. gewünscht? Leider liegen nur sehr spärliche Anhaltspunkte vor, die etwas Aufschluß über die Publikumseinstellung zu diesem Problem gewähren: Anläßlich einer im Auftrag des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung zum Thema „Bildung und Wissenschaft in den Massenmedien" im November/Dezember 1972 vom Bielefelder EMNID-Institut durchgeführten Repräsentativerhebung erklärten 30 Prozent der Befragten unzweideutig, daß sie sich nicht für Fragen von Wissenschaft und Forschung interessierten. Schlüsselt man diesen Durchschnittswert etwas auf, so zeigt sich, daß nur 3 Prozent der Bevölkerung mit Abitur und Hochschulbildung, hingegen 16 Prozent der Mittelschulabsolventen und gar 36 Prozent der Elementarschulabgänger erklärten, kein Interesse an wissenschaftlichen Problemdarstellungen in publizistischen Medien zu haben. Von jenen, die derlei Berichterstattung wünschten, wurden folgende Wissenschaftsbereiche am häufigsten genannt: Ernährungsfragen, Erziehungswissenschaften, Umweltforschung, Medizin und Friedensforschung, die zwischen 25 und 15 Prozent der Voten erhielten; 10 Prozent interessierten sich für Fragen der Sozial-forschung, nur 8 Prozent für Atomforschung, 6 Prozent für Ingenieurwissenschaften und 4 Prozent für Philosophie und Theologie
Es hieße zu spekulieren, wollte man in die Resultate zuviel hineininterpretieren. Allerdings wäre die Frage zu stellen, ob das Desinteresse bei etwa einem Drittel der Befragten weniger Ignoranz oder Gleichgültigkeit entspringt als vielmehr einer durch die vorgegebenen, zum Teil uniformen Medieninhalte sozusagen anerzogenen Abstinenz. Woher diese kommen mag, darüber gibt es freilich einige konkrete Anhaltspunkte, die nicht allein bei den Massenmedien selbst als vielmehr bei den bisweilen unzureichenden kommunikativen Zuträgereinrichtungen zu suchen sein dürfte. Obwohl eigentlich im Sinne von Großunternehmen strukturiert, verfügen faktisch erst seit 1972 alle Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland über eigene Pressestellen. Die vordem existierenden Einrichtungen dieser Art waren bisweilen von nahezu „amateurhafter Schlichtheit", was schon allein aus dem Umstand zu ersehen ist, daß nur wenige über hauptamtliche Leiter verfügten. In einer neueren Studie zur Erforschung von Hochschulpressestellen wird die These aufgestellt, daß die Schaffung moderner und leistungsfähiger Einrichtungen dieser Art als Folge der Studentenbewegung und der hochschulpolitischen Auseinandersetzungen der endsechziger und frühen siebziger Jahre zu betrachten sei, als die Universitäten aus der Lethargie vergangener Zeiten und der Isolation des Elfenbeinturmes zu einem Dialog mit der Öffentlichkeit gezwungen wurden
Diese Entwicklung, so bemerkt Depenbrock, „stellte jedoch von Anfang an die Hochschulpolitik und den Bereich der Verwaltung in den Vordergrund der Tätigkeit und beeinträchtigt bis heute das Verhältnis der Pressestellen zur Wissenschaftsberichterstattung.
Zudem ist der Aufgabenbereich der Pressestellen angesichts der personellen und materiellen Ausstattung viel zu weit gefaßt"
Nach dem erklärten Willen der Westdeutschen Rektorenkonferenz vom Januar 1971 haben Hochschulpressestellen zunächst die Berichterstattung über die Aktivitäten der Hochschule in Forschung, Lehre und Verwaltung sowie über die Beschlüsse und Meinungsbildung der Organe und Gremien zu übernehmen sowie andererseits die Hochschule und ihre Organe über die Auffassungen in Staat und Öffentlichkeit zur Hochschul-und Wissenschaftspolitik zu informieren und außerdem die jeweiligen Hochschulperiodika redaktionell zu betreuen und den Rektor in journalistischen Fachfragen zu beraten Faktisch wird nur an der Universität Bielefeld der jährliche Forschungsbericht durch die örtliche Pressestelle gestaltet. Der von der Ruhr-Universität Bochum herausgebrachte Forschungsbericht muß beispielsweise gemäß Verfassung dem Rektor vorgelegt werden, der mit der Erstellung jeweils den Prorektor für Forschung beauftragt Der seinerzeitige Bochumer Rektor Grosse sowie Prorektor Lehmann formulierten die Zweck-setzung des gedruckten Forschungsberichtes einmal folgendermaßen: „Ganz allgemein betrachtet möchte er das, was im Bereich der Forschung an der Ruhr-Universität Bochum geschieht, transparent machen, indem er berichtet, welche Projekte von wem bearbeitet und welche Mittel dazu eingesetzt werden. Damit dient er zunächst einmal der hochschulinternen Information ... Der Forschungsbericht wendet sich ferner an die außeruniversitäre Öffentlichkeit, um sie über das Forschungsspektrum, über die Forschungsintensität und das Forschungspotential der Ruhr-Universität zu unterrichten. Er möchte damit nicht nur die berechtigte Frage der Öffentlichkeit beantworten, was mit den von ihr aufgebrachten Mitteln im Bereich der Forschung geschieht, sondern er möchte damit zugleich den Dialog der Ruhr-Universität mit ihrer Umwelt über Fragen und Probleme der Forschung erweitern und vertiefen."
Es wäre eine sicherlich reizvolle Aufgabe, detailliert zu überprüfen, wie und mit welchen Schwerpunktsetzungen die Medienberichterstattung über die teilweise über fünfhundert Druckseiten umfassenden Forschungsberichte erfolgte. Auf diesem Wege könnte die Realisierung zweier Bestrebungen überprüft werden, wie sie Joachim H. Knoll zur Eröffnung der Bochumer Universität im Jahre 1965 formuliert hat: „Einmal geht es um die publizistische Selbstdarstellung der Universität, das meint, wie man Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen bei der Erläuterung von Universitäts-und Wissenschaftsfragen behilflich sein kann, und dann will die Universität die publizistischen Erscheinungen, die weithin das öffentliche Bewußtsein prägen oder beeinflussen, mit den ihr entsprechenden Maßstäben beurteilen ..." Z
III. Wissenschaftsberichterstattung in ausgewählten Medien
Abbildung 3
Abbildung 3
Abbildung 3
Wie schaut nun tatsächlich die Medienberichterstattung über Wissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland aus? Als wesentliche publizistische Zuträgereinrichtungen der Massenmedien für diese Frage gelten einige Spezialagenturen, allen voran der in Bonn-Bad-Godesberg erscheinende . Deutsche Forschungsdienst — Berichte aus der Wissenschaft', der mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Westdeutschen Rektorenkonferenz, der Alexander von Humboldt-Stiftung, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes sowie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft in einem Umfang von wöchentlich zehn bis zwölf Seiten herausgegeben wird. Seit Mitte Januar 1975 gibt aber auch die Deutsche Presse Agentur (dpa) mit den . Aktuellen Nachrichten aus Forschung — Wissenschaft — Technologie’ einen vom Bundesministerium für Forschung und Technologie subventionierten Dienst heraus Daneben existieren kleinere Agenturen — etwa solche für Medizin —, außerdem informieren zahlreiche Tageszeitungen sowie namhafte Wochenperiodika (zum Beispiel . Die Zeit', . Rheinischer Merkur', . Deutsche Zeitung/Christ und Weit’, , Der Spiegel') ihre Leser regelmäßig auf eigenen Wissenschaftsseiten über aktuelle Forschungsergebnisse Die größte der populärwissenschaftlichen Zeitschriften, . bild der Wissenschaft'mit rund 150 000 Auflage hat es sich zur Aufgabe gemacht, „öffentliche Wissenschaft" zu fördern Unter den relevanten illustrierten Zeitschriften ist es namentlich der , Stern', der seit 1968 im Rahmen der Aktion , Jugend forscht'mit Förderung der Bundesregierung den Wettbewerb . Junge Reporter der Wissenschaft'durchführt.
Welches die thematischen bzw. inhaltlichen Ausprägungen von Wissenschaftsberichterstattung in der Presse sind, darüber hat es längere Zeit entweder nur Vermutungen oder intuitiv gewonnene Eindrücke gegeben. So warf noch vor wenigen Jahren beispielsweise Ulrich Lohmar die Frage auf, ob es sich bei derlei Aussagen primär um „Experteninformation oder feuilletonistische Verfremdung der Wissenschaft in der Tagespresse" handele, und er stellte im gleichen Atemzug fest, daß „die Integration der Thematik in die Struktur der Tageszeitungen... nicht gelungen" sei und „nur selten überhaupt angestrebt" werde. „So finden sich", fuhr Lohmar fort, „Informationen über die Wissenschaft in der Tagespresse eben weiterhin meist im Feuilleton oder am Rande der Nachrichtenteile der Zeitungen wieder. Besonders in der Plazierung und im Anteil an der Nachrichtenübermittlung rangieren die Wissenschaftsinformationen ziemlich am Schluß der Berichterstattung." Wie sehr dieses Pauschalurteil korrektur-und revisionsbedürftig zugleich ist, mag anhand der Ergebnisse einer kürzlich fertiggestellten Spezialuntersuchung dokumentiert werden. Gerd Depenbrock hat es sich in seiner Arbeit zur Aufgabe gemacht, „eine aussagenanalytische Studie über die Berichterstattung in Tageszeitungen" zu der Thematik Wissenschafts-und Hochschulberichterstattung vorzulegen. Wenngleich die Hochschulberichterstattung, wie von Depenbrock nachgewiesen wird, in einer gewissen Verzahnung zur Wissenschaftsberichterstattung gesehen werden muß, so mögen hier jedoch allein die Resultate des letztgenannten Fragenkomplexes auszugsweise vorgestellt sein
Insgesamt acht Tageszeitungen analysierte Depenbrock aus dem I. Quartal 1974 (2. Januar bis einschließlich 30. März 1974), nämlich:
Frankfurter Allgemeine Zeitung’ (Bundesausgabe), „Die Weit'(Bundesausgabe), . Süddeutsche Zeitung', . Frankfurter Rundschau', . Westdeutsche Allgemeine Zeitung'(Ausgabe Bochum), . Schwäbische Zeitung'(Ausgabe Ulm/Alb-Donau-Kreis), , Bild-Zeitung'(Bundesteilausgabe Kettwig) und . Express'(Köln). Während des Analysezeitraumes erschienen von diesen Blättern jeweils 76 Ausgaben, die systematisch untersucht wurden Der Autor ermittelte in den insgesamt 608 Zeitungsausgaben genau 3 038 relevante Beiträge, von denen 59 Prozent auf die Wissenschafts-und 41 Prozent auf die Hochschulberichterstattung entfielen. Im einzelnen wurden folgende Stückzahlen an Bei relevante Beiträge, von denen 59 Prozent auf die Wissenschafts-und 41 Prozent auf die Hochschulberichterstattung entfielen. Im einzelnen wurden folgende Stückzahlen an Beiträgen zur Wissenschaftsberichterstattung ermittelt: FAZ = 344; , Weit'= 283; SZ = 199; FR = 303; WAZ = 222; , Schw. Z. ‘ = 202; . Bild'= 150; . Express'= 87. Am höchsten erwies sich der flächenmäßige Anteil der Wissenschaftsberichterstattung am Gesamtumfang des überregionalen Textteils bei der . Welt'mit 3, 17 Prozent und der . Frankfurter Rundschau'mit 3, 00 Prozent, am niedrigsten beim . Express'mit 0, 94 Prozent 35). Berücksichtigt man allerdings lediglich die speziellen Seiten und Sparten für Wissenschaft und Technik, so läßt sich feststellen, daß alle untersuchten Zeitungen wesentlich mehr Fläche für die Fortsetzungsromane, die Reiseseiten, für Buchrezensionen oder Börsenübersichten verwendeten als für die Wissenschaftsberichterstattung 36). Welche inhaltlichen Schwerpunktsetzungen seitens der einzelnen Blätter erfolgten, mag nachfolgende Übersicht über die Einzelanteile von Wissenschaftsdisziplinen an der jeweiligen Wissenschaftsberichterstattung veranschaulichen. 37)
Nach dieser Tabelle bilden vor allem die Naturwissenschaften sowie die Medizin den inhaltlichen Schwerpunkt der Wissenschaftsberichterstattung, doch wird in zunehmendem Maße auch aus den Gesellschafts-, Rechts-und Wirtschaftswissenschaften berichtet. Letzteres gilt vor allem für jene Bereiche, in denen die kommerziellen Institute der Meinungs-, Markt-und Wirtschaftsforschung tätig sind und ihre Resultate von den Zeitungen referiert werden 38). Bei der Wissenschaftsberichterstattung überwiegen — mit der beiden untersuchten Straßenverkaufszeitungen — in der Regel die ausführlichen Sach-und Hintergrundberichte Die Wissenschaftsberichterstattung findet vornehmlich in den Ressorts . Wissenschaft/Technik', Vermischtes'und . Kultur'statt. In den Zeitungen, die regelmäßig über eine umfangreiche Wissenschaftsseite oder -spalte verfügen (FAZ, FR, , Weit’) findet sich rund die Hälfte aller relevanten Beiträge auf entsprechenden Seiten, während bei den übrigen Blättern Vermischtes'oder/und . Kultur'diese Thematik beinhalten. Die überregionalen Blätter gehen, wie die Untersuchung feststellt, auch schon häufiger dazu über, Wissenschaftsmeldungen auf den politischen Seiten oder im Wirtschaftsteil zu präsentieren 3 bis 5 Prozent der Wissenschaftsmeldungen waren — mit Ausnahme der FAZ — bereits auf Titelseiten zu finden, wobei die . Weit'herausragte. Insgesamt ließ sich feststellen, daß Aufmacher oder besondere Hervorhebungen vornehmlich bei der Medizin-und Technikberichterstattung vorkommen. Im Mittelpunkt der Wissenschaftsberichterstattung steht in erster Linie die Arbeit von Forschungsinstitutionen und -einrichtungen und erst an zweiter Stelle die wissenschaftliche Tätigkeit an Hochschulen. Die Boulevardzeitungen neigen häufig dazu, über Arbeiten von Einzelpersonen ohne Nennung der institutionellen Zugehörigkeit zu berichten
Ein beträchtlicher Anteil der Wissenschaftsberichterstattung entfallt aut die Vermittlung von wissenschaftlichen Ereignissen beziehungsweise Forschungsresultaten, die aus den USA oder dem westeuropäischen Ausland stammen. Nahezu ausschließlich inländisch geprägt war bei allen analysierten Blättern die Berichterstattung aus den Bereichen der Gesellschafts-, Rechts-und Wirtschaftswissenschaften, während bei den Naturwissenschaften — mit Aunahme von SZ und WAZ — überwiegend über US-amerikanische oder sonstige ausländische Forschungstätigkeit berichtet wird. Im Mittelpunkt der Inlands-Wissenschaftsberichterstattung stehen in erster Linie Markt-, Meinungs-und Konjunkturforschungs-Institute, an zweiter Stelle die Universitäten und dann die industriellen so-j sonstige Forschungseinrichtungen. Die Berichterstattung über die wissenschaftliche Tätigkeit an einer Universität oder sonstigen Hochschule ließ sich in zahlreichen Fällen auf eine vorangegangene Publikation in Fachzeitschriften zurückführen, zu einem großen Teil auch auf Pressemitteilungen und Initiativen der Finanzgeber von Forschungsprojekten und nur in Einzelfällen auf Presseinformationen von Universitäten. Bemerkenswert ist auch die Feststellung Depenbrocks, daß Wissenschaftsmeldungen die Zeitungen größtenteils nicht unter das ansonsten in der Presse hochgehaltene Kriterium der Aktualität fallen. Deshalb waren Meldungen aus dem Bereich der Forschung im Abdruck bei den verschiedenen Blättern oftmals zeitlich stark verschoben. Etwa 40 Prozent der im Analysezeitraum ermittelten Wissenschaftsmeldungen und -berichte erschienen zudem lediglich in einer der untersuchten Zeitungen und wurden somit — gewollt oder ungewollt — nur den Lesern dieses Blattes angeboten. Zeitungen mit einer regelmäßig erscheinenden Wissenschaftsseite brachten sogar mehr als die Hälfte aller Wissenschaftsbeiträge exklusiv. Teilweise kursierten Wissenschaftsmeldungen jahrelang immer wieder aufs neue durch die Presse
In gewisser Weise wird durch Depenbrocks Ergebnisse ein Vorwurf bestätigt, den Hans Heinz Fabris erhoben hat: „Insbesondere die vermarktete'wissenschaftliche Information — ob im Bereich der Tages-und Wochenzeitungen, der Zeitschriften oder des Buches — vermag nur sektorale und von Partialinteressen bestimmte wissenschaftliche Öffentlichkeit herzustellen." Der ermittelte Eklektizismus in der Wissenschaftsberichterstattung der Presse korrespondiert mit dem Befund, daß von den verantwortlichen Journalisten nur wenig über die Aufgaben einer Verbesserung dieses Themenangebots nachgedacht worden ist. Depenbrock stellte fest, daß der Anteil der Wissenschaftspublizistik innerhalb der Wissenschaftsberichterstattung „verschwindend gering" war und man sich — falls überhaupt — nur gelegentlich über die Wissenschaftspräsentation anderer Medien ausließ.
So würdigten FAZ und , Welt'„ausführlich die Verdienste des ZDF-Gesundheitsmagazins . Praxis'um eine sachgerechte Medizinberichterstattung'’. Weitere Meldungen waren beispielsweise dem Zusammenschluß der europäischen Wissenschaftsjournalisten (FAZ), der Uraufführung eines Films über die Geschichte der Nervenheilkunde (, Weit'), dem Interesse an der Wissenschaftsberichterstattung des Fernsehens (FAZ, FR) sowie Einzelhinweisen und -Würdigungen von TV-Wissenschaftsreihen auf den Fernsehseiten der Zeitungen (vor allem SZ, FR, WAZ, , Schwäbische Zeitung') gewidmet
Nachdem sich der Dokumentarfilm schon seit Jahrzehnten mit Fragen der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse befaßte, nahmen sich und die Hörfunk Fernsehen zunehmend -ser Thematik an. Anläßlich der bereits zitierten EMNID-Enquete im Auftrage des Bundes-presseamtes von Ende 1972 erklärten 65 Prozent der Befragten, daß die einprägsamsten Berichte über Forschung und Wissenschaft das Fernsehen vermittle, während 15 Prozent für die Tagespresse, 12 Prozent für die Illustrierten und nur ganze 3 Prozent für den Hörfunk plädierten Dennoch, so meint Ulrich Lohmar, sei die Wissenschaftspublizistik in den Hörfunkprogrammen besser plaziert worden als im Fernsehen. „Das hängt einmal damit zusammen", meint er, „daß sich der Hörfunk wie die Wissenschaft des Wortes bedient, um sich verständlich zu machen ... Zweitens aber steht in den Hörfunkprogrammen mehr Zeit zur Verfügung, um ein komplexes Problem auf angemessene Weise zu behandeln . . . Der Hörfunk bevorzugt für die Berichterstattung über Wissenschaftsthemen die journalistische Form des Features, also eine Mischung von Reportage, Erzählung und Kommentar. Daneben kommt der wissenschaftliche Vortrag hier und da zur Geltung."
Mittlerweile haben sich jedoch TV-Wissenschaftssendungen bereits feste Plätze im Abendprogramm beider Fernseh-Sendesysteme erobern können, häufig sogar in der sende-günstigsten Zeit ab 20. 15 Uhr: dies trifft zu auf die in monatlicher Folge donnerstags von der ARD ausgestrahlten , Bilder aus der Wissenschaft', die beispielsweise beim WDR von Dr. Günter Siefarth und beim Bayerischen Rundfunk von Dr. Hans Lechleitner maßgeblich gestaltet werden, außerdem präsentiert das ZDF monatlich an einem Montag die Sendung , Aus Forschung und Technik'sowie alle zwei Monate Hoimar von Ditfurths Wissenschaftsmagazin . Querschnitt’. Zum Teil können diese günstig placierten Sendereihen auf beachtliche Einschaltguoten verweisen. So erreichten beispielsweise die . Bilder aus der Wissenschaft'1974 eine durchschnittliche Sehbeteiligung von rund 30 Prozent, was etwa derjenigen von politischen ARD-Magazinen wie . Panorama'oder . Monitor'entsprach Neben diesen allgemeinen Wissenschaftsmagazinen sei noch auf die der Medizin vorbehaltenen Spezialsendereihen wie , Ratgeber Gesundheit'(ARD) sowie das . Gesundheitsmagazin Praxis'(ZDF) hingewiesen. Die seit 1964 existierende ZDF-Produktion gilt zugleich als ältestes kulturelles Fachmagazin des deutschen Fernsehens und soll „erheblichen Einfluß auf das Gesundheitsbewußtsein" genommen haben Dabei hat das Fernsehen, wie Lohmar betont, „die größten, aber auch schwierigsten Möglichkeiten, die Wissenschaft transparent, öffentlich verständlich und damit in gewisser Weise kontrollierbar zu machen". Die Spekulation mit den Einschaltquoten habe dazu geführt, daß „sich die Wissenschaftspublizistik des Fernsehens für die populärwissen-schaftliche Darstellung" entschieden habe.
Dadurch habe das Fernsehen „ganz sicherlich wesentlich dazu beigetragen, daß viele Bürger unseres Landes mehr als aus anderen Quellen über Probleme und Möglichkeiten der Wissenschaft erfahren haben. Doch das Fernsehen ist dabei immer in dem Zwiespalt, einerseits Ergebnisse oder Chancen der Wissenschaft für den Mann auf der Straße aufzeigen zu müssen, andererseits aber einen kritischen Beitrag zu inhaltlichen und methodischen Problemen der Forschung und Lehre selbst leisten zu wollen" Und Hans Lechleitner, einer der Moderatoren von . Bilder aus der Wissenschaft', spricht konkret die Themenwahl an, die, wie er meint, „dann stimmt, wenn sie Antworten auf richtig gestellte, auf wichtige, auf aktuelle und im gesellschaftlichen Zusammenhang notwendige Fragen herausfordert...
Je eher es gelingt, die Schwierigkeit zu überwinden, sehr heterogene Berichte — man könnte soweit gehen und sagen, je heterogener, desto besser — zu einer höheren Einheit zu verbinden, desto eher darf einem ein Seufzer der Erleichterung entschlüpfen."
Dennoch kann, wie sich jedem Zuschauer augenfällig zeigt, im Fernsehen keineswegs von einem relativ breiten Spektrum der dort vorgeführten Wissenschaften die Rede sein. Wie kommt es beispielsweise, daß — wenn die Präsentation wissenschaftlicher Resultate im Fernsehen erfolgt — hierunter häufig nahezu selbstverständlich (ohne daß dies immer ausdrücklich betont zu werden pflegt) naturwissenschaftliche Forschung begriffen wird? Mag das etwa daran liegen, daß in den vorgeführten naturwissenschaftlichen Tests immer irgend etwas „fließt", „rotiert" oder sich sonst-wie sichtbar bewegt bzw. augenfällig verändert, was als telegen oder kameraadäquat empfunden wird? Oder ist hierunter ein prinzipielles Mißverständnis von Wissenschaft seitens des Fernsehens zu erblicken, wenn dermaßen starke thematische Einengungen erfolgen? Geraten durch derlei kommunikatorbewirkte Prioritätssetzungen nicht die sogenannten Geistes-und Sozialwissenschaften noch stärker ins Abseits des öffentlichen Bewußtseins, als sie es ohnedies schon zu sein scheinen? Wird infolge ihrer permanenten Nichtbeachtung, die sich medial in Non-Information über ihre zum Teil exorbitanten Leistungen ausdrückt, nicht ihre Existenz-und Daseinsberechtigung zunehmend in Frage gestellt, da man ja so gut wie nichts über sie erfährt und sie eines Tages womöglich leicht als entbehrlich empfinden könnte?
Auf machte kürzlich diesen Sachverhalt interessanterweise auch ein kompetenter Medienkritiker aufmerksam, indem er u. a. ausführte: „Schon eine oberflächliche Besichtigung des Phänomens Wissenschaft im Fernsehen liefert einen bedeutsamen Befund. Ohne Auszählung von Sendeminuten läßt sich feststellen: In den einschlägigen Sendungen hat das Naturwissenschaftliche, Technische, Medizinische Vorrang. Ein nur vom Fernsehen bedienter Zuschauer müßte wissenschaftliche Arbeit vornehmlich in der Physik, Astronomie, Biologie, Chemie, in den Ingenieurdisziplinen, in Mathematik und Pharmazie am Werk sehen. Diese Verteilung, die augenfällige Hintansetzung der Kulturwissenschaften (Soziologie, Politologie, Psychologie usw.), läßt womöglich ein ideologisches Muster erkennen: In der Präferenz naturwissenschaftlicher Themen scheint die erklärungsbedürftige Neigung sich zu äußern, scheinbar Objektives/Unpolitisches/Wertfreies/Transgesellschaftliches als den Ausdruck von Wissenschaft schlechthin zu monopolisieren. Dem entspricht die weitgehend unkritisch-positivistische Darbietung naturwissenschaftlicher Experimente und Ereignisse, Verfahren und Resultate. Durchaus typisch ist in diesem Zusammenhang das TV-Spektakel über das jünste Weltraummanöver , Apollo-Sojus'(15. 7. 1975). Aus den Sonderstudios (!) der Sendeanstalten kamen platt und tautologisch kommentierte Ab-Bilder der sowjetisch-amerikanischen Space-Expedition. Nichts weiter. Eine Duplizierung also: Eine künstliche Sensation wird, abermals künstlich, medial aufbereitet. Das Ereignis als Ereignis, der plane Transfer eines in der Substanz doch höchst problematischen Geschehens: Wissenschaftsberichterstattung ohne das Moment der Kritik (mögliche Fragen diesmal: Was kostet Apollo-Sojus? Was bringt es? Wem nützt es? Auf welchem politischen Hintergrund findet es statt?), ohne soziale Verrechnung wird zum exotischen Panoptikum — toll, was es alles gibt! Was in den , Apollo-Sojus‘-Sendungen ziemlich pur zum Vorschein kam, die riskante Arglosigkeit gegenüber dem naturwissenschaftlichen Komplex, dieses detailversessene Staunen, charakterisiert die größere Zahl der Wissenschaftssendungen im Fernsehen. Die Ausblendung soziopolitischer Reflexion scheint hier müheloser zu gelingen als in den Bereichen a priori hochkontroverser Gesellschaftswissenschaft. In Wahrheit jedoch, und das lehrt nicht erst die Ökologie nach der säkularen Zäsur des Ol-Schocks, ist der naturwissenschaftliche Forschungszusammenhang von äußerster politischer Brisanz .. . Auch eine längere Beobachtung läßt ... recht keinen Schluß darauf zu, welcher Orientierung — unterhalb der Differenzierung natur-/Geisteswissenschaft — das Programmangebot folgt. In welchem Kontinuum, mit welchem Anspruch, welcher Absicht und Akzentuierung Wissenschaftliches, nehmen wir einmal diesen verschwommenen Begriff, popularisiert wird, ist kaum zu entdecken. Was Fernsehproduktionen ohnehin belastet (im Sinne der Verhinderung produktiver Aneignung durch das Publikum), ihre sprichwörtliche Vereinzelung/Isolierung, ist im Bereich der Wissenschaftsberichterstattung besonders heikel. Eine Empfehlung könnte demnach lauten: ARD und ZDF hätten ihre gesamte Wissenschaftsprogramm-Produktion einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen. Ein Prioritäten-Katalog müßte entstehen."
Man könnte diesen und ähnlichen Einwänden zum Teil durch den Hinweis darauf begegnen, daß es ja auch spezielle Fernsehsendungen für die in den Magazinen ausgesparten Geisteswissenschaftler gibt, beispielsweise durch die sonntägliche ZDF-Sendung . Fragen zur Zeit — Wissenschaftler nehmen Stellung', deren thematische Schwerpunkte — nach Auskünften des ZDF — „in den Bereichen Gesellschaft, Staat, Bildung und Erziehung", sowie „Lebenshilfe (Philosophie und Sozialpsychologie *)" liegen Obwohl Wissenschaftler sich hier optisch präsentieren, wie es ja auch in zahlreichen anderen Sendungen geschieht, wo der „Experte" mit seiner Sachkompetenz gefragt ist, werden doch häufig nur marginale Forschungsresultate oder auch abgestandene Erkenntnisse vermittelt. Die Kopflastigkeit der Berichterstattung in den Wissenschaftsmagazinen zugunsten der Naturwissenschaften im weitesten Sinne ist indes auch von einzelnen Fernsehjournalisten registriert worden, wenn beispielsweise Hans Lechleitner bekennt: „Vom optischen Gesichtspunkt aus betrachtet gleicht ein Labor dem anderen aufs Haar, wie ein Reagenzglas dem anderen. Eine immer wieder unterschätzte Schwierigkeit besteht darin, jene Bilder, die sich schon so sehr gleichen, zu meiden und ohne optische Mätzchen, bei allem Respekt vor Sachlichkeit, die eigene Phantasie zu mobilisieren."
Insgesamt hat die sich ständig wiederholende Szenerie von weißen Kitteln, Labors und Instrumenten zu einer außergewöhnlichen Stereotypisierung der Aussagegestaltung primär naturwissenschaftlich ausgerichteter Sendungen geführt, die, wie es häufig den Anschein hat, infolge Einfallslosigkeit zur Routine erstarrt sind. Kaum jemand hat diese Bildschirmmonotonie bislang drastischer und zugleich anschaulicher beschrieben als Jürgen Dahl in dem Wochenblatt Zeit’; aus seinem Beitrag seien hier einzelne Passagen zitiert: „Bei Nachrichtensendungen wird der Inbegriff der Scheininformation dort erreicht, wo zum abertausendstenmal ein eleganter Herr mit Aktenkoffer einem Auto der Luxusklasse entsteigt und in einem Portal verschwindet: das nichtssagende Bildkürzel für jede beliebige Konferenz. In den wissenschaftlichen Sendungen des Fernsehens gibt es ein ähnliches Schlüsselbild, freilich mit anderer Bedeutung: der Mann im weißen Kittel, der hinter einem Mikroskop oder vor einer Bücherwand sitzt und ein sogenanntes Statement abliefert; eine etwas dramatischere Variante verläuft so, daß er auf ein großes Gebäude zuschlendert, sich an dessen Eingangstür ruckartig umdreht und wie auf Kommando druckreife Sätze von sich gibt, wobei die Kamera mit dezentem Schwenk das Schild einfängt, auf dem der Name des Instituts zu lesen ist.
Wissenschaft im Fernsehen ist nicht denkbar ohne solche Statements, und manchmal wäre sie ohne diese auch gar nicht erträglich; denn im Statement kommt die Wissenschaft im Fleische zu uns, die reine Lehre darf sich ohne störende Bilder darsteilen, dem Ernst der Sache kommt kein Regie-Einfall verquer. Doch trügt der Schein. In Wahrheit tritt nämlich zugleich mit dem Statement das ungeschriebene Gesetz in Kraft, wonach es nie länger dauern darf als fünfzig Sekunden; was darüber ist, gilt als Sünde wider die Kurzweil. Weil aber kein Experte willens und imstande ist, seine Botschaft auf fünfzig Sekunden zu komprimieren, hilft man sich damit, die Experten zunächst sprechen zu lassen, was sie wollen und davon dann übrigzulassen, was die Regie will. Das Statement ist in aller Regel ein seines Kontextes beraubtes Zitat, und eine gewisse Spannung gewinnt es nur aus dem Umstand, daß man fast immer spürt: der Mann hat ja noch weitergeredet, man hat ihm das Semikolon angesehen . . .
Auf der Ebene der Sachen gibt es ähnliche Schlüsselbilder für das Jonglieren mit Fakten-trümmern und Informationsfetzen. Sendungen mit wissenschaftlichen Themen haben es ständig mit Untersuchungsvorgängen, Beobachtungsapparaturen, Analyseverfahren und Meßvorrichtungen zu tun, also mit der Methodik, mit deren Hilfe die Ergebnisse gewonnen werden. ..
Dem Verfahren liegt die irrige Annahme zugrunde, jedes Verharren, jedes Insistieren müsse . langweilig'werden. Dabei liegt gerade in der Darstellung von Vorgängen, die man sonst schwer oder gar nicht beobachten kann, eine der ganz großen Möglichkeiten, die den immensen technischen Aufwand überhaupt erst rechtfertigt: das sonst nicht Sichtbare sichtbar zu machen und ohne Papperlapapp zu demonstrieren, die Sache vorzuzeigen und nicht die Scheiben, in die man sie geschnitten hat. Natürlich gibt es das — aber nur in Glücksfällen. . .
Jene Laboratoriumsszenen, in denen die Mädchen sich mit Gläsernem beschäftigen, symbolisieren nicht nur den Ersatz der Sache durch den Hinweis auf ihre Hantierbarkeit, sie sind zugleich ein Schlüsselbild für das Zeremoniell einer Kulissenschieberei, die zu jedem Wort das passende Bild liefert — aber auf so platte Weise . passend', daß man bei manchen Sendungen mit geschlossenen Augen die Bilder aufzählen könnte, die da ablaufen. Der Zwang totaler Bebilderung hat ein Arsenal von gängigen Illustrationen, einen nahezu vollautomatischen Mechanismus hervorgebracht: Wenn vom Wald die Rede ist, wird die Waldstaffage gezeigt, wenn vom Weltraum die Rede ist, sieht man den Orion-nebel (und hört dazu unfehlbar Sphärenklänge aus der elektronischen Orgel), wenn von Plattfüßen die Rede ist, sieht man eine belebte Geschäftsstraße; letztere findet aber auch Verwendung bei den Themen Autoabgase, Einsamkeit in der Masse, Ansteckungsgefahr bei Erkältungskrankheiten, Streß im Alltag und so fort. Das begrenzte Arsenal der Versatzstücke ist vielseitig verwendbar. Gleichwohl werden sie jeweils neu abphotographiert, ganze Kamerateams reisen tagelang für sehr viel Geld, um fortwährend solche Zehn-Sekunden-Sequenzen aufzunehmen, für die schon viele andere Teams viele Tage lang gereist sind.
Dabei wird unausgesetzt die Kurzweil mit dem Durcheinander verwechselt und eine Schwäche menschlicher Wahrnehmungsfähig-B keit ignoriert: daß man nämlich Bild und Wort zugleich mit ungeteilter Aufmerksamkeit nur folgen kann, wenn sie eng aufeinander bezogen sind. Je größer der Abstand wird, um so mehr rückt das Bild in den Vordergrund des Interesses...
Daß die Ergebnisse und Ereignisse der Wissenschaften nicht zum Stoff der täglichen neuesten Nachrichten gehören, daran hat man sich gewöhnt: Das Forschungsergebnis ist keine Meldung, höchstens das Ableben des Forschers."
IV. Soziologie der Wissenschaftsjournalisten
Abbildung 4
Abbildung 4
Abbildung 4
Diese — bisweilen gewiß etwas überakzentuierten — Formulierungen über die Ritualisierung und Stereotypisierung von Wissenschaft in den genannten Wissenschaftsmagazinen des Fernsehens bringt erneut die bereits eingangs unserer Ausführungen genannte Grundfrage nach der Qualität und Schlüssel-funktion des Wissenschaitskommunikators auf. Wie sehr die Wissenschaftsberichterstattung des Fernsehens beispielsweise vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft als hervorragende Chance der Forschungsvermittlung betrachtet wird, mag daraus hervorgehen, daß der Stifterverband seit 1967 einen besonderen Preis aussetzt; dieser wird jährlich im Rahmen der Vergabe der Adoll-Grimme-Preise als Sonderpreis für solche Produktionen verliehen, „die ein wissenschaftliches Thema für die Allgemeinheit verständlich und mit den Mitteln des Fernsehens besonders qualifiziert darstellen", sowie „ein Thema behandeln, welches geeignet ist, das Interesse weiter Kreise für die Förderung der Wissenschaft zu wecken und ihre Wichtigkeit für die Entwicklung der ganzen Menschheit und damit für jeden einzelnen darstellen"
Die Besonderheiten dieser Journalistengruppe „Wissenschaftspublizistik" haben dazu geführt, neben den allgemeinen publizistischen Standesvertretungen auch spezielle Vereinigungen von Wissenschaftsjournalisten zu etablieren, doch auch hier überwiegt die naturwissenschaftliche Orientierung. So existiert beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland die bereits 1929 in Berlin entstandene , Technisch-Literarische Gesellschaft', die sich begreift als „eine Vereinigung von Journalisten, Publizisten und Schriftstellern, die ihre Aufgabe darin sehen, Erkenntnisse und Probleme der Naturwissenschaften und der Technik weiten Kreisen verständlich zu machen"; gegenwärtig gehören ihr rund 230 Mitglieder an. Nur rund 50 Mitglieder umfassend und sich bewußt als exklusive Vereinigung verstehend, arbeitet seit 1965 das . Kollegium der Medizinjournalisten'„vor allem zum Zweck einer qualifizierten Berichterstattung und Information der Öffentlichkeit über medizinische und gesundheitspolitische Fragen". Eine spezielle . Vereinigung der deutschen medizinischen Fach-und Standespresse'zählt zu ihren Mitgliedern etwa 130 Ärzte und Journalisten, die als Redakteure an ärztlichen Fachperiodika tätig sind
Innerhalb und außerhalb dieser Vereinigungen wirkt eine Anzahl von Wissenschaftsjournalisten, über die lange Zeit so gut wie nichts bekannt war. Erst im Rahmen eines am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld (ZIF) durchgeführten Projekts zum Problemkreis „Journalismus und Wissenschaft" war es möglich, erste Orientierungswerte über die Struktur, Ausbildung und das Berufsbild dieser Spezialkategorie journalistisch Tätiger zu gewinnen. Nach langen, und wie die Bearbeiter der Enquete zugeben, kontroversen Diskussionen wählten die Autoren für ihren Untersuchungszweck eine Definition, derzufolge „Wissenschaftsjournalisten bestimmt werden als Journalisten, die überwiegend Informationen beschaffen, bearbeiten, beziehungsweise publizieren aus den Natur-, Geistes-und Sozialwissenschaften mit ausdrücklichem Bezug auf wissenschaftliche Verfahren und Ergebnisse" Uber die verschiedenen Untersuchungsschritte berichten die Autoren im einzelnen „Durch eine schriftliche Umfrage bei Chefredakteuren und Programmdirektoren, durch die Auswertung von Handbüchern, Impressen, Teilnehmerlisten an Fachtagungen sowie durch ergänzende Hinweise im Schneeballsystem konnte eine Zielgruppe von 372 Personen eruiert werden. Bis Ende Juli 1974 sandten 200 von ihnen den Fragebogen der Haupt-erhebung, der 74 Fragen enthielt, voll ausgefüllt und auswertbar zurück. Die berufliche Situation der untersuchten Gruppe unterscheidet sich erheblich von der anderer Journalisten. Von den 200 antwortenden Wissenschaftsjournalisten sind 46 Prozent fest angestellt. Knapp ein Drittel — verglichen mit den Kollegen anderer Sparten eine erstaunlich große Zahl — arbeitet als freie Journalisten. Die übrigen schreiben entweder für ein Pauschalhonorar oder stehen in einem gemischten Arbeitsverhältnis." Hier die tabellarische Zusammenfassung der erfragten Daten: „Reich gegliedert", so fahren die Autoren fort, „ist die Auswahl der Medien, für die Beiträge geliefert werden. Während immerhin 54 Prozent der Befragten für Fachzeitschriften, 33, 5 Prozent für überregionale Tageszeitungen und 31 Prozent für Hörfunksender arbeiten, entfallen auch auf die übrigen Möglichkeiten noch eine ganze Reihe von Nennungen. Je 25 Prozent sind für regionale Zeitungen beziehungsweise Buchverlage tätig. 24 Prozent für populärwissenschaftliche Zeitschriften, 18 Prozent für Pressedienste und beinahe gleich viele für Illustrierte. Etwas niedriger liegen die Quoten für Fernsehen, Verbands-oder Werkzeitschriften, Magazine, Wochenzeitungen und ähnliches. Am Schluß der Tabelle rangieren, weit abgeschlagen die Nachrichtenagenturen": „Die Mehrzahl der Wissenschaftsjournalisten arbeitet", wie festgestellt wird, „gleichzeitig für mehrere Medien: Bei insgesamt 558 Angaben kommen im Durchschnitt 2, 7 Nennungen auf eine Person. 70 Befragte zählen sogar vier und mehr Mediengruppen auf, für die sie tätig sind. Somit kann eine erhebliche intermediale Mobilität als kennzeichnend für den Wissenschaftsjournalisten gelten. Was den journalistischen Werdegang angeht, so hat die Mehrzahl der Befragten nicht — wie sonst in diesem Beruf üblich — in einer Redaktion volontiert. Sehr häufig sind indes ein Hochschulstudium und eine abgeschlossene Ausbildung in einem weiteren Bereich. 58 Prozent bezeichnen sich als Vollakademiker; nur 5, 5 Prozent haben kein Abitur", wie die nachfolgende Übersicht ausweist: „Gut zwei Drittel waren länger als ein Jahr außerhalb des Journalismus tätig", heißt es weiter, „vor allem im wissenschaftlichen oder technischen Bereich, aber auch im Lehramt oder in Berufen. Durchaus kaufmännischen in Fällen der nicht allen korrespondiert Schwerpunkt der Ausbildung oder einer vorübergehenden Berufsausübung mit der jetzigen fachlichen Spezialisierung. Ein markantes Beispiel ist hier jener promovierte Historiker, der als Raumfahrt-Reporter dem Fernsehpublikum bekannt wurde." Welche Aufgaben hat die Wissenschaftsberichterstattung nach dem Verständnis der Fachjournalisten zu erfüllen? Wissenschaftsberichterstattung soll Fakten über den Stand der wissenschaftlichen Entwicklung mitteilen: Diese Antwort-möglichkeit wurde von insgesamt 97 Prozent zustimmend bewertet. Fast 82 Prozent drückten nach der vorgegebenen Skalierung die größtmögliche Zustimmung aus. Etwa gleichrangig werden die Kritikfunktion und Orien-tierungsarbeit für die Öffentlichkeit eingestuft: Während insgesamt 81, 9 Prozent der Fachjournalisten der Forderung beipflichten, wissenschaftliche Institutionen und Projekte kritisch zu analysieren und zu bewerten, plädieren 76, 1 Prozent — mit verschiedener Intensität — für praktische Ratschläge für die Leser. Am wenigsten Befürworter findet die Unterhaltungsfunktion: Knapp 65 Prozent sind der Meinung, daß Wissenschaftsberichte zur Anregung und Unterhaltung der Rezipienten beitragen sollen."
Einige weitere Befunde mögen knapp zusammengefaßt werden: Fast 93 Prozent der Befragten sind im Einzugsgebiet von Universitätsstädten wohnhaft, wodurch die Aufrechterhaltung von Kontakten zu Hochschullehrern erleichtert wird. Diese Kontakte sind nach überwiegendem Urteil der Befragten weitaus wichtiger als etwa die Auswertung schriftlicher Materialien der Universitäts-Pressestellen, denn „insgesamt wird die Öffentlichkeitsarbeit der Hochschulen höchst negativ eingeschätzt“, nur 9, 5 Prozent zeigen sich mit deren Output zufrieden. In offenen Antworten wurden mitunter recht drastisch formulierte Klagen über die Pressearbeit der deutschen Universitäten laut, attackiert wurden im wesentlichen drei Mängel 1. Die journalistische Qualität der Aufbereitung sowie die Brauchbarkeit und Umsetzbarkeit des Stoffes sind ungenügend:
Einige Forderungen hier: -der „Besser aufbe reitete, raschere und kürzere Informationen sind notwendig" — „weniger wirklichkeitsfremd" — „nicht noch mehr beamtete Offentlichkeitsarbeiter" — „sollte mehr nach außen orientiert sein" — „nicht so langatmig" — „zielgruppenaffinitiver".
2. Die Informationen sind kaum zuverlässig genug und für die gesamte Forschungsarbeit nicht repräsentativ:
„Weniger Nabelschau, mehr Striptease" — „mehr Objektivität erwünscht" — „zuviel eitle Selbstdarstellung" — „weniger Hofberichterstattung, mehr Transparenz" — „Angaben oft sehr ungenau" — „Personalia genügen nicht" — „unabhängig von Wirrköpfen" — „Uni-Infos sind oft , his master's voice'“...
3. Das Angebot an konkreten Hilfen und Aussagen ist zu gering:
„Frühinformationen zu den Forschungsvorhaben sollten verbessert werden" — „zu wenig weiterführende Recherchierhilfen" — „mehr Schwergewicht auf konkreter Forschung" — „weniger Politik, mehr Wissenschaft" — „mehr Informationen über die schweigende Mehrheit der Professoren und Studenten" — „mehr Kontaktanbahnung zu den Wissenschaftlern" — „mehr über die Zusammenhänge von Forschungsvorhaben und deren volkswirtschaftlichen Nutzen".
Obwohl insgesamt rund drei Viertel der Befragten selbst Hochschulen besuchten, nahezu 20 Prozent mit einem Magister-, Diplom-oder Staatsexamen abschlossen und fast 39 Prozent ein Doktorat erwarben, ist hier doch kritisch zu fragen, ob die genannten akademischen Qualifikationsmerkmale generell ausreichen, als Wissenschaftsjournalist zu arbeiten, da es sich nun ja einmal um Akademiker handelt. Daß dies in der Regel so zu genügen scheint, wird durch die Untersuchung selbst gestützt, wonach etwa zwei Drittel der befragten Wissenschaftsjournalisten nie ein Volontariat absolviert haben, wie folgende Tabelle zeigt:
Kreuzklassifikation: Eigene journalistische Ausbildung/Einschätzung der für Wissenschaftsjournalisten nützlichen Ausbildungsform Befragter Befragter hat hat volontiert nicht Summe volontiert Studium, Abschluß nicht erforderlich 17 18 35 Fachstudfum mit Schlußexamen 21 60 81 Volontariat und Spezialisierung 10 3 13 Summe 48 81 129
Hans Heinz Fabris stellt als Mitglied des Bielefelder Forschungsteams auch kritisch fest: „Der Verwissenschaftlichung des Produktionssektors und weiter Bereiche der Gegenstände der Berichterstattung ist allerdings noch keine Verwissenschaftlichung der journalistischen Qualifikationsstruktur gefolgt, so daß die von Kommunikationspraktikern auch gar nicht geleugnete Unterrepräsentierung von Wissenschaftsberichterstattung und die unzulängliche Praxis dieser Tätigkeit nicht zuletzt als Ergebnis der mangelnden journalistischen Kompetenz einzuschätzen sind. .. Der nicht an den Nachweis formaler Zugangs-kriterien gebundene Berufseintritt, die herrschende berufsständische Ideologie des Bega-)
bungsberufs des , geborenen'Journalisten und die ökonomische Entwicklung im Medienbereich haben vielfach eine Kluft zwischen journalistischer Sprach-und Sachkompetenz aufgerissen. Dies hat sich in der Praxis der Wissenschaftsberichterstattung besonders katastrophal ausgewirkt." Andere Mitglieder der Bielefelder Forschungsgruppe nahmen sich der Fragen an, ob bei einer künftigen wissenschaftlichen J ournalistenausbildung auch kompetentere Wissenschaftspublizisten ausgebildet zu werden vermögen Einige der aus dieser Frage erwachsenen Empfehlungen folgten dabei jener bereits von Ulrich Lohmar aufgestellten Forderung nach „einer Art wissenschaftlichem . Dolmetscher'..., der die Resultate der Forschung in die Sprache der Politiker" oder der Allgemeinheit übersetzt In bezug auf einen — wie auch immer gearteten — anzuempfehlenden Popularisierungsgrad verhielten sich die Bielefelder Autoren recht vorsichtig. Werner Obermeit hob etwa hervor, daß „die Beispiele für Wissenschaftspopularisierungen auf der Ebene der Darstellungsmedien deutlich" werden lassen, „daß es sich bei derartigen Kontextveränderungen nicht nur um äußere Verschiebungen handelt. Die veränderten medialen Bedingungen, auf die wissenschaftliche Gegenstände gewissermaßen treffen, beeinflussen die inhaltliche Seite der dargestellten Sachverhalte” Und Knut Boeser verwies deutlich auf die ablehnende Haltung beispielsweise Theodor Adornos, der in der Einleitung zu einer Diskussion über die Theorie der Halbbildung schrieb: „Die Möglichkeit des Resümees verantwortlich formulierter Dinge bezweifle ich. Was ich schreibe, opponiert geradezu der Resümierbarkeit. Sie setzt eine Trennung von Form der Darstellung und Inhalt voraus, die ich ungebrochen nicht anerkennen kann. Ließe ein Text angemessen sich resümieren, so bedürfte es nicht des Textes, sondern das Resümee wäre die Sache selbst." In der bereits zitierten Teiluntersuchung zweier Mitarbeiter des Bielefelder Forschungsteams wurde die spezifische Umsetzungsproblematik wissenschaftlicher Resultate via Wissenschaftsjournalist angegangen, und zwar auch auf der Basis der genannten Fragebogenauskünfte von maximal 200 Antwortenden. Nachfolgend seien einige der wesentlichen Befunde tabellarisch vorgestellt Die Resultate führten zu einer gewissen Perspektivkorrektur in einigen Detailfragen. „Revisionsbedürftig ist", so in dem Bericht, „das Bild vom esoterischen Forscher im wohlbehüteten Elfenbeinturm — ein Klischee, das seit Jahrhunderten dem deutschen Professor anhängt wie dem Narren die Schelle: Mehr als die Hälfte der Befragten, insgesamt 57, 2 Prozent, verneint die Publizitätsscheu der Wissenschaftler als Hindernis für ihren Beruf; nur jeder Zehnte stimmt hier voll zu. Dieses Resultat wird erhärtet durch die Tatsache, daß fast 60 Prozent der Befragten Anstöße für ihre Beiträge zu wissenschaftlichen Themen vorwiegend durch persönliche Kontakte mit Wissenschaftlern bekommt. Besonders zu Hochschullehrern pflegen Wissenschaftsjournalisten Beziehungen (75 Prozent häufig, 22, 4 Prozent selten, nur 2, 6 Prozent nie)." Insgesamt wird indes „die Öffentlichkeitsarbeit der Hochschulen höchst negativ eingeschätzt", wie aus folgender Übersicht deutlich wird
Antworten auf die Frage: Enthält das Informationsmaterial von den Pressestellen der Universitäten und Hochschulen für Ihre Arbeit brauchbare Informationen über...
Abbildung 5
Abbildung 5
Abbildung 5
V. Fachchinesisch als Kommunikationsbarriere?
Abbildung 6
Antworten auf die Frage: Für die Wissenschaftsberichterstattung liegen die größten Probleme in der Schwierigkeit, im Abstraktionsgrad wissenschaftlicher Arbeiten bzw. Ressortleiter in der Schwierigkeit, mediengerecht darzustellen Zahl der 188 184 182 185 182 17, 1 17, 1 31, 5 35, 3 36, 3 25, 3 2 I 22, 0 17, 6 4 7, 1 14, 1 17, 6 Eine Abstufung der Artwort war durch die Skala (völlige Ablehnung 1 5 11, 5 6 16, 8 bis völlige Zustim-Antworten Jn welchen der folgenden Punkte liegen nach Ihrer Erfahrung vor alleﯲ
Antworten auf die Frage: Für die Wissenschaftsberichterstattung liegen die größten Probleme in der Schwierigkeit, im Abstraktionsgrad wissenschaftlicher Arbeiten bzw. Ressortleiter in der Schwierigkeit, mediengerecht darzustellen Zahl der 188 184 182 185 182 17, 1 17, 1 31, 5 35, 3 36, 3 25, 3 2 I 22, 0 17, 6 4 7, 1 14, 1 17, 6 Eine Abstufung der Artwort war durch die Skala (völlige Ablehnung 1 5 11, 5 6 16, 8 bis völlige Zustim-Antworten Jn welchen der folgenden Punkte liegen nach Ihrer Erfahrung vor alleﯲ
Die Furcht vor den „schlimmen Vereinfachern" ist indes weitgehend unbegründet, sobald die Wissenschaft selbst dazu beiträgt, das Fachchinesisch nicht überzustrapazieren, wie denn auch Walther Jens innerhalb der bereits genannten ZDF-Sendereihe , Fragen zur Zeit'„das Fehlen einer academie allemande" beklagte, „einer Akademie, deren Aufgabe einerseits das Verbot von Leerformeln, absurden Fremdwörtern und sinnlosen Abkürzungen und andererseits das Gebot sein müßte: die Förderung der Fachsprache zum Beispiel mit dem Ziel, dem Physiker und Biochemiker zu ermöglichen, seine Formeln und Tabellen wortwörtlich wieder zum Sprechen zu bringen" Dennoch wäre, um eine Formulierung von Sabine Grunow aus dem Bielefelder Forschungsteam zu zitieren, „Sachkompetenz in einer Fachdisziplin. .. zwar notwendige, aber noch nicht hinreichende Voraussetzung für einen wissenschaftlichen Journalismus. Denn die Fachspezialisierung in Hochschuldisziplinen entspricht... nicht der Berufsspezialisierung im Tätigkeitsfeld . Kommunikation'. Der Journalist arbeitet nicht fach-orientiert, sondern problemorientiert. Er hat es, auch in seinem Spezialgebiet, mit komplexen Sachverhalten und Problemen zu tun, deren wissenschaftlicher Hintergrund interdisziplinär angelegt ist" Trotz zahlreicher Kommunikationsbarrieren, die sich namentlich in Rezeptionsproblemen äußern dürften, gilt es künftig, stärker als zuvor jenen „informellen Analphabetismus" abzubauen, der sich gerade im (Un-) Wissen über Wissenschaft manifestiert. Man sollte sich dabei den von Joachim H. Knoll erbrachten Befund zunutze machen, daß „wissenschaftliche Informationen. . . in nahezu allen Medien erstaunlich hohe . Beliebtheitsindices'" erreichen, „worin sich wohl auch die Neugier nach dem bislang Unbekannten und . Geheimnisvollen’ ausdrückt" um über dieses Interesse bei einem breiteren Publikum die „Schwellenangst" vor derartiger publizistischer „Ware" zu mindern. Dabei muß stets kritisch berücksichtigt werden, daß Wissenschaft als solche in der öffentlichen Einschätzung fast stets automatisch mit einem „Gütesiegel" behaftet ist, also man der Berichterstattung über Forschung womöglich einen größeren Vertrauensbonus entgegenbringt, als es vielleicht angemessen wäre. Diese Frage hat auch aus kommunikationswissenschaftlicher Sichtweise zweifelsohne „insofern besondere Brisanz, als das bloße Etikettieren mit (Wissenschaftlich 1 oder . wissenschaftlich erwiesen'eine sichere Manipulationsquelle abgibt, da der komplexe Zusammenhang, den ein wissenschaftliches Thema haben kann und die Möglichkeit des Nach-vollzugs für den Nichtfachmann, insbesondere für eine Öffentlichkeit, niemals gegeben ist. Das Reklamieren mit . Wissenschaft'ist, auch wenn im einzelnen bestimmte Behauptungen für Fachleute überprüfbar und widerlegbar sein mögen, grundsätzlich zum Erfolg verurteilt; an die Stelle des Glaubens an höhere Wahrheiten einer Weltanschauung ist der Glauben an die höhere Wahrheit der Wissenschaft getreten — ein Glaube aber, der fast ebensowenig in wünschenswertem Maßstab überprüfbar ist." Und ein anderes Mitglied der Bielefelder Gruppe fügt anklagend hinzu: „Wenn Manipulation dadurch definiert ist, daß , der Manipulator... Entscheidungen für andere trifft, ohne ihren direkten Widerspruch zu erregen'(Heinz Hartmann), dann erfüllt jeder Innovator, dessen Erfindung in physische, soziale, psychische oder kulturelle Realität umgesetzt wird und der dadurch Anpassungsleistungen anderer provoziert, das Definitionskriterium des systemvermittelten Manipulators, der durch Eingriff in die Orientierungssituation eines Handlungssystems Verhaltens-und Einstellungsänderungen auslöst — auch und gerade wenn die Innovation nicht auf Widerspruch und Abwehr, sondern Hochschätzung und interessengeleitete Anpassungsfreudigkeit trifft..."
Wie sehr das Etikett „Wissenschaft" oder bestimmte Synonyma innerhalb der Massenmedien einem gewissen Verschleiß ausgesetzt sind, dafür liefert namentlich die Markenartikelwerbung zahlreiche Beispiele. Daß Zahnpasta mit der wenig-und zugleich angeblich vielsagenden Bezeichnung „klinisch getestet" apostrophiert zu werden pflegt, liegt ebenso auf dieser Linie wie das Bemühen, Wissen-schaftler — möglichst mit eingeblendetem Doktortitel — die Vorzüge des betreffenden Produkts „herbeten" zu lassen. Die vermeintliche Zugkräftigkeit von Professorentiteln einkalkulierend, haben seit einiger Zeit Werbefirmen auch hier eine Marktlücke erschlossen; so machte beispielsweise der Erfinder eines Farbfernsehsystems (Walter Bruch) für Geräte eben dieser Branche Werbung, ein deutsch-amerikanischer Fernseh-Professor (Heinz Haber) stieg noch kräftiger in das Werbemetier für eine bestimmte Produktgruppe ein. In diesen und ähnlich gelagerten Fällen, wo Wissenschaft zum Vehikel rein kommerzieller Interessen degeneriert, geraten nach landläufiger Meinung die Akteure, nämlich die Wissenschaftler, bei Kollegen ins Zwielicht. Ein ähnlicher Effekt wird übrigens häufig dann erzielt, sobald sich Wissenschaftler einer als allzu simpel empfundenen sie Diktion befleißigen, indem sogenannte Fachsprache in sogenannte Allgemeinsprache umzuwandeln trachten. Bereits vor rund sechs Jahrzehnten ist in einer psychologischen der Versuch worden, gemacht „einer Lehre vom Wert - wissenschaftli cher Werke dadurch (zu) dienen, daß sie Kriterien für alle das Verstehen erleichternde sichermachende und so -oder Formen Anhalts punkte für eine Formbewertung" zu liefern beabsichtigte, freilich zu sehr in theoretischen Fragestellungen verhaftet blieb Seitdem ist der Ruf nach Popularisierung wissenschaftlicher Erkenntnisse wiederholt vorgebracht worden, wobei stets die Grundfrage darin bestand, bis zu welchem Grade wissenschaftliche Probleme bzw. Resultate sich vereinfachend, popularisiert wiedergeben lassen, ohne substantiell völlig verfälscht zu werden, „über den Verdacht der Unwissenschaftlichkeit", so bemerkt Burger, „war ein Mann wie Albert Einstein gewiß erhaben, der auch bemüht war, die Kluft zwischen der exakten Forschung und der Öffentlichkeit zu überbrücken. Wie erklärt er doch das Problem der Relativität? , Eine Stunde auf dem Schoß Ihres Liebsten kommt Ihnen wie eine Minute vor — eine Minute auf der heißen Herdplatte hingegen wird Ihnen wie eine Stunde erscheinen. Sehen Sie, das ist Relativität'. Mit diesen boulevardstilmäßigen, aber sehr anschaulichen Worten ermöglichte Einstein einer jungen Studentin gleichzeitig auch den , Einstieg'in seine Theorie. Hier wird schon angedeutet, daß die anschauliche, jedermann verständliche Darstellung eines schwierigen wissenschaftlichen Sachverhalts auch eine andere Seite hat, die jeder Wissenschaftler didaktisch weiterverwenden kann. Allerdings haftet der sogenannten . Populärwissenschaft'trotz vieler guter Beispiele wie Albert Einstein u. a.der Geruch der Zweitrangigkeit an." Gegen die Vermarktung wissenschaftlicher Erkenntnisse via populärwissenschaftlicher Darbietungsform sind u. a. auch ideologiekritische Vorbehalte wie z. B. dieser vorgebracht worden: „Populärwissenschaft handelt ihr Objekt als scheinbar objektive Information, den Abnehmern subjektiv wichtiger aber ist die Teilnahme am Prestige der Wissenschaft: Populärwissenschaft handelt letztlich Statussymbole."
Welches sind nun die Chancen, wissenschaftliche Erkenntnisse durch Massenmedien zu verbreiten? Nicht selten wird, wie Glaser betont, „popularisierte Wissenschaft. .. gleichsam kabarettistisch aufgezogen'gewünscht. Die Praxis der Darbietung wissenschaftlicher Stoffe durch die Massenmedien nähert sich manchmal diesen Erwartungen, zeigt aber zwangsläufig dabei auch die mit derartigen Darbietungsformen verbundenen Schattenseiten. .. Der Kultur-und Bildungskonsum erwächst. .. nicht selten aus einem , Snob-Appeal'und dient bloß dem Ansehen dessen, der damit .demonstriert'... Informationen über wissenschaftliche Forschungsergebnisse sind als im Freizeitraum leichter Konsumgut an den Mann zu bringen, wenn ihre Verpackung recht anziehend gemacht wird. Hierfür aber eignet sich besonders die Aufmachung als Sensation. Gewünscht wird das Außergewöhnliche, das Einmalige, das Großartige, das die üblichen Dimensionen sprengt und Aufsehen erregt, aber dennoch jedermann verständlich gemacht werden kann. Dies ist auf dem Gebiet der angewandten Wissenschaften und der Technik leichter zu erreichen als auf dem der Grundlagenwissenschaften.. .
Schließlich ergibt sich, daß auch in vielen Kreisen des Publikums falsche Vorstellungen darüber bestehen, was wissenschaftliche Informationen überhaupt leisten können ..." „Die sprachliche Barriere von der Wissenschaft zum Leser", so stellt Lohmar fest, „wird nicht überwunden, und die gesellschaftliche Bedeutung der Wissenschaft im ganzen wird nur am Rande sichtbar", da Wis-senschaftspublizistik in den Medien faktisch nur nebenher betrieben werde Daher müßte bei allen Vorüberlegungen darüber, wie man künftige Wissenschaftsjournalisten optimal ausbilden könnte, zunächst auch die Frage erörtert werden, welcher „Qualität" wissenschaftliche Resultate sein müßten, bevor sie über die Massenmedien einem quasi unbegrenzten Publikum vermittelt werden sollten. Der grundsätzliche Konsensus großer Bevölkerungsteile darüber, daß Wissenschaft bzw. Forschung . wichtig'seien beinhal-tet für den Journalisten die Gefahr, prinzipiell jeden irgendwie mit diesem Etikett ausstattbaren Bericht an das Publikum herantragen zu können. In der kritischen Würdigung einer amerikanischen Untersuchung zu diesem Problemkreis resümiert Kärtner, daß „zwar , der Mann auf der Straße’ grundsätzlich von der Wichtigkeit'der Wissenschaft für die moderne Gesellschaft überzeugt ist, aber sie sich nicht in Gestalt von , Ideen, Handlungsstrategien, Feststellungen oder Werten'zu eigen macht"
VI. Informationstransfer und Diffusionsproblematik
Abbildung 7
Abbildung 7
Abbildung 7
Bevor der Prozeß der Kommunikation von Wissenschaft etwas näher erörtert zu werden vermag, muß, wie Merten ausführt, „ein weiteres Handicap diskutiert werden: Was eigentlich sind wissenschaftliche Aussagen? Das semantische Problem, das sich hier aufzutun scheint, resultiert aus der Tatsache, daß wissenschaftliche Erkenntnisse und deren Anwendung Folgen haben, die gemeinverständlich gar nicht mehr als wissenschaftliche Ergebnisse kenntlich und bewußt werden können, weil sie derart selbstverständlich geworden sind. Eines der frappierenden Erkenntnisse der Wissenschaft ist es ja gerade, daß das Alltägliche, Normale gerade am schwierigsten zu analysieren ist, während die Ausnahme, der Sonderfall gerade Bedingungen spezifiziert, die eine Analyse des Normalen erst ermöglichen. Und umgekehrt legt die Etikettierungs-Hypothese es nahe, daß von Wissenschaft oder wissenschaftlichen Aussagen gesprochen wird, ohne daß die Kriterien solcher Aussagen überhaupt gegeben sind. Mithin können schon hier logisch vier Typen von Aussagen unterschieden werden, von denen nur eine adäquat als wissenschaftliche Aussage vom Rezipienten wahrgenommen werden" könne, nämlich Die wissenschaftliehe bzw. nichtwissenschaftliche Aussage wird dem Publikum vom Journalisten adäquat bzw. inadäquat vermittelt.
Diese Konstellation ist bislang weder in der Journalistenausbildung noch in der Wissenschaftspublizistik selbst hinlänglich erkannt bzw. beachtet worden. Namentlich in der amerikanischen Ausbildungsideologie für Kommunikationsberufe obwaltet ein dermaßen starker praxeologischer Zug, der. es bislang selten erlaubt hat, den Stellenwert von Science writing, wie er an manchen Universitäten und Colleges gelehrt wird, kritisch zu hinterfragen. Interessant erscheint auch hier die Feststellung, daß unter Science writing primär medizinjournalistische Ausbildung begriffen wird. In einem der Studienpläne für die Hinführung zum Magister-Examen (M. A.) heißt es beispielsweise nur sehr allgemein: „During the final semester, the Student must demonstrate a Professional competence in medical writing under the direct supervision of his faculty adviser. Determination of competence at the end of the final semester depends largely on the extent and quality of each student's published writing in media of general circulation." Insgesamt ist die praxisnahe Ausbildung von angehenden Wissenschaftsjournalisten in den USA bereits dermaßen selbstverständlich, daß man schon heute davon sprechen kann, hier eine gewisse Standardisierung erkennen zu können. Ein Mitarbeiter der amerikanischen National Academy of Sciences hat auch schon die wichtigsten Fragestellungen der Forschung zu diesem kommunikationswissenschaftlichen Teilbereich aufgelistet; danach beschäftigen sich die meisten Arbeiten zum Komplex „scientific communication behavior" mit folgenden Problemen
1. Patterns of exposure to Information sources;
2. Preferences for and evaluations of information sources;
3. Prevalence of certain Information skills and practices;
4. Functions of Informations;
5. Impact of Information on performance;
6. Flow of informations from generator to user.
Die extensive Beschäftigung mit dem KommunikationsphänomenWissenschaftsjournalismus hat im englischsprechenden Raum sicherlich mit dazu beigetragen, eine internationale Diffusion von Forschungsresultaten aus entsprechenden Ländern zu erleichtern.
In der Bundesrepublik Deutschland indes sind, wie bereits dargelegt werden konnte, nur vergleichsweise bescheidene Vororientierungen auf diesem Lehr-und Forschungssektor zu registrieren. Basierend auf einigen Vorarbeiten zur Frage der Verständlichkeit von unterschiedlichen Texten oder aber auch Fernseh-Nachrichtensendungen hatte sich die genannte Bielefelder Arbeitsgruppe außerdem das Ziel gesetzt, einen sogenannten „Verständlichkeits-Thesaurus" der häufigsten 5 000 Wortformen zu erarbeiten. Klaus Birkenhauer, der diesen Part bearbeitete, beabsichtigte, zur Überwindung von Problemen bei der Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte" beitragen zu können durch die „Zusammenstellung eines Minimalwortschatzes und eines Repertoires von idiomatischen Wendungen, die mit Sicherheit verständlich sind". Er dachte dabei „an eine Verarbeitung der häufigsten 5 000 Wortformen (= etwa 4 000 verschiedene Wörter), und zwar mit Kennzeichnung der Tausendergruppen, zu denen sie gehören, weil schon im dritten und vierten Tausend die allgemeine Verständlichkeit spürbar nachläßt" Der beabschichtigte Thesaurus liegt zwar bislang nicht gedruckt vor, -, wohl aber eine publizierte Liste der von Birkenhauer ermittelten „tausend häufigsten Wörter" Bei der journalistischen Präsentation wissenschaftlicher Resultate bzw. Probleme empfiehlt Birkenhauer die Beachtung dieser Faustregeln: „Sobald von wissenschaftlichen Sachverhalten die Rede ist, sind ausgesprochen dürre Passagen nicht zu vermeiden", aber man könne „sie immer wieder in ein . günstigeres Licht'setzen", wenn man sich „beharrlich drei Fragen" stelle: „ 1. Wem nützt das alles eigentlich etwas? 2. Wie ist es im einzelnen soweit gekommen? 3. Weshalb und wozu hat das jemand getan?". Es schließen sich einige praktische Beispiele sowie didaktische Hinweise an die freilich insgesamt etwas abstrakt bleiben — was angesichts dieser Thematik allerdings verwunderlich ist.
Sicherlich finden sich Wissenschaftsbeiträge in Massenmedien derzeit wohl kaum nach diesen Empfehlungen didaktisch aufbereitet. Mit dem Problem journalistischer Darstellungsformen hat sich der dpa-Redakteur Manfred Hellmann, Mitglied des Bielefelder Forschungsteams . Journalismus und Wissenschaft', befaßt. Hellmann analysierte für eine „Quellen-und Themenanalyse" im Zeitraum „vom 1. Mai bis 31. Juli 1975 alle in Westfalen erschienenen oder verbreiteten Tageszeitungen, die noch als selbständige redaktionelle Einheiten anzusprechen" waren, „sowie drei überregionale Zeitungen, eine Straßenverkaufszeitung, zwei Sonntagszeitungen, zwei politische Wochenzeitungen, zwei Illustrierte" sowie den . Deutschen Forschungsdienst'und den , dpa-Basisdienst‘ „im Hinblick auf ihre Wissenschaftsberichterstattung" In einer seiner tabellarischen Zusammenfassungen geht Hellmann den „Darstellungsformen der Wissenschaftsberichterstattung" nach und gelangt zu folgendem Resultat : Aus dieser Übersicht wird zum einen der herausragende Stellenwert der Medizinberichterstattung mit einem Anteil von mehr als einem Viertel des Gesamtaufkommens ersichtlich. Außerdem aber verdeutlicht die Tabelle, daß sowohl bei der Medizin als auch im Gesamtdurchschnitt aller Inhaltskategorien die publizistische Darbietungsform der „Meldung"
rund die Hälfte aller ermittelten Beiträge umfaßt. Hieraus ist klar zu folgern, daß die überwiegende Anzahl von Wissenschaftsbeiträgen sich aus relativ kurzen Meldungen rekrutiert, denen erfahrungsgemäß häufig jegliche Tiefen-schärfe der Darstellung fehlt. Es läßt sich daher aufgrund dieses Befundes leicht die These ableiten, wonach Wissenschaftsberichterstattung in Presseorganen zumeist nur mittels knapper Meldungen erfolgt, so daß Themen mehr „angerissen" als abgehandelt oder gar in ihrem Stellenwert analysiert zu werden pflegen. Eigentliche Berichte oder Reportagen/Features bzw. Korrespondentenbeiträge treten dagegen in geringerer Stückzahl auf, enthalten jedoch einen größeren Anteil an Druckzeilen. Die sich aufdrängende Frage, ob die große Anzahl von Meldungen indes mit „Oberflächlichkeit" gleichzusetzen ist, müßte erst einmal empirisch überprüft werden.
Hellmann berichtet im einzelnen über die von der Presse bevorzugten Quellenarten und Darstellungsformen bei Wissenschaftsbeiträgen
„Das Medium Buch kann in mehrfacher Form Ausgangspunkt für die Wissenschaftsberichterstattung im Medium . Presse'sein. In 86 von 153 Fällen (56, 2 °/o) wurde die Buchrezension zum übermittler von Wissenschaftsberichten. Bei diesen Buchbesprechungen handelt es sich allerdings nicht um die gewöhnlichen Neuerscheinungs-Ankündigungen, sondern von der Untersuchung wurden nur solche Besprechungen erfaßt, bei denen das wissenschaftliche Problem im Vordergrund stand und die Rezension im Hintergrund blieb. Bei dieser Darstellungsform kristallisierten sich zwei Schwerpunkte heraus: Die Geisteswissenschaften mit 40, 7 °/o und die Gruppe . Psychologie, Pädagogik, Soziologie'mit 23, 3 °/o. Eine andere Darstellungsform für Wissenschaftsberichte ist der Abdruck von Textauszügen. Schließlich greifen Journalisten gern auf die Quelle Buch zurück, wenn mit Hilfe von Büchern eine Forschungsfront, ein Gesamtproblem oder eine wissenschaftliche Kontroverse beschrieben werden kann, wobei letzteres jedoch eine seltene Ausnahme ist.
Die Verwendung des Buches wird von verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften sehr individuell gehandhabt und scheint stark von der jeweiligen Interessenlage der Redaktionen und ihrer Redakteure abhängig zu sein. Offenbar bestehen aber Affinitäten zwischen der Primärquelle Buch und dem Buch als Objekt von Rezensionen. So ist beispielsweise bei der , FAZ‘ mit einem starken, vorwiegend geisteswissenschaftlichen Rezensionsteil auch die geisteswissenschaftliche Berichterstattung bei der Verwertung von Buchinformationen absolut dominierend. Beim . Spiegel'wiederum wird breitere Streuung quer durch die Disziplinen sichtbar, wie dies in nicht so ausgeprägter Form auch bei der „Welt’ und bei der . Süddeutschen Zeitung'zu beobachten ist. . .
Jedes achte Wort eines Wissenschaftsberichtes in einer Zeitung hat als Grundlage ein Wort aus einem Buch. Wenn in der Auflistung nach Artikelzahl die Primärquelle Buch mit 9, 1 °/o den 5. Rang einnimmt, dann ergibt sich — betrachtet man nur die Wortquantitäten — noch eine erhebliche Verschiebung zugunsten des Buches. Während der Wissenschaftsartikel im Durchschnitt 329 Wörter umfaßt, besteht der Wissenschaftsartikel, der durch ein Buch ausgelöst wurde, im Durchschnitt aus 1 310 Wörtern und drückt damit die Durchschnittswerte der Artikel mit anderen Quellen auf 298 Wörter herab. Mit 1 310 Wörtern läßt sich ein Problem allerdings auch schon recht umfassend darstellen . . .
Der Wissenschaftsartikel, der auf einer Publikation in einer Fachzeitschrift beruht, besteht im Durchschnitt aus 331 Wörtern und liegt damit vom Umfang her in derselben Größenordnung wie der normale Wissenschaftsartikel. Offenbar ist das Medium Fachzeitschrift dem Medium Tages-und Wochenpresse noch zu benachbart, so daß die Redakteure diese speziellen Publikationen zwar für ihre Unterrichtung benutzen, sie aber nur dann als offizielle Informationsquelle verwenden, wenn sie glauben, auf eine bestimmte Nachricht nicht verzichten zu können. Noch weniger geneigt sind die Redaktionen, eine Nachricht aus Zeitungen oder Zeitschriften zu entnehmen und dabei auch noch die Quelle wahrheitsgetreu zu zitieren. Dies war bei der Untersuchung nur in 2, 8 0/0 der Fälle festzustellen.
Demgegenüber wird das Buch von der Tages-und Wochenpresse offensichtlich nicht als Konkurrenz empfunden, sondern vielmehr wird — bewußt oder unbewußt — der Versuch gemacht, das Medium Buch in das Medium Zeitung oder Zeitschrift zu integrieren. Insbesondere der . Spiegel’, aber auch Publikumszeitschriften, praktizieren seit Jahren die Integration des Buches, indem sie Serien drucken, die entweder aus Büchern stammen oder spä-ter in Buchform publiziert werden, um so dem Leser auch jene tiefergehende Information zu bieten, die sonst dem Buch vorbehalten ist. Die vorliegende Untersuchung hat sich zwar nur mit den quantitativen und nicht mit den qualitativen Aspekten der Wissenschaftsberichterstattung beschäftigt. Jedoch ist nicht zu übersehen, daß Qualitätssteigerung eine mögliche Motivation für die stärkere Berücksichtigung des Buches in der Presse sein kann. Hinzu kommt, daß das Buch den Redakteuren die Möglichkeit gibt, nach Feierabend am häuslichen Schreibtisch oft jene gründlichere journalistische Arbeit zu leisten, zu der sie in der Redaktion nicht kommen.
Bei der Befragung der Wissenschafts-Journalisten stellte sich heraus, daß nur 2, 7 % von ihnen das Buch nicht als Informationsquelle benötigen, aber 57, 1 % es häufig für diesen Zweck benutzen... Die Rolle des Buches’als Quelle für journalistische Arbeit ist eng verbunden mit seiner Rolle für die persönliche Information und die Weiterbildung des Journalisten. Gefragt nach ihrer Fachlektüre, rangiert das naturwissenschaftliche . Buch mit 35, 2% auf Platz 1, es folgen mit 27, 9% das medizinische Buch und mit 19, 3 % das sozialwissenschaftliche. Den letzten Platz nimmt mit 17, 6% die geisteswissenschaftliche Lektüre ein. Auch hier wird die dominierende Stellung des medizinisch-naturwissenschaftlichen Wissenschaftsbildes, das dem Zeitungsleser präsentiert wird, deutlich ...
Wenn ... die ... ermittelten Werte auf ein Jahr hochgerechnet werden, kommt man zu dem Ergebnis, daß von der bundesdeutschen Tages-und Wochenpresse einschließlich Illustrierten 450mal das Buch als Quelle für die Wissenschaftsberichterstattung benutzt wird. Um zu einer realistischen Vorstellung zu kommen, sollte man von den Werten der , FAZ'ausgehen, die von allen bundesdeutschen Tageszeitungen die intensivste Wissenschaftsberichterstattung betreibt und die auch quantitativ nicht von der Wochenpresse übertroffen wird. Die , FAZ’ benutzt im Jahr 132 Bücher als Quelle für Wissenschaftsberichte. Auf die Weltproduktion von einschlägigen 630 000 Büchern bezogen, nutzt die Zeitung also 0, 02 % der erschienenen Werke für ihre Wissenschaftsberichterstattung. Realistischerweise darf man allerdings nur die Titel des deutschen Sprachraums berücksichtigen ...
Wenn man unter diesem Gesichtspunkt die Tabellen des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels auf wissenschaftliche Neuerscheinungen hin durchforstet und die hereingenommenen Auslandslizenzen unberücksichtigt läßt, kann man davon ausgehen, das in der Bundesrepublik jährlich zwischen 7 000 und 10 000 wissenschaftliche Werke als Buch oder Broschüre erscheinen. Dies bedeutet, das die , FAZ’ zwischen 1, 3% und 1, 9% davon als Quelle verwertet. Diese abstrakte Rechnung kann lediglich das In-und Output-Problem der Redaktionen und die Gatekeeperfunktion des Redakteurs schlaglichtartig beleuchten. Sie demonstriert immerhin, daß selbst eine so wissenschaftsfreundliche Redaktion wie die der , FAZ’ allenfalls einige Informationshäppchen aus der wissenschaftlichen Buchproduktion an ihre Leser verteilen kann.
VII. Zusammenfassung
Abbildung 8
Abbildung 8
Abbildung 8
Aus dem Dargelegten geht eindeutig hervor, daß „ein kanalisierter Informationsfluß zur Tagespresse, wie man ihn beispielsweise im Bereich der Politik, der Wirtschaft und des Sports kennt, innerhalb der Wissenschaft nicht besteht" Trotz verschiedener Ansätze, das präjournalistische Feld für die Optimierung des Umsetzungsprozesses aufzubereiten, „bezeichnet das Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit eine Stelle, wo der Informationstransfer offenbar nicht reibungslos klappt" Man muß — kommunikationstheoretisch gesprochen — einen Mehr-Phasen-Weg der Wissenschaftspublizistik als gegeben voraussetzen, d. h., es existieren verschiedene personelle Selektions-bzw. Schaltstellen, die über die Weitergabe oder Zurückhaltung wissenschaftlicher Berichte sowie über Art und Umfang der Präsentation entscheiden. Abgesehen von schon . klassisch’ zu nennenden Untersuchungen der sogenannten Diffusionsforschung über die Durchsetzung medizinischer Erkenntnisse bei Ärzten oder die Einführung landwirtschaftlicher Neuerungen bei Farmern in Entwicklungsländern existiert bis-lang keine konsequent durchgeführte deutschsprachige Studie über den typischen „Fluß" von Wissenschaftsbeiträgen mit allen denkbaren Auswahl-und Deformationsprozessen innerhalb des inländischen Medienwesens.
Klaus Merten plädiert sogar dafür, in der Wissenschaftsberichterstattung nicht einen extremen Sonderfall medienvermittelter Kommunikation zu sehen, allerdings konzidiert auch er eine spezifische Selektions-, Umsetzungsund Rezeptionsproblematik; seine diesbezüglichen Hypothesen lauten „ 1) Aussagen über Wissenschaft können nur dann verbreitet werden, wenn sie wie nichtwissenschaftliche Aussagen behandelt werden können; 2) Aussagen über wissenschaftliche Aussagen lassen sich je eher verbreiten, je leichter sie (hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes, ihres Informationsgehaltes, ihrer Relevanz) manipulierbar sind; 3) da die Kommunikatoren des Massenkommunikationssystems eigene, also wissenschaftsfremde Relevanzkriterien verwenden, sind sie in der Bewertung wissenschaftlicher Aussagen in dem Maße unsicherer, in dem sie Distanz zum Thema haben; 4) die Diffusion wissenschaftlicher Aussagen folgt langfristig den Gesetzen der Diffusion von Innovationen; 5) unter wissenschaftlichen Aussagen wird diejenige die größten Chancen zur Verbreitung haben, die in ihrer Relevanz am ehesten mit dem Relevanzkontext der Rezipienten kongruent ist."
Somit bliebe an bestimmten Fallstudien zu überprüfen, inwieweit Wissenschaft in Massenmedien tatsächlich nach diesen Kriterien optimal weitervermittelt zu werden vermag.
Zunehmend finden indes derlei Themen Berücksichtigung innerhalb der kommunikationswissenschaftlichen Forschung und auch außerhalb der Hochschulen, so hat es den Anschein, finden Probleme der Wissenschaftspublizistik zunehmend Beachtung Aus primär pädagogischer Sicht plädiert auch Joachim H. Knoll für „eine öffentliche Wissenschaft, die durch ein reformiertes Bildungswesen ermöglicht wird”, für „einen Wissenschaftsjournalismus, der sich den Grundsätzen des Presserates verpflichtet weiß, in denen zu publizistischem Abwägen in wissenschaftlichen Sachfragen aufgefordert wird", und für „ein Wissenschaftsverständnis, das Wissenschaft als gesellschaftsdienlich begreift" Um diese Intention zu fördern, sollte ggf. erwogen werden, bei Modellen künftiger Journalisten-aus-und -fortbildung den Problemkreis „Wissenschaftspublizistik" in die jeweiligen Curricula zu integrieren. Für eine interdisziplinäre Kooperation der Publizistik-und Kommunikationswissenschaft mit benachbarten Fächern — wie z. B. Sprachpsychologie, Psycholinguistik oder Sprachsoziologie — dürften hier weiterhin „unbeackerte" Forschungsfelder offenliegen. Da der Themenkomplex „Wissenschaft" in Kommunikationsmedien quer durch die traditionellen Ressorts verläuft, würde sich eine generelle Strategie anempfehlen, prinzipielle Wege der Vermittlung wissenschaftlicher Resultate via Publizistik zu eruieren.
Heinz-Dietrich Fischer, Dr. phil., geb. 1937; Studium an verschiedenen in-und ausländischen Hochschulen; wissenschaftliche Tätigkeiten an den Universitäten von Münster, Columbia, Mo. (USA) und Köln, heute Professor für Publizistik-und Kommunikationswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Veröffentlichungen u. a.: Die großen Zeitungen. Porträts der Weltpresse, München 1966; (Hrsg.) Deutsche Publizisten, München—Berlin 1971; Publizistik in Suburbia — Strukturen und Funktionen amerikanischer Vorortzeitungen, Dortmund 1971; Parteien und Presse in Deutschland seit 1945, Bremen 1971; (Hrsg.) Deutsche Zeitungen, Pullach bei München 1972; (Hrsg.) Pressekonzentration und Zensurpraxis im Ersten Weltkrieg, Berlin 1973; (Hrsg.) Deutsche Zeitschriften, Pullach bei München 1973; Innere Pressefreiheit in Europa — Komparative Studie zur Situation in England, Frankreich, Schweden, Baden-Baden 1975 (zus. mit R. Molenveld, I. Petzke, H. -W. Wolter); (Hrsg.) Deutsche Presseverleger, Pullach bei München 1975; Entwicklungsphasen der Presse-Nachrichtenversorgung — Etappen der Evolution aktueller Information als Ware, in: E. Straßner (Hrsg.), Nachrichten, München 1975; (Hrsg.) International and Intercultural Communication, 2. Aufl., New York—Toronto 1976 (zus. mit J. C. Merrill); Vorwärts 1948— 1976, in: G. Grunwald/F. Merz (Hrsg.), Vorwärts 1876— 1976. Ein Querschnitt in Facsimiles, Berlin—Bonn-Bad Godesberg 1976.
Helfen Sie mit, unser Angebot zu verbessern!
Ihre Meinung zählt: Wie nutzen und beurteilen Sie die Angebote der bpb? Das Marktforschungsinstitut Info GmbH führt im Auftrag der bpb eine Umfrage zur Qualität unserer Produkte durch – natürlich vollkommen anonym (Befragungsdauer ca. 20-25 Minuten).