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„Freiheit der Information" oder „Kommunikationsimperialismus" ? | APuZ 15/1977 | bpb.de

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APuZ 15/1977 Ausgewogenheit — nur ein Kampfruf? Zur Problematik einer Vokabel in der rundfunkpolitischen Diskussion „Freiheit der Information" oder „Kommunikationsimperialismus" ?

„Freiheit der Information" oder „Kommunikationsimperialismus" ?

Hansjürgen Koschwitz

/ 62 Minuten zu lesen

I. Einleitung

Abbildung 1

Ebenso wie bei nationalen politisch-sozialen Ordnungen sind auch auf der Ebene der internationalen Gesellschaft Rolle und Tendenzen der Massenkommunikation Spiegelbild der allgemeinen Herrschaftsbedingungen und Entwicklungslinien. In gleicher Weise gelten hier Verfügung und Kontrolle über Institutionen wie Kanäle publizistischer Informationen oder Meinungsbildung als „Hauptbestandteil der Macht" Die Betrachtung der gegenwärtigen Weltsituation verdeutlicht, mit welcher Entschiedenheit um Einfluß und Positionen im globalen Nachrichtenwesen, um Zugang zum internationalen Nachrichtenfluß gerungen wird. Namentlich der Nord-Süd-Konflikt hat in jüngster Zeit die Härte dieses Ringens offenkundig werden lassen. In den sich zuspitzenden Auseinandersetzungen zwischen den Industrienationen des Westens und den Ländern der Dritten Welt ist — neben der ökonomischen Frage — die Massenkommunikationsthematik während der vergangenen drei bis fünf Jahre zusehends in den Vordergrund gerückt. Der Kampf der Entwicklungsländer um eine Reform der Weltwirtschaftsordnung fand seine Ergänzung und Erweiterung in ihrem Streben nach einer Veränderung der bestehenden „Weltnachrichtenordnung".

Dringlichkeit, Brisanz und Tragweite dieser Thematik für die internationalen Beziehungen wurden einer breiteren Öffentlichkeit außerhalb der Dritten Welt bewußt, als die im August 1976 in Colombo tagende V. Gipfelkonferenz der 86 Blockfreien Staaten sich demonstrativ für die Einrichtung eines kollektiven Nachrichtenpools der Entwicklungsländer aussprach und mit diesem Schritt Vorschläge gut-hieß, die im Monat zuvor auf einem speziell medien-und nachrichtenpolitischen Problemen gewidmeten Treffen der Informationsminister ausgearbeitet worden waren.

Die Schärfe der Argumentationen, mit der die Blockfreien die Massenkommunikationsfrage erörterten und ihre Pläne wie Ziele im Detail begründeten, unterstrich, daß es sich bei ihr keinesfalls um ein der Wirtschaftspolitik in seiner Bedeutsamkeit prinzipiell nachgeordnetes Thema handelte. Intensität und Ausführlichkeit aller Diskussionen veranschaulichten, welchen Stellenwert und Rang die Blockfreien der internationalen Massenkommunikation in der Koexistenz von Industrie-und Entwicklungsgesellschaften beimessen. Zugleich ist damit zutage getreten, welch beträchtliches weltgesellschaftliches Spannungspotential der universelle Fortschritt moderner Massenkommunikation in sich birgt, können doch die Initiativen der Entwicklungsländer nicht als Ausdruck nur augenblicklicher Interessengegensätze in ihrem Verhältnis zu den Industriestaaten bagatellisiert werden. Zu werten sind sie vielmehr als unmittelbare Folge eines grundsätzlichen Widerstreits zwischen Erster und Dritter Welt, der ihr Zusammenleben auch auf dem Gebiete kulturell-geistiger Beziehungen dauerhaft zu beeinträchtigen droht.

In den westlichen Reaktionen auf das Vorgehen der blockfreien Staaten überwog die Befürchtung vor einer fortschreitenden Aushöhlung oder Entwertung des Artikels 19 der UNO-Menschenrechtserklärung von 1948 und ihrer Proklamation ungehinderter Äußerungsund Informationsfreiheit Die westliche Kritik resultierte außerdem aus der Sorge vor einer zunehmenden Annäherung oder Parallelität der kommunikationspolitischen Standpunkte und Zielsetzungen von Entwicklungsländern und sozialistischem Lager. Es scheint jedoch, daß in der westlichen Welt die vielschichtigen Hintergründe und Motive nicht immer gebührend berücksichtigt oder wahrgenommen worden sind, die für das Verhalten der Blockfreien maßgebend waren. Nicht überall wurde dieses Verhalten von doktrinärer Antiliberalität bestimmt.

Allgemein erhielt nun der Tatbestand stärkere Beachtung, daß sich im Verlaufe des raschen Systemwandels in der Dritten Welt und ihrer merklichen Abkehr von europäisch-atlantischen Ordnungsvorstellungen gleichzeitig grundlegende Begriffe und Methoden der Kommunikations-und Medienpolitik mehr und mehr verändert haben. Dieser Prozeß wachsender Entfremdung zwischen Industriestaaten und Dritter Welt stellt indes keine aktuelle Besonderheit dar, sondern läßt sich in seinem Ursprung bis in die frühen Phasen der Entkolonialisierung zurückverfolgen.

II. Kommunikations-und medienpolitische Tendenzen in Entwicklungsländern als Ausdruck wachsender Entfremdung zwischen Erster und Dritter Welt

Dort, wo die Kolonialländer des Westens Herrschaft ausgeübt hatten, blieb ihr traditionelles Modell politisch-publizistischer Kommunikation einstweilen richtungweisend und anerkannter Maßstab. In denjenigen Ordnungen der Dritten Welt, in denen die pluralistische Demokratiekonzeption Leitbild war, erhielt die Idee journalistischer Freiheit daher im Grundsätzlichen ähnliches Gewicht wie in den Industrienationen und fand häufig Eingang in Staatsphilosophie, Verfassung und rechtsstaatliches System Dementsprechend ist seither an dem Bestand einer regimeunabhängigen Publizistik die Fähigkeit junger Nationalstaaten und ihrer Eliten gemessen worden, Demokratie zu verwirklichen. Stets hat, andererseits, die Reglementierung dieser Publizistik als Merkmal des Verfalls demokratischer Gepflogenheiten, des Niedergangs der politischen Liberalität in Entwicklungsländern gegolten

So unbestreitbar der Trend zur Gängelung oder Gleichschaltung des politischen Journalismus in Ländern der Dritten Welt derzeit sein mag, so wenig berücksichtigt eine solche Einstellung oftmals, daß sich unter den konkreten Existenzbedingungen jener Länder das europäisch-atlantische Verständnis von Kommunikations-oder Pressefreiheit nur als bedingt übertragbar erwiesen hat. Bereits während der Entkolonialisierung und in den Anfangsphasen der Unabhängigkeit war hier häufig ein Spannungsverhältnis zwischen Publizistik und staatlicher Führung zu erkennen gewesen, dessen Hintergrund politisch-ökonomische Interessengegensätze bildeten. Ausschlaggebende Ursache dieses Spannungsverhältnisses war die noch längere Zeit, zuweilen bis in die unmittelbare Gegenwart fortdauernde Kontrolle eines erheblichen Teils der (gedruckten) Massenmedien durch Verlags-oder Industriegruppen früherer Kolonialmächte. Mehrheitsanteile verbürgten vielerorts ständigen Einfluß auf den redaktionellen Kurs prominenter Presseorgane. Mit zunehmender Empfindlichkeit reagierten die Führungsschichten der neuen Nationalstaaten jedoch alsbald auf alle in jenen Medien sich bekundenden Aussagen, die ihnen geeignet erschienen, kolonialistische Attitüden oder Haltungen zu fördern und dem Emanzipationsstreben der Entwicklungsländer in destruktiver Weise entgegenzuwirken.

Tom Mboya, einer der namhaftesten Verfechter afrikanischer Unabhängigkeit und ehemaliger Arbeitsminister Kenias, kennzeichnete zu Beginn der sechziger Jahre die seinerzeit in der Dritten Welt noch allgemein anzutreffende Konfliktlage: Da die Beziehungen zwischen der Presse und den neuen Regierungen nachhaltig von der Rolle geprägt würden, welche die einzelnen Organe während des Befreiungskampfes gespielt hätten, stelle sich die Frage der Pressefreiheit in dem Augenblick, in dem die Neuorientierung der Zeitungen zu den jungen Staaten zur Diskussion stünde und Aktualität gewinne; zu entscheiden wäre, ob zu dieser Freiheit auch die Ermächtigung gehören dürfe, alles zu äußern — selbst wenn es gegen die Anstrengungen sich entwickelnder Länder gerichtet sei, ihre Unabhängigkeit zu konsolidieren und den Wirtschaftsaufbau voranzutreiben; die Presse ihrerseits habe Position zu beziehen, ob sie sich zur Verpflichtung bekenne, einen konstruktiven Beitrag zu den gemeinsamen Anstrengungen zu leisten.

Mboya stellte keineswegs in Abrede, daß in vielen Teilen der Welt die Presse des Westens das Prinzip der Selbstbestimmung, der Liberalität und Menschenwürde verteidige, gab indes zu bedenken, daß beispielsweise in Afrika die Unabhängigkeit gegen eine ausgesprochen feindselige Presse hätte durchge-setzt werden müssen. Dies habe sich in dreierlei Hinsicht manifestiert: in der fundamentalen Abneigung der Eigentümer und Chefredakteure gegen jeglichen Wandel überhaupt, in ihrem Widerstand gegen das Streben der jungen Völker nach Freiheit und Menschenrechten sowie in den publizistischen Kampagnen zur Diffamierung jener Völker. Nach Mboyas Ansicht hatten die neuen Staaten nur im Falle der Nationalisierung des Pressewesens Aussicht, statt Verachtung aufrichtiger Kritik zu begegnen: „Was wir erstreben, ohne unvernünftigen Ehrgeiz, ist eine nationale Presse, die in jeder Hinsicht ihre Wurzeln im Lande der Veröffentlichung hat und nicht ein Organ oder Echo überseeischer Interessen ist." Diese Zielsetzung bewog Regierungen von Entwicklungsländern, immer intensiver nach Mitteln und Wegen zu suchen, um den von ihnen als anormal empfundenen Zustand zu beseitigen und die Beherrschung der öffentlichen Meinung ihrer Staaten durch auslandskontrollierte Medien zu beenden

Mit zunehmender Herrschaftserfahrung der Führungseliten in der Dritten Welt verfestigte sich die Überzeugung, daß in Entwicklungsgesellschaften der in demokratischen Industrieländern zulässige Freiheitsspielraum kaum Richtschnur sozialer und rechtlicher Regelung sein könne: Vertreter von Entwicklungsländern machten vermehrt auf Unvereinbarkeiten oder Gegensätzlichkeiten in den Auffassungen zu dieser Frage aufmerksam und zogen in Zweifel, ob die Normen der UNO oder gar eine sich an diesen Normen ausrichtende internationale Rechtsprechung für die Dritte Welt volle Gültigkeit gewinnen könnten.

Auf einem im Mai 1964 in Kabul von der UNO zu Problemen der Menschenrechte veranstalteten Seminar wurden — ebenso wie auf ähnlichen Tagungen in späteren Jahren — die Furcht vor einer „Balkanisierung", d. h. einer Desintegration des Staatswesens, und die Verpflichtung zur Bewahrung der nationalen Tradition und zur Erhaltung des territorialen wie politischen Status quo als die maßgeblichen Gründe dafür bezeichnet, daß die Entwicklungsländer einer UNO-Verantwortung für die Garantie der Menschenrechte nicht vorbehaltlos zustimmen würden: „Die zerbrechliche Struktur der Nationen zwingt die Staaten, Restriktionen in der Informationsfreiheit zu verfügen ... In jedem Fall sollte und kann Freiheit nicht die gleiche Geltung beanspruchen wie etwa in demokratisch hochentwickelten europäischen Ländern . . . Wie sehr ein Staat auch immer die Informationsfreiheit zu sichern wünscht, er kann nicht gestatten, daß der Gebrauch dieser Freiheit zur Desintegration der Nation führt."

Wenn auch der nachwirkende Einfluß europäisch-atlantischer Demokratievorstellungen auf die Entwicklungsländer in einem Teil des Journalismus dessen Selbständigkeitsstreben gegenüber der staatlichen Autorität stärkte, sind in den Jahren nach Erringung der nationalen Unabhängigkeit mehr und mehr die Grenzen deutlich geworden, die aufgrund der Besonderheiten von Entwicklungsgesellschaften der Entfaltung einer dem westlichen Vorbild folgenden politischen Publizistik gesetzt waren. Journalisten wie Politiker aus der Dritten Welt haben, vornehmlich im Rahmen internationaler Medienkongresse, häufig vor der Annahme gewarnt, westliche Kommunikationsmodelle seien geeignet, als verbindliche Muster in der Realität von Entwicklungsländern uneingeschränkt Anerkennung und Nachahmung zu finden: Die Möglichkeit einer extensiven Freiheit der Massenmedien und des Journalismus wird eng an die Vor-aussetzung einer „erprobten und stabilen öffentlichen Meinung" gebunden

Leitbild und Praxis des westlichen Journalismus werden in der Dritten Welt somit nicht länger als allein normsetzend respektiert. Bezeichnend für den Gesamttrend erscheint, daß selbst in der Gemeinschaft des britischen Commonwealth eine einheitliche Linie, ein übernational verbindendes Verständnis verloren ging und sich nun Unterschiedlichkeiten offenkundig zu Gegensätzen verhärten Vorrang erhält die Forderung nach einer eigenständigen, auf die Gegebenheiten sich entwickelnder Gesellschaften zugeschnittenen Lösung

Mit der sich im letzten Jahrzehnt ausweitenden Tendenz zum autoritären Regierungsstil und zum Aufbau von Einparteiensystemen in Ländern der Dritten Welt beschleunigte sich die Distanzierung vom westlichen Konzept der Presse-und Medienfreiheit spürbar. Diese Distanzierung ließ sich auch dort beobachten, wo die westlich-liberale Demokratieauffassung in der Systemrealität scheinbar fest verwurzelt war. Staatsführer der Dritten Welt legten häufig betonten Wert auf das Erfordernis, im Zuge der Umgestaltung ihrer politischen Systeme den Begriff der Pressefreiheit neu zu formulieren. So appellierte der sambische Präsident Kaunda — während des Wandels seines Landes zur „one party participatory democracy" — an die einheimischen Journalisten, sich auf die Belange der veränderten Staatsordnung loyal einzustellen. Vor dem Lusaka Press Club mahnte er sie im Mai 1972, sich in ihren Ansichten zur Freiheit der „dem Sensationalismus ergebenen" Presse nicht durch „übertriebene Empfindungen" beirren zu lassen: „Offen gestanden, hätte die Presse die Freiheit, wichtige Nachrichten unverzüglich zu veröffentlichen, so wären nur wenige Nationen imstande gewesen, die grausamen Bedingungen dieser Welt zu überleben ... Unter diesem Aspekt ist die Pressefreiheit eine sentimentale Idee."

Nicht zu übersehen ist, daß mit dem Anwachsen des Staatseinflusses im Bereich auch der gedruckten Medien und mit dem sich ausbreitenden Trend zum Autoritarismus in den Entwicklungsländern das Potential kritischer Publizistik sich fortgesetzt vermindert hat: „Die Zeitungen können ihre Regierungen nicht kritisieren, ohne den Eindruck zu erwecken, die Regierungen kritisierten sich selbst." Nach dem Urteil vieler Beobachter aus der Dritten Welt selbst beschwört dieser Trend zunehmend die Gefahr des Verfalls journalistischer Leistungsfähigkeit herauf *

Gegenwärtig sind autoritäre Medienlenkung und bürokratische Gängelung politischer Publizistik nicht nur am Beispiel solcher Regime zu erkennen, die in ihrem Herrschaftsstil ohnehin durch den Hang zu dirigistischem Verhalten charakterisiert werden, etwa von Einparteienordnungen oder Militärdiktaturen Auch jene Länder, die lange Zeit als Eckpfeiler demokratischer Tradition in der Dritten Welt galten, zeichnen sich vermehrt durch Gleichschaltungspraktiken auf dem Medien-sektor aus. Als auffälligstes Symptom der allgemeinen Entwicklung läßt sich die Situation Indiens betrachten, wo mit der Verhängung des Ausnahmezustandes im Juni 1975 die Presse kollektiv der staatlichen Aufsicht und Zensur unterworfen wurde. „Ich habe," rechtfertigte die damalige Ministerpräsidentin I. Gandhi ihre Maßnahmen, „immer an die Freiheit der Presse geglaubt, und ich tue dies nach wie vor, aber wie von allen Freiheiten muß von ihr mit Verantwortung und Zurückhaltung Gebrauch gemacht werden . .. Der gesamte Zweck ist es, eine Atmosphäre der Ruhe und Stabilität zu schaffen. Die Absicht der Zensur besteht darin, ein Klima des Vertrauens wiederherzustellen."

Begründet werden derartige Schritte in den Entwicklungsländern verstärkt auch mit dem anhaltenden Übergewicht westlicher Informationsmittel im System globaler Kommunikation. Diese mit Vehemenz befehdete Vorherrschaft der Informationsmedien westlicher Industriestaaten machen Regierungen der Dritten Welt immer nachdrücklicher für destabilisierende Wirkungen der internationalen Massenkommunikation auf den inneren Bereich von Entwicklungsgesellschaften verantwortlich. Sichtbar kommt in dieser Argumentation die enge Verschränkung von nationalen Medienstrategien und internationaler Kommunikation zum Ausdruck. Markiert wird hiermit zugleich eines der strittigsten Themen im Konflikt zwischen Industrie-und Entwicklungsländern.

III. Die Berichterstattung über die Dritte Welt in den Massenmedien der Industriestaaten

Mit wachsender Unterschiedlichkeit oder Gegensätzlichkeit der Herrschaftsformen von Industrie-und Entwicklungsländern vergrößerten sich zwangsläufig die Verständnisschwierigkeiten. Zugleich verschärften sich infolgedessen die Auseinandersetzungen um die Berichterstattung westlicher Massenmedien über Vorgänge oder Tendenzen in der Dritten Welt. Publizistische Kommunikation wurde immer augenfälliger zu einem Konfliktelement der internationalen Beziehungen und Politik. Sichtbares Kennzeichen dieses Trends ist die kritischere Haltung vieler Entwicklungsländer gegenüber der Informationspolitik dieser Massenmedien. Sie dokumentiert sich deutlich in der Rigorosität, mit der Regierungen vermehrt dazu übergegangen sind, Vertreter publizistischer Organe oder Agenturen aus ihrem Machtbereich zu verweisen, sobald sie sich unfreundlicher oder negativer Darstellungen verdächtig gemacht haben. Immer häufiger verwahren sich Regierungen der Dritten Welt gegen die „Anmaßung" industriestaatlicher Medien, sich in die inneren Angelegenheiten ihrer Länder „einzumischen", und immer heftiger bezichtigen sie einen Teil dieser Medien, das internationale Klima unbedacht oder absichtlich zu stören. Offensichtlich hat sich mit der forcierten Ausschaltung oder Zähmung publizistischer Opposition in der eigenen Herrschaftssphäre bei einer zunehmenden Zahl von Regierungen auch die Toleranz gegenüber kritischen oder als kritisch wahrgenommenen Auslandsmeinungen fühlbar verringert

Unterschieden werden sollte jedoch zwischen prinzipieller Kritikfeindlichkeit von Staats-führungen und ihrem berechtigten, zumindest diskutablen Unmut über fragwürdige Berichterstattungstendenzen in westlichen Massenmedien. Nicht zu übersehen ist, daß abweisendes oder restriktives Verhalten von Regierungen der Dritten Welt gegenüber Auslands-medien vielfach der Überzeugung entspringt, Nachrichtengebung und Kommentierung würden durch ihre abträgliche Wirkung auf die Öffentlichkeit der Industrienationen den Interessen — auch oder gerade den wirtschaftlichen Interessen — einzelner Entwicklungsländer, wenn nicht der Dritten Welt in ihrer Gesamtheit Schaden zufügen, würden zuweilen sogar Ausdruck offener Mißachtung des Willens aufstrebender Nationen sein, innerhalb der universellen Völkergemeinschaft einen Status echter Gleichberechtigung zu erringen. Weithin werden — tatsächliche oder vermeintliche — Fehlleistungen des westlichen Journalismus als Hauptursache dafür angeprangert, daß in den Industriestaaten nach wie vor eine beträchtliche Informationsund Verständnislücke angesichts der drängenden Probleme der Entwicklungsländer bestünde. Skeptische Argumentationen gipfeln in dem Vorwurf, die Massenmedien der Industrieländer ließen angemessenen Respekt vor der Würde der jungen Nationen vermissen. Im Rahmen einzelner, seit den sechziger Jahren publizierter Fachstudien zur internationalen Kommunikation und Auslandsberichterstattung ist auf diejenigen publizistisch-psychologischen Einflußfaktoren hingewiesen worden, die in der Nachrichtengebung und in der Gestaltung von Informationen über Themen der Dritten Welt wirksam sind. Zu den wichtigsten Kriterien in Auswahl wie Präsentation der Berichterstattungsinhalte rechnen hier — neben den allgemein anzutreffenden Tendenzen zur Simplifizierung, zur Verkürzung komplexer Sachverhalte, zur Anpassung von Meldungen an das erwartete Rezipienteninteresse sowie zur Sensationalisierung oder Dramatisierung des Geschehens — insbesondere: Bezug der Informationen zu Elitenationen, kulturelle Nähe der gemeldeten Vorgänge und generelle Ereignisrelevanz für den Rezipienten Erhärtet und präzisiert worden sind frühere Ergebnisse oder Hypothesen durch neuere Analysen auf der Basis umfassender empirischer Befunde: „Allgemein spielen bei der Selektion internationaler Nachrichten Faktoren wie Status und Nähe eine wichtige Rolle. Je bedeutender und mächtiger ein Land, je näher es ... in geographischer, politischer und kultureller Hinsicht ist, desto häufiger kommt es auch in den Nachrichten vor ... Die großen Nachrichtenthemen sind immer Ereignisse mit Krisensymptomen, Vorgänge, die eine manifeste oder latente Bedrohung zentraler Werte und Ordnungen des Systems bergen."

Derartige Trends, die politische oder wirtschaftliche Prominenz eines Landes zu betonen und sich auf seinen Stellenwert im internationalen Kräftespiel zu fixieren, gibt Kritikern aus der Dritten Welt häufig Anlaß zu dem Vorwurf, die spezifische Vermittlungsweise westlicher Massenmedien verstärke die Ungleichheiten und Unausgewogenheiten im globalen Nachrichtenfluß sowie die Benachteiligung der Entwicklungsländer in der welt-öffentlichen Kommunikation. Außerdem wird den Massenmedien das Versäumnis angelastet, sich gleichsam unter dem Zwang ihrer eigenen Vermittlungsweise nicht für die Entwicklungsländer um ihrer selbst willen zu interessieren, deshalb nicht selten auch eine gebührende Würdigung ihrer Verdienste um die Weltzivilisation zu unterlassen

Die Akzentuierung spektakulärer Ereignisse in der Berichterstattung über Staaten der Dritten Welt bringt vor allem die Gefahr der Realitätsverfremdung und Desorientierung mit sich. Wie sehr die im Gefolge der Sensationalisierung eintretenden desorientierenden Wirkungen auf die Öffentlichkeit außenpolitischen Fehlentwicklungen den Boden bereiten können, suchte Peter Enahoro — früherer Chefredakteur der nigerianischen „Daily Times", später Mitarbeiter der in Paris edierten Zeitschrift „Africa" •— am Beispiel der Südafrika-Politik der Bundesrepublik zu verdeutlichen. Aus seiner Sicht hat die Nachrichtengebung bzw. Informationspolitik der westdeutschen Massenmedien mit Schuld an der unzureichenden Aufklärung der deütschen Öffentlichkeit über die afrikanische Frage gehabt und es dadurch der politischen Führung erleichtert, ihren wirtschaftlichen Interessen Priorität vor politisch-moralischen Erwägungen einzuräumen, sich zudem einerseits mit den südafrikanischen Rassisten auf guten Fuß zu stellen, sich andererseits den Mitläufern der Anti-Apartheid-Bewegung zuzugesellen: „Zu Beginn des Jahrzehnts afrikanischer Unabhängigkeit gab es einen gewissen Enthusiasmus für Afrika, doch war dies eher ein Enthusiasmus, der aus Neugier erwuchs denn aus einem aufgeklärten Bewußtsein. Als nach Erringung der Unabhängigkeit in Afrika Unruhen ausbrachen, waren diese für die gesetzesfürchtigen Deutschen zu viel. Verwirrung trat bei ihnen ein und Zurückhaltung gewann die Oberhand. Die übliche Freude der Deutschen an harten Tatsachen und solider Statistik wurde verdrängt durch den Sensationalismusder Presse. Das aber mußte das öffentliche Interesse an Kreuzzügen für die Gerechtigkeit in Südafrika schmälern." Enahoro sieht im übrigen einen merklichen Kontrast zwischen der deutschen Publizistik und den britischen Medien, die ihre Regierung in der Südafrikafrage stets radikaler Kritik ausgesetzt hätten. Hauptstreitpunkt in der Diskussion um Fehl-leistungen von Massenmedien in der Berichterstattung über die Dritte Welt bildet das Nachwirken von in der kolonialistischen Ära geprägten Haltungen oder Mentalitäten: das „koloniale Syndrom". Seinen Ausdruck findet es vornehmlich in den Merkmalen des Ethnozentrismus, dessen Kennzeichen die Verabsolutierung von Werten und Normen der eigenen Kultur oder Gesellschaft ist; der Identifikation mit den Herrschenden im eigenen oder fremden Land sowie des Exotismus, d. h.der „Ästhetisierung des Fremden" In den Entwicklungsländern ist dieses Nachwirken kolonialistisch-rassistischer Reaktionsmuster in der Berichterstattung eines der Standardargumente der besonders auf die europäischen Massenmedien zielenden Angriffe. Energisch wendet man sich gegen alle Informationen oder Kommentare, aus denen auf Unfähigkeit der Entwicklungsländer zur Selbstherrschaft geschlossen werden könnte oder die dem Weiterbestehen von Vorurteilen, Denkklischees und Stereotypen beim Publikum der Industriestaaten Vorschub zu leisten scheinen Gewarnt wird mit Nachdruck vor den politischen Konsequenzen: Unzutreffende oder irreführende Bilder von der Dritten Welt würden unweigerlich auf das Klima der internationalen Beziehungen negativ zurückwirken und durch Aufbau psychologischer Barrieren nicht selten eine Verständigung erschweren.

Zu denjenigen Spannungsfeldern der Weltgesellschaft, in denen sich in den vergangenen Jahrzehnten Vorurteile und Stereotypen in besonderem Maße in der internationalen Politik manifestierten, zählt der Nahostkonflikt. Mit Erbitterung sind arabische Staatsführungen gegen die Verbreitung in ihren Augen verfälschender, diffamierender Medienaussagen zu Felde gezogen, nachdem sie sich zu der Erkenntnis gezwungen sahen, wie nachhaltig publizistische Faktoren auf Verhalten oder Entscheidungen konfliktbestimmender Groß-mächte Einfluß gewinnen können. Daß es Israel oft erfolgreich gelungen war, das Nahostproblem im internationalen Umfeld in seinen eigenen Begriffen und Denkmustern zu definieren und hierdurch dauerhaft Resonanz in der westlichen Öffentlichkeit zu erringen, daß hingegen die arabischen Länder lange Zeit in der dominierenden weltöffentlichen Meinungsbildung eine wenig wirksame Gefolgschaft für ihre Standpunkte fanden, wurde von arabischer Seite wie proarabischen Kreisen des Westens in erster Linie den Beeinflussungsmechanismen der internationalen Kommunikation zugeschrieben

Im Detail und unter Beteiligung eines internationalen Publikums ist diese Thematik auf einem im Jahre 1972 in Beirut veranstalteten „Ost-West-Seminar für Kommunikation" diskutiert worden. Journalisten, Informationsexperten und Wissenschaftler aus verschiedensten Ländern gelangten hierbei zu der übereinstimmenden daß der -Ansicht, in Unter schiedlichkeit der beiden Kulturkreise der arabischen Welt und des Westens grundsätz-lieh das Haupthindernis für ein tieferes gegenseitiges Verstehen zu erblicken sei. Eric Rouleau, Orientspezialist der Pariser Zeitung „Le Monde“, führte im einzelnen an: den Egozentrismus der Industriestaaten gegenüber der Dritten Welt, die Unzuverlässigkeit arabischer Quellen, die Zensur in den arabischen Ländern, die Schwierigkeiten der arabischen Sprache und die hieraus resultierenden Hemmnisse in der Verständigung sowie politisch bedingte Gegebenheiten Erst allmählich haben die arabischen Führungen Erfolge in der Einwirkung auf die Meinungsbildung der westlichen Staatenwelt zu erzielen vermocht. Sie haben hier teilweise den Israelis Terrain streitig zu machen verstanden, auf dem diese sich bis dahin als überlegen erwiesen hatten: der propagandistischen Beeinflussung der internationalen Öffentlichkeit

In der Betrachtung politischer und diplomatischer Folgewirkungen publizistischer Berichterstattung im Nord-Süd-Konflikt stellt Indien aus aktueller Sicht das instruktivste Beispiel dar. Bereits vor Verhängung des Ausnahmezustandes im Juni 1975 war es öfters zu Äußerungen des Unmuts seitens der indischen Regierung gegenüber westlichen Massenmedien gekommen, so z. B. als sie im Jahre 1970 die Schließung des Südasienbüros der Londoner BBC verfügte und — ein Präzedenzfall — den britischen Korrespondenten unter der Anschuldigung, seine Rundfunkgesellschaft habe in ihren Programmen Indien verunglimpft, des Landes verwies oder als Indira Gandhi 1974, den westlichen Industriestaaten Unfähigkeit zur Meisterung der akuten Weltwirtschaftskrise vorwerfend, die westli-chen Massenmedien pauschal angriff, sie würden die weltweiten ökonomischen Schwierigkeiten fälschlicherweise auf das Bevölkerungswachstum in Entwicklungsländern zurückführen

Nach Ausrufung des Ausnahmezustandes, im Zuge der Verschärfung des medienpolitischen Kurses im eigenen Lande, erhöhte sich die Empfindlichkeit der indischen Regierung drastisch und ließ härtere Verwicklungen mit dem Auslands) ournalismus unvenneidlich werden. I. Gandhi beklagte nun emphatisch, „ein Teil der Weltpresse" habe ihr Land ständig herabgesetzt, noch nie ein freundliches Wort für Indien gefunden und mit Vorliebe unrichtig interpretiert, was sich dort ereignete: „Viele Vertreter ausländischer Interessen kritisierten Indien, als unser Land für die Freiheit kämpfte. Sie kritisierten uns, als wir unser Planungsprogramm begannen, und sie kritisierten unseren wissenschaftlichen Fortschritt. Die gleichen Leute sind aber voller Lob für China, obschon China keine Demokratie ist und eine freie Presse nicht besitzt." „Ich habe immer vor der Einmischung des Auslands gewarnt. Unsere Zweifel und Befürchtungen werden durch das Verhalten wichtiger Teile der westlichen Presse, des westlichen Hörfunks und Fernsehens bestätigt. Dort tauchen jetzt die verleumderischsten und bösartigsten Meldungen auf." In einem Interview mit der neuen staatlichen Monopolagentur Samachar verdächtigte sie die Westmedien einer koordinierten, gezielten politischen Strategie: Sie hielt ihnen vor, nichts anderes im Sinne zu haben, als die Regierungen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas schwächen und ihre Ordnungen destabilisieren zu wollen

Wortstarken Beistand erhielt die Ministerpräsidentin von ihrem medienpolitischen Sonder-berater M. Yunus. Vor Diplomaten und Journalisten entwickelte er im Juli 1976 radikale Vorstellungen über die künftig von Indien zu verfolgende Informationspolitik gegenüber der Auslandsöffentlichkeit. Yunus (der am Zustandekommen der im Juli 1976 tagenden Blockfreien-Konferenz zur Beratung einer neuen „Weltnachrichtenordnung" entscheidenden Anteil hatte) begründete bei dieser Gelegenheit die Absicht einer rigoroseren Abschirmung seines Landes von der Außenwelt und verfocht die These, Indien solle sich für die Dauer von fünf Jahren der übrigen Welt verschließen; erst dann würde der Westen „zu Kreuze kriechen", wie er es im Falle Chinas getan habe Notwendig schien ein derart einschneidender Schritt gleichwohl kaum mehr zu sein: Schon im September 1976 kündigte Informationsminister V. Ch. Shukla eine Liberalisierung der staatlichen Informations-und Pressepolitik gegenüber den westlichen Berichterstattern an, da diese sich in dem vorausgegangenen Halbjahr „im großen und ganzen durch ein faires Maß an Objektivität ausgezeichnet" hätten und da nun von ihnen, als Erwiderung auf die „Geste guten Willens" seitens der indischen Regierung, sachliche Darstellungen zu erwarten wären

Im Rückblick auf die westlichen Reaktionen zur Zeit der Juni-Ereignisse von 1975 sind vom indischen Handelsminister Chattopadhyaya während eines Besuches in der Bundesre-publik mehrere Berichterstattungsmerkmale genannt worden, die nach seinem Urteil als Ursache unzutreffender Informationen über die neu eingetretene Situation in Indien zu betrachten waren: „Die westliche Presse hat über die Verhängung des Ausnahmezustandes in Indien nicht in den Proportionen des Geschehens berichtet .. . hier bestanden ein Vorurteil und eine Lücke. Wirtschaftliche Krisen im Westen sind nicht mit Krisen in der indischen Wirtschaft vergleichbar . . . Doch besitzt der Mann auf der Straße keine spezielle Kenntnis von den Problemen solcher Länder, weshalb er entsprechend seinem eigenen Standort reagiert. Auch die Journalisten beziehen ihre Informationen im allgemeinen aus den städtischen Gebieten Indiens und können daher auch nicht die Probleme in ihrer Gesamtheit beurteilen."

Seine politische Dimension erhielt der Konflikt zwischen den westlichen Massenmedien und der indischen Regierung wie Öffentlichkeit hauptsächlich vor dem Hintergrund der Ost-West-Konfrontation. Nicht abwegig erscheint die Vermutung, daß die Entrüstung der indischen Regierung über die westliche Auslandsmeinung der Bereitschaft Neu Delhis zur Hinwendung zum sozialistischen Staaten-block Auftrieb verliehen hat. Demonstrativ ist — bezeichnenderweise — in der indischen Öffentlichkeit häufig die positive Einstellung sozialistischer Massenmedien mit der als abschätzig oder destruktiv empfundenen Haltung der westlichen Publizistik konfrontiert worden. Ebenso nachdrücklich hat das sozialistische Lager die Kritik westlicher Medien als Beweis eines systematischen, gegen Indien gerichteten publizistischen Feldzuges ausgelegt Exemplarisch spiegelten somit die Kontroversen der Jahre 1975/76 den Einfluß der Massenkommunikation auf die koexistentiellen Beziehungen zwischen westlichen Industriestaaten und Entwicklungsländern wider.

Eine verallgemeinernde negative Wertung der westlichen Medienberichterstattung ist aus dem Beispiel dieser Kontroversen indes keineswegs abzuleiten. Speziell Indien besaß in der Berichterstattung einen besonderen Stellenwert, hat doch dieses Land stets als Modell für die Chance gegolten, Systemformen demokratischer Industriestaaten auf sich entwickelnde Regionen zu übertragen. Die politische Tradition Indiens und der Anspruch Indira Gandhis, mit ihrer neuen Ordnung eine verbesserte Demokratie aufzubauen, rechtfertigten, so die „Neue Zürcher Zeitung", daß Indien mit anderen Kriterien beurteilt wurde als die große Zahl der Dritte-Welt-Diktaturen

Das Thema: Korrekturen der Berichterstattung westlicher Massenmedien über die Dritte

Welt ist in den vergangenen Jahren von Vertretern aus den Entwicklungsländern vermehrt in die politisch-publizistischen Diskussionen zur Koexistenz zwischen Nord und Süd einbezogen worden. Ausgangspunkt und Beweggrund der Erörterungen waren in erster Linie die Überzeugung, daß entwicklungspolitische Fragen von der Bevölkerung der Industriestaaten oftmals verzerrt wahrgenommen würden, daß sie vielfach nur von Vorgängen Kenntnis erhalte, welche die technische und finanzielle Unterstützung der Dritten Welt beträfen, daß es schließlich an einer adäquaten Einschätzung der Bedeutung der publizistischen Vermittlung im Nord-Süd-Gegensatz überhaupt mangele S

Kritik entzündet sich insbesondere an der begrenzten Perspektive, mit der Ereignisse und Tendenzen der Dritten Welt gewichtet werden, und an der isolierenden, zusammenhanglosen Darstellungsweise vieler Berichterstatter. Die Beschreibung der Armut allein müsse — angesichts der gegebenen Diskrepanz zwischen Reichen und Armen — zu irrigen Schlußfolgerungen verleiten, vielleicht gar Überheblichkeit zur Folge haben. Zwischen Reichtum und Armut, Hunger und Überfluß existiere ein unmittelbarer wechselseitiger Bezug, der aufzudecken sei, wenn die Kernprobleme nicht verschüttet werden sollen: „Die isolierte Darstellung der Dritten Welt muß aufhören. Die weltpolitischen und weltwirtschaftlichen Strukturen und ihre Auswirkungen auf die Erzeugung von Armut und Elend müssen in direktem Zusammenhang aufgezeigt werden. Die Zweidrittel Welt muß in jeder politischen und ökonomischen Diskussion ihren Stellenwert haben." Vorurteile in den Industrienationen gegenüber den Menschen der Dritten Welt seien schließlich nicht angeboren, vielmehr als Resultate einer „gezielten" Informationspolitik zu begreifen, entpuppten sich überdies rasch als Folge nicht überwundener (neo) kolonialistischer Reflexe der journalistischen Vermittler selbst.

Vorbehalte werden ferner gegen die Gepflogenheit der Vermittler erhoben, die Bedingun-gen der eigenen, entwickelten Gesellschaften als verbindlichen Maßstab in der Beurteilung der Dritten Welt zu nehmen. Journalisten, so geben Kritiker zu bedenken, gehörten Gesellschaftssystemen an, in denen bereits ein erhebliches Bildungsniveau erreicht worden sei und zumindest eine begrenzte Kenntnis gemeinschaftlicher Sozialpflichten vorausgesetzt werden könne; doch selbst in diesen Systemen habe sich die Entfaltung der politischen und kulturellen Reife trotz unvergleichlich günstigerer Zeitumstände erst in einem jahrhundertelangen Prozeß des „trial and error" vollzogen, wogegen die Länder der Dritten Welt noch immer unter den Folgen der Kolonialherrschaft litten und auf dem Wege zur

Selbstherrschaft durch äußere Widrigkeiten gehemmt würden

Aufgeschlossenheit für die Entwicklungs-und Interessensituation der Dritten Welt müsse sich ergänzen durch Sensibilität und Gespür für die sich mehrenden Abhängigkeiten innerhalb der internationalen Gesamtordnung der Gegenwart. Zum primären Gebot journalistischer Vermittlung sei allen anderen Ansprüchen voran ein „bona fide awareness" zu rechnen. In Anbetracht des sich aufdrängenden Konfliktcharakters der heutigen Weltgesellschaft hätten die Massenmedien, namentlich die internationalen Massenmedien, in dieser Hinsicht eine ganz entscheidende Rolle zu spielen

IV. Resonanz und Einfluß westlicher Elitemedien in den Entwicklungsländern

Auch in der nachkolonialen Ära haben die Massenkommunikationsmittel des Westens, besonders die Qualitätspresse und die Auslandssendungen führender Rundfunkstationen, in den Ländern der Dritten Welt ihren Rang als konkurrierende Informations-oder Meinungsbildungsmedien allgemein behaupten können, in manchen Bereichen ihre Wirksamkeit gegenüber den nationalen Kommunikationsmitteln sogar zu erweitern vermocht:

„BBC"; „Voice of America"; „Radio France";

„Deutsche Welle"; „New York Times", die den wichtigsten Teil ihrer Informationen weit über 100 Auslandszeitungen zur Verfügung stellt; die insgesamt in 30 Ländern verbreitete „International Herald Tribune" als gemeinsames Forum der bedeutendsten US-Blätter; die Pariser „Le Monde" und die Londoner „Times" als traditionelle Leitbilder der internationalen Elitepresse; die Nachrichtenmagazine „Newsweek" oder „Time" mit ihrer Spezialisierung auf weltweite Berichterstattung und Herausgabe regionaler Editionen; nicht zuletzt die mit einer Auflage von 100 Millionen Exemplaren in 13 Sprachen übersetzte Monatsschrift „Reader's Digest". Dieser Einfluß wird noch vielfach vermehrt durch vorwiegend englisch-oder französischsprachige

Periodika, deren Reichweite und Rezipientenschaft meist regional begrenzt bleiben, deren Schwerpunktthematik andererseits in qualifizierter politischer Berichterstattung ihre Ergänzung findet, wie „Asian Wall Street Journal" oder „Far Eastern Economic Review".

Rückstand und Mängel im Ausbau nationaler Kommunikationssysteme und ebenso politisch motivierte Einschränkungen der Nachrichten-und Meinungsfreiheit in der Dritten Welt haben die Fortdauer westlicher Medienresonanz entscheidend begünstigt. Erheblich zu ihr beigetragen hat darüber hinaus die nach wie vor beobachtbare Orientierung nationaler Eliten an Maßstäben des westeuropäisch-nordamerikanischen Journalismus.

Konkret veranschaulicht wird diese Orientierung in ihren Ursachen und Auswirkungen — unter speziellem Bezug auf die afrikanische Situation — anhand der Analyse Enahoros: „Ein merkwürdiges Phänomen der Massenmedien in der Ara der Unabhängigkeit ist der anhaltende Einfluß, den führende Zeitungen der früheren Kolonialmacht auf viele Afrikaner ausüben. Während der Kolonialzeit wurde der gebildete englischsprechende Afrikaner in Traditionen erzogen, in der die Londoner . Times'als höchste Autorität für Informationen über Ereignisse in der Welt erschien. Ebenso wurde der französischsprechende Afrikaner mit der Kost aus , Le Monde'und , Le Figaro'aufgezogen. Traditionen haben ein langes Leben ... Der urteilsfähige Afrikaner, der ein wahres Bild der Ereignisse in seinem Land haben will, muß sich meistens durch die Auslandspresse informieren. Die Version, die er bekommt, mag voreingenommen oder frisiert sein, dürfte aber trotzdem der Wahrheit näherkommen. In Krisenzeiten, bei Streiks, politischen Unruhen oder einem militärischen Staatsstreich, orientieren sich die meisten Afrikaner nicht am Rundfunk des Landes oder an den Lokalzeitungen, sondern an ausländischen Sendern und Zeitungen. Das ist zugleich die Erklärung dafür, daß afrikanische Führer oft überempfindlich auf Ausländskorrespondenten reagieren, die Afrika berichten. Sie wissen, daß sich die Intelligenz ihres Landes in diesen Zeitungen informiert, daß man einer BBC-Sendung eher glaubt als einem Dementi des örtlichen Rundfunks."

Der Widerhall westlicher Medien hat freilich .seine Wurzeln ebenso in psychologischen Faktoren, vor allem in der vielerorts ungebrochenen Faszination intellektueller Kreise der Dritten Welt an den geistig-kulturellen Leistungen der einstigen Kolonialländer. Von betont national eingestellten Schichten oder Gruppen wird diese Faszination nicht selten als Widerspruch zum Emanzipationsstreben der Entwicklungsländer ausgelegt. Mit sarkastischem Unterton schildert ein indischer Autor das Verhalten eines Teils seiner Landsleute: „Die meisten von uns wissen, welche Interessen Time’, . Newsweek'und . Reader's Digest'vertreten. Nicht immer sind diese Interessen aber mit denen asiatischer Länder identisch. Als noch größeres Übel erweist sich, daß die Fähigkeit dieser Medien zur Meinungsbildung, zur Meinungsprägung und zur Betäubung der Leserschaft schlimmer als Drogen wirkt. Häufig läßt sich beobachten, wie ansonsten normale, selbstbeherrschte und gelassene Menschen im Falle einer leichten Verzögerung in der Zustellung eines solchen Magazins an den Rand eines Nervenzusammenbruchs geraten — aus Furcht vor einem bedenklichen Gesichtsverlust beim abendlichen Gespräch .. Die autoritäre Re-glementierung der Öffentlichkeit in Entwicklungsländern akzeptiert dieser Autor nicht als zureichende Erklärung für den Anklang der westlichen Publizistik. Als ein noch ausschlaggebenderes Moment werden die Voreingenommenheit vieler Leser gegenüber dem nationalen Journalismus und ihre Zweifel an seiner Chance zur Ebenbürtigkeit gesehen: „Eine solche Einstellung durchdringt sogar die meinungsbildende Kolumne, in welcher der Ausländskorrespondent bereits einen sicheren Ehrenplatz besitzt. Allabendlich habe ich in Häusern der Hauptstadt hören können, wie die Elite einen ausländischen Kolumnisten nach dem andern ehrfürchtig und ausführlich zitiert hat. Aber nur selten ist mir zu Ohren gekommen, daß man von indischen Kommentatoren mit gleicher Reverenz sprach." Wie sehr Ansehen und Prestige westlicher Elitemedien sich im Publikumsverhalten niederschlagen können, enthüllte eine 1969 im Auftrage der Organisation für Afrikanische Einheit im Senegal durchgeführte Befragung. Dieser Enquete zufolge widmete 75 % der Leser der Tagespresse — von denen 85 °/o zur Gruppe der hohen Staatsfunktionäre zählte — lediglich 5 bis 10 Minuten der Lektüre des „Dakar-Matin", der (bis 1970) einzigen Zeitung des Landes (Auslage 15 000), wohingegen die gleichen Leser 20 bis 30 Minuten auf „Le Monde" verwandten; außerdem stellte sich heraus, daß diese Leser sich gewöhnlich anhand von ein oder zwei französischen Wochen-schriften unterrichteten, jedoch keine afrikanische, außerhalb des Senegal erscheinende Publikation zur zusätzlichen Information heranzogen Der Vorzugsstellung westlicher Publizistik in vielen Kreisen der Dritten Welt wird nicht nur das unzulängliche Pressewesen in den Entwicklungsländern angelastet. Eine noch gravierendere Konsequenz des jetzigen Informationsdilemmas erblicken Kritiker in der Neigung der Leserschaft, ihre Aufmerksamkeit nicht genügend den Schwierigkeiten des eigenen Landes oder Kontinents zuzuwenden, sich vielmehr — bewußt oder unbewußt — in der Bestimmung ihrer Interessen und Zielsetzungen von den Perspektiven der Industriestaaten beeinflussen zu lassen. Diese Ausrichtung an industriestaatlichen Interessen stützt den Verdacht, westlicher Einfluß bewirke letztlich die permanente soziale und kulturelle Entfremdung der nationalen Intelligenz. „In der Tat, weil die regierende Elite in der Dritten Welt durch die angebliche kulturelle Überlegenheit der Industrieländer fasziniert ist, sind auch ihre eigenen Informationsmedien noch immer kolonisiert."

V. Das Einströmen westlicher Programme in die Massenmedien der Entwicklungsländer

Das zwischen Industriestaaten und Dritter Welt bestehende Gefälle im Ausbau moderner Massenkommunikationssysteme hat eine ständig steigende Abhängigkeit der Entwicklungsländer von der Medienproduktion des Westens nach sich gezogen. Gewöhnlich sind die gedruckten Medien hiervon weniger betroffen als die audio-visuellen Kommunikationsmittel, deren Sendungen erheblich kompliziertere Vorbereitungen, insbesondere weitaus höheren finanziellen Aufwand erfordern.

Die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den Industriestaaten, ihren „Information multinationals" oder den führenden Fernsehgesellschaften (z. B.den nordamerikanischen Gesellschaften CBS, ABC, NBC) ist zunächst technisch-organisatorischer Natur. Da im Vergleich zu anderen Bereichen industrieller Produktion das Streben der neuen Staaten nach Teilhabe am kommunikationstechnologischen know-how (namentlich auf dem Sektor der Satellitentelevision) auf wesentlich größere Sachwiderstände stößt und zudem die über solche Technologien verfügenden Weltkonzerne einer Preisgabe ihres know-hows meist abgeneigt sind, da ferner mit dem Ausbau des nationalen Medienwesens der Bedarf an TV-Importen überall zusehens wächst, bleibt der massive Einfluß der Industriestaaten auf die Programmgestaltung des Fernsehens eines Großteils der Entwicklungsländer eine vorerst unabwendbare Folgeerscheinung.

Dieser Trend läßt sich — als ein zu generalisierendes Muster — in seinen hauptsächlichen Phasen deutlich markieren: Das Interesse der Staatsführungen am Aufbau eines nationalen Fernsehwesens und ihr Wunsch, mittels der elektronischen Medien das eigene Prestige, ihr politisches Ansehen in der Bevölkerung zu heben und mit ihrer Hilfe erzieherische und entwicklungspolitische Aufgaben zu lösen, machen die Gewährung staatlicher Kre-dite an Auslandsfirmen notwendig (1. Phase).

Die Realisierung der Medienprojekte, vor allem die hieraus erwachsenden finanziellen und personellen Probleme, setzen die Regierung dem Zwang aus, die Dienste der Auslandsfirmen in immer höherem Ausmaß zu beanspruchen (2. Phase). Die zunehmende Zahl der Zuschauer — überwiegend Angehörige der Oberschicht — und ihr sich alsbald mehrender Druck auf die Regierung, die Sendungen zu intensivieren, führen dazu, daß die Auslandsfirmen — mangels einer nennenswerten inländischen Produktion — den rasch steigenden TV-Bedarf maßgeblich befriedigen müssen (3. Phase). Zur Erfüllung von Konsumentenwünschen und zur Verringerung nun anfallender finanzieller Belastungen nimmt — auf Vorschlag der Produzenten — das Fernsehen Werbesendungen auf (4. Phase). Hiermit erhalten der konsumgesellschaftliche Lebensstil und die Kommerzialisierung des Fernsehens Eingang in die Entwicklungsländer (5. Phase) — „die internationale Dynamik des Fernsehens (der internationale Kreis) ist vollzogen"

Der Hauptanteil der aus den Industriestaaten in die Dritte Welt exportierten Programme entfällt auf die USA. Obschon sich seit Beginn der siebziger Jahre ein Sinken ihres Anteils an TV-Sendungen in der Dritten Welt abzeichnet, übertrifft ihre Ausfuhrquote diejenige aller anderen westlichen Länder zusammen noch immer um das Zweifache ’ Nach einer 1971 von den finnischen Kommunikationswissenschaftlern K. Nordenstreng und T. Varis durchgeführten UNESCO-Untersuchung über die Tendenzen des weltweiten Programmaustausches differiert der Grad der Abhängigkeit von westlichen Sendungen innerhalb der Dritten Welt merklich: in Lateinamerika ist die Hälfte aller Fernsehsendungen ausländischer Herkunft, wobei jedoch Länder mit relativ geringem Anteil (Brasilien 25 %, Argentinien und Mexiko ca. 33 %) anderen mit extrem hoher Quote (Costa Rica 80— 90 °/o) gegenüberstehen. Ein ähnliches Gesamtverhältnis wie für Lateinamerika trifft auf den Nahen Osten und Afrika zu, doch auch hier zeigen sich beträchtliche Unterschiede (Sambia und Nigeria etwa 65 0/0, Ghana über 25 °/o, Uganda 20 0/0). Für die asiatischen Länder läßt sich ein durchschnittlicher Anteil von 33 0/0 bei gleichfalls erheblicher nationaler Differenzierung feststellen, da sich hier Länder mit einer Quote von 33 °/o oder weniger von anderen mit einer 50 °/o übersteigenden Ziffer (Malaysia, Singapur) deutlich abheben. über die statistischen Merkmale des weltweiten Programmflusses hinaus verweisen die Verfasser der UNESCO-Studie auf inhaltliche Aspekte, vornehmlich auf die Ausrichtung der in die Entwicklungsländer exportierten Programme am Publikumsgeschmack von Industriestaaten wie den USA, Kanada, Westeuropa oder Japan. Aus den statistischen Befunden und aus der Beobachtung inhaltlicher Aspekte ziehen sie die Schlußfolgerung, daß erstens der Austausch von Fernsehprogrammen zwischen den großen Exportländern des Westens und der übrigen Welt einen auffallend einseitigen Charakter verrät, daß zweitens in diesem Austausch ein Übergewicht von Unterhaltungssendungen erkennbar wird und daß diese beiden Sachverhalte den Trend zu einem globalen Fernsehen unterstreichen Das Vorwiegen westlicher Medieninhalte, das Eindringen industriestaatlich orientierter Leitbilder, die „Kommunikationsvorherrschaft“ Nordamerikas und Europas werden in der Dritten Welt derzeit betont kritisch erörtert. Als wahrscheinliche oder gar unvermeidliche Konsequenz der Vorrangposition westlicher Medienproduktion gilt, daß sich die universelle Angleichung oder Nivellierung sozialer und kultureller Eigenheiten beschleunigen wird; daß durch die Vermittlung industriestaatlich geprägter Verhaltensweisen und Wertvorstellungen in Entwicklungsländern Prozesse ausgelöst werden, die in erster Linie privilegierten Bevölkerungsschichten Nutzen bringen und deren soziale Absonderung von den Massen weiter verschärfen; daß infolge des westlichen „consumerism" unrealistische, weil auf absehbare Frist nicht erfüllbare Erwartungen genährt werden und sich auf dem Produktionssektor falsche Prioritäten durchsetzen daß aufgrund der geistig-kulturellen wie sozialen Überfremdung das Entwicklungsbild der jungen Nationalstaaten verzerrt und ihre organische gesellschaftliche Evolution langfristig gehemmt oder gestört wird; daß mithin die Multinationalen durch ihren Einfluß auf die Fernsehprogrammgestaltung eine weitere Möglichkeit in die Hand bekommen, um ihre auf wirtschaftlichem Gebiete bereits sichtbare Übermacht zu konsolidieren und daß dadurch das wirksamste Massenmedium der, Gegenwart zu einem Werkzeug des globalen „Neo-Kolonialismus" entartet

Der in der Dritten Welt gegenüber den Industriestaaten so nachdrücklich ausgesprochene Verdacht des „kulturellen Imperialismus" findet in solcher Argumentation einen seiner wesentlichen Ansatzpunkte. Nichtsdestoweniger vermag die Mehrzahl der Kritiker offenbar eine grundlegende praktikable Alternative zu der jetzigen Situation nicht aufzuzeigen. „Die amerikanischen Medien", schreibt „jeune afrique" resigniert, „spielen momentan eine unersetzliche Rolle in der weltweiten Zirkulation von Informationen. Ihnen ihr Reich streitig zu machen, bedeutet nichts anderes als das Auslösen einer internationalen Kulturkrise." Angesichts der gegenwärtigen Flut negativer Aussagen zum Einströmen westlicher Medieninhalte in die Dritte Welt treten in der öffentlichen Diskussion ihre oft positiven Wirkungen allzu rasch in den Hintergrund

VI. Das Übergewicht führender Nachrichtenagenturen der Industriestaaten im internationalen Kommunikationssystem

In den zwischen Entwicklungs-und Industrie-ländern zur internationalen Kommunikationspolitik ausgetragenen Fehden spielt die Vormachtstellung westlicher Nachrichtenagenturen im universellen Informationsprozeß die wichtigste Rolle. Der sich zuspitzende Widerstand der Entwicklungsländer gegen die „Weltnachrichtenordnung" der Gegenwart findet derzeit hier seinen treibenden Impuls. Ebenso wie das Übergewicht des Westens im weltweiten Programmfluß ist die Vorherrschaft.der Nachrichtenagenturen in der Dritten Welt eine unmittelbare Folge von Defiziten in der Kommunikationstechnologie und -Struktur der Entwicklungsländer. Daß indes auch politische Gegebenheiten ihre Vorrang-stellung auf dem Nachrichtenmarkt der Dritten Welt in nicht unerheblichem Maße gefördert haben, steht — obschon von den Entwicklungsländern selbst oft nur unzureichend reflektiert — außer Frage. Begünstigt worden ist jene Vorrangstellung außerdem durch das Bestreben der früheren Kolonialherren, beim Ausbau des Fernmeldewesens ihrer überseeischen Territorien weniger die Verbindung innerhalb dieser Territorien oder mit angrenzenden Gebieten als die Verbindung mit dem Mutterland, der „Metropole", zu sichern. Noch heute wird diese aus historischen Umständen zu erklärende Kommunikationsstruktur von den Entwicklungsländern insofern als äußerst nachteilig empfunden, als sie einen großen Teil ihrer Informationen nicht nur über das Weltgeschehen aus westlichen Quellen beziehen müssen, sondern auch in ihrer Unterrichtung über Vorgänge innerhalb der Dritten Welt häufig auf die Vermittlung westlicher Nachrichtenagenturen angewiesen sind. Sogar bei der Information über Ereignisse in Nachbarländern, berichtet Enahoro über die afrikanischen Verhältnisse, bleiben diese Agenturen unerläßlich; sie bilden ferner für die Inlandsöffentlichkeit vielfach die einzige Möglichkeit, über die Tätigkeit prominenter nationaler Politiker im Ausland nähere Kenntnis zu erhalten Typisch für den Nachrichtenfluß in weiten Bereichen der Dritten Welt ist es daher, daß die Informationen aus den einzelnen Ländern erst in die Zentren — New York, London oder Paris — übermittelt werden, bevor sie — nach Sichtung, Filterung und Bearbeitung — als „Fertigprodukte" wieder in das Ursprungsland zurückgelangen: Accra z. B. wird über Lusaka oder Dakar via London, Malaysia etwa über Indien ebenfalls via London oder New York informiert.

Vielen Betrachtern in der Dritten Welt bietet sich somit ein höchst widersprüchliches Bild:

Während sich die westlichen Nachrichtenagenturen spezialisierte Informationsdienste geschaffen haben, um den Entwicklungsländern das internationale Geschehen zu vermitteln, werden die Öffentlichkeiten der Industriestaaten über diese Länder nur lückenhaft unterrichtet. Eine solche Einschätzung nährt den Argwohn, die westlichen Nachrichtenmittel verfolgten gegenüber der Dritten Welt eine konzertierte publizistische Strategie oder hätten sich über eine gezielte Arbeitsteilung auf dem Gebiete der Information abgesprochen Da sich aber die Entwicklungsländer — nach Eingeständnis vieler ihrer Medienexperten — in den zurückliegenden Jahren nicht imstande gezeigt haben, den bestehenden Zustand zugunsten ihrer eigenen Interessenlage zu verändern und da von ihren Massenmedien zu geringe Anstrengungen unternommen worden sind, „aus ihren nationalen Ghettos herauszutreten" hat sich das Dilemma nicht entscheidend beheben lassen, „ist die Position der Kommunikations-und Informationsnetze der Metropolen in allen Gebieten Asiens und Afrikas im wesentlichen ungebrochen geblieben"

Zu den führenden, auf dem Nachrichtenmarkt der Dritten Welt vertretenen Agenturen rechnen insbesondere Associated Press (AP), United Press International (UPI) sowie Reuters. Die Stärke ihrer Position und der Grad ihres Einflusses bemessen sich nicht allein nach der Zahl ihrer festen oder freien Mitarbeiter, ihrer Auslandsbüros oder der Bezieher ihres Informationsmaterials Weit mehr wird ihre Wirksamkeit bestimmt durch den prozen-tualen Anteil, den ihre Meldungen am gesamten Nachrichtenangebot in den Massenmedien der Entwicklungsländer haben. Wie hoch dieser Anteil sein kann, ist bereits aus dem Bei-'spiel Lateinamerikas zu ersehen -— des Kontinents der Dritten Welt mit dem verhältnismäßig höchsten Entwicklungsniveau auf dem Mediensektor: in den wichtigsten 14 Tageszeitungen stammen 40 °/o der Informationen von UPI, 31 °/o von AP, der Rest entfällt hauptsächlich auf Reuters und AFP. Der schwache Anteil von Meldungen mit lokaler Thematik, der mit 10— 20 0/0 beziffert wird, deutet auf die Schwierigkeiten der Nachrichtenbeschaffung innerhalb dieser Länder hin

Näher veranschaulicht wird dies durch eine exemplarische Untersuchung, die auf einem vom Lateinamerikanischen Institut für Trans-nationale Studien im Mai 1976 in Mexiko veranstalteten Seminar über „Die Rolle der Information in der neuen internationalen Ordnung" zur Diskussion gestanden hat. Bezug genommen wurde in dieser Presseanalyse auf die Proklamation der ex-holländischen Kolonie Guyana zur Republik Surinam am 25. November 1975 —-eines Landes von der Größenordnung Uruguays oder Ecuadors, dessen geopolitische Bedeutung aus seiner Nähe zu Brasilien und Venezuela resultiert und dessen ökonomisches Gewicht sich aus seinem 3. Rang in der Weltbauxitproduktion ableitet. Die Durchsicht von 16 führenden, in 13 lateinamerikanischen Ländern edierten Zeitungen ergab, daß zwischen dem 24. und 27. November 1975 auf die Unabhängigkeitserklärung Surinams lediglich 3 °/o aller Auslandsmeldungen entfiel, daß darüber hinaus die wenigen Informationen über das Ereignis ausschließlich von UPI, AP und, in geringerem Maße, von Reuters und AFP stammten. Ebenso kennzeichnend war, daß während des Untersuchungszeitraumes 70 ®/o der in den ausgewählten Presseorganen publizierten Auslandsmeldungen (zu 80 °/o gleichfalls Material der erwähnten Agenturen) Vorgänge in den Industrieländern behandelte. Wie lange noch, so wurde nach Darlegung dieser Ergebnisse gefragt, werde es wohl dauern, bis die große Mehrheit der Bevölkerung Lateinamerikas von der Existenz eines neuen unabhängigen Landes auf ihrem Kontinent Genaueres erfahre?

Die hier dokumentierte Informationsproblematik tritt in den afroasiatischen Ländern aufgrund ihrer längeren historischen Gebundenheit an die europäischen Mächte und ihres relativ größeren Entwicklungsrückstandes allgemein in noch verschärfter Form in Erscheinung. In beträchtlichem Ausmaß kontrollieren auch in diesen Weltregionen die führenden Agenturen des Westens politische und finanziell-ökonomische Informationen, wobei Reuters in erster Linie den Markt der dem früheren britischen Empire zugehörigen Länder (Commonwealthstaaten) beherrscht, d. h. in ganz Asien wie im englischsprechenden Afrika einen herausragenden Platz einnimmt

Mag auch die einflußreiche Stellung westlicher Nachrichtenagenturen in der Dritten Welt weitgehend auf ihren überlegenen materiellen Ressourcen, ihrem stetigen technisch-organisatorischen Ausbau und ihrem jahrzehntelangen professionellen Erfahrungsvorsprung beruhen, so ist ihr Rang zugleich eine Konsequenz der Schwäche ihrer Konkurrenten. Weder die einer strikten politisch-ideologischen Richtlinie verhafteten, nicht an das Aktualitätsprinzip gebundenen Agenturen sozialistischer Staaten -— TASS, ADN, Ceteka, Tanjug, Xinhua — noch die in der Dritten Welt entstandenen Neugründungen — PTI (Press Trust of India, unter dem Ausnahmezustand in die Samachar-Agentur aufgegangen), MENA oder Latin — bilden zur Zeit ein annähernd ebenbürtiges Gegengewicht. Abgesehen von mannigfachen, politisch bedingten Hemmnissen leiden die Agenturen der Entwicklungsländer noch immer unter ökonomischer und personeller Knappheit. Zwar wird in vielen Ländern verstärkt danach getrachtet, die westlichen Weltagenturen vom einheimischen Nachrichtenmarkt zurückzudrängen, für die Übermittlung der internationalen Nachrichten jedoch haben sich derartige Anstrengungen bislang als wenig aussichtsreich erwiesen. Nach wie vor überwiegt deshalb die Auffassung, daß gerade in dieser Hinsicht die Dritte Welt „ohne irgendeinen Filter oder Schutz den internationalen Giganten ausgeliefert ist"

Auf Ablehnung stößt zunächst die unzulängliche quantitative Beachtung der Dritten Welt in der Berichterstattung der Massenmedien des Westens: „Das unbestreitbare Oligopol, das die großen Presseagenturen im Informationsfluß innehaben, erklärt den schwachen Anteil, der in den Massenmedien der Industriestaaten den unterentwickelten Ländern eingeräumt wird ... Die Massenmedien der industrialisierten Länder begnügen sich nicht damit, eine Mauer des Schweigens um die Länder der . Peripherie'zu errichten. Alles geschieht, als ob sie, um die Existenz dieser Länder wirkungsvoller zu leugnen, deren Kulturen auszulöschen suchen." Schwerer noch wiegt in der Kritik das. Argument, die Agenturen würden ihre Wertung des globalen Geschehens zu einseitig an den für Industriestaaten gültigen Maßstäben orientieren und den Entwicklungsländern damit eine ihnen unangemessene oder ihren Belangen zuwiderlaufende Weitsicht aufdrängen. Angriffe gegen die westlichen Weltagenturenn steigern sich zu dem Verdacht, sie zielten speziell darauf ab, „das Ringen, die Realitäten und die Perspektiven der Dritten Welt zu verfälschen" „die Divergenzen stärker als die zur Einigung drängenden Strömungen in der Dritten Welt zu zeigen"

Eine Verschärfung derartiger Angriffe äußert sich in jüngster Zeit in der Behauptung, den Nachrichtenagenturen gehe es in ihrer Informationspolitik um eine Diskreditierung der Bewegung blockfreier Staaten schlechthin. Der Inder Yunus trat als Wortführer dieser radikalen Einstellung hervor, als er im März 1976 auf einem Informations-Symposium in der tunesischen Hauptstadt erklärte: „Die Darstellungen in den internationalen Medien haben oft das Ziel verfolgt, Zusammenhalt und Einheit der blockfreien Bewegung zu erschüttern und die Prinzipien, auf denen diese Einheit ruht, in Frage zu stellen und zu schwächen. Der Begriff . blockfrei'(nonaligned) selbst ist in abschätzigem Sinne verwandt worden. Auch einzelne der blockfreien Staaten sind Verunglimpfungen ausgesetzt gewesen; ihre nationalen Bemühungen um Bewahrung ihrer politisch-ökonomischen Unabhängigkeit sind verfälscht wiedergegeben worden, und noch gefährlichere Pressionen zur Bekämpfung ihrer Einheit, Stabilität wie ihres Wirtschaftsaufbaus haben Ermutigung gefunden." Schwerlich verwundern könne es daher, wenn man in den globalen Informationsmedien den Gipfelkonferenzen der Blockfreien von Belgrad, Kairo, Lusaka oder Algier nur spärliche Aufmerksamkeit geschenkt und hierbei obendrein manch zweifelhafte Meldungen veröffentlicht habe

In noch feindseligerem Ton zog Indira Gandhi gegen die Agenturen zu Felde, als sie zur Er-Öffnung der Tagung der Informationsminister blockfreier Staaten (Juli 1976) die Dringlichkeit einer im Sinne der Dritten Welt zuträglicheren Lösung des Informationsproblems begründete. In Anspielung auf negative Reaktionen zur Zeit der Notstandsproklamation tadelte sie die ihrem Eindruck nach kolonialistischen Attitüden westlicher Journalisten und Korrespondenten: „Die Medien der mächtigen Staaten sind darauf aus, die Regierungen ihrer ehemaligen Kolonien als unfähig und korrupt hinzustellen und den Glauben zu untermauern, daß sich die Völker nach den guten alten Tagen zurücksehnten. Dies läßt sich nicht völlig mit dem allen Menschen gemeinsamen Hang zur Nostalgie erklären. Deutlichst erkennbar wird hier vielmehr eine ganz bewußte Absicht. Staatsführer, die ihre nationalen Interessen verteidigen und nicht den Schmeicheleien der multinationalen Gesellschaften oder Agenturen erliegen, werden durchweg in herabsetzender Manier erwähnt und in jeder nur denkbaren Weise verunglimpft."

Als einer der prominentesten Sprecher der Dritten Welt zum Thema „internationale Kommunikation" hat UNESCO-Generalsekretär Amadou Mahtar M'Bow (Senegal) mehrfach in die sich besonders während des Jahres 1976 erhitzenden Dispute um den Zustand der gegenwärtigen und die Schaffung einer neuen Weltnachrichtenordnung eingegriffen und dabei gleichzeitig die generelle Richtung praktischer Gegenstrategien umrissen. Anläßlich eines offiziellen Bulgarien-Besuches (September 1976) bezeichnete er die dominierende Rolle der Agenturen als „anormal" und nannte den Bereich der internationalen Information eines der markantesten Beispiele für die Ungleichheiten der heutigen Welt. Es müsse endlich an die Stelle des Begriffes der Information jener der Kommunikation in beide Richtungen gesetzt, d. h. ein ausgewogener Informationsaustausch erreicht werden. M'Bow rügte die Weltagenturen außerdem, weil sie seiner Auffassung nach den blockfreien Ländern das Recht auf Gründung eigener Nachrichtenagenturen streitig machten und hierbei mit dem Vorwand aufwarteten, solche Projekte raubten der Information ihren Objektivitätscharakter. Dringend riet er den Massenmedien, „mit der Verbreitung von Vorurteilen aufzuhören, die allzuoft nichts mit der Wirklichkeit gemein hätten". Diejenigen, zu deren Aufgaben die Information gehöre, sollten einen verbindlichen Ehrenkodex respektieren, doch gleichfalls die Chance des Schutzes vor „allerlei Drohungen und Druckmaßnahmen von hochplazierter Seite erhalten"

Die Weltagenturen werden somit vorwiegend als Organe politischer Macht wahrgenommen, während ihre kommunikativen Eigenschaften und Leistungen hinter dieser Perspektive spürbar zurücktreten. Auf sie konzentriert sich der Verdacht, als Orientierungsinstrumente der Stärkeren mißbraucht zu werden und de facto als Transmissionsriemen westlicher Machtpolitik zu dienen Daß eine derartige Sicht nur ausschnitthaft die Realität jener Institutionen widerspiegelt, bleibt unbestreitbar. Diese besondere Sicht ist es jedoch, die sämtliche Initiativen der Entwicklungsländer zur Veränderung der internationalen Nachrichtenordnung leitet: „Wie kann einer Lage ein Ende bereitet werden, die es den verschiedenen Ländern der Dritten Welt verwehrt, ihre Stimme zu Gehör zu bringen und ihr weltöffentliche Geltung zu verschaffen?"

Neben der Thematik des Programmflusses Zwischen Entwicklungs-und Industrieländern ist das Agenturproblem der zweite wichtige Fragenkomplex, in dessen Zusammenhang in der Dritten Welt der Vorwurf des Kommunikations-, Informations-oder kulturellen „Imperialismus" erhärtet wird. Mit diesem Begriffsverständnis von „Imperialismus" verbindet. sich zumeist weniger die Vorstellung offen gewaltsamer Unterdrückung oder unverhüllt repressiver Überwältigung als das Gefühl unaufhaltsamer kultureller wie geistiger Überfremdung, politischer Entmündigung oder gar Entwürdigung, vor allem aber der faktischen Entwertung nationaler Souveränität

Sowohl das Übergewicht der Industrieländer im Programmaustausch als auch die Vorherrschaft ihrer Nachrichtenagenturen in der Dritten Welt haben zur wachsenden Opposition blockfreier Staaten gegen die Praxis des „freien Informationsflusses" in der internationalen Ordnung beigetragen. Nicht in Frage gestellt wird die Konzeption weltweiter Kommunikationsfreiheit im Grundsätzlichen. Auf harte Gegnerschaft treffen jedoch die in den westlichen Ländern weitverbreiteten Auffassungen, denen zufolge der universelle Nachrichtenstrom sich im Interesse weltgesellschaftlicher Koexistenz gleichsam selbsttätig reguliere und allein bei Verzicht auf national-staatliche Eingriffe der unverfälschte, ungehinderte Dialog der Weltgesellschaft gewährleistet wäre. Kern der Kritik ist die mangelnde Ausgeglichenheit des internationalen Kommunikationsprozesses als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungsniveaus der nationalen Massenmedien — ein Gefälle, das zugleich zur Ursache weiterer gravierender politischer Ungleichheiten wird

Durch auffallende Schärfe haben erneut indische Politiker in dieser Kritik eine tonangebende Rolle übernommen und sich auf internationalen Foren, vornehmlich im Rahmen der UNESCO, zum Anwalt aller Blockfreien gemacht. Unmißverständlich verneinte I. K. Gujral, ehemaliger Minister für Informationsund Rundfunkwesen, vor der One Asia Assemblyim Februar 1973 die Existenz eines freien Informationsflusses in der Welt: „In der internationalen Sphäre ist der freie Informationsfluß ein Mythos.“ Sein Vergleich der Nachricht mit einer kulturellen Waffe verrät die gespannte Einstellung zur internationalen Kommunikation: „Ein Krieg wird geführt zwischen Ungleichen, zwischen denen, die die Massenmedien kontrollieren, über Ressourcen sowie alle methodischen Verfahren von Massenmedien verfügen, und jenen, die dieser Invasion unterworfen sind." Von Yunus wurden in seiner Rede vor dem winnen, die Forderung nach Veränderungen Informations-Symposium in Tunis die Entwicklungsländer internationalen Kommunikationswesen eindringlich davor gewarnt, unter die alternative Frage zu stellen, welches der Suche nach Lösungen der politischen,' Prinzip bestimmend sein solle: das der Verantwortlichkeit und sozialen Probleme die oder das der Freiheit, das der enge Verkettung mit informations-bzw. kommunikationspolitischen oder das des Rechtes: „Welchem Aspekten zu übersehen gebührt Vorrang, welches hat zu verschwinden?" Die Tendenz scheint an Boden zu ge-

VII. Initiativen der Blockfreien zur Reform der Weltnachrichtenordnung

Bis zu ihrer IV. Gipfelkonferenz von Algier (1973) sind seitens der blockfreien Staaten zur Lösung ihrer Kommunikationsprobleme nur sehr begrenzte Aktivitäten entfaltet worden; die Rolle der Massenmedien in den zwischenstaatlichen wie zwischengesellschaftlichen Beziehungen innerhalb der Dritten Welt blieb „ein ungepflügtes Feld, auf dem es an Initiative mangelte" Der Hauptgrund für die Verzögerungen bei der Verständigung der Blockfreien über eine kommunikationspolitische Strategie gegenüber den Industriestaaten lag nach Ansicht des damaligen indischen Informationsministers Shukla in der Schwäche der breiten Öffentlichkeit der Entwicklungsländer, sich der Bedeutsamkeit dieser Frage hinreichend bewußt zu werden und die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns frühzeitig zu erkennen

Hatten die Blockfreien in ihrer Abschlußerklärung zur III. Gipfelkonferenz von Lusaka (1970) lediglich in allgemeinen Wendungen ihren Willen geäußert, Informationsaustausch, Koordination und Konsultation zwischen Regierungen und zuständigen Organisationen zu erleichtern, so nahmen sie 1973 in ihr „Aktionsprogramm für wirtschaftliche Zusammenarbeit" erstmals das Thema Massen-kommunikation detailliert als gesonderten Abschnitt auf (Punkt XIII und XIV). Einigung erreichten sie im wesentlichen über die folgenden Zielsetzungen: Reorganisation der bestehenden Kommunikationsnetze zur Herstellung direkter und rascher wechselseitiger Informationsbeziehungen, Überprüfung der multilateralen Abkommen zur Revision der Tarife für Zeitungsberichte und zur Einführung billigerer Nachrichtenverbindungen, Forcierung von Plänen zur gemeinsamen Übernahme von Nachrichtensatelliten und Ausarbeitung verbindlicher Verhaltensregeln bei ihrer Nutzung, Erweiterung des Informations-, Ideen-und Erfahrungsaustausches auf allen Gebieten sowie Propagierung nationaler Errungenschaften in den Massenmedien der anderen Länder In den Jahren zwischen 1973 und 1976, dem Höhepunkt ihrer bisherigen Aktivitäten, haben die Blockfreien auf den verschiedensten Ebenen ihre Anstrengungen ständig vermehrt, um sowohl im Bereich der Dritten Welt als auch in der weiteren internationalen Öffentlichkeit für ihre Ziele zu werben und innerhalb der blockfreien Bewegung die Solidarisierung voranzutreiben.

Zu einem der wichtigsten Zentren ihrer Bemühungen wurden die Vereinten Nationen sowie deren Unterorganisationen, vor allem die UNESCO. Während der UNO-Session im August/September 1975 trafen sich — im Rahmen des „Dag-Hammarskjöld-Seminars" — Journalisten aus der gesamten Dritten Welt, um ihre Interessen abzustimmen und einen präziseren Forderungskatalog zu erarbeiten. Nach einer — nun schon rituellen — Anklage gegen die Vormachtstellung der westlichen Massenmedien und Großagenturen befürworteten die Seminarteilnehmer in einer Entschließung die vollständige Distanzierung des Journalismus von marktorientierten, die Nachricht als Ware behandelnden Gepflogenheiten und von sensationalistischen Berichterstattungsmustern. Zur Förderung der menschlichen Dimension im internationalen Zusammenleben verlangten sie, die Informationen von ethnozentrischen Vorurteilen zu befreien und aus der Vermittlung des Bildes fremder Staaten oder Gesellschaften alle verfälschenden Tendenzen herauszuhalten. Außerdem beauftragte das Seminar das Lateinamerikanische Institut für Transnationale Studien mit der Betreuung eines Forschungsprojektes, das die Abhängigkeitsstrukturen der Entwicklungsländer auf dem Gebiete von Information und Kommunikation aufzeigen sollte, und richtete an das Institut gleichzeitig die Empfehlung, der V. Gipfelkonferenz der Blockfreien konkrete Richtlinien vorzulegen

Die heftiger werdende Kritik wandte sich nun auch der Berichterstattung westlicher Massenmedien über die Tätigkeit der UNO selbst zu. Auf Betreiben mehrerer Entwicklungsländer, an der Spitze Kolumbien und Tunesien, unterbreitete im November 1975 der Haushaltsausschuß Generalsekretär Waldheim eine Entschließung, in der — unter Hinweis auf negative Einstellungen der Massenmedien und der öffentlichen Meinung einiger Mitgliedsländer zur UNO — Schritte angeregt wurden, um die Kenntnisse der Weltöffentlichkeit über die Vereinten Nationen zu verbessern und Fehlurteile über ihre Arbeit zu korrigieren. In der zeitweise umstrittenen, schließlich mit großer Mehrheit am 18. Dezember 1975 angenommenen endgültigen Fassung der Resolution konnte die Bestimmung durchgesetzt werden, nach Ablauf von drei Jahren die UNO-Informationspolitik zu einem selbständigen Tagesordnungspunkt zu erklären

Ein weiteres Symptom für die Entschlossenheit der Entwicklungsländer, auf die Weltöffentlichkeit zugunsten einer Veränderung des internationalen Kommunikationswesens propagandistisch einzuwirken, waren ihre verstärkten Bemühungen um Aufnahme der Informationsund Medienfrage in die Thematik internationaler Kongresse. Nicht selten zeichnete sich hierbei ein taktisches Zusammengehen von Entwicklungsländern und sozialistischen Staaten ab: So auf dem im Oktober 1975 nach Ost-Berlin einberufenen „Weltkongreß im Internationalen Jahr der Frau", auf dem ein besonderer Kommissionsreport diejenigen Massenmedien verurteilte, die im Interesse der Monopole bestrebt wären, „die Entwicklung* der jungen Nationalstaaten auf dem Wege zum sozialen Fortschritt zu hemmen und die Unterdrückung der Frau aufrechtzuerhalten bzw. in neue Formen zu kleiden"

Mehr und mehr konzentrierten die Entwicklungsländer in den Jahren 1975/76 ihre Initiativen auf die Einrichtung eines Nachrichten-pools (news pool). Einen ersten Markstein bildete der im Januar 1975 gegründete Pool zwischen den Presseagenturen von 16 afrikanisch-arabischen und asiatischen Ländern (u. a. l’Agence Tunis-Afrigue-Presse, MENA, PTI, Antara) sowie der jugoslawischen Tanjug-Agentur. Diese Gründung stellt eine gänzlich neuartige Form der Kooperation unter den Entwicklungsländern dar, deren weitergesteckte Aufgabe man in der Erreichung größerer „self-reliance" der Dritten Welt auch auf dem Felde der Kommunikation sah. Einige Pool-Initiatoren setzten diesen Schritt ostentativ mit dem „Beginn der Entkolonialisierung der Information" gleich Zur wichtigsten Funktion des Pools wurde es nicht erklärt, als „Superagentur" in den Wettbewerb mit dem traditionellen Agentursystem zu treten, sondern die Berichterstattung über die Dritte Welt und über das internationale Geschehen zu ergänzen. Tanjug übernahm vorerst eine technisch-organisatorische Führungsrolle. Im Unterschied zur Arbeitsweise der etablierten Nachrichtenagenturen war weder eine Auswahl noch eine redaktionelle Bearbeitung eingehender Meldungen beabsichtigt. Mit Ausnahme von Anschuldigungen oder Polemiken gegen Mitgliedsländer wurden in der Poolpraxis sämtliche von den angegliederten nationalen Agenturen gelieferten Informationen unverändert weitergegeben und es den einzelnen Poolmitgliedern überlassen, was sie weiterer Verbreitung für würdig hielten. Als Norm bürgerte sich die tägliche Zahl von zwei bis drei Meldungen von insgesamt 500 Wörtern pro Agentur ein, wobei man im Falle herausragender internationaler Ereignisse eine gewisse Abweichung von dieser Regel tolerierte. Die bei Tanjug einlaufenden Meldungen wurden nach Übersetzung ins Englisehe, Französische und Spanische durch Kurzwellensender in alle Kontinente ausgestrahlt. Spezifikum dieses Pool-Konzeptes blieb die skrupulöse Beachtung der „Souveränität" jeder Mitgliedsagentur sowie des Prinzips der „Nichteinmischung", womit völkerrechtliche Grundbegriffe direkt auf den Bereich des Nachrichtenwesens und der Informationspolitik übertragen wurden. Angesichts des staatlichen Charakters der Agenturen oder ihrer Abhängigkeit von den jeweiligen Regierungen mußte sich der Pool vorwiegend auf die Verbreitung offizieller bzw. offiziöser Standpunkte oder regierungsgenehmer Meldungen beschränken. Die Vermittlung einer Meinungspluralität konnte gemäß seiner Aufgabenbestimmung und Arbeitsmethode kaum erwartet werden

Beruhte der Nachrichtenpool in seiner ursprünglichen Konzeption auf bilateralen Verträgen zwischen Tanjug und diversen Dritte-Welt-Agenturen, so setzte sich die im Juli 1976 in Neu Delhi tagende Informationsminister-Konferenz nahezu 50 blockfreier Staaten zum Ziel, die Gründung von 1975 zu einem multilateralen Modell zu erweitern. In ihrer programmatischen Eröffnungsrede umriß I. Gandhi die langfristige Perspektive dieses Projektes: Da die nach Erringung staatlicher Unabhängigkeit weiterwirkenden geistigen wie sprachlichen Bindungen an die einstigen „overlords" der „akademischen Kolonisierung" Vorschub geleistet hätten, da ferner als Folge der in der Dritten Welt noch mancher-orts vorhandenen Minderwertigkeitsgefühle sich den Denkweisen oder Vorurteilen der al-ten Kolonialmächte ein günstiger Boden biete, sei eine echte Selbstbefreiung ausgeblieben; deshalb müßten die sich emanzipierenden Völker — ohne in den Irrtum des Chauvinismus zu verfallen — endlich Wege finden, um miteinander unmittelbar zu kommunizieren; sie sollten sich ohne verfremdende oder verfälschende Einschaltung der Industrieländer und ihrer publizistischen Vermittlungsorgane übereinander selbst und ohne Bevormundung durch andere unterrichten

Im Sinne dieser Zielsetzung einigten sich die Informationsminister auf eine der nachfolgenden Gipfelkonferenz vorzulegende Deklaration zur internationalen Kommunikationspolitik der Blockfreien. Des weiteren verständigten sie sich im Detail über die praktischen Leitlinien der neuen Kollektivagentur der Dritten Welt, als deren wesentliche Funktionen zu gelten hätten: die Herstellung freier und umfassender Zirkulation aller Nachrichtenformen zwischen den Blockfreien, die Verbreitung objektiver Sachmeldungen mit der Betonung progressiver ökonomischer, soziopolitischer wie kultureller Entwicklungen und kooperativer Vorhaben der Blockfreien, die Weitergabe authentischer Informationen an Agenturen und Massenmedien von Ländern außerhalb der Dritten Welt

Im Gegensatz zur Gründung von 1975 war dieser Nachrichtenpool nicht mehr auf die Vorrangposition einer einzigen Agentur zugeschnitten. Beendet wurde damit die frühere jugoslawische Führungsstellung. Indien jedoch konnte sich erhöhte Einflußchancen in der Poolpraxis ausrechnen, da es für die drei ersten Jahre den Vorsitz im Koordinationskomitee übernahm, dem 15 Vertreter des auf 40 Mitgliedsagenturen berechneten Pools angehören. Ungeachtet der einhelligen Zustimmung zum praktischen Arbeitsplan des künftigen Pools ließen sich politisch motivierte Spannungen und Gegensätzlichkeiten schon im Anfangsstadium dieses Vorhabens nicht übersehen. Einigkeit fehlte vor allem zwischen den indischen und jugoslawischen Repräsentanten: Während die Jugoslawen (aus Rücksicht auf die für 1977 nach Belgrad einberufene KSZE-Nachfolgekonferenz) eine totale Konfrontation mit dem Westen zu vermeiden suchten, steuerten die Inder einen entschiedenen Konfliktkurs. Ihre militanten Absichten bekundeten sie unmißverständlich, als die nationale Staatsagentur Samachar im August 1976 mit sofortiger Wirkung die Inanspruchnahme des UPI-Dienstes demonstrativ aufkündigte und zugleich andere Länder aufforderte, auslaufende Verträge mit westlichen Agenturen ebenfalls nicht mehr zu erneuern. Das indische Verhalten provozierte jedoch in nicht wenigen Kreisen der Blockfreien merklichen Widerstand. Einzelne publizistische Stimmen erhoben sogar den auf Yunus persönlich zielenden Vorwurf, die Journalisten der Dritten Welt zu „offiziellen Propagandisten für Regimes von fragwürdiger Popularität" degradieren zu wollen Dennoch überwog trotz solcher Meinungsverschiedenheiten in der offiziellen Meinung Indiens offenkundig die Ansicht, daß mit der Informationsminister-Konferenz „ein neues Stadium im Kampf um die Emanzipation aut dem Gebiete der Kommunikation" erreicht worden war

Die nachfolgende V. Gipfelkonferenz bekräftigte abermals prinzipiell den Gedanken der absoluten Gleichrangigkeit von Veränderung des Weltwirtschaftssystems und der Reform der globalen Nachrichtenordnung: „Eine neue internationale Ordnung für das Informationswesen und die Massenmedien ist ebenso wichtig wie eine neue Weltwirtschaftsordnung." Mit ihrer Erklärung und der darin enthaltenen Billigung des von den Informationsministern ausgearbeiteten Pool-Entwurfes beton-ten die Staats-und Regierungschefs der Dritten Welt erneut ihre Entschlossenheit, das Thema „internationale Massenkommunikation" in jede künftige Erörterung der koexistentiellen Bedingungen zwischen Industrie-und Entwicklungsländern einzubeziehen. In der westlichen Öffentlichkeit freilich verfestigte sich der Eindruck, daß auch in diesem Fragenkreis der radikale Flügel im Lager der Blockfreien vorerst das Sagen hatte

VIII. Der Widerstand westlicher Regierungen gegen die Pläne der Blockfreien

Gleichzeitig mit den Initiativen der Blockfreien verhärtete sich der Widerstand der westlichen Länder gegen alle Versuche, die Freiheit der internationalen Kommunikation einengenden Reglements oder überstaatliche Verbindlichkeit beanspruchenden Direktiven zu unterwerfen. Wiederholt ist von Regierungen der Industriestaaten davor gewarnt worden, autoritäre Ordnungsvorstellungen und -praktiken mancher Entwicklungsländer auf die weltgesellschaftlichen Verhältnisse auszudehnen. Anlaß einer ersten schärferen Meinungskonfrontation zur aktuellen Kommunikationsund Medienfrage auf weltöffentlicher, politisch-diplomatischer Ebene war die vom 26. Oktober bis zum 30. November 1976 in Nairobi tagende 19. Generalversammlung der UNESCO — einer Organisation, zu deren Selbstverständnis und Programm nach Aussage ihres Generalsekretärs M'Bow fortan das Bemühen gehören soll, zum Abbau von Ungleichheiten im Weltkommunikationssystem beizutragen und erziehungs-, Wissenschafts-, kultur-ebenso wie kommunikationspolitische Anliegen gleichrangig zu verfechten

Zentrales Thema der Generalversammlung bildete eine im Dezember 1975 von Delegationen sozialistischer und blockfreier Staaten ausgearbeitete Erklärung zur Funktion der Massenmedien in der Völkergemeinschaft. Zum Hauptstreitpunkt wurden jene Artikel, aus denen sich das Recht auf staatlichen Eingriff in den internationalen Informationsprozeß ableiten läßt: Artikel 10 fordert, daß Staa-ten, Institutionen oder Gruppierungen, die sich durch die Verbreitung falscher Nachrichten in ihren Bemühungen um die Festigung des Friedens und um Bekämpfung von Kriegs-, Rassismus-oder Apartheid-Propaganda geschädigt fühlen, die Möglichkeiten haben sollen, derartige Nachrichten durch Einschaltung der großen Informationsmedien richtigzustellen. Artikel 12 enthält die Bestimmung, daß Staaten Verantwortung für die Aktivitäten zu tragen hätten, die in der internationalen Sphäre von allen ihrer Autorität unterliegenden Informationsmitteln ausgingen. Den Bestrebungen des sozialistischen Blocks wie den radikalen Wortführern der Dritten Welt kamen insbesondere diese beiden Artikel in ihrer Suche nach Wegen zur Zurückdrängung des westlichen Medieneinflusses entgegen. Die sowjetische Delegation ergänzte die sich in der Erklärung bekundende Grundposition dahingehend, daß den einzelnen Staaten sogar eine „moralische" Verpflichtung zur Aufsicht über das Verhalten ihrer Publizistik obliege

Die Gegenposition fand in einer westeuropäischen Stellungnahme Bekräftigung, der sich die nordischen Länder, die Delegationen der USA und Kanadas sowie mehrere Vertretungen aus der Dritten Welt anschlossen. Kategorisch verwarf diese Eingabe den Text der vorliegenden Mediendeklaration als unannehmbar. Nachdrücklich erinnerte die USA-Delegation die Versammlung daran, daß die Presse der westlichen Demokratien nicht als Werkzeug des Staates diene, vielmehr ein unersetzliches Gegengewicht zur staatlichen Gewalt darstelle: „Wir drängen anderen Ländern nicht unsere Art der Massenmedien auf, wehren uns aber ebenso gegen Reglementierungen unserer eigenen Presse." Zuvor hatte bereits der Sprecher der Bundesrepublik in der Generaldebatte die Sorge der Bundesregierung über die sich verschärfenden Medien-dispute zum Ausdruck gebracht. Staatssekretär Hermes vom Auswärtigen Amt gab dem Plenum zu verstehen, daß die deutsche Vertretung keinesfalls ihr Einverständnis geben könne, wenn die UNESCO-Generalkonferenz eine Politik der Beschränkung des freien Austausches von Ideen durch Wort und Bild sanktionieren und ihr internationale Anerkennung verschaffen würde. Zwar respektiere die Bundesregierung den Wunsch der Entwicklungsländer, die Nachrichtenvermittlung nicht ausschließlich solchen Medien zu überlassen, die den Interessen dieser Länder nur unzulänglich Rechnung trügen, doch seien rigorose Beschränkungen weltweiter Informationsfreiheiten zum Abbau des Nord-Süd-Gefälles im Kommunikationsbereich und zur Beseitigung infrastruktureller Mißstände ein ungeeignetes Mittel. Hermes schlug als erfolgversprechenderen Weg der Korrektur die Weitergabe fortgeschrittener Medientechnologien von Industriestaaten an Entwicklungsländer vor und ließ in diesem Punkte die Bereitschaft der Bundesrepublik zur praktischen Hilfe erkennen überraschend unterblieb zum Ausgang der UNESCO-Konferenz ein offener Eklat zwischen westlichen Staaten und Dritter Welt. Die Kraftprobe zwischen militanten Blockfreien und sozialistischem Block einerseits, westlichen Partnern und gemäßigten Entwicklungsländern andererseits verlief zugunsten des Westens. Das klare Ergebnis der Abstimmung über die Rückverweisung der umstrittenen Deklaration an den Generaldirektor zu weiterer Überarbeitung bis zur 20. General-konferenz 1978 bedeutet sicherlich noch nicht definitiven Verzicht. Doch ist zu erwarten, daß sich der Schwerpunkt der Diskussionen von politisierten oder ideologisierten Auseinandersetzungen vermehrt auf die sachbezogene Ebene verlagern und die pragmatische Frage in den Vordergrund treten wird, in welcher Weise und welchem Ausmaß die Industriestaaten den Entwicklungsländern beim Ausbau ihrer Informations-und Massenkommunikationssysteme zu helfen willens sind. Immerhin hatte die geschlossene Frontstellung vieler Entwicklungsländer die westlichen Regierungen zu entsprechenden Absichtserklärungen bewegen können.

In der Gesamteinschätzung der Nairobi-Konferenz — als Abschluß einer längeren Phase internationaler Kontroversen — läßt sich demnach eine Kompromißtendenz nicht übersehen: "... ein Sieg des Westens, der die Unterstützung eines Teils der Dritten Welt erhalten hat. Doch haben die Debatten andererseits das Gewicht verdeutlicht, das dem internationalen Informationsaustausch nunmehr zukommt; zweifellos werden die industrialisierten Länder und ihre Massenmedien in Zukunft den Ansprüchen der Entwicklungsländer Rechnung zu tragen haben."

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Karl W. Deutsch, Politische Kybernetik. Modelle und Perspektiven, Freiburg/Br. 1969, S. 280. Zur Analyse der internationalen Gesellschaft unter vorrangiger Beachtung des Kommunikationsaspektes s. Karl Kaiser,. Transnationale Politik. Zu einer Theorie der multinationalen Politik, in: Politische Vierteljahresschrift, 10. Jg. 1969, Sonderheft 1 (Die anachronistische Souveränität), S. 80 ff.; Niklas Luhmann, Die Weltgesellschaft, in: Archiv für Rechts-und Sozialphilosophie, Bd. LVII, 1971, H. 1, S. 1 ff.; Niklas Luhmann, Veränderungen im System gesellschaftlicher Kommunikation und die Massenmedien, in: Oskar Schatz (Hrsg.), Die elektronische Revolution. Wie gefährlich sind die Massenmedien?, Graz—Wien—Köln 1975, S. 13 ff.

  2. „Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfaßt die Freiheit, Meinungen unangefochten zu vertreten und Informationen wie Ideen mit allen Verständigungsmitteln (Medien) und unabhängig von staatlichen Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten." S. ferner Art. 28; „Jeder Mensch hat Anspruch auf eine soziale und internationale Ordnung, in welcher die in der vorliegenden Erklärung angeführten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden können."

  3. Exemplarisches Beispiel hierfür war bis 1975 Indien. Unter staats-und verfassungsrechtlichen Aspekten sind die Beziehungen zwischen Exekutivbereich und Presse einst zu deren Gunsten geregelt gewesen. In der im Jahre 1950 verabschiedeten (ersten) Verfassung zeigte sich in der Formulierung der Freiheits-und Persönlichkeitsrechte die enge Anlehnung an die westliche Staatslehre: Art. 19 garantierte das „Recht auf Rede-und Äußerungsfreiheit" ausdrücklich.

  4. Vgl. Leitartikel der Londoner Times: The Rare Possession of Press Freedom, Ausgabe vom 5. August 1976: " Wo auch immer der Westen in Asien oder Afrika herrschte, existierte gewöhnlich eine freie Presse. Sie wurde als Teil der politischen Tradition der Demokratie, die in diese Länder eingeführt werden sollte, betrachtet. Unterstützt von einer aktiven und freien Presse in der westlichen Welt und getragen von einem festen Vertrauen in die Regierungsform gab es zum repräsentative Ende des Kolonialreiches auf der ganzen Welt frei funktionierende Zeitungen. In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich in der Dritten Welt ein Land nach dem anderen nicht nur von der repräsentativen Regierungsform gelöst, sondern ist mit der Beseitigung jeglicher Pressefreiheit weit vorangeschritten."

  5. Freie Presse in Afrika. Nachdruck in dt. Über-setzung in: Vorwärts Nr. 32, 8. August 1962, S. 2.

  6. Präsident Kenyatta wies vor der Jahrestagung 1968 des Internationalen Presse-Instituts in Nairobi auf die Unhaltbarkeit dieses Zustandes hin: „Kein Land kann sich in einer solchen Situation wohl fühlen. Würde sich beispielsweise nicht auch Präsident de Gaulle wehren, wenn ein Angelsachse eines der führenden französischen Blätter über-nähme?“ Zu dieser Entwicklung s. allgemein: Peter Enahoro, Von der Kolonialpresse zum Massen-medium, in: Dokumente 3, 28. Jg., September 1972, S. 183 ff.

  7. Zitat nach: India Quarterly, vol. XXIV, Okt. — Dez. 1968, No. 4, S. 352.

  8. Vgl.den Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die IPI-Tagung in Nairobi, Ausgabe vom 25. Juni 1968. — Das Auseinanderklaffen der Standpunkte war beispielhaft einem Streitgespräch zu entnehmen, das anläßlich der im Jahre 1971 in Helsinki tagenden Generalversammlung des Internationalen Presseinstituts (IPI) zwischen dem damaligen Vizepräsidenten der britischen Labour Party, Anthony Wedgwood Benn, und dem Premierminister von Singapur, Lee Kuan Yew, geführt wurde. In diesem Disput wandte sich Wedgwood Benn gegen die Beherrschung der Massenkommunikationsmittel sowohl durch den Staatsapparat als auch durch kommerzielle Mächte. Lee hingegen verwarf die Generalisierbarkeit solcher Kriterien, da diese wohl für hochindustrialisierte Staaten mit demokratischer Tradition taugten, nicht jedoch für Länder, die sich erst auf dem Wege zu parlamentarischen Republiken befänden. Nach einem Hinweis auf die gravierenden ethnischen wie religiösen Unterschiede und Spannungen in seiner Region, auf den noch niedrigen Bildungsstand der Bevölkerung und auf den ständigen Einfluß der politischen Werbung des Ostens wie Westens umriß Lee die den Massenmedien zugewiesenen Aufgaben: „Wir wollen, daß die Massenmedien die kulturellen Werte und Maßstäbe, die an unseren Schulen und Universitäten gelehrt werden, festigen, nicht untergraben. Die Massenmedien können ein Klima schaffen, das die Menschen anspornt, sich das Wissen, das Können und die Disziplin fortgeschrittener Nationen anzueignen. Ohne dies können wir nie hoffen, den Lebensstandard unseres Volkes zu heben." Vgl. IPI-Rundschau Jg. 1971, H. 8— 10, S. 7 ff., H. 11— 13, S. 15.

  9. Vgl. Times-Bericht vom 29. Oktober 1976: Differing roles of the press in Commonwealth nations: „Die Presse in Industrieländern existiert nicht, um bei dem Aufbau der Nation zu helfen. In Entwicklungsländern ist die Rolle der Presse eine gänzlich andere. In den meisten Entwicklungsländern des Commonwealth wird das Medium Zeitung als ein

  10. Vgl. u. a. M. Neff Smart, Wanted — A New Role For The Media, in: Africa, No. 47, Juli 1975, S. 98 f., bes. S. 99: „Die Herausforderung an die afrikanischen Journalisten und an die Regierungen besteht darin, das nach westlichem Vorbild geschaffene Mediensystem, Fernsehen, Hörfunk, Hauptstadtzeitungen und -Zeitschriften, als untauglich zu verwerfen. Statt dessen brauchen die Länder Afrikas eine demokratische Presse, die in der Lage ist, die 70 % der Gesamtbevölkerung zu erreichen, die im Busch geboren wird, dort aufwächst und deren Begabungen wie Leistungen zur nationalen Entwicklung gebraucht werden."

  11. Zit. nach dem Bericht der Londoner Times: Kaunda warning to press on abuse of freedom, Ausgabe vom 12. Mai 1972.

  12. Enahoro, a. a. O., S. 184. Zur Lage beispielsweise in Mexikos pseudodemokratischem System — besonders nach dem Vorgehen der Regierung gegen das Weltblatt „Exclsior" — s. Octavio Paz, La liberte comme fiction, in: Le Monde vom 11. August 1976: „Unser fiktives politisches Leben wäre unvollständig, hätten wir nicht eine gleichermaßen fiktive Pressefreiheit. Theoretisch können unsere Zeitungen schreiben, was sie wollen; praktisch schreiben sie, was sie können. Und was sie können, ist das, was die Regierung will. Oder was die großen, das Land beherrschenden Interessengruppen wollen, von den privaten Organisationen bis zu den mächtigen Gewerkschafts-und politischen Bürokratien ..."

  13. Vgl. Georges Galipeau, The press as a component and means of progress, in: the democratic journalist 1969/5, S. 105: „Die wirkliche Schwierigkeit liegt in dem Umstand, daß die Freiheit der Information grundsätzlich mit dem Wunsch nach weiterem Fortschritt in Einklang gebracht werden muß. Tatsächlich sieht es so aus, als ob wir einerseits Journalisten haben, die sich mit ganzem Herzen der Entwicklung ihres Landes verpflichtet fühlen, und andererseits verantwortliche Persönlichkeiten, die für den nationalen Informationsdienst zuständig sind, aber dafür sorgen, daß eine adäquate Nachrichtenpolitik unterbleibt, die darüber hinaus die Pressefreiheit einschränken, um zu verhindern, daß etwas nach außen dringt, was vor den Massen verborgen bleiben sollte. Das führt oft, doch nicht immer, zu einer Politik des Abwartens, zu einer Minderung der Bemühungen um wahrhaftige Berichterstattung, zu einer kraftlosen, langweiligen, trüben, amorphen Presse."

  14. Zum Verhalten speziell von Militärregierungen der Dritten Welt s. Oskar Splett: Wie Militärregime mit Zeitungen umgehen, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. April 1975.

  15. Zit. nach: Indian & Foreign Review (New Delhi), 1. Juli 1975, S. 6.

  16. Vgl. als Überblick über die aktuelle Situation: Behinderungen der Informationsfreiheit, Leitartikel der Neuen Zürcher Zeitung vom 5. /6. Juli 1975.

  17. Vgl. Einar Ostgaard: Factors Influencing the Flow of News. In: Journal of Peace Research Jg. 1965, H. 1, S. 39 ff.; Johan Galtung/Mari Holmboe Ruge: The Structure of Foreign News. In: Journal of Peace Research Jg. 1965, H. 1, S. 64 ff.

  18. Winfried Schulz, Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien. Analyse der aktuellen Berichterstattung. Alber-Broschur Kommunikation Bd. 4, Freiburg/München 1976, S. 116, 120. Als Einzelbeispiel s. u. a. Bericht der Neuen Zürcher Zeitung vom 30. Mai 1975 zum Thema: Madagaskar unter dem Kriegsrecht: „M. liegt von Europa weit entfernt . . . Die Inselrepublik weckt kein außenpolitisches Interesse, obwohl sie seit einigen Jahren eine äußerst bewegte Entwicklung durchmacht. Nur die Presse Frankreichs, der früheren Kolonialmacht, berichtet ausführlicher über die madagassischen Verhältnisse, auch sie nur unregelmäßig. Für die Großmächte ist die Insel uninteressant, und was die Großmächte nicht interessiert, bleibt auch am Rande des Informationsflusses."

  19. So z. B. Siradiou Diallo: L'information dans le Tiers monde: mythes et ralits, in: jeune afrique, No. 817, 3. September 1976, S. 63.

  20. West Germany in Africa: Politics of Contradiction, in: Africa, No. 45, Mai 1975, S. 45. — In der gleichen Zeitschriftenausgabe differenziert jedoch W. Dourado, Generalstaatsanwalt von Sansibar, zwischen den qualitativ unterschiedlichen Pressegattungen: „... ich glaube nicht, daß es etwas gibt, was man zu einer Gruppe zusammenfassen und die . westliche Presse'nennen könnte. Wir haben die niedere, sensationelle Presse und ebenso haben wir eine vernünftige Presse in der ganzen Welt. Das ist im übrigen nicht nur eine Erscheinung des Westens."

  21. Vgl. Renate von Gizycki, Berichterstattung aus der Dritten Welt. Thesen und Fragen zu einem heißen Thema, in: der überblick, 10. Jg. 1974, H. 4, S. 38 ff.

  22. Vgl. hierzu auch Ben G. Burnett/Kenneth F. Johnson, Political Forces in Latin America: Dimensions of the Quest for Stability, Belmont, Cal., 1968, S. 1 f.: „In den Massenmedien der wenigen wohlhabenden Nationen der Welt wird eifrig über die politische Unrast in den armen Ländern berichtet. Häufig erscheinen Artikel über Intrigen und Gegenintrigen oder chronische Manifestationen der Gewalt. Durch derartige Artikel ebenso wie durch immer wiederkehrende Meldungen von neuen . Revolutionen" verstärkt die Presse bei den Reichen eine verächtliche Einstellung gegenüber den neuen Völkern unserer Welt. Anscheinend reicht in den Massenmedien die Geduld nicht aus, um über kurze, aber bedeutsame Schritte auf dem Wege zum Fortschritt zu unterrichten, und nur spärlich bemüht man sich, die Ursachen der politischen Instabilität aufzuhellen, die einen erheblichen Bereich der heutigen Welt heimsucht."

  23. Vgl. Ayad al-Qazzaz: Arabs Are: (1) Stereotyped (2) Ditto (3) Both the Above, in: International Herald Tribune vom 12. Dezember 1974. Zu dieser Frage allgemein s. Yonah Alexander: The Role of Communications in the Middle East Conflict. Ideological and Religious Aspects, New York— Washington—London 1973. ‘

  24. Vgl. Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 6. Juni 1972.

  25. Detailliert wird dieser Wandel im Zusammenhang mit dem Oktoberkrieg von 1973 aus arabischer Sicht untersucht in dem Beitrag: Arab-Israeli War of the Media. The Truth at the Push of a Button, in: Sketch (The Middle East Weekly Newsmagazine) vom 13. September 1974, S. 14 ff. Aus israelischer Sicht: Rose G. Lewis, Israel Rights and Arab Propaganda, in: Commentary, vol. 60, No 2, 1975, S. 38 ff.

  26. Vgl. Bericht: Indira Gandhi und die Presse, in: Neue Zürcher Zeitung vom 3. September 1970, Fernausgabe Nr. 242.

  27. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Äußerung I. Gandhis: „Berichte und Karikaturen in den Zeitungen des Westens vermitteln den Eindruck, daß dort Getreide nur angebaut wird, um Indien zu ernähren, obgleich wir lediglich rund 30% unseres Bedarfes einführen." Zit. nach: The Times vom 7. Dezember 1974.

  28. Vgl. Bericht: Indira Gandhi klagt die Welt-presse an, in: Süddeutsche Zeitung vom 23. August 1975. Zur westlichen Reaktion auf den Ausnahmezustand s. auch die kritische Stellungnahme von Le Monde vom 11. — 12. Januar 1976: „Mit sehr wenigen Ausnahmen haben die westlichen Kommentatoren das vehement verurteilt, was sie das Ende der Demokratie in Indien nannten... Diejenigen, die im Westen am stärksten ihren Unwillen über die Angriffe auf die Freiheiten aussprechen, sind sehr häufig dieselben, die sich gestern darin gefielen, diese Freiheiten zu verachten, wenn nicht zu verhöhnen..."

  29. Zit. nach: The Times vom 14. August 1975.

  30. Das Interview erschien in der Tageszeitung Times of India vom 26. Juni 1976.

  31. Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 31. Juli 1976, Fernausgabe Nr. 176.

  32. Vgl. zu Einzelheiten: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20 September 1976.

  33. Zit. nach: Vorwärts Nr. 40, 2. Oktober 1975, S. 10.

  34. Mit auffälliger Freundlichkeit betonten die Sowjetmedien — im Rahmen einer psychologischen Vorbereitungskampagne — die positiven Leistungen Indiens und die politischen Verdienste I. Gandhis, als die Ministerpräsidentin im Juni 1976 die UdSSR besuchte. S. auch die Analyse der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 23. April 1976: Indien fühlt sich vom Westen vernachlässigt (Hinwendung zum Osten ein Reflex enttäuschter Floffnungen).

  35. Ausgabe vom 18. Februar 1976, Fernausgabe Nr. 39. Speziell das Beispiel der Indienberichterstattung und der Reaktionen der indischen Führung auf die Medieninformationen bieten sich der Publizistikwissenschaft an, um vorzugsweise mittels empirischer Inhaltsanalysen zur genaueren Klärung des Hintergrundes dieser politischen Thematik beizutragen.

  36. Vgl. H. Konan Bedie, Information über ein fernes Land — Die Probleme der Dritten Welt näher-bringen, in: Die Presse/Die Welt vom 14. Oktober 1975: „Ich glaube, daß der Presse in den Industrie-ländern eine sehr wichtige Rolle bei der Verbreitung dieser neuen Ideen für die Entwicklung der Dritten Welt und für die internationale Kooperation zukommt, indem sie der Öffentlichkeit in den reichen Ländern ein wirklichkeitsgetreues Bild von der dramatischen Situation, in der sich Hunderte Millionen Menschen befinden, zeigt ... Nur im Rahmen einer freien und ehrlichen Zusammenarbeit zwischen den Entwicklungsländern und der Presse der großen Industrieländer ist es möglich, daß letztere einen bedeutenden Beitrag zu den Bemühungender Dritten Welt leisten, eine neue, gerechtere internationale Wirtschaftsordnung aufzubauen." Bedie ist Wirtschafts-und Finanzminister der Republik Elfenbeinküste.

  37. Vgl. Rajan R. Malaviya, Massenmedien und Entwicklungsbewußtsein in der Bundesrepublik, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, Jg. 1973, H. 5, S. 11 f.

  38. Vgl. Manoucher Ganji, A Call for a Closer Look at the Third World, in: International Herald Tribune vom 14. — 15. Februar 1976.

  39. Initiativen zur Verbesserung der Berichterstattung über die Entwicklungsländer werden in den Massenmedien verstärkt erkennbar. So wurde auf einer Klausurtagung des WDR im Januar 1976 zum Thema: „Zukunftsaufgaben des Rundfunks — Funktionswandel am Beispiel des Themenbereichs Dritte Welt" vorgeschlagen, für die Belange der Dritte-Welt-Berichterstattung „abteilungsübergreifende Fachgruppen zu bilden, die sowohl für gegenseitige Information sorgen wie in regelmäßigen Konferenzen Themen und Inhalte in den verschiedenen Sendesparten anregen und koordinieren sollten.“ Im März 1976 ist als Ergebnis dieser Tagung eine spezielle Fachgruppe innerhalb des WDR gebildet worden. Vgl. hierzu im einzelnen die Frankfurter Rundschau vom 18. März 1976. Vgl. ferner Ferdinand W. Menne, Dritte Welt in der Ersten Welt. Bedingungen entwicklungspolitischer Sensibilisierung, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 37/76.

  40. Von der Kolonialpresse zum Massenmedium, S. 185 f.

  41. Asok Mitra, Information Imbalances in Asia (II), in: Indian & Foreign Review, 15. Juli 1975, S. 20.

  42. Ebenda.

  43. Zu dieser Befragung s. Mamadou Moctar Thiam, Decoloniser l’information, in: jeune afrique, No. 784, 16. Januar 1976, S. 38 ff. Der Verfasser ist leitender Repräsentant der OAU.

  44. Ebenda, S. 40.

  45. Surendra Kushwaha, Zur internationalen Dynamik des Fernsehens, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, Jg. 1974, H. 4, S. 3 f.

  46. Nach Angabe der New Yorker Zeitschrift Foreign Policy, Frühjahr 1975, exportieren die US-Fernsehproduzenten jährlich zwischen 100 000 und 200 000 Sendestunden, deren finanzieller Wert sich auf 130 Millionen Dollar beläuft (1973). Häufig wird in den verschiedenen Quellen davon ausgegangen, daß die USA mehr als 65% des weltweiten Informations-und Ideenaustausches kontrollieren; so u. a. Diallo, a. a. O., S. 64.

  47. Vgl. Kaarle Nordenstreng/Tapio Varis, Television traffic — a one-way Street? A survey and analysis of the international flow of television programme material. UNESCO, Paris 1974 (=Reports and Papers on Mass Communication No 70), S. 40. — Kritisch wird diese UNESCO-Untersuchung betrachtet in dem Beitrag von William H. Read, Global TV-Flow: Another Look, in: Journal of Communications, vol. 26, No 3, 1976, S. 69 ff.; der Autor spricht zwar den statistischen Ermittlungen über den Programmaustausch prinzipiellen Nutzen nicht ab, doch hält er die Erforschung des Publikums ebenso wie die der Wirkungen amerikanischer Fernsehprogramme für das eigentliche Kernproblem.

  48. „Die Massenmedien in Entwicklungsländern stehen also vor der Aufgabe, nicht nur Motivationen zu schaffen, sondern zugleich auch die Verantwortung zu zeigen, die dem einzelnen und der Gesamtheit zufällt bei dem Versuch, die Wünsche und Erwartungen zu realisieren." Gerhard Maletzke, Sozialisationsprobleme und Massenkommunikation in Entwicklungsländern, in: Sozialisation und Massenkommunikation, herausgegeben von F. Ronneberger, Bd. IV, Stuttgart 1971, S. 370.

  49. So z. B. Kushwaha, a. a. O. Derartige Vermutungen werden mit Vorliebe auch von der prononciert linksgerichteten Kritik innerhalb westlicher Staaten geäußert, so u. a. von Herbert I. Schiller, Mass Communications and American Empire, New York 1970. Zum Wortführer dieser Kritik in Europa ist die französische Monatsschrift Le Monde Diplomatique avanciert, vgl. bes. Ausgabe Dezember 1974, S. 7 ff.: L’Imperialisme Culturel.

  50. No 760, 1. August 1975, S. 56.

  51. Für die Auslösung konstruktiver Lernprozesse durch westliche Programme auch in Ländern der Dritten Welt läßt sich eine Reihe repräsentativer Belege anführen. Vgl. als Beispiel aus pädagogischem Bereich: E. L. Palmer, M. Chen, G. S. Lesser, Internationale Auswirkungen von Sesame Street und Ausblick auf künftige Forschungen, in: Fernsehen und Bildung 10. Jg. 1976, H. 1/2, S. 101 ff.

  52. Von der Kolonialpresse zum Massenmedium, S. 185.

  53. So z. B. Thiam, a. a. O., S. 38.

  54. Ebenda.

  55. Asok Mitra, Information Imbalances in Asia (II), a. a. O., S. 19.

  56. Die genossenschaftlich organisierte AP gilt von diesen drei als größtes Nachrichtenunternehmen der Welt. Zu Einzelheiten über AP und andere Agenturen s. Emil Dovifat/Jürgen Wilke, Zeitungslehre I (Theoretische und rechtliche Grundlagen, Nachricht und Meinung, Sprache und Form), 6. Aufl. Berlin — New York 1976, Kap. „Das ausländische Nachrichtenwesen", S. 110 ff.

  57. Vgl. Diallo, a. a. O., S. 62.

  58. Vgl. hierzu German Carneiro Roque, L’Information dans le Tiers-Monde. Moyen d’asservissement ou Instrument de libration?, in: Le Monde Dipomatique, No. 269, August 1976, S. 1, 5.

  59. Vgl. Asok Mitra, Information Imbalances in Asia (I), a. a. O., S. 13 ff.

  60. Ebenda, S. 14.

  61. Diallo, a. a. O., S. 62 f.

  62. Ebenda, S. 62.

  63. Thiam, a. a. O., S. 38. So hob der sambische Staatschet Kaunda auf der 1968 in Nairobi tagenden Jahreskonferenz des IPI die Behinderungen der Afrikaner hervor, wenn es darum geht, Tatsachen und Hintergründe auf ihrem Kontinent eigenständig zu interpretieren: Da man stets von auslandsinspirierten Analysen und Kommentaren abhänge, würden die nachteiligen Entwicklungsaspekte notgedrungen in den Vordergrund rücken und überbewertet, die Erfolge in Wirtschaft und Gesellschaft hingegen auf Geringschätzung treffen. Vgl. Konferenzbericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 25. Juni 1968.

  64. Zit. nach: Indian & Foreign Review, 15. April 1976, S. 8. Die Berichterstattung westlicher Massenmedien über die III. und IV. Gipfelkonferenz der Blockfreien von Lusaka (Sept. 1970) und Algier (Sept. 1973) untersucht Albrecht Schaefer: Die Dritte Welt in der Sicht europäischer Massenmedien — Problemstellung und empirische Analyse anhand ausgewählter Themen, unveröffentl. Mag. Arbeit, Institut für Publizistik der Universität Mainz, 1976. Ein aufschlußreiches Detail dieser Untersuchungsergebnisse ist, daß der sich bereits auf der Algier-Konferenz deutlich manifestierende Widerstand der Blockfreien gegen die Weltnachrichtenordnung in der Berichterstattung namhafter westlicher Massenmedien ignoriert wurde.

  65. Zit. nach: Communicator (ed. Indian Institute of Mass Communication), vol. XI, No 2— 3, 1976, S. 16. Mit polemischer Schärfe äußern sich üblicherweise kommunistische Kreise zur Informationspolitik der Weltagenturen. Vgl. u. a. Hector Mujica, Wem die Mittel der Masseninformation dienen, in: Probleme des Friedens und des Sozialismus, Jg. 1972, H. 4, S. 521: „Die Meldungen über Ereignisse in beliebigen Weltregionen ... gelangen zu den Lesern erst nach entsprechender Bearbeitung. Das strategische Hauptziel dieser Agenturen besteht darin, antikommunistische Ideen in das Bewußtsein der Leser zu pflanzen. Ihre Tätigkeit richtet sich in erster Linie gegen die Vorhut der revolutionären Bewegung, gegen die kommunistischen und Arbeiterparteien, gegen die marxistisch-leninistische Ideologie, die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder.“ — Aus kommunistischer Sicht s. ferner: Erhard Hexelschneider/Wolfgang Kleinwächter, Die Expansion internationaler journalistischer Konzerne und daraus erwachsende Probleme für die internationalen Beziehungen der Gegenwart, in: Der Anteil der Massenmedien bei der Herausbildung des Bewußtseins in der sich wandelnden Welt, IX. General-versammlung der AIERI, Leipzig, Sept. 1974, herausgeg. v. d. Sektion Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig, 1974, S. 49 ff.

  66. Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 22. September 1976, Fernausgabe Nr. 221.

  67. Vgl. Carnero Roque, a. a. O., S. 5.

  68. Jacques Vignes, La bataille pour l'information, in: jeune afrique, No. 828, 19. November 1976, S. 43.

  69. Vgl. hierzu bes. Diallo, a. a. O., S. 62: „Wenn ihr, zumindest offiziell, auch niemand mehr das Recht bestreitet, ihr Schicksal nach eigenem Wunsch zu formen, so wird sich die Dritte Welt dennoch tagtäglich bewußt, daß ihr noch sehr viele Souveränitätsattribute fehlen. Unter anderen Attributen auch dieses: eine nur ihr eigentümliche Identität zu finden (de se faonner une personnalite) und dem Ausland ein Bild zu präsentieren, das ihrem Wunsche entspricht." — Johan Galtung bezieht die Erscheinung des Kommunikations-und kulturellen Imperialismus (neben dem politischen, ökonomischen und militärischen Imperialismus) in seine strukturelle Imperialismus-Theorie ein. Vgl. Journal of Peace Research, Jg. 1971, H. 2, S. 81 ff.

  70. Vgl. hierzu Stevan Marjanovic, Massenkommunikation zwischen den Blockfreien, in: Internationale Politik (Belgrad), 20. März 1976, H. 623, S. 19: „Die unentwickelten Massenmedien in den blockfreien Ländern waren ein besonderer Aspekt von Ungleichheit, wodurch es diesen Ländern erschwert wurde, sich rascher und erfolgreicher in internationale Beziehungen und Zusammenarbeit einzuschalten."

  71. Gujral defines „realistic communication policy“, in: Vidura (Press Institute of India’s mass media bimonthly), vol. 10, 1973, No. 2, S. 89.

  72. Ebenda. — Auf einem Journalistenkongreß erklärte Gujral im April 1973: „Wir glauben, daß die entwickelten Länder jetzt nicht mehr Armeen landen, sondern mit Hilfe ihrer Kultur die Durchdrin-I gung anstreben. Das nennt man , kulturelle Invaision'; tatsächlich versuchen sie, uns jene Gedan-I ken zu vermitteln, die möglicherweise gar nicht in »unserem besten Interesse liegen. Die kulturelle Invasion verfügt über eine Vielfalt von Kriegswerkzeugen.“ Zit. nach: Communicator, vol. IX, 1973, (No 2, S. 20.

  73. Vgl. Indian & Foreign Review, 15. April 1976, IS. 7.

  74. Beji, a. a. O„ S. 56.

  75. Marjanovic, a. a. O., S. 19. Einen Überblick iüber die Entwicklung aus jugoslawischer Sicht gibt ferner: Muhamed Berberovic, Blockfreiheit und Information, in: Internationale Politik, 20. April 1976, H. 625, S. 1 ff. Hintergründe und Motive des jugoslawischen Interesses an dieser IFrage untersucht ein Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 15. Oktober 1976 (S. 10).

  76. Äußerung auf der Informationsminister-Konferenz blockfreier Staaten im Juli 1976 (s. Anm. 84).

  77. Einzelheiten dieses Programms s. Europa-Archiv, Folge 20/1973, S. D 575.

  78. Statement by the Participants in the 1975 Dag Hammarskjöld Third World Journalists’ Seminar. The 1975 D. H. Report on Development and International Co-operation, „What now", Uppsala 1975.

  79. Die Vertretung der Bundesrepublik unterlag in den Beratungen mit einem Abänderungsantrag, der die Streichung des im Resolutionstext enthaltenen Passus befürwortete, die Position der Informationsmedien einiger Mitgliedsländer könne zu einem Schwund des Vertrauens in die UNO führen. G. Schütze, Pressereferent der deutschen UNO-Mission, gab zu bedenken, die Presse sei nicht zum Prügelknaben zu machen, wenn sich in den westlichen Mitgliedsländern die Unterstützung für die Vereinten Nationen mindere, da der Grund vielmehr im Abstimmungsverhalten einer Mehrheit der Vollversammlung läge; außerdem würden Medien wie öffentliche Meinung die nationalen Besorgnisse oder Vorbehalte weit eher widerspiegeln, als diese selbst bewirken. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 15. /16. November 1975.

  80. Neues Deutschland vom 25. Z 26. Oktober 1975.

  81. La Presse de Tunisie vom 24. Januar 1975.

  82. Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 25. /26. Juli 1976, Fernausgabe Nr. 171. Zurückhaltend bemerkt das Blatt über diesen Pool: „So legitim der Wunsch nach Information durch seinesgleichen und im Notfall durch Regierungsstellen ist, so hat das Poolkonzept doch Schwächen, die ihrerseits wieder nur durch das Vorhandensein von Konkurrenzagenturen überbrückt werden können. Im Falle kriegerischer Verwicklungen zweier Mitgliedstaaten sind beide berechtigt, ihre Versionen zu geben — ob dadurch die tatsächlichen Geschehnisse erhellt werden, ist ungewiß. Interessant wäre auch zu wissen, wieviel Rücksicht einzelne Agenturen bei der Auswahl ihrer Poolmeldungen auf die Empfindlichkeit anderer Länder nehmen. *

  83. Härte und Unablässigkeit der indischen Regierung in dieser Frage sind deutlicher Reflex ihres Unbehagens an den westlichen Medienreaktionen. Vgl. Le Monde vom 26. November 1976: „Das Projekt eines Pools blockfreier Presseagenturen ist die indische Antwort auf die . Beleidigungen’ der Auslandsjournalisten." '

  84. Vollständiger Abdruck der Reden und Diskussionen sowie des ausführlichen Pool-Programmes in: Indian & Foreign Review vom 1. August 1976, Communicator vol. XI, No 2/3, April-Juli 1976.

  85. Vgl. Spiegel-Bericht 1976/34, S. 69, Neue Zürcher Zeitung vom 17. August 1976, Fernausgabe Nr. 190.

  86. Indian & Foreign Review, 1. Juli 1976, S. 15.

  87. Zit. nach: Europa-Archiv Folge 21/1976, S. D 574.

  88. Le Monde (Ausgabe vom 22. — 23. August 1976) wertete die Entscheidung der Blockfreien für den Nachrichtenpool als einen klaren Erfolg der Politik Indiens.

  89. Interview mit Le Monde vom 22. Oktober 1976.

  90. Zur Massenmediendebatte auf der UNESCO-Konferenz s.den Bericht der Neuen Zürcher Zeitung vom 7. /8. November 1976, Fernausgabe Nr. 261.

  91. Ebenda.

  92. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 30. /31. Oktober/1. November 1976.

  93. L’UNESCO et 1'information. Le Monde vom 9. November 1976. UNESCO-Generalsekretär M’Bow gab am 14. Dezember 1976 eine nähere Einschätzung der Nairobi-Konferenz aus seiner Sicht; den erreichten Kompromiß begrüßend, äußerte er: „Nun ist es nötig — auf technischem, nicht aber politischem Wege —, den erzielten Konsens erfolgreich in ein präzises Projekt umzuwandeln, um dessen Respektierung sich die UNESCO dann bemühen wird."

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