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Die deutsche Politik im Generalgouvernement Polen 1939-1945 Aus dem Diensttagebuch des Generalgouverneurs Hans Frank | APuZ 34/1978 | bpb.de

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APuZ 34/1978 Artikel 1 Die Bildung der ersten Regierungskoalition 1949 Adenauers Entscheidungen von Frankfurt und Rhöndorf am 20. und 21. August 1949 Die deutsche Politik im Generalgouvernement Polen 1939-1945 Aus dem Diensttagebuch des Generalgouverneurs Hans Frank Politik, Mythos und Mentalität Französische und deutsche Jugendliteratur vor dein Ersten Weltkrieg

Die deutsche Politik im Generalgouvernement Polen 1939-1945 Aus dem Diensttagebuch des Generalgouverneurs Hans Frank

Imanuel Geiss

/ 61 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Der Aufsatz bringt eine knappe Zusammenfassung und Auswahl aus dem Diensttagebuch von Hans Frank, dem Generalgouverneur im Generalgouvernement Polen, in den Jahren 1939 bis 1945. Die ausführlichen Zitate der wichtigsten Passagen sind chronologisch angeordnet und eingeteilt in drei Kapitel, die sich aus dem Machtverlauf der deutschen Herrschaft in Polen ergeben: „Anfänge des Generalgouvernements bis zum Beginn der deutschen Westoffensive", „Das Großdeutsche Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht“, „Krise und Ende der deutschen Herrschaft in Polen". Das Material vermittelt in seiner Konzentration einen aufschlußreichen Einblick in die Bestimmungsgründe der deutschen Polenpolitik im Zweiten Weltkrieg — aus dem Zentrum der deutschen Herrschaftsausübung selbst gesehen. Im Mittelpunkt stehen Aussagen über Prinzipien und Mentalität der NS-Herrschaft im Generalgouvernement gegenüber Polen und Juden. Sie belegen ein Schwanken in der politischen und wirtschaftlichen Stellung, die dem Generalgouvernement im Machtbereich des Großdeutschen Reichs zugedacht war, die unterschiedliche Behandlung von „Volksdeutschen“, Polen, Ukrainern und Juden, ferner die volle Verantwortung der deutschen Führung im Generalgouvernement für die Vernichtungskonzentrationslager Auschwitz, Majdanek und Treblinka. Die Auswahl soll als Anregung und Hilfe zur Erschließung einer bereits vorliegenden umfassenden, aber schwierigen Quellenlektüre dienen, damit diese zentrale Dokumentation zur jüngeren Geschichte Deutschlands wie der deutsch-polnischen Beziehungen in weiteren Kreisen besser bekannt wird.

Die Politik des Großdeutschen Reiches im Generalgouvernement Polen ist in großen Zügen bekannt Ihre möglichst genaue DetailKenntnis kann aber dazu beitragen, die in ihr enthaltene historische Belastung des deutsch-polnischen Verhältnisses allmählich abzubauen. Als nützliches Instrument der Wissenserweiterung liegt seit kurzem die umfangreiche Veröffentlichung des Diensttagebuchs des deutschen Generalgouverneurs Hans Frank vor

Das Münchner Institut für Zeitgeschichte hat eine für wissenschaftliche Zwecke mustergültige Quellenedition publiziert. Wegen ihres enormen Umfangs (900 Seiten) und ihrer asketischen Form (abgesehen von einer eher verwaltungsgeschichtlich gehaltenen Einleitung und einer groben Unterteilung nach Jahren ohne innere Strukturierung) wird diese für die Geschichte der deutsch-polnischen Beziehungen im 20. Jahrhundert so wichtige Quelle nur auf einen engen Kreis von Spezialisten und Professionellen beschränkt bleiben. Für die politische und historische Bildung der Deutschen ist es aber wünschenswert, daß wenigstens die aussagekräftigsten Stellen des Frank-Diensttagebuchs weiter bekannt werden. Da nicht sicher ist, ob es jemals zu einer durchaus denkbaren Taschenbuchausgabe kommt, die eine komprimierte Auswahl mit einer einführenden und erklärenden Kommentierung in einzelnen Kapiteln bieten müßte, soll hier der Versuch gemacht werden — ähnlich wie mit dem Tagebuch Kurt Riezlers aus dem Ersteh Weltkrieg —, für ein breiteres interessiertes Publikum den wesentlichen Gehalt des Frank-Diensttagebuches aus dem Zweiten Weltkrieg in übersichtlicherer Form als Anregung und Orientierung zur intensiveren Quellenlektüre vorzulegen.

Wie beim Riezler-Tagebuch ist das Verfahren eine Kombination von Resümee und ausführlichen Zitaten, alles in chronologischer Reihenfolge, weil sich daraus die innere Logik des Geschehens am ehesten erschließt. Hinzu kommen knappe Erläuterungen des jeweiligen Zusammenhangs und eine Unterteilung in Kapitel, die sich nicht aus dem bloßen Ablauf der Jahre ergibt, wie in der ursprünglichen Quellenausgabe, sondern aus der inneren Struktur des Zweiten Weltkriegs, soweit er Polen bzw. das deutsche Generalgouvernement betraf: die Anfänge des Generalgouvernements bis zum Beginn der deutschen Offensive im Westen (September 1939 bis Mai 1940); das Großdeutsche Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht (Mai 1940 bis Dezember 1941); Krise und Ende des Generalgouvernements (Dezember 1941 bis Januar 1945).

Selbstverständlich ist eine Vollständigkeit auch nicht annähernd möglich. Die Auswahl soll nur einen Eindruck von der deutschen Politik im Generalgouvernement vermitteln, vor allem auch einen Eindruck von der Mentalität deutscher Herrschaft. Eintragungen über lokale und regionale Zustände und Entwicklungen werden nur herangezogen, wenn sie ein Licht auf die gesamtpolnische Situation werfen Eine ausführlichere Kommentierung oder moralische Beurteilung erübrigt sich, da die Zitate für sich selbst sprechen.

I. Anfänge des Generalgouvernements bis zum Beginn der deutschen Offensive im Westen (September 1939 bis Mai 1940)

Hans Frank, geboren 1900, war einer der führenden Justizpolitiker des Dritten Reichs. Nach Teilnahme am Ersten Weltkrieg (1918) und an Nachkriegskämpfen in einem Frei-korps, studierte er Jura und Volkswirtschaft, promovierte zum Dr. jur. (1924) und wurde Rechtsanwalt (1927). Er trat früh in die NSDAP ein (1923) und gehörte zur Fraktion der NSDAP im Reichstag nach dem ersten Wahlerfolg der NSDAP (1930). Bekannt wurde Frank als Strafverteidiger von Nationalsozialisten vor 1933. Nach Hitlers Machtergreifung wurde er bayerischer Justizminister (März 1933) und führte anschließend als Reichskommissar die politische Gleichschaltung der Justiz durch (1933/34), äußerlich institutionalisiert in der Gründung der Deutschen Rechts-front. Allerdings war er, auch als Präsident der Akademie für Deutsches Recht und als Reichsminister ohne Geschäftsbereich (1934/45), ohne direkten Einfluß auf die laufende Gesetzgebung im Dritten Reich.

Als sich der Zusammenbruch des von drei Seiten angegriffenen Polens abzeichnete, erhielt Frank, damals als Reichsminister und Reserveleutnant in Potsdam nach Besprechungen mit Göring am 12. und Hitler am 15. September 1939 den Auftrag, eine deutsche Zivilverwaltung im besetzten Polen aufzubauen. Sitz der Dienststelle wurde zunächst Posen, ab 26. Oktober Lodz, seit dem 7. November 1939 Krakau auf dem al November 1939 Krakau auf dem als „Krakauer Burg" umbenannten Wawel (29. 10.) 6). Das Diensttagebuch beginnt mit einer Eintragung vom 26. /27. Oktober 1939 über ein Essen, das Frank in Warschau 6). Das Diensttagebuch beginnt mit einer Eintragung vom 26. /27. Oktober 1939 über ein Essen, das Frank in Warschau dem Reichsführer SS Heinrich Himmler „zu Ehren der deutsch-sowjetischen Grenzkommission“ gab. Bei einer ersten Besprechung von Finanzfragen in Lodz wies er „insbesondere darauf hin, daß alle Handlungen ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihrer Zweckmäßigkeit für das Deutsche Reich getroffen werden müssen“ (28. 10.). Die Unterordnung Polens bzw.des Generalgouvernements unter die deutschen Interessen ist gleichsam ein Leitmotiv, das sich durch das gesamte Diensttagebuch Franks hindurchzieht.

Aufschluß über die politische Zusammensetzung der deutschen Beamtenschaft im Generalgouvernement gibt Franks Richtlinie für die Behandlung von Bewerbungsgesuchen deutscher Beamte: „Da das besetzte Gebiet zu einer absolut rein nationalsozialistischen Domäne gewandelt werden müsse, könnten im Generalgouvernement nur rein aktivistische nationalsozialistische Kämpfer zur Verwendung kommen. Daher bitte er den Stellvertreter des Führers 7) und die Reichsleiter Lutze 8), Himmler 9) und Hünlein 10) um die Abkommandierung geeigneter, kämpferisch eingestellter Männer." (28. 10.)

Drei Tage später tauchten in einer grundlegenden Besprechung, an der neben Frank u. a. Reichsminister Seyß-Inquart und Reichspropagandaminister Goebbels teilnahmen, weitere Motive deutscher Herrschaft in Polen auf: Himmlers Wunsch wurde mitgeteilt, „daß alle Juden aus den neu erworbenen Reichsgebieten entfernt würden". „Bis zum Februar sollten auf diese Weise etwa 1 000 000 Menschen in das Generalgouvernement eingebracht werden. Die in den besetzten polnischen Gebieten vorhandenen gutrassigen Familien (etwa 400 000 Menschen) sollten in das Reich überführt, dort vereinzelt untergebracht und so völkisch entwurzelt werden.

Im Zusammenhang mit der Versorgung deutscher Beamter im Generalgouvernement umriß Frank die Hierarchie „völkischer" Wertigkeiten — Deutsche, Volksdeutsche, Polen, Juden: „Ganz klar müsse der Unterschied zwischen dem deutschen Herrenvolk und den Polen herausgestellt werden. Neben den Beamten müßten die Volksdeutschen direkt versorgt werden. Die NSVn) sei ausschließlich für die Deutschen da, während sich die Polen — von den Juden sei überhaupt nicht die Rede — selbst helfen müßten, damit die . polnische Gemeinschaftsseele'ihr Leistungsvermögen zeigen könne." (31. 10., S. 53)

Frank selbst gab die Richtlinie für einen weiteren wichtigen „Ordnungspunkt" aus, der auch so in die Tat umgesetzt wurde: „Den Polen dürften nur solche Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, die ihnen , Aussichtslosigkeit ihres völkischen Schicksals dfaten. Es könnten daher höchstens schlechte File oder solche, die die Größe und Stärke des Deutschen Reiches vor Augen führen, in Frage ommen. Es werde notwendig sein, daß große Lautsprecheranlagen einen gewissen Nachrichtendienst für die Polen vermitteln, Reichsminister Dr. Goebbels führt aus, daß das gesamte Nachrichtenvermittlungswesen der Polen zerschlagen werden müsse. Die Polen dürften keine Rundfunkapparate und nur reine Nachrichten-zeitungen, keinesfalls eine Meinungspresse behalten. Grundsätzlich dürften sie auch keine Theater, Kinos und Kabaretts bekommen, damit ihnen nicht immer wieder vor Augen geführt werden würde, was ihnen verlorengegangen sei. Wenn sich für qroße Städte, wie z. B. Warschau, die Notwendigkeit ergebe, durch Kinovorstellungen die Polen von der Straße wegzubekommen, dann müsse das von Fall zu Fall entschieden werden. Der Führer hat erst gestern erklärt, man dürfte den Polen nicht mit dem Aufbaufimmel kommen, die Polen sollten sich selbst etwas aufbauen ... Herr Generalgouverneur erklärte, daß die höheren Schulen bereits geschlossen seien. Die Priesterseminare, die von der Wehrmacht bereits wieder eröffnet worden seien, würden grundsätzlich geschlossen werden, da es sich hier um Brutstätten des Deutschen-Hasses handele." (31. 10., S. 53— 55)

Als zum 11. November, dem Gründungstag der 2. Polnischen Republik am 11. November 1918, polnische „Hetzplakate" in „einigen Gegenden" auftauchten, ordnete Frank an, „daß in jedem Haus, in dem ein Plakat angehängt bleibt, ein männlicher Einwohner erschossen wird. Diese Anordnung wird durch den Polizeichef durchgeführt.“ (10. 11., S. 64) „Ferner soll eine Kennzeichnung der Juden (weiße Armbinde mit blauem Davidsstern) eingeführt werden, die von allen Juden und Jüdinnen vom 12. Lebensjahr ab zu tragen sei. Jede Zuwiderhandlung müsse entsprechend bestraft werden.“ (Ebenda)

Am folgenden Tag erklärte Frank in einer Abteilungsleitersitzung zu den Richtlinien der deutschen Politik in Polen: „Maßgebend für die Regierungstätigkeit im Generalgouvernement sei der Wille des Führers, daß dieses Gebiet das erste Kolonialgebiet der Deutschen Nation sei. Im Generalgouvernement habe der Standpunkt des Deutschtums zu gelten ... Dieses Gebiet sei als Ganzes eine Beute des Deutschen Reiches, und daher sei es nicht angängig, daß dieses Gebiet in seinen einzelnen Teilen ausgebeutet werde, sondern das Gebiet als Ganzes müsse der wirtschaftlichen Verwertung zugeführt werden und in seinem ganzen wirtschaftlichen Wert dem Deutschen Volke zugutekommen.

Die Verurteilung eines Erzbischofs und eines Bischofs zur Todesstrafe gebe Veranlassung zu der grundsätzlichen Bemerkung, daß ein totaler Kampf gegen jede Art von Widerstand im Generalgouvernement geführt werde ... Unerwünscht seien Presseverlautbarungen über die Erschießung von Juden mit der Begründung, durch solche Verlautbarungen die Juden abzuschrecken." (2. 12., S. 73 f.)

In einer Besprechung über die anlaufenden Umsiedlungsaktionen wurde auch die „Zwangsarbeit der Juden" erörtert, aber noch nicht im Detail festgelegt (8. 12.).

Früh sah Frank die Möglichkeiten eines polnischen Widerstands und warnte „nachdrücklich vor der Gefahr, daß die Polen irgend eine Möglichkeit bekommen, sich zu organisieren": „Es dürfe nicht aus dem Auge gelassen werden, daß eiserne Härte erforderlich sei und daß mit allen Mitteln dafür gesorgt werden müsse, daß nicht unter irgendeiner Form der Tarnung Versuche zur Bildung einer Art Gemeinschaftsordnung von Seiten der Polen gemacht würden.“ (15. 12.)

Bei der ersten Erwähnung von Transporten polnischer Arbeiter ins Reich kamen bereits indirekt auch die Methoden ihrer Rekrutierung zur Sprache: „Bei der Umsiedlungsaktion müsse vermieden werden, daß sie in diesem brutalen Stil weitergeführt wird wie bisher, da sonst zu befürchten sei, daß sich die Leute nicht mehr freiwillig für das Reich melden, und weil auch die Möglichkeit des Einsatzes dieser Leute im Reich durch die Art der Umsiedlung beeinträchtigt werde." (11. 1. 1940, S. 85)

Bei der Besprechung des Etats für das Generalgouvernement verwies Finanzpräsident Spindler unfreiwillig auf ein „Dilemma" deutscher Herrschaft in Polen, nämlich „die außerordentlichen Ausgaben, die durch die Judenzwangsarbeit entstehen": „Der Aufbau dieser Einrichtung sei auf 90 Millionen veranschlagt. Es seien 4 Konzentrationslager geplant. Wenn diese Ausgabe in Wegfall käme und auch die Ausgaben der Straßenbauten nicht in der von der Wehrmacht geforderten Höhe gemacht werden müßten, könnte der Etat ausgeglichen werden." (15. 1.)

In einer ersten Zwischenbilanz zu Beginn des Jahres 1940 deutete Frank eine Wandlung der deutschen Politik im Generalgouvernement an: „Am 15. September 1939 erhielt ich den Auftrag, die Verwaltung der eroberten Ostgebiete aufzunehmen, mit dem Sonderbefehl, diesen Bereich als Kriegsgebiet und Beuteland rücksichtslos auszupowern, es in seiner wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen, politischen Struktur sozusagen zu einem Trümmerhaufen zu machen. Unter dem Einfluß der Erziehungsarbeit der letzten Monate hat sich diese Einstellung völlig gewandelt. Heute sieht man in dem Gebiet des Generalgouvernements einen wertvollen Bestandteil des deutschen Lebensraumes. Aus dem absoluten Zerstörungsprinzip ist der Grundsatz geworden, dieses Gebiet insoweit mit aller Förderung zu behandeln, als es dem Reich in seiner jetzigen Lage Vorteile zu bringen vermag. Eine wichtige Auswirkung dieses neuen Grundsatzes ist die Einführung des Vierjahresplans in diesem Gebiet, das damit ausgerichtet ist auf das gesamtdeutsche Ziel. Damit sind der arbeitenden Bevölkerung dieses Landes neue Lebensmöglichkeiten entstanden. (19. 1., S. 91)

... Entscheidend wichtig ist nunmehr auch der Neuaufbau der Produktion im Generalgouvernement. Bisher stand der Gedanke im Vordergrund, das Land hier als Beuteland zu betrachten. Aber dieses Stadium ist nunmehr abgeschlossen. Jetzt gilt es, aus den Urelementen eine neue Produktion aufzubauen und diese Produktion in den Dienst des Reichs zu stellen... Die Werke haben also zu schuften und zu arbeiten. Den Polen, die in die Betriebe eingestellt werden, muß Hören und Sehen vergehen, so daß sie vor lauter Arbeit — disziplinierter Arbeit! — zu Sabotageakten gar nicht mehr kommen ...

Soll dieses Programm durchgeführt werden, dann müssen die Betriebe eine bevorzugte Behandlung erfahren . .. Die Arbeiter sollen sich für die 10 bis 12 Zloty, die sie täglich verdienen, alles kaufen können, was sie zum Lebensunterhalt dringend brauchen. Ich darf alle Abteilungen bitten, mir dabei zu helfen, daß ich dem Wunsch und Befehl des Führers und Generalfeldmarschalls voll und ganz entsprechen kann. Dieser Befehl geht dahin, für die deutsche Wehrwirtschaft herauszuholen, was überhaupt herauszuholen ist. Mein Verhältnis zu den Polen ist dabei das Verhältnis zwischen Ameise und Blattlaus. Wenn ich den Polen förderlich behandele, ihn sozusagen freundlich kitzele, so tue ich das in der Erwartung, daß mir seine Arbeitsleistung zugute kommt. Hier handelt es sich nicht um ein politisches, sondern um ein rein taktisch-technisches Problem." (19. 1., S. 93 f.)

In einem Interview für den „Völkischen Beobachter", dem Zentralorgan der NSDAP, antwortete Frank auf die Frage nach dem Unterschied zwischen dem Protektorat Böhmen und Mähren und dem Generalgouvernement: „Einen plastischen Unterschied kann ich Ihnen sagen, In Prag waren z. B. große rote Plakate angeschlagen, auf denen zu lesen war, daß heute 7 Tschechen erschossen worden sind. Da sagte ich mir: wenn ich für je sieben erschossene Polen ein Plakat aushängen lassen wollte, dann würden die Wälder Polens nicht ausreichen, das Papier herzustellen für solche Plakate. — Ja, wir mußten hart zugreifen. Jetzt hat sich aber schon vieles beruhigt. Es ist ja grauenhaft, Polen ist vollkommen aufgeteilt, so aufgeteilt, wie es noch niemals war ... Wir haben hier ein Gebiet von etwas über 120 000qkm Fläche mit 14 Millionen Einwohnern, davon sind 21/2 Millionen Juden, etwa 600 000 Ukrainer, Goralen, Lemken und Huzulen. Für uns sind sie eigene Völker, die wir pflegen. Die Bergkette der Beskiden nenne ich die , Goralenkette. . Goralenfürst'— das klingt so schön " (6 2 S. 104 f.) 1 " Immer wieder kam Frank auf die Grundsätze deutscher Polenpolitik zurück: „Ob und unter welchen Formen einmal dieses Gebiet Bestandteil des Deutschen Reichs werden wird, ist noch völlig ungewiß .. . Behandeln Sie daher das Generalgouvernement als uns durch den Kriegsausgang anvertrautes polnisches Gebiet Dieses Gebiet ist zunächst vom Führer als Heimstätte des polnischen Volkes bestimmt worden Das wurde mir in Berlin vom Führer und vom Generalfeldmarschall Göring immer wieder eingeschärft, daß das Gebiet nicht der Germanisierunq ausgeliefert wird. Es soll gerade als Heimstätte des polnischen Volkes sichergestellt werden. Es soll ein im Namen des Deutschen Volkes der polnischen Nation zur Verfügung gestelltes Lebensreservat darstellen. Dagegen wird sehr häufig verstoßen ...

Nach den uns gegebenen Weisungen gelten jetzt auch hier nach der vom Führer gegebenen Verordnung die polnischen Gesetze weiter ... Wir haben keinen Anlaß, den Polen hier einen geordneten Musterstaat aufzubauen und dafür zu sorgen eines Tages ihnen ein Gebilde zu hinterlassen, das geordneter und sauberer und wesentlich klarer aufgebaut wäre, als es jemals in Polen der Fall war. Ich sage das deshalb so bestimmt, weil die Grenze zwischen den zum Deutschen Reich gekommenen Gebieten, die heute Reichsgaue sind, und dem Generalgouvernement ganz scharf gezogen werden muß.

Von dieser Ausgangsstellung aus gibt es nun zwei große Aufgaben für das Generalgouvernement: Es muß alles getan werden, um für alle Zukunft, soweit das jetzt in unserer Kraft steht, zu verhüten, daß die polnische Nation auf diesem Territorium sich jemals wieder so aufrichtet, daß sie eine Gefahr für Deutschland werden könnte. Wenn der Führer die Möglichkeit hat, den Polen dieses Reservat zu sichern, dann wird das in der Form einer absoluten Unterstellung der polnischen Nation unter die deutsche Hoheit geschehen, es wird nicht anders geschehen, als es bei den Tschechen oder bei anderen Nationen der Fall gewesen ist. Wenn aber die Möglichkeit nicht besteht, dann dürfte dieses Gebiet von uns nun nicht in einer Form zurückgelassen werden, daß die Polen dort eine Heimstätte vorfinden und aufgebaut sehen, wie sie sie aus eigener Kraft niemals hätten schaffen können." (25. 2., S. 117 f.)

Bei einer Sitzung des Reichsverteidigungsausschusses in Warschau unterstrich Frank — nach einer Besprechung mit Hitler zwei Tage zuvor—, daß eine grundsätzliche Lockerung des deutschen Herrschaftsanspruchs in Polen nicht beabsichtigt sei: „Wenn wir daher auch hier regieren, verwalten und unsere Gesamtaufgabe ohne diese Zwangsvorstellung durchführen können, daß wir hier germanisieren und nach außen hin so einen deutschen Schimmer verbreiten sollen, so haben wir doch die ungeheure Verantwortung, daß dieser Raum fest in der deutschen Macht bleibt, daß die Polen für alle Zeit das Rückgrat gebrochen erhalten und daß niemals wieder auf diesem Gebiet auch nur jer geringste Widerstand gegen die deutsche Reichspolitik bestehen kann.

Die Erfüllung dieser Aufgabe kann nun nicht in der Form eines gigantischen — ich möchte einmal sagen — mitrailleusenartigen Ausrottungsfeldzu-des vor sich gehen. Wir können schließlich nicht 14 000 000 Polen umbringen. Dieser Kampf könnte auch nicht in der Form einer systematischen Terrorisierung durchgehalten werden; denn wir haben aar nicht die Menschen, um einen solchen Apparat aufzubauen. Er kann nur in der Form einer absoluten Autorität mit der unverzüglich einsetzenden Schlagkraftbewährung einer kompakten Verwaltungsorganisation durchgehalten werden... Das Protektorat ist keine ideale Lösung, weil es einen Übergang darstellt und weil es auf die Dauer nicht möglich ist, daß ein von uns beherrschtes Volk so viele Selbständigkeiten besitzt, wie das tschechische. Ich glaube nicht, daß das Protektorat als Dauereinrichtung bestehen wird.

Der 2. Versuch des Führers ist das Generalgouvernement. Die Struktur des Generalgouvernements ist eine völlig andere wie die des Protektorates. Alle Machtbefugnisse ohne jede Ausnahme liegen beim Reich, dafür besteht aber eine Art Selbstverwaltung in den untersten Schichten, vollkommen asynthetisch, vollkommen unverbunden untereinander, vollkommen losgelöst aus dem Zusammenhang und unmittelbar kontrolliert von den deutschen Stellen.

Das Generalgouvernement ist heute, wirtschaftlich gesehen, ein leeres Gebilde. Was an Rohstoffen da war, hat der Vierjahresplan soweit wie möglich herausgeholt. Das war auch gut so, denn das Reich hat einen ungeheuren Bedarf an diesen Rohstoffen. Was wir auf diesem Gebiet tun konnten, ist geschehen. Es kann keine wirtschaftliche Blüte des Generalgouvernements geben, wenn es im Reich eine Kriegswirtschaft gibt. Es kann daher auch die Lebensform des polnischen Bevölkerungsteiles hier keinesfalls an irgendeinem Punkt günstiger oder besser sein als die des Deutschen Volkes. Wir werden, wenn nötig, alle Maßnahmen ergreifen, um den Lebensstandard des polnischen Volkes so zu gestalten, daß er gerade noch das Leben sicherstellt, aber eine absteigende Linie aufweist gegenüber der Lage im Deutschen Reich. Wenn man in das Leben des polnischen Volkes blickt, kann man bestätigen, daß dem auch so ist. Im allgemeinen ist die Ernährungslage in vielen großen Gebieten dieses Landes katastrophal. Wenn nicht das Deutsche Reich ununterbrochen helfen würde, würden die größten Schwierigkeiten entstehen.. -." (2. 3., S. 128 f.)

In diesem Zusammenhang sprach Frank auch ausführlich über die politischen Reaktionen der Polen: „Es gibt nur zwei Wege: entweder fügen sich die Polen, oder sie fügen sich nicht. Wenn sie sich fügen, dann muß das ein wirkliches Fügen sein, d. h. eine vollkommene Ausschaltung jeder Möglichkeit des Widerstandes. Fügen sie sich nicht, dann werden wir in ununterbrochener Reihenfolge Organisationen und Aktionsgruppen entdecken, die sich bilden. Die Polen sind ja alle Fachmänner auf dem Gebiete der Verschwörung; sie lauern auf den Augenblick, um nur einmal zusammen sprechen zu können. Daß dabei die große Hoffnung im Westen liegt, ist klar. Durch die Verbreitung polnischer Nachrichten der gegnerischen Propagandazentralen auf dem Wege der Flüsterpropaganda sucht man dauernd die Stimmung vorwärts zu treiben. Die Führergruppe der Nationalisten beschränkt sich in der Hauptsache auf den Intelligenzkreis. Wir werden jedenfalls nicht davor zurückschrekken, immer wieder die auftauchenden Spitzen solcher Unternehmungen sicherzusetzen. Ich glaube auch, daß diese Methode, einige Zeit fortgesetzt, doch zu einer allmählichen Abtötung des geistigen Elements in der Führungsschicht dieser Nationalisten führen wird. Immerhin, glaube ich, unterschätzt man etwas auch draußen im Reich diese organisatorische Bedeutung. Man muß wohl schon sein volles Augenmerk auf solche Unternehmungen richten.

Die Kirche hält sich außerordentlich zurück. Das ist aber nur eine Methode, die sich in der polnischen Geschichte immer wieder findet. Die Kirche hielt sich immer als die letzte Sammelstätte des polnischen Nationalismus zurück, solange noch andere Aktivitätsszenen möglich und vorhanden waren. Die Kirche ist der im Stillen fortleuchtende Zentralsammelpunkt des polnischen Gemütes und hat so etwa die Funktion eines ewigen Lichtes. Wenn alle Lichter für Polen erloschen, dann war immer noch die Heilige von Tschenstochau und die Kirche da. Das darf man nie vergessen. Die polnische Kirche hat es daher auch nicht nötig, aktiv zu sein; denn der Katholizismus ist in diesem Lande keine Konfession, sondern eine Lebensbedingung.

Das Dritte ist das militante Element. Es befindet sich zum großen Teil im Reich in Kriegsgefangenschaft. Aber trotzdem haben wir viele Offiziere und Resetveoffiziere hier im Lande, die doch Zentren sein können, die auch aus den polizeilichen Elementen kommen könnten.“ (2. 3., S. 130)

Für den Fall einer Offensive im Westen rechnete Frank mit umfangreichen Widerstands-aktionen, wobei er indirekt schon andeutete, für jeden erschossenen deutschen Beamten oder Soldaten 100 Polen erschießen zu lassen (2. 3., S. 133 f.). Seinen Abteilungsleitern schärfte Frank wenige Tage später nochmals die neue Linie des Generalgouvernements „als Heimstätte des polnischen Volkes" ein: „Demnach ist keine irgendwie geartete Germanisierung möglich. Ich bitte Sie, in Ihren Ämtern strengstens auf die Zweisprachigkeit achten zu wollen; ich bitte Sie auch, bei den Distrikten und Kreishauptmannschaften darauf hinzuweisen, daß dieser Sicherung des polnischen Eigenlebens nicht in gewalttätiger Weise entgegengetreten wird. Wir haben hier demnach vom Führer in gewissem Sinne die treuhänderische Pflege des polnischen Volkstums übernommen. Der Führer gedenkt ja einmal bei den kommenden Auseinandersetzungen mit den Westmächten, seine Polenpolitik unter diesen Stern zu stellen. Das imperiale Bewußtsein, das im dritten Reich nunmehr aufsteigt, das im Generalgouvernement seinen ersten Ausdruck gefunden hat, macht es uns zur Pflicht, nichtdeutschen Volksstämmen und Völkern, die unter die Herrschaft des Deutschen Reiches geraten sind, die Eigenart ihres Lebens, wenn es mit den Interessen des deutschen Volkes vereinbar ist, sicherzustellen. Wie sollen sonst andere Völker die Lust verspüren, unter deutschen Schutz zu kommen! Es ist klar, daß wir in diesem Sinne auch hier gewisse Verpflichtungen haben ...

Demnach ist es so, daß hier ein voller Wandel stattgefunden hat. Das wird sich auf den verschiedensten Gebieten ausprägen. Wir werden in gewissem Umfange nunmehr wieder Bildungsmöglichkeiten für die Polen zulassen müssen. Auf den Gebieten des ärztlichen und technischen Fachstudiums werden wir Abschlußprüfungen an den Universitäten wieder zulassen. Wir werden das Fach-schulwesen des polnischen Volkes wieder in dem Umfange in Kraft setzen, daß es etwa die tiefste Stufe der deutschen technischen Mittelschule erreicht. (8. 3., S. 151)

Die bevorzugte Behandlung der Ukrainer war als Anwendung des von Frank für das Generalgouvernement empfohlenen Grundsatzes gedacht: „divide et impera" — Teile und herrsche (12. 4., S. 164). Im Zusammenhang mit der Stellung der NSDAP-Genossen im Generalgouvernement (Auslandsgau oder nicht) kam Frank wiederum auf die Grundzüge der deutschen Politik gegenüber Polen mit aufschlußreichen Einzelheiten und Nuancen zu sprechen: „Möge auch das Generalgouvernement in gewissen Beziehungen als Ausland gelten, so bestehe doch wohl für das Generalgouvernement der Wunsch, einmal nicht mehr Ausland zu sein, sondern irgendwie in das Gebiet des Großdeutschen Reiches eingebaut zu werden. Der Führer habe ihm in Berlin gesagt, daß er das Generalgouvernement nicht mehr herzugeben gedenke. Der Führer habe weiter für die völlige Durchführung der Eindeutschung des Warthegaues, Danzigs, Westpreußens und der südostpreußischen und oberschlesisehen Gebiete eine Zeit von etwa 10 Jahren bestimmt. In diesem Zeitraum solle nun alles getan werden, um vor allem den Warthegau, der sehr gefährdet sei, zur deutschen Volksgemeinschaft emporzuentwickeln ... Die Politik im Sinne einer restlosen Eindeutschung könne für das Generalgouvernement erst dann beginnen, wenn der Warthegau, Westpreußen, Danzig, der Süd-Ostraum und Oberschlesien in dem durch den Führerbefehl bezeichneten Sinne deutsch geworden seien. Das hindere natürlich nicht, daß die deutschen Beamten dieses Landes alles täten, um den Deutschtumscharakter in Führung und Geistesdurchdringung sowie die gesamte politische Zielrichtung der Reichspolitik in jeder Weise zu fördern. Dazu gehöre vor allem, daß die Deutschen, die in diesem Lande leben und sich betätigen, eine absolut geschlossene Einheit darstellen." (Ebenda).

Bei einer Ansprache vor Volksdeutschen auf dem Burghof des Wawels am Vorabend des Führergeburtstags lobte Frank die Treue der Volksdeutschen gegenüber Hitler, dem Reich und dem Nationalsozialismus und versprach dafür als Gegenleistung des Führers und des Deutschen Reichs: „Ihr wart einmal in diesem Lande die Unterdrückten. Heute sollt ihr die Herren sein. Einmal hat hier der Wahnwitz polnischer Überheblichkeit ge. glaubt, dem ersten Volke der Welt, den Deutschen,. entgegentreten zu können. Heute müssen die Polen froh sein, wenn wir sie überhaupt noch in diesem Gebiet dulden." (19. 4., S. 172)

Die schon früher angesprochene Abstufung „völkischer Wertigkeiten" hatte für alle Beteiligte ganz elementare Folgen. In einer Sitzung unter Anwesenheit des Staatssekretärs Backe vom Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft erläuterte Frank „die Versorgungskategorien im Generalgouvernement": „Die Mitglieder der volksdeutschen Gemeinschaft müssen künftig die gleichen Rationen bekommen wie die Reichsdeutschen, ein Unterschied kann hier nicht mehr gemacht werden. Bisher haben wir auf dem Standpunkt gestanden, daß die Volksdeutschen sich erst einmal an den deutschen Standard gewöhnen müssen. Ich habe sie aber jetzt am Geburtstag des Führers in die deutsche Volksgemeinschaft aufgenommen.

Die Juden interessieren mich überhaupt nicht. Ob die etwas zu futtern haben oder nicht, ist für mich die allerletzte Frage.

Die zweite Kategorie sind die Polen an sich, soweit ich sie nicht gebrauchen kann. Diese Polen werde ich so ernähren, daß an sie dasjenige, was übrig bleibt und was wir zur Verfügung haben, verteilt wird. Im übrigen verweise ich die Polen auf ihre Selbsthilfe und sage ihnen: den Krieg haben wir nicht verschuldet. Die Polen interessieren mich nur insofern, als ich in ihnen ein Reservoir von Arbeitskräften sehe, aber nicht in der regierungsmäßigen verpflichtenden Form, daß ich einen Garantieschein dafür ausgebe, daß sie so und so viel erhalten — wir sprechen nicht von Rationen der Polen, sondern nur von den Möglichkeiten der Ernährung.

Nun kommen wir der eigentlichen Versorgung immer näher, und hier steht es tatsächlich nicht so schlecht. Wir haben im Generalgouvernement drei Kategorien der Bevölkerung: Das sind die Ukrainer, die wir einigermaßen gut behandeln müssen. Ihre Zahl beträgt ungefähr 600 bis 700 000 Menschen. Soweit sie nicht Selbstversorger sind, werden wir für sie eine gewisse Versorgungsgarantie aus Gründen übernehmen, die auch in unserer Polenpolitik liegen.

Dann kommt die nächste Kategorie in Frage, für die wir auch noch eine Verpflegungsgarantie übernehmen; das sind zunächst die Polen, für die wir sorgen müssen, weil wir, d. h. das Deutsche Reich, einen Nutzen davon haben. Es sind die von uns in den Beamtenapparat eingereihten polnischen Beamten, Angestellten der Betriebe, der Polizei, der Eisenbahn, der Post usw. Für die Landarbeiter müssen wir schon, um den Zwiespalt im polnischen Volke aufrechtzuerhalten, einigermaßen sorgen. Wir sagen ihnen: ihr bekommt, wenn ihr arbeitet, einen ausreichenden Lebensunterhalt — ausreichend im Sinne des Lebensstandards der Polen, d. h. im Sinne des Verfügbaren . . .

Nun kommen wir schon eigentlich in die deutsche Welt. Innerhalb dieser Gruppe, d. h. innerhalb der Versorgungsverpflichtung, die wir gegenüber den Polen übernehmen, ist wieder die erste Gruppe die wichtigste: diejenige der in den Rüstungsbetrieben beschäftigten Polen . . .

Dann kommen die Deutschen, und zwar zunächst die Kategorie der Volksdeutschen, deren Zahl insgesamt rund 100 000 im Generalgouvernement beträgt, von denen 30 000 östlich der Weichsel leben. Die nächste Kategorie ist die der Wehrmacht und der Beamten. Insgesamt sind es also sieben Kategorien, die unterste Stufe ist die der Juden, die höchste die des Militärs und der Beamten ... Das Gros des polnischen Volkes wird dann immer noch wesentlich besser behandelt als die Juden. Für die Juden haben wir gar kein Interesse." (23. 4., S. 186— 188)

Die Methoden bei der Rekrutierung polnischer Arbeitskräfte werden bei einer Besprechung in Krakau mit der von einem Vertreter des Berliner Auswärtigen Amts lautgewordenen polnischen Klage deutlich, „daß junge Leute beim Verlassen von Kinotheatern von der Polizei festgenommen und für den Landarbeiterdienst im Reich in Anspruch genommen würden, ohne daß man den Eltern Nachricht gebe". Frank wollte die „Angelegenheit nachprüfen lassen", wies aber „mit allem Nachdruck darauf hin, daß er jetzt gezwungen sei, mit schärferen Mitteln durchzugreifen, nachdem er lange genug Milde haben walten lassen. Wenn alle bisher angewendeten Methoden nichts mehr hülfen, müsse man eben seine Zuflucht zum Zwange nehmen. Er erwarte auch vom Auswärtigen Amt, daß es ihn bei etwa apftretenden unangenehmen Situationen nicht im Stich lasse.“ (9. 5., S. 195)

Um das von Göring geforderte Ziel von einer Million Arbeitern aus dem Generalgouvernement zu erreichen — „geliefert(!) seien bisher 160 000" (Frank) —, war Frank auch weiterhin für die Anwendung von Zwangsmaßnahmen.

II. Das Großdeutsche Reich auf dem Höhepunkt seiner Macht (Mai 1940 bis Dezember 1941)

Der deutsche Sieg über Frankreich erleichterte die deutsche Herrschaft in Polen. Zu Beginn der deutschen Offensive im Westen fürchtete Frank zwar noch für die Sicherheit im Generalgouvernement: „Aus einer Fülle von Anzeichen und Handlungen könne man den Schluß ziehen, daß eine groß organisierte Widerstandswelle der Polen im Lande vorhanden sei und man unmittelbar vor dem Aus-'bruch größerer gewaltsamer Ereignisse stehe. Tausende von Polen seien bereits in Geheimzirkeln zusammengefaßt, bewaffnet und würden in der aufrührerischsten Form veranlaßt, Gewalttätigkeiten aller Art zu verüben." (16. 5. 1940)

Auf dem Höhepunkt des deutschen Sieges über Frankreich kam — nach der Beute-und polnischen Reststaatkonzeption — auf einer Polizeisitzung eine dritte Konzeption zum Durchbruch, die, nach Frank, Hitler schon im November 1939 entwickelt hatte, nämlich die Germanisierung: „Wir wollen das Generalgouvernement behalten, wir geben es nicht mehr her. Angesichts dieser Änderung der Sachlage war nun ein ganz neues Programm aufzustellen. Was der Führer schon wiederholt mit mir besprochen hatte, das wurde nun in steigendem Maße Gegenstand der Erörterung, daß nämlich das Gebiet des Generalgouvernements im deutschen Machtbereich bleibt, nicht in der Form eines Protektorats oder einer ähnlichen Form, sondern in der Form eines klar unter deutscher Herrschaft stehenden Machtgebildes des Deutschen Reiches, in welchem irgendwie gegenüber der polnischen arbeitenden Unterschicht die absolute Führung des Deutschtums gesichert ist, und in welchem nach Abschluß der Germanisierung und Zurückführung der Deutschen des Warthegaues, Westpreußens, Süd-Ostpreußens und Oberschlesiens auf weite Sicht die Germanisierung durchgesetzt werden wird. Ich spreche ganz offen von Germanisierung; denn nicht anders war ja das Problem für unsere Vorfahren vor 1000 Jahren, wo dasselbe fremdsprachige slawische Volk hier zusammengedrängt wurde. Wie oft müssen wir nicht, wenn wir ein blondes, blauäugiges Kind sehen, uns darüber wundern, daß es polnisch spricht, und ich sage mir dann: Wenn wir dieses Kind deutsch erziehen würden, dann würde es ein hübsches deutsches Mädel sein. Wir sehen also einen absolut germanischen Rassekern in diesem Volkstum, und diesen Rassekern zu entwickeln, zu pflegen und zu fördern, wird auf weite Sicht die Möglichkeit geben, diesen Raum des Generalgouvernements dem Deutschtum zuzuführen.

über all das habe ich mit dem Führer gesprochen, und wir sind uns auch darüber einig, daß sukzessive dieses Gebiet in der Form dem Deutschtum zugeführt werden muß. In welchen Zeitläufen es geschieht, ob das in 50 oder 100 Jahren vor sich geht, das interessiert jetzt nicht. Entscheidend ist — und das ist nun das wichtigste, weswegen wir auch heute zusammengekommen sind —, daß wir jeden Augenblick benutzen, der uns gegeben ist, um diesem Ziel zu dienen und in diesem Sinne eine förderliche Arbeit zu leisten." (30. 5., S. 209 f.)

Schwierigkeiten ergäben sich aus der Notwendigkeit, aus den neu annektierten Gebieten Polen, Juden und Zigeuner im General-gouvernement aufnehmen zu müssen. Anschließend umriß Frank den Zusammenhang zwischen der für das Dritte Reich günstigen Kriegslage im Westen und den Plänen im Osten: „Wenn wir demnach angesichts aller dieser Schwierigkeiten das Ziel der vollkommenen Beherrschung des polnischen Volkes in diesem Raum erreichen wollen, dann müssen wir die Zeit nutzen. Am 10. Mai begann die Offensive im Westen, d. h., an diesem Tage erlosch das vorherrschende Interesse der Welt an den Vorgängen hier bei uns. Was man mit der Greuelpropaganda und den Lügenberichten über das Vorgehen der nationalsozialistischen Machthaber in diesem Gebiet in der Welt angerichtet hat — nun, mir wäre es vollkommen gleichgültig gewesen, ob sich die Amerikaner oder Franzosen oder Juden oder vielleicht auch der Papst darüber aufgeregt hätten —, aber für mich und für einen jeden von Ihnen war es in diesen Monaten furchtbar, immer wieder die Stimmen aus dem Propagandaministerium, aus dem Auswärtigen Amt, aus dem Innenministerium, ja sogar von der Wehrmacht vernehmen zu müssen, daß das ein Mordregime wäre, daß wir mit diesen Greueln aufhören müßten usw. Dabei war es natürlich klar, daß wir auch die Erklärung abgeben mußten, wir würden es nicht mehr tun. Und ebenso klar war es, daß bis zu dem Augenblick, wo das Weltscheinwerferlicht auf diesem Gebiet lag, von uns ja nichts Derartiges in großem Ausmaße geschehen konnte. Aber mit dem 10. Mai ist uns nun diese Greuelpropaganda in der Welt vollkommen gleichgültig. Jetzt müssen wir den Augenblick benutzen, der uns zur Verfügung steht. Wenn jetzt in jeder Minute und Sekunde draußen im Westen Tausende des besten deutschen Blutes geopfert werden müssen, dann haben wir als Nationalsozialisten die Pflicht, daran zu denken, daß sich nicht etwa die polnische Nation auf Kosten dieser deutschen Opfer erhebt. Daher war es auch der Zeitpunkt, wo ich in Anwesenheit des SS-Obergruppenführers Krüger mit dem Kameraden Streckenbach dieses außerordentliche Befriedungsprogramm besprach, ein Befriedungsprogramm, das zum Inhalt hatte, nunmehr mit der Masse der in unseren Händen befindlichen aufrührerischen Widerstandspolitiker und sonst politisch verdächtigen Individuen in beschleunigtem Tempo Schluß zu machen und zu gleicher Zeit mit der Erbschaft des früheren polnischen Verbrechertums aufzuräumen. Ich gestehe ganz offen, daß das einigen tausend Polen das Leben kosten wird, vor allem aus der geistigen Führerschicht Polens. Für uns alle als Nationalsozialisten bringt aber diese Zeit die Verpflichtung mit sich, dafür zu sorgen, daß aus dem polnischen Volk kein Widerstand mehr emporsteigt. Ich weiß, welche Verantwortung wir damit übernehmen. Aber es ist klar, daß wir das tun können, und zwar gerade aus der Notwendigkeit heraus, den Flankenschutz des Reiches im Osten zu übernehmen. Aber mehr noch: SS-Obergruppenführer Krüger und ich haben beschlossen, daß die Befriedungsaktion in beschleunigter Form durchgeführt wird. Ich darf Sie bitten, meine Herren, uns mit Ihrer ganzen Energie bei der Durchführung dieser Aufgabe zu helfen. Was von mir aus geschehen kann, um die Durchführung dieser Aufgabe zu erleichtern, wird geschehen. Ich appelliere an Sie als nationalsozialistische Kämpfer, und mehr brauche ich wohl dazu nicht zu sagen Wir werden diese Maßnahme durchführen, und zwar, wie ich Ihnen vertraulich sagen kann, in Ausführung eines Befehls, den mir der Führer'erteilt hat. Der Führer hat mir gesagt: Die Frage der Behandlung und Sicherstellung der deutschen Politik im Generalgouvernement ist eine ureigene Sache der verantwortlichen Männer des Generalgov. vernements. Er drückte sich so aus: Was wir jetzt an Führerschicht in Polen festgestellt haben, das ist zu liquidieren, was wieder nachwächst, ist von uns sicherzustellen und in einem entsprechenden Zeitraum wieder wegzuschaffen. Daher brauchen wir das Deutsche Reich, um die Reichsorganisation der deutschen Polizei damit nicht zu belasten. Wir brauchen diese Elemente nicht erst in die Konzentrationslager des Reiches abzuschleppen, denn dann hätten wir nur Scherereien und einen unnötigen Briefwechsel mit den Familienangehörigen, sondern wir liquidieren die Dinge im Lande. Wir werden es auch in der Form tun, die die einfachste ist. Meine Herren, wir sind keine Mörder. Für den Polizisten und SS-Mann, der auf Grund dieser Maßnahme amtlich oder dienstlich verpflichtet ist, die Exekution durchzuführen, ist das eine furchtbare Aufgabe. Wir können leicht Hunderte von Todesurteilen hier unterzeichnen; aber ihre Durchführung deutschen Männern, anständigen deutschen Soldaten und Kameraden zu übertragen, das bedeutet eine furchtbare Belastung * (30. 5., S. 211 f.)

Auf derselben Sitzung gab SS-Brigadeführer Streckenbach erste konkrete Zahlen über die Stärke der polnischen Widerstandsbewegung und die Art ihrer Bekämpfung durch die Sicherheitspolizei im Generalgouvernement seit Herbst 1939: „Nebenher seien die Vorbereitungen zur planmäßigen und damit auch zur endgültigen Niederhaltung des polnischen politischen Widerstandes und gleichzeitig der Unschädlichmachung des Verbrechertums im Generalgouvernement gelaufen. Mit der ersten Großaktion gegen die polnische Widerstandsbewegung habe eigentlich nunmehr die planmäßige Arbeit begonnen. Dieser große Einbruch in die polnische Widerstandsbewegung bedeute einen Anfang, der nie ein Ende nehme. Denn die einmalige Verhaftung von Funktionären bedeute nicht ein Ende der Bewegung, sondern es gehe immer von einer Verhaftung zur anderen. So sei auch die Sicherheitspolizei seit der Aktion vom 31. März nicht wieder von der Widerstandsbewegung losgekommen, sondern sie werde immer Gegner bleiben, solange es überhaupt im Generalgouvernement Kreise gebe, die der deutschen Verwaltung Widerstand entgegensetzen wollten ...

In den Händen der Sicherheitspolizei hätten sich zu Beginn der außerordentlichen Befriedungsaktion etwa 2 000 Männer und einige hundert Frauen befunden, die als irgendwie geartete Funktionäre der polnischen Widerstandsbewegung in Haft gesetzt worden seien. Sie stellten wirklich eine geistige Führerschicht der polnischen Widerstandsbewegung dar. Natürlich sei diese Führerschicht nicht auf die 2 000 Personen beschränkt. In den Akten und Karteien des Sicherheitsdienstes befänden sich weitere etwa 2 000 Namen von Personen, die diesem Kreis zuzurechnen seien. Das seien Personen, die angesichts ihrer Tätigkeit und ihres Verhaltens ausnahmslos ohnehin unter die für das Generalgouvernement geltende Standrechtsverordnung fielen. Die summarische Aburteilung dieser Leute habe in dem Augenblick begonnen, in wel-chem die außerordentliche Befriedungsaktion anneordnet worden sei. Die standrechtliche Aburteilung der 2 000 Inhaftierten nähere sich ihrem Ende, und es seien nur noch wenige Personen abzuurteilen.

Nach Durchführung dieses summarischen Standgerichtsverfahrens habe nun schon eine Festnahme-aktion begonnen, die den Kreis der dem Sicherheitsdienst bekannten, aber noch nicht inhaftierten Leute ebenfalls in die Hände der Sicherheitspolizei und damit zur summarischen Aburteilung bringen solle. Das Ergebnis dieser Festnahmeak-Hon stehe noch nicht fest. Er rechne mit einem 750/igen Ergebnis. Insgesamt würde also die Aktion einen Kreis von etwa 3 500 Menschen umfassen. Es sei kein Zweifel, daß man mit diesen 3 500 Personen wirklich den politisch gefährlichsten Teil der Widerstandsbewegung im Generalgouvernement erfasse." (30. 5., S. 214 f.)

Ein besonderes Problem stellten die Juden dar, die bisher noch nicht einheitlich genug „behandelt" worden seien, weshalb die Sicherheitspolizei tätig werden solle: „Vor allem müsse eine Entscheidung darüber getroffen werden, durch welche Instanz die jüdischen Ältestenräte beaufsichtigt werden, ob durch den Kreishauptmann, durch den Distriktchef, durch den Stadthauptmann oder aber durch die Sicherheitspolizei. Wenn er das letztere befürworte, so tue er es aus sachlichen Gründen... Er würde nach all dem Vorschlägen, die Entscheidung so zu fällen, daß der jüdische Ältestenrat und damit überhaupt die Juden insgesamt der Aufsicht der Sicherheitspolizei unterstellt würden, daß alles, was von den Juden gewünscht werde, über diese Stelle geleitet werde. Die Zahl der Juden werde ja noch größer werden, wenn die Juden aus den Ostprovinzen ins Generalgouvernement kämen. Wenn die jüdischen Gemeinden weiter so ausgebeutet würden wie bisher, dann fielen eines schönen Tages Millionen von Juden dem Generalgouvernement zur Last. Schließlich könne man sie ja nicht verhungern lassen. Die dem Judentum zur Verfügung stehenden Mittel seien recht bescheiden, denn im Generalgouvernement gebe es keine reichen Juden mehr, sondern in der Hauptsache nur noch ein Judenproletariat." (30. 5., S. 216)

Im vertrauten Kreise sprach sich Frank ganz offen über Konzentrationslager aus: »Was die Konzentrationslager anlangt, so waren wir uns klar, daß wir hier im Generalgouvernement Konzentrationslager im eigentlichen Sinne nicht einrichten wollen. Wer bei uns verdächtig ist, der soll gleich liquidiert werden. Was sich draußen in den Konzentrationslagern des Reiches an Häftlingen aus dem Generalgouvernement befindet, das soll uns zur AB-Aktion zur Verfügung gestellt oder dort erledigt werden. Wir können nicht die Reichskonzentrationslager mit unseren Dingen belasten. Was wir mit den Krakauer Professoren an Scherereien hatten, war furchtbar Hätten wir die Sache von hier aus gemacht, wäre sie anders verlaufen. Ich möchte Sie daher dringend bitten, niemanden mehr in die Konzentrationslager des Reiches abzuschieben, sondern hier die Liquidierung vorzunehmen oder eine ordnungsgemäße Strafe zu verhängen. Alles andere ist eine Belastung des Reiches und eine dauernde Erschwerung. Wir haben hier eine ganz andere Form der Behandlung, und diese Form muß beibehalten werden. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß sich an dieser Behandlung nichts ändern wird durch einen allenfallsigen Friedensschluß. Dieser würde nur bedeuten, daß wir dann als Weltmacht noch viel intensiver als bisher unsere allgemeinen politischen Aktionen durchführen würden, er würde bedeuten, daß wir in noch großzügigerem Maße zu kolonisieren haben, aber ändern würde er an dem Prinzip nichts. Es bleibt bei der schärfsten antipolnischen Tendenz, wobei jedoch Rücksicht genommen werden muß auf die Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit des polnischen Arbeiters und des polnischen Bauern." (30. 5., S. 220 f.)

Im Zusammenhang mit den Versorgungsschwierigkeiten Warschaus und der Preisentwicklung wies der Gouverneur für Warschau, Dr. Fischer, anläßlich einer Wirtschaftstagung am 6. /7. Juni 1940 auf die Juden hin: „Das Judenproblem sei zur Lösung reif; die Ein-sperrung im Ghetto stelle die einzige Möglichkeit dar. Die Juden sollen dann nicht mehr aus dem Ghetto herausdürfen, und Lebensmittel sollen sie bekommen, wenn sie Waren herausgeben." (6. /7. 6., S. 227)

SS-Obergruppenführer Krüger berichtete über die Schwierigkeiten, „die jüdische Zwangsarbeit zu organisieren", zumal infolge der starken Bewegung durch Umsiedlungen. Sein Vorschlag, dafür zu sorgen, „daß die nomadisierenden Juden in Städten seßhaft würden", lief auf die schon vorgeschlagene Anlage von Ghettos für Juden hinaus (S. 232). Am Ende der Sitzung wurden die Vorschläge in Richtlinien zusammengefaßt. Im Rahmen der Bekämpfung von unkontrollierten Preiserhöhungen und Schwarzhandel fiel auch eine wichtige Entscheidung über die Juden im Generalgouvernement: „ 8. In allen Städten werden Maßnahmen für die Beschäftigung der Juden ergriffen, Arbeitslager, Konzentrationslager und Ghettos eingerichtet, damit die Juden sich nicht frei bewegen können." (S. 239) Die unterschiedliche Wertigkeit von Menschen wurde auch in Plänen zur Umstrukturierung der einheimischen Wirtschaft deutlich, wie sie drei Wochen später Ministerialdirigent Dr. Emmerich dem Generalgouverneur in Krakau vorlegte: „Voraussetzung einer gedeihlichen wirtschaftlichen Tätigkeit sei eine grundlegende Änderung in der gesamten wirtschaftlichen Struktur. Zunächst müsse im jüdischen Sektor eine bedeutende Rationalisierung Platz greifen. An Stelle der vielen Kleinexistenzen müßten lebensfähige Mittelexistenzen geschaffen werden. Durch die Zusammen-pressung des jüdischen Sektors ergebe sich dann für den polnischen Sektor die Möglichkeit des Nachrückens, wobei man die aus Posen kommenden polnischen Elemente gut gebrauchen könne, weil sie gebildeter und auf das Deutsche besser eingestellt seien als die Polen aus Galizien. Durch das Nachrücken der Polen würden die Schlüsselstellungen frei, in die dann die Deutschen einrükken müßten. Selbstverständlich müsse diese kommerzielle Wanderung entsprechend organisiert werden, damit sie nicht zügellos vor sich gehe. Die Vorarbeiten hierfür seien von der Abteilung Wirtschaft bereits in Angriff genommen.“ (27. 6., S. 244)

Die dritte, neue Konzeption für das Generalgouvernement kam nach dem Sieg im Westen nunmehr auch in einer Akzentverschiebung bei der offiziellen Bezeichnung des Generalgouvernements zum Ausdruck, wie Frank nach einer Besprechung mit Hitler mitteilte: Anstatt „Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete" nunmehr einfach „Das Generalgouvernement" oder „Das deutsche Generalgouvernement Polen". Auf einer Abteilungssitzung teilte Frank die neue Bezeichnung für das Generalgouvernement einem größeren Kreis mit und fügte hinzu: „Daß es sich hierbei nicht nur um eine Umformung des Titels handelt, geht daraus hervor, daß der Führer sagt: Die neue Bezeichnung soll zum Ausdruck bringen, daß das Generalgouvernement ein wesentlicher Bestandteil des Deutschen Reiches ist und für alle Zukunft bleiben wird ...

Außerordentlich beachtlich ist, daß der Führer mir eine großzügigste Repräsentation des deutschen Weltreichs zur Pflicht und Aufgabe macht. Er hat mir ausdrücklich bestätigt, daß alle Maßnahmen, die den Mitarbeitern des Generalgouvernements und den Beamten und Angestellten eine derartige Repräsentation ermöglichen sollen, gebilligt werden ...

Sehr interessierten den Führer unsere kulturellen Vorhaben. Ich muß Bericht erstatten über die Theaterpläne. Uber die Burg sagte der Führer, daß er sie als stolzes Gegenstück zum Straßburger Münster ansieht und daß von Straßburg über Nürnberg und Prag nach Krakau eine großartige Linie deutscher Kulturbewußtheit und deutschen Machtausdruckes sich zieht.“ (12. 7., S. 251 f.)

Judentransporte ins Generalgouvernement fänden nicht mehr statt, weil geplant sei, „die ganze Judensippschaft im Deutschen Reich im Generalgouvernement und im Protektorat in denkbar kürzester Zeit nach Friedensschluß in eine afrikanische oder amerikanische Kolonie zu transportieren. Man denkt an Madagaskar, das zu diesem Zweck von Frankreich abgetreten werden soll." (12. 7 S. 252)

Bei einem Besuch in Lublin — u. a. mit Besichtigung der Entlausungsanstalt, des Ghettos, von Betrieben, Kasernen, einer „KaffeeTafel mit Musikkorps einer SS-Totenkopf-Standarte", einem „Abendessen, begleitet von Gesängen des ukrainischen Nationalchors“ _ teilte Frank in einer Ansprache die neue Absicht Hitlers mit, das Generalgouvernement langfristig deutsch werden zu lassen: „Der Führer hat weiter verfügt, daß Juden in das Generalgouvernement nicht mehr hereintransportiert werden. Im Gegenteil, auch die Juden, die im Generalgouvernement wohnen, werden sämtlich auf Grund eines besonderen Programms einheitlich behandelt, so daß auch das Generalgouvernement in absehbarer Zeit judenfrei wird. Sobald der Überseeverkehr die Möglichkeit des Abtransportes der Juden zuläßt (Heiterkeit), werden die Juden Stück um Stück, Mann um Mann, Frau um Frau, Fräulein um Fräulein, abtransportiert werden. Ich nehme an, daß ich Sie darum nicht zu sehr zu beklagen brauche (erneute Heiterkeit). Ich glaube also, daß wir, wie man so sagt, durch den dicksten Dreck hindurch sind und daß es nunmehr möglich ist, hier wirklich eine anständige, dienstliche, berufliche und auch menschliche Stadt für deutsche Volksgenossinnen und Volksgenossen zu errichten.“ (25. 7., S. 258)

Die unnachsichtige Doktrin einer deutschen „Apartheid" im Generalgouvernement schärfte Frank seinen Abteilungsleitern ein: „Wir. haben bisher die Politik der völligen gegenseitigen Trennung zwischen Deutschen und Polen eingehalten. Ich selbst habe mit Polen noch keinen Kontakt aufgenommeh und bitte auch Sie, keinen anderen Kurs zu gehen. Wir müssen in dem großen Gefüge der über große Zeiträume hinwegreichenden Struktur des Nationalsozialismus immer daran denken, daß, wenn wir diesen Raum nicht völlig durchdringen, er eines Tages für uns verloren sein wird. Es kann sich hier nur um ein Entweder-Oder handeln. Das Schicksal hat entschieden, daß wir hier die Herren, die Polen aber die uns anvertrauten Schutzunterworfenen sind. Ich bitte Sie, meine Herren, den Empfang von Polen, von Bittdeputationen usw. auf das dienstlich unbedingt notwendige Maß zu beschränken. Es ist auch nicht möglich, daß wir den Polen den Lebensstandard der Deutschen geben. Es muß ein Unterschied zwischen dem Lebensstandard des Herrenvolkes und dem der Unterworfenen sein. ’ (12. 9., S. 280)

Mit Hitlers Konzeption des Generalgouvernements „als Nebenland des Deutschen Reiches“ mit einem beschränkten „Eigenleben" entstand wieder eine neue Variante der politischen Zuordnung, zumal sich Hitler gegen eine Zoll-oder Währungsunion mit Deutschland wandte. Das Generalgouvernement war nun als „die große Heimstätte der polnischen Arbeitskraft im Dienste der deutschen Ge-samtwirtschaft" gedacht. Den polnischen Arbeitern, „die bestimmt sind, sozusagen Berufs-saisonarbeiter im Reich zu sein", war deshalb die „Sicherheit des Lebens ihrer Familie“ und Bestand ihres kleinen Gütchens oder Gärtchens" zu gewährleisten, während Frank „auch auf die mögliche Verbesserung der Zahlungsbilanz des Generalgouvernements durch das Einströmen der Löhne polnischer Arbeiter im Reich" hinwies (31. 10., S. 297). So konnte Frank in einer Abteilungsleitersitzung hervorheben:

Im übrigen liegt uns nichts an der Blüte dieses Landes. Es ist vielleicht das schwerste Wort, das wir sagen müssen. Uns liegt nichts daran, daß etwa die Polen reicher oder sicher werden oder sich in ihrem Eigentum immer beweglicher zeigen. Uns liegt nur daran, die deutsche Autorität in diesem Raum aufzurichten. Wir können dieses Werk nicht danach bemessen, wieviel individuelles Glück wir den einzelnen Polen nach der Auffassung der Regierungen früherer Jahrhunderte vermitteln werden, sondern wir messen diese Leistung danach, je unmöglicher die Aussichten werden, daß sich Polen jemals wieder aufrichtet. Das möge hart und grausam klingen, aber im Völker-ringen um Jahrtausende und Jahrmillionen kann es eine andere Entscheidung nicht geben. Es ist ganz klar, daß man für diese Arbeit nur ganz starke und harte Charaktere gebrauchen kann. Wer für diese Arbeit nicht geeignet ist, hat sich schon längst aus unserer Mitte entfernt oder ist sonst auf irgendeine Art von uns gegangen. Wir denken hier imperial im größten Stil aller Zeiten ... Dieses Gebiet ist dazu berufen, das Arbeiterreservoir im großen Sinne zu sein." (6. 11., S. 304 f.)

Im Widerspruch zu früheren Äußerungen mußte sich die Führung des Generalgouvernements doch mit Plänen zur „Einsiedlung" von rund einer Million Polen und Juden aus den annektierten Ostgebieten befassen. Da das Generalgouvernement mit teilweise 180 Einwohnern auf einem Quadratkilometer schon dichter als das Reich besiedelt war (30. 7., S. 262), gäbe es Schwierigkeiten mit ihrer Unterbringung. Ein Teilnehmer der Sitzung steuerte den — später realisierten — Vorschlag bei, „den nötigen Platz dadurch freizumachen, daß man die Juden enger zusammentreibe in Ghettos" (15. 1. 1941, S. 328).

Bei einem Besuch in Lublin ging Frank anläßlich einer Parteikundgebung auf etwaige Vorbehalte gegenüber der Behandlung von Polen ein: „Nun haben wir es noch mit jenen Restbeständen von Leuten zu tun, die da sagen: Mein Gott, wie rauh sind die Nationalsozialisten hier gegen die Polen und Juden! Diesen Leuten will ich sagen: , wir werden hier hart, aber gerecht regieren und dafür sorgen, daß der Name des Deutschen hier in aller Ehrfurcht genannt wird, daß niemals wieder jenes Massenmorden beginnt, das das polnische Volk zu seiner eigenen Schande und zur Schande seiner Geschichte an deutschen Menschen begangen hat. Wir werden es niemals vergessen, welche Schandtaten dieses Volk insgesamt und seine einzelnen Vertreter unserer Nation angetan haben. 60 000 Gräber ermordeter, zu Tode gequälter volks-deutscher Menschen in diesem Weichselgebiet klagen an.

Von den Juden rede ich nicht; sie sind nicht mehr interessant genug. Ob sie nach Madagaskar kommen oder sonstwohin, das alles interessiert uns nicht. Wir sind uns klar, daß dieser Mischmasch asiatischer Abkömmlinge am besten wieder nach Asien zurücklatschen soll, wo er hergekommen ist (Heiterkeit).

Solange die Juden hier sind, sollen sie arbeiten, freilich nicht in dem Sinne, wie die Juden es früher getan haben. Hier appelliere ich an Ihre Entschlossenheit. Wir haben immer noch Reste von Humanitätsphantasten und solchen, die aus lauter echt deutscher Gutmütigkeit die Weltgeschichte zu verschlafen pflegen. Das kann man von uns nicht verlangen, die wir mit dem Führer seit 20 Jahren in diesem Kampfe stehen, daß wir noch irgendwelche Rücksicht auf die Juden nehmen. Das Generalgouvernement hat die gemessene Order, die Heimstätte der Polen zu sein. Möge angesichts unserer Behandlungsmethode, die wir den Polen gegenüber anwenden, der Rückblick auf ihre eigene Geschichte den Polen ein ernster Hinweis sein, um wieviel besser, gerechter und ausgleichender sie von der nationalsozialistischen Führung dieses Gebietes behandelt werden. Wenn heute die Juden in der Welt um Mitleid bitten, so läßt uns das kalt. Wir haben nur dafür zu sorgen, daß das, was wir mit dem Einsatz besten deutschen Blutes erkämpft haben, durch die würdige, geschlossene weitschauende Haltung der nationalsozialistischen Führung gesichert bleibt." (22. 1., S. 330 f.)

In einer Ansprache vor den Spitzen der Verwaltung teilte Frank wenig später wieder eine Änderung der Absichten für das Generalgouvernement mit, und zwar eine möglichst bald zu erreichende Germanisierung: „Das Generalgouvernement, wie wir es kennen und wie wir es erarbeitet haben, wird wesentlich reicher sein, glücklicher sein, wird mehr Förderung erfahren und wird vor allem entjudet sein. Es wird aber auch den charakteristischen Anblick eines noch vorherrschenden polnischen Lebens verlieren; denn mit den Juden werden auch die Polen dieses Gebiet verlassen. Der Führer ist entschlossen, aus diesem Gebiet im Laufe von 15 bis 20 Jahren ein rein deutsches Land zu machen. Das Wort von der Heimstätte des polnischen Volkes wird auf dieses Gebiet des bisherigen Generalgouvernements und einiger Erstreckungen nun nicht mehr anwendbar sein.“ (25. 3., S. 335 f.) Die zunächst erfolgreiche deutsche Offensive gegen die Sowjetunion steigerte anfangs noch das Machtbewußtsein der Deutschen im Generalgouvernement, gab jedoch auch der polnischen Widerständsbewegung neuen Auftrieb. Noch in die erste Phase dieses Zeitabschnitts fällt die Eröffnung der Ausstellung „Germanenerbe im Weichselraum“ im „Institut für Deutsche Ostarbeit", einer deutschen Kultur-und Propagandaorganisation, Bei dieser Gelegenheit gab Frank, seine Sicht der Geschichte zum besten: „Ich glaube, daß es gerade in dem gegenwärtigen geschichtlichen Abschnitt des Krieges notwendig ist, in die Arbeit des Generalgouvernements die stolze Selbstsicherheit zu bringen, daß wir hier nicht in einem vorübergehend, momentan durch Kriegsereignisse in deutsche Verwaltung gekommenen besetzten Gebiete leben, sondern daß wir dank des heroischen, opfervollen Einsatzes der unvergleichlichen deutschen Wehrmacht im Generalgouvernement dem deutschen Volke ein Gebiet wieder zurückerobert haben, in dem nicht wir die Fremden sind, sondern in dem Nichtdeutsche die Fremden und wir die eigentlichen legitimen Bewohner sind. Es könnte kühn erscheinen, eine solche Definition am hellen Tage auszusprechen angesichts der Fülle von fremden Worten und Lauten und Sprachen, die in diesem Generalgouvernement gesprochen werden. Aber nicht darauf kommt es an, daß das Deutsche Reich als monumentalstes Ordnungsinstrument Europas einmal diesen fremden Völkern Raum, Leben, Arbeit und Entwicklung gewährleistete, sondern darauf, daß es ein Entgegenkommen des Deutschen Reiches bedeutet, wenn auf diesem durch alte germanische Arbeit bearbeiteten Boden diese fremden Völker bleiben dürfen. Wir müssen kristallklar diese innere Einstellung uns und allen Deutschen dieser Zeit einhämmern: Fremdling in diesem Lande ist nicht der Deutsche, sondern der Nichtdeutsche.

Daher ist die Bedeutung dieser Ausstellung groß, ihr Blick in die Vergangenheit geradezu überwältigend eindrucksvoll. Soviel wir immer über die Kraft der germanischen Welt, über ihre Schönheit und ihre soziale, kulturelle Ordnung, über das sittliche Gefüge des Germanentums gelesen, gehört, gesprochen haben — es ist für uns eine Weihe, auf einem Boden zu stehen, aus dem durch die Gnade der Erde heute die Zeugen einer Kultur auferstehen, über deren Größe und Schönheit wir wahrhaft beglückt sein dürfen. Dieses germanische Volk ist das größte Volk der Erde. Wir können es beweisen. Das war der Anfang unserer Bewußtheit. Und wir treten diesen monumentalen Zeugen einer Kunsterfülltheit, einer Kunstdurchdrungenheit, einer ästhetischen Vollendung mit der Ergriffenheit des Enkels gegenüber, der durch das Haus der Ureltern geht. Deshalb haben wir ein Recht darauf, in diesem Raum zu fragen: Polentum, was hast Du aus dieser Zeit aufzuweisen, was steht aus den Tausenden von Jahren vor der Zeitwende, aus Deiner Periode in diesem Raum? Was? Wo? Wie? — Nichts, nichts! Das Germanentum lebt hier in einer inbrünstigen Verbundenheit mit dem Boden, es war entschlossen, hierzu-bleiben. Und nur, weil die Welt zu groß war, weil der Germane immer in die Höhe und in die Ferne strebte, weil damals der kampfentschlossene Trotz dieses Germanentums noch nicht vernichtet war weil er den abenteuerlichen Kampf und Sieg suchte, deshalb hat er dieses Gebiet wieder verlassen nicht verlassen mit der Aufgabe des Anspruches, sondern verlassen, weil er die größere Welt in der Frühzeit des jugendlichen Wandergeneigtseins seiner Rasse suchen mußte.

Das also war die Geschichte dieses Gebietes, daß es durch lange Zeitläufte hindurch germanisch war, lange, bevor überhaupt eine erste Wurzel dessen, 'was man heute noch Polentum nennt, gedacht werden konnte. Lange schon vorher war es der Germane, der diese Erde mit den Gaben seines Geistes, seiner Kunst und Kultur segnete. Hier sind die unwiderleglichen Beweise. Und wenn man weit in die Geschichte zurückschaut, kommt einem noch ein anderer Gedanke. Nichts wissen wir über die einzelnen der damaligen Zeit. Wir wissen nicht, wie der Germane sich schrieb oder seinen Namen nannte. Wir haben keine Angaben darüber, welche Frau diesen Schmuck trug. Wir kennen diese Menschen nur nach der uns landläufig gewordenen Vorstellung als Zugehörige einer leuchtenden Rasse. Nehmen wir uns ein Beispiel daran, wie klein der einzelne für sich mit seinem Namen und seinem Werke sein kann, wenn er es nur aus Eigennutz täte, wie groß er aber durch die Zeiten hin ist, wenn er sein kleines Ich vor der Erfüllung des Gemeinschaftsgesetzes zurückbeugt. Es ist an der Zeit, daß auch im Ablauf dieses Krieges und seiner Entwicklung diese monumentale Auffassung mehr und mehr Platz greift. Das Gesamtwerk ist es, dem wir dienen und notfalls namenlos dienen, so namenlos wie diese, aber entschlossen, in dieser Gemeinschaft zu bleiben und ihr treu zu sein." (12. 9., S. 404 f.)

Schon kurze Zeit nach dieser arroganten, pseudo-historischen Selbstdarstellung wurde es wieder nötig, detaillierter über konkrete polnische Widerstandsaktionen und ihre Bekämpfung zu beraten. Die interne Ankündigung von schärferen Maßnahmen „gegen den polnischen Widerstand" verband Frank auf einer Regierungssitzung mit der Andeutung eines Programms zur Vernichtung der Juden: „Mit den Juden — das will ich Ihnen auch ganz offen sagen — muß so oder so Schluß gemacht werden. Der Führer sprach einmal das Wort aus, wenn es der vereinigten Judenschaft wieder gelingen wird, einen Weltkrieg zu entfesseln, dann werden die Blutopfer nicht nur von den in den Krieg gehetzten Völkern gebracht werden, sondern dann wird der Jude in Europa sein Ende gefunden haben. Ich weiß, es wird an vielen Maßnahmen, die jetzt im Reich gegenüber den Juden getroffen werden, Kritik geübt. Bewußt wird — das geht aus den Stimmungsberichten hervor — immer wieder versucht, von Grausamkeit, von Härte usw. zu sprechen. Ich möchte Sie bitten: einigen Sie sich mit mir zunächst, bevor ich jetzt weiterspreche, auf die Formel: Mitleid wollen wir grundsätzlich nur mit dem deutschen Volke haben, sonst mit niemandem auf der Welt. Die anderen haben auch kein Mitleid mit uns gehabt. Ich muß auch als alter Nationalsozialist sagen: wenn die Judensippschaft in Europa den Krieg überleden würde, wir aber unser bestes Blut für die Erhaltung Europas geopfert hätten, dann würde dieser Krieg doch nur einen Teilerfolg darstellen. Ich werde daher den Juden gegenüber grundsätzlich nur von der Erwartung ausgehen, daß sie verschwinden. Sie müssen weg. Ich habe Verhandlunnen zu dem Zwecke angeknüpft, sie nach dem Osten abzuschieben. Im Januar findet über diese Frage eine große Besprechung in Berlin statt, zu der ich Herrn Staatssekretär Dr. Bühler entsenden werde. Diese Besprechung soll im Reichssicherheitshauptamt bei SS-Obergruppenführer Heydrich gehalten werden Jedenfalls wird eine große jüdische Wanderung einsetzen.

Aber was soll mit den Juden geschehen? Glauben Sie, man wird sie im Ostland in Siedlungsdörfern unterbringen? Man hat uns in Berlin gesagt: Weshalb macht man diese Scherereien: wir können im Ostland oder im Reichskommissariat auch nichts mit ihnen anfangen, liquidiert sie selber! Meine Herren, ich muß Sie bitten, sich gegen alle Mitleidserwägungen zu wappnen. Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen und wo es irgend möglich ist, um das Gesamtgefüge des Reiches hier aufrechtzuerhalten. Das wird selbstverständlich mit Methoden geschehen, die anders sind als diejenigen, von denen Amtschef Dr. Hummel gesprochen hat. Auch die Richter der Sonder-gerichte können nicht dafür verantwortlich gemacht werden, denn das liegt eben nicht im Rahmen des Rechtsverfahrens. Man kann bisherige Anschauungen nicht auf solche gigantischen einmaligen Ereignisse übertragen. Jedenfalls müssen wir aber einen Weg finden, der zum Ziele führt, und ich mache mir darüber meine Gedanken.

Die Juden sind auch für uns außergewöhnlich schädliche Fresser. Wir haben im Generalgouvernement schätzungsweise 2, 5, vielleicht mit den jüdisch Versippten und dem, was alles daran hängt, jetzt 3, 5 Millionen Juden. Diese 3, 5 Millionen Juden können wir nicht erschießen, wir können sie nicht vergiften, werden aber doch Eingriffe vornehmen können, die irgendwie zu einem Vernichtungserfolg führen, und zwar im Zusammenhang mit den vom Reich her zu besprechenden großen Maßnahmen. Das Generalgouvernement muß genau so judenfrei werden, wie es das Reich ist. Wo und wie das geschieht, ist eine Sache der Instanzen, die wir hier einsetzen und schaffen müssen und deren Wirksamkeit ich Ihnen rechtzeitig bekanntgeben werde." (16. 12., S. 457 f.)

In diesem Zusammenhang führte Frank auch die Funktion eines deutschbeherrschten Generalgouvernements für die deutschen Eroberungs-und Herrschaftspläne im Osten weiter aus:

„Uber allem muß aber folgender Gedanke stehen: dieses Gebiet des Generalgouvernements wird unmittelbar nach dem durchgeführten Rückdeutschungsprozeß der Ostgebiete des Reiches der nächste Bestandteil Europas sein, der der absoluten Deutschdurchdringung unterstellt werden wird. Wir werden die großen Reichsautobahnen bauen, die quer durch unser Land gehen. An diesen Reichsautobahnen werden große Siedlungsdörfer mit Deutschen entstehen. An wohl gewählten strategischen Punkten werden große militärische Zentralen geschaffen werden, um die herum sich in einem weiten Gürtel allmählich das deutsche Leben entwickeln wird. Da wir dann auch die Möglichkeit haben, allenfalls hier nicht mehr benötigtes Fremdvolkstum nach dem Osten abzugeben, wird es nicht zu unüberwindlichen Schwierigkeiten führen, das deutsche Volkselement mehr und mehr verwurzeln zu lassen und das fremdvölkische Element immer mehr abzudrängen.

Daher müssen Sie sich auch jene 5 Thesen, die ich aufgestellt habe, die, von der germanischen Besiedlung dieses Raumes beginnend, bis zum Kriege 1941 eine Aufeinanderfolge von Rechtsansprüchen des Deutschtums auf diesen Raum geben, durchaus zu eigen machen. Denn der Führer hat mir die Befugnisse erteilt, in dieser Richtung Vorbereitungen zu treffen. Weiter im Osten wird einmal der Gotengau entstehen, und das Generalgouvernement wird dann einmal der Vandalengau werden können. Die Vandalen sind bekanntlich der meist-verleumdete germanische Stamm gewesen. Hier waren ihre Wohnsitze, hier haben sie die erste germanische Kultur eingebaut. Dieser Vandalengau soll dann auch dazu beitragen, vor der ganzen Welt jene furchtbare Schuld zu tilgen, daß man einen der edelsten germanischen Stämme dauernd so verunglimpft hat, daß seine Bezeichnung geradezu zu einem Schimpfwort wurde — übrigens ein Meisterstück antideutscher Propaganda durch zwei Jahrtausende hindurch.

Aus alledem wird klar, daß die Aufgabe des Generalgouvernements in dem Gesamtgefüge des Aufbruches nach dem Osten hin weltgeschichtlicher Art ist. Wir sind das Tor, durch das man aus dem Osten wieder nach Deutschland kommt. Auf unserem Gebiet steht die Waage mit den beiden Gewichtsschalen. Daher ist dieser Standplatz . Generalgouvernement'auch vom Führer ausersehen worden in der klaren Erkenntnis, daß der Dienst im Generalgouvernement eine Bewährung hohen Ranges darstellt." (16. 12., S. 458 f.)

III. Krise und Ende der deutschen Herrschaft in Polen (Dezember 1941 bis Januar 1945)

Ein Vierteljahr später, nach den schweren deutschen Rückschlägen vor Moskau, war von solchen Perspektiven bereits nicht mehr die Rede:

„Die Kriegslage im Osten zwinge zu äußerster Anspannung aller Kräfte. Langfristige Projekte im Generalgouvernement seien jetzt nicht durchzusetzen, das Generalgouvernement habe vor allem den Bedürfnissen der Ostfront zu dienen.“ In der „Volkstumspolitik" sprach sich Frank wiederum für ein Ausspielen der nationalen Gegensätze zwischen Polen und Ukrainern aus, ferner für eine weitere Bevorzugung der Volksdeutschen. Dabei kam er auch wieder auf den polnischen Widerstand zu sprechen: „Es ist ganz selbstverständlich, daß die Widerstandsbewegung zunimmt.... weil sich die Lage der intellektuellen polnischen Schichten wirtschaftlich katastrophal entwickelt, weil auch vor allem die Einwirkungen von außen her von uns nicht völlig beseitigt werden können, weil zudem der Pole in seiner romantischen Widerstandssucht ein alterfahrener Organisator im Dunkeln ist, wie das seine Geschichte zeigt. Ich glaube, daß es bei vernünftigen Anschauungen auf diesem Gebiete möglich ist, in den kommenden Monaten gerade noch durchzukommen." (11. 3., S. 470)

Die deutsche Politik war also im Generalgouvernement bereits in die Defensive gedrängt. Im Rückblick auf die militärische Krise des Rußlandfeldzugs im Winter 1941/42 schärfte Frank den Nationalsozialisten ein, in den kommenden Monaten die „fanatischsten, härtesten und vor allem die herrenstärksten Menschen" zu sein: „Ich weiß, welche Scherereien uns die Juden machen. Sie müssen weg; das ist klar. Aber andererseits ist es auch ausgeschlossen, daß man in dieser Weise, wie ich es eben schilderte, seine Arbeiten führen kann. Daher wird es auch Aufgabe der Partei sein, darauf zu achten, daß uns die Weltreichsaufgabe unserer Zeit zu anderen höheren, auch methodisch weiter reichenden Anschauungen zwingt, als sie etwa einer binnenstaatlichen Aufgabe gegenüber am Platze wäre ... Im übrigen geht der Kampf um die Durchsetzung unserer Ziele eiskalt weiter ... Sie sehen, daß man vor nichts zurückschreckt und ganze Dutzende von Elementen an die Wand stellt. Das ist schon deshalb notwendig, weil hier eine einfache Überlegung sagt, daß es nicht unsere Aufgabe sein kann, in einem Zeitpunkt, in dem das beste deutsche Blut geopfert wird, fremdvölkisches Blut zu schonen. Denn daraus könnte eine der größten Gefahren entstehen ...

Deshalb muß alles, was sich noch an polnischer Führungskraft zeigt, immer wieder mit rücksichtsloser Energie vernichtet werden. Das braucht man nicht an die große Glocke zu hängen, es geschieht stillschweigend. Und wenn wir uns den Luxus gestatten, eine Art Philharmonie den Polen zu gewähren, die wir den ausländischen Journalisten zeigen, so bedeutet das gar nichts. Die Leute machen Musik in unserem Sinne, und wenn wir sie nicht mehr brauchen können, lösen wir dieses Institut auf. Im übrigen muß man das alles mit Vernunft und Ruhe betrachten. Wir unterhalten Landschulen und technische Fachschulen, wir lassen Medizinalpraktikanten ausbilden, die aber keinen akademischen Rang oder Titel erhalten können. Wir müssen aber dafür sorgen, daß eine Millionenbevölkerung hier arbeiten, sich beschäftigen und dabei gesund bleiben kann. Das geschieht nicht im Interesse der Polen, sondern der Deutschen in diesem Raum und des deutschen Volkes was man im Reich meistens nicht erkennt.

Wir werden in sehr schwere Zeiten kommen und haben auch alles vorbereitet, um diesen schweren Zeiten zu entsprechen. Wir können in den kom‘menden Monaten weder aufbauen noch etwas großes durchführen, sondern müssen nur dafür sorgen, daß wir im Zusammenhang mit diesen Ereiqnissen nicht untergehen." (18. 3., S. 478 f.)

Inzwischen begannen sich die Beschlüsse der Wannsee-Konferenz über die „Endlösung der Judenfrage" im Generalgouvernement auszuwirken: Neue Pläne sahen vor, „die Judenghettos aufzulösen, die arbeitsfähigen Juden zu behalten und die übrigen weiter nach dem Osten abzuschieben. Die arbeitsfähigen Juden sollten in mehreren großen Konzentrationslagern untergebracht werden, die sich im Mittelpunkt der Produktion befänden" (11. 5,). Mitte Juli waren 30 000 Juden in Arbeitslagern: „Fast die gesamten Reparaturen an Uniformen und Stiefeln sowie die Fertigstellung von Pelzen für die Ostfront wurden von ihnen geleistet." (15, 7 S. 525)

Im Zusammenhang mit dem Konflikt um Franks öffentliche Proteste gegen die wachsende rechtliche Willkür auch gegen deutsche „Volksgenossen" stilisierte sich Frank gegenüber den noch brutaleren Vertretern deutschen Herrschaftswillens in der Berliner Zentrale gleichsam zum fürsorgenden Landesvater im Generalgouvernement empor: „Die Wirtschaftslage im allgemeinen entspricht der generellen Situation Europas. Die Bevölkerung ist vorerst noch ruhig und verhält sich im allgemeinen loyal, wobei ich feststellen kann, daß daran hauptsächlich der Umstand schuld trägt, daß ich vorerst hier noch als Generalgouverneur verbleibe. Für die fremdvölkische Bevölkerung bin ich immerhin noch der Repräsentant eines Deutschlands, das in einer friedlichen, kulturellen und fürsorglichen Betreuung der seiner Regierung anvertrauten Bevölkerung eine höhere Gewähr für den Nutzen des Heimatreiches sieht als in der unausgesetzten Anwendung harter und brutaler Gewalt." (1. 9., S. 562)

Hinweise auf eine Verschärfung der Lage im Generalgouvernement gab hingegen der War-schauer Gouverneur Dr. Fischer: „Wenn der neue Ernährungsplan durchgeführt werden solle, so bedeute das allein für die Stadt Warschau und ihre nächste Umgebung, daß 500 000 Menschen keine Verpflegung mehr bekämen ... Die Judenaktion, die zunächst im allgemeinen gut vonstatten gegangen sei, sei leider in den letzten Wochen überstürzt worden, mit dem Erfolg, daß ein großer Teil der Juden sich aus den Ghettos in die Wälder geflüchtet und sich auch Banden angeschlossen habe. Wenn auch die Überwachung des Gebietes militärisch und polizeilich besser sei als im Frühjahr, so fehle es doch an einer durchgreifenden systematischen Aktion.“ (7. 12., S. 582 f.)

In der Defensive gewann Frank plötzlich den Juden neue Seiten ab und bestätigte indirekt das deutsche Vernichtungsprogramm gegen Juden:

. Nicht unwichtige Arbeitskräfte hat man uns in unseren altbewährten Judenschaften genommen. Es ist klar, daß der Arbeitsprozeß erschwert wird, wenn mitten in dieses Arbeitsprogramm des Krieges der Befehl kommt, alle Juden sind der Vernichtung anheim zu stellen. Die Verantwortung hierfür trifft nicht die Regierung des Generalgouvernements. Die Weisung der Judenvernichtung kommt von höherer Stelle. Wir müssen uns nur mit den Schlußfolgerungen abfinden und können auch den Reichsstellen nur mitteilen, daß die Wegholung der Juden arbeitsmäßig zu ungeheuersten Schwierigkeiten geführt hat." (9. 12., S. 588)

Der Zwang der Lage führte Frank auch gegenüber den Polen zu teilweise neuen Einsichten. In einer streng vertraulichen Sitzung beklagte er „ein ganz ungeheures Übergewicht dieser Fremdvölkischen gegenüber den Deutschen":

„Sie wissen, daß es jetzt auch für das Reich ein ernstes Problem zu werden beginnt, was mit den von uns beherrschten Fremdvölkischen heute geschehen soll. Uns interessierten hier in erster Linie die Polen, in zweiter Linie die Ukrainer. Sie wissen, daß innerhalb der Partei im allgemeinen absolut die Meinung vertreten wird, daß die Aus-siedlung der Polen, ihre Vernichtung oder ihre Behandlung lediglich als Arbeitswesen Ausdruck unserer Polenpolitik ist. Sie wissen auch, daß das in weitem Umfange in die Tat umgesetzt wurde. Nun zeigt sich aber in zunehmendem Maße auf diesem Gebiet eine ungeheure Erschwerung. Sie liegt insbesondere darin, daß das Reich in seiner territorialen Notsituation zur Verlagerung großer Industrien aus den einfluggefährdeten Gebieten in das Generalgouvernement gezwungen ist. Andererseits besteht aber auch die Notwendigkeit, die bereits vorhandenen Betriebe des Generalgouvernements mit einheimischen Arbeitskräften unter allen Umständen durchzuhalten, das Transportwesen und die gesamte Verwaltungsapparatur aufrechtzuerhalten, die Ernte zu sichern usw. Auf Grund dieser Sachlage gewinnt man dann plötzlich die Einsicht, daß man nicht gleichzeitig das Polentum vernichten und andererseits mit der Arbeitskraft des Polentums Berechnungen anstellen kann.

In diesem Zwischenproblem stehen wir zur Zeit. Dabei bedeuten die Anforderungen an Arbeitskräften, die vom Reich an uns gestellt werden, noch die geringste Sorge. Sie wissen, daß wir über 940 000 polnische Arbeiter ans Reich abgegeben haben. Damit steht das Generalgouvernement absolut und relativ an der Spitze aller europäischen Länder. Diese Leistung ist enorm; sie wurde auch von Gauleiter Sauckel als solche anerkannt.

Daß nun für uns die Frage entsteht, wie es mit der Polenpolitik weiter gehalten werden soll, hängt nicht etwa damit zusammen, daß ein akuter Anlaß dazu vorliegt. Es wäre vielmehr wünschenswert, daß sich die Reichsinstanzen, die Parteiinstanzen und die territorialen Instanzen endlich einmal über einen Weg klar werden. Es geht nämlich nicht an, daß die einen sagen: alle Polen, ganz gleich welcher Art, werden ausgerottet — und die anderen sagen: alle Polen, ganz gleich welcher Art, wenn sie arbeitsfähig sind, müssen in den Arbeitsprozeß eingeschaltet werden. Hier klafft ein diametraler Gegensatz. Man könnte sagen, alle Polen, die hier im Arbeitseinsatz stehen, können wir behalten, alle Polen, bei denen das nicht der Fall ist, können wir ausrotten. Darin liegt nur die eine große Schwierigkeit, daß eine Ausrottung von Millionen menschlicher Wesen an Voraussetzungen geknüpft ist, die wir zur Zeit nicht erfüllen können." (14. 12., S. 590 f.)

Frank erkannte erstmals das Dilemma zwischen an sich erwünschter Ausrottung der „Fremdvölkischen" auf fremdem Boden und ihrer Nützlichkeit als Arbeitskräfte für die eigenen Kriegsanstrengungen. Mit diesem Dilemma schlug er sich in den ihm verbleibenden zwei Amtsjahren noch öfter herum, je intensiver, je näher nach Stalingrad die Rote Armee heranrückte. In der sich abzeichnenden Niederlage versuchte die deutsche Politik eine Hinwendung zu politischeren Methoden: durch Mobilisierung antikommunistischer Affekte auch in der polnischen Bevölkerung eine gewisse Basis in den beherrschten Gebieten zu gewinnen. Den Auftakt gab Goebbels in einem Rundschreiben vom 15. Februar 1943, „in dem eine neue Einstellung des Reiches für die Behandlung der außerhalb Deutschlands lebenden europäischen Völker einschließlich der Ostvölker" verkündet und die von Frank und seinen Mitarbeitern begrüßt wurde: „Dieses Rundschreiben sei eine geradezu umwälzende Verlautbarung. Eine große Wende sei angebrochen. Es werde mit dem bisherigen System der Ausrottung, der Ausbeutung und Diskriminierung gebrochen. Endlich sehe man im Reich ein, daß sich ein System der Gewalt auf die Dauer nicht halten könne, denn Gewalt sei lediglich ein Ausnützen eines momentanen technischen Waffenvorteils. Er als Generalgouverneur werde nichts unterlassen, um diese neuen Grundsätze in der politischen Führung dieses Raumes zur Durchsetzung zu bringen. Er sei überzeugt, daß diese neue Einsicht zu einer ungewöhnlichen Bereinigung der Ostsituation führen werde.

Hauptschriftleiter Fenske ist der Meinung, daß diese Umschwenkung der deutschen Politik in der Behandlung der Polen zu spät komme. Die Polen sprächen bereits davon, daß im Augenblick des Wiederbeginns einer deutschen Offensive im Osten ein allgemeiner europäischer Aufstand entflammen werde. Weiter glaubten sie, daß eine englisch-amerikanische Armee vom Balkan her nach Osteuropa eindringen und ein Operationsgebiet zwischen Rußland und Polen zu erreichen suchen werde. Die Gewinnung der Ukrainer für die deutsche Seite sei jedoch noch möglich. Demgegenüber hält der Herr Generalgouverneur es für möglich, die Polen auf die deutsche Seite zu ziehen." (23. 2., S. 625)

In diese Linie einer offensiven Verteidigung paßte die Entdeckung der Massengräber von Katyn zur Organisierung einer großangelegten Propagandaaktion (13. 4., S. 637), die sich über mehrere Monate erstreckte. Sie konnte aber letztlich nicht von der für die Deutschen immer härter werdenden allgemeinen Lage im Generalgouvernement ablenken: Ungenügende Versorgung der arbeitenden polnischen Bevölkerung mit Lebensmitteln und Konsumgütern, wachsende Unsicherheit für die Parteimitglieder: „Man könne kaum noch Parteiveranstaltungen durchführen; Abendveranstaltungen seien so gut wie unmöglich. Diese allgemeine Unsicherheitslage sei in erster Linie durch die Ernährungslage bestimmt." (14. 4., S. 641)

Von da an überschattete die „Sicherheitslage" alle deutschen Aktivitäten, über die eine Fülle von Sitzungsprotokollen anschauliche und detaillierte Informationen liefern. Beunruhigung unter den Deutschen, Verstärkung ihrer Ausstattung mit „Selbstverteidigungswaffen" (15. 4., S. 644) und härtere Bekämpfung der „Banden", also der polnischen Widerstandsbewegung, verschärften nur das Dilemma weiter: „Mit banger Sorge jedoch betrachtet die Hauptabteilung (Ernährung, I. G.) die Entwicklung auf dem Gebiete der allgemeinen Sicherheit. Kein Tag vergehe, an dem nicht Männer der Dienststellen der Hauptabteilung draußen überfallen und sogar erschossen würden. (20. 4., S. 649)

SS-Brigadeführer Dr. Schöngarth forderte eine weitere Revision der bisherigen anti-polnischen Politik im Generalgouvernement: „Eine Verschärfung der Lage werde zwangsläufig eintreten, wenn man nicht erkenne, daß die bisherige Behandlung des polnischen Volkes in vielen Punkten falsch gewesen sei. Man müsse den Mut aufbringen, endlich den deutschen Kurs zu ändern. Dieses polnische Volk stelle für Deutschland ein nicht übersehbares Kriegspotential dar, das zur Gewinnung des Krieges voll eingesetzt werden müsse. Die deutsche Verwaltung müsse alles vermeiden, was bei den Polen einen unnötigen Druck hervorrufe, denn Druck erzeuge gewöhnlich Gegendruck. Man müsse vermeiden, Versprechungen zu machen, die man nicht halten könne. Das polnische Volk habe an sich Verständnis für den deut-sehen Kampf gegen den Bolschewismus, es sei antibolschewistisch eingestellt. Das erlebe man immer stärker.

Wir Deutsche müßten dem Schicksal dankbar sein daß es uns durch die Gräber von Katyn noch einmal Gelegenheit gebe, dem polnischen Volk nicht nur propagandistisch, sondern in der Tat Zugeständnisse zu machen, ihm ein gewisses Schicksal aufzuzeigen, um es für die deutschen Zwecke zu gewinnen.

Diese Erkenntnis scheine auch im Reich endlich Platz zu greifen. Seiner Meinung nach sei es dazu höchste Zeit. Wir alle seien uns darüber klar, daß wir mit einer Weiterführung unserer bisherigen Polen-Politik einfach Schiffbruch erleiden werden. Einen solchen Druck, wie ihn das polnische Volk erleide, habe noch nie ein Volk erleiden müssen. Jede Dienststelle müsse bei allen Maßnahmen, die ergriffen werden müßten, darauf achten, ob sie unbedingt kriegsnotwendig seien und darum durchgeführt werden müßten. Gelinge es nicht, die Bereitwilligkeit des polnischen Volkes, diese Terror-Gruppen zu beseitigen, zu wecken, dann sähe er kein Mittel, mit dem man die Sicherheitslage im Generalgouvernement bessern könne. Der Feind würde in diesem Raume eine große Nachschubbasis vernichten, und die Rückwirkungen auf die Front im Osten würden von unübersehbaren Folgen sein.“ (20. 4., S. 652 f.)

Anschließend wurde noch im Detail die geplante propagandistische Auswertung der Massengräber von Katyn besprochen, die aber offensichtlich nicht sehr erfolgreich war:

Im Osten des Generalgouvernements, im Bezirk Lublin, war nach Aussage des Kreis-hauptmanns bereits Ende Mai 1943 die Lage kritisch geworden: „Trotz der intensiven Propaganda gegen den Bolschewismus und trotz Katyn steigert sich mit den in immer stärkeren Zahlen auftretenden Banden gleichzeitig die dauernde militärische Ausrüstung und Ausbildung der Banditen. Der Einsatz der Überfälle ist nicht nur planmäßig durchdacht und militärisch vorbereitet, sondern wird mit immer stärkeren Kräften durchgeführt... Die deutsche Führung in diesem Raum ist in Gefahr, restlos verloren zu gehen, wenn nicht in kürzester Zeit stärkste Maßnahmen erfolgen, um die vollkommen gesunkene deutsche Autorität zu heben. Wir stehen vor dem offenen Aufruhr." (29. 5., S. 669, 672)

Es folgen, nach Distrikten aufgeschlüsselt, detaillierte Angäben: „In der letzten Zeit sei mehr und mehr die Plan-mäßigkeit des Vorgehens der Banditen zu beobachten ... Die Ausrüstung der Banditen sei gut. Geführt würden sie von Bolschewiken ... Die Entjudung habe ohne Zweifel auch zur Beruhigung geführt. Sie sei für die Polizei eine der schwierigsten und unangenehmsten Aufgaben gewesen, habe aber auf Befehl des Führers durchgeführt werden müssen, weil es im europäischen Interesse notwendig sei." (31. 5., S. 680— 682) Unter dem Druck der Entwicklung bemühte sich Frank weiterhin um eine Teilrevision seiner bisherigen Polenpolitik:

Auf dem ganzen Gebiet der Polenpolitik wild jetzt endlich Vernunft eintreten. Wir werden allerdings um deswillen dauernd von gewissen Stellen als Polenfreunde verdammt und verachtet. Es geht nicht an, daß man hier eine Handvoll Männer hereinschickt, ihnen aufgibt, 15 Mil'ionen Fremdvölkische auszurotten, und sie dann ohne Schutz in diesem Raum läßt. Wenn die Bolschewisten daran gehen, ein Volk auszurotten, dann schicken sie in jedes Dorf des auszurottenden Volkes 2 000 Rotarmisten. So aber, daß man uns 10 000 Mann Polizei ins Land schickt und uns aufgibt, mit 15 Millionen fremdvölkischen Menschen fertig zu werden, ist das nicht zu machen. Hier liegt der Kampf, den wir als Fachleute in der Behandlung dieses Raumes gegen Dilettanten zu führen haben, die sich in diesen Dingen nur macht-oder weltpolitisch betätigen.“ (18. 6., S. 690)

Bei einem Besuch in Lemberg wandte er sich jetzt sogar gegen Begriffe wie „Kolonialverwaltung" und „Herrenvolk" und meinte: „Dieser Ausdruck ... müßte verboten werden" (21. 6., S. 696), obwohl er ihn früher selbst gebraucht hatte

Der kriegsbedingten Verlagerung deutscher Rüstungsindustrie ins Generalgouvernement zum Schutz vor alliierten Luftangriffen gewann Frank sogar eine positive Seite ab, da das Generalgouvernement „binnen kurzem eines der wichtigsten Industriegebiete Europas" werde (22. 7., S. 706). Frank sah nur noch die Aufgabe, aus dem Generalgouvernement soviel wie möglich für die deutsche Kriegsmaschine herauszuholen: „Was nach dem Sieg mit diesem Volk geschieht, ist jetzt gleichgültig, aber was jetzt geschieht, ist wichtig. Es ist daher klar, daß die reinen Terror-methoden, die Kollektivjustiz falsch sind und einfach einen Stoß gegen den Sieg bedeuten. Denn gerät dieses Land in Aufruhr, dann können wir nicht wie mancher Großsprecher einfach sagen: der deutsche Herrenmensch wird auch damit fertig. Hier stehen ein paar Deutsche einer Masse gegenüber. Ich trage die Verantwortung, daß mit 150 000 polnischen Eisenbahnern der Transport im Lande aufrechterhalten wird. Mir hilft es nichts, wenn einer sagt, die Polen müssen ausgerottet werden, sie sind falsch und sie müssen weg. Ich bin heute auf den schmierigsten Polacken, der mir die Züge an die Ostfront fährt, angewiesen. Die Dinge sehen in der Praxis anders aus als in der Theorie. Wir wissen alle, daß dieses Land einmal deutsch wird, daß wir die Polacken hier nicht dulden werden. Aber dazu kommt die Zeit, wenn wir den Krieg gewonnen haben. Jetzt siedeln zu wollen und das Land dadurch in Aufruhr zu bringen, ist unmöglich." (2. 8., S. 714)

Frank distanzierte sich, ohne auch nur anzudeuten, daß er sich selbst mal damit identifiziert hatte, von früheren Phasen der deutschen Polenpolitik im Generalgouvernement: Zerstörungsphase, „Beuteperiode" bis etwa ins Frühjahr 1940, „Überforderungsperiode" im Dienst der deutschen Kriegsanstrengungen (3 Mrd. Zloty, 1, 3 Millionen Arbeiter für das Reich): „Wir haben vor allem die Vorstellung zu bekämpfen, daß wir Kolonie sind ... So wie die Dinge liegen, rückt das Generalgouvernement immer mehr in die Position eines Herzstücks der großdeutschen Macht ein ... Daher kann und darf unter keinen Umständen mit einer Fortsetzung früherer Tendenzen aus der Uberforderungsperiode die Gesundhaltung dieses Gebietes gestört werden." (3. 8., S. 717)

Im Falle eines allgemeinen Aufstandes konnte die deutsche Führung schon nicht mehr mit der bisherigen Loyalität der polnischen Polizei rechnen { 27. 9., S. 736). Nachdem die Rote Armee auf knapp 300 km an die Ostgrenze des Generalgouvernements herangerückt war, galt dieses nunmehr als deutsche Bastion, die auch gegen den von innen mobilisierten nationalpolnischen Widerstand „fest in deutscher Hand" bleiben müsse (19. 10., S. 739). In einem Rückblick „ 4 Jahre Generalgouvernement" behauptete Frank: „Die Geschichte Polens ist jetzt ein Bestandteil der Geschichte Großdeutschlands geworden. Damit kehrt der Bogen zurück, der einmal im 9., 10., und 11. Jahrhundert damit begann, daß der polnische Staat, die Weichsel und Oberschlesien unter deutscher Oberhoheit waren. So ist es recht, so ist es vernünftig und so ist es auch klar. Das deutsche Schwert hat diesen Raum erkämpft, die deutsche Führung wird diesen Raum für Deutschland sicherstellen." (26. 10., S. 745)

In den folgenden Monaten häufen sich Berichte über die ökonomische Leistung des Generalgouvernements für die deutsche Kriegs-wirtschaft — auf dem agrarischen wie dem industriellen Sektor. Auf einer Landwirtschaftstagung in Zakopane zu Beginn des Jahres 1944 lobte Frank den „Arbeitseifer der fremdvölkischen Bevölkerung", war für eine „vernunftvolle Behandlung" von Polen und Ukrainern und kritisierte „unter stürmischem Beifall" die „Siedlungspolitik der SS und die Vertreter der Gewaltpolitik" (12. 1. 1944). Kritik aus dem Reich wehrte Frank ab: „Wenn wir den Krieg einmal gewonnen haben, dann kann meinetwegen aus den Polen und aus den Ukrainern und dem, was sich hier herumtreibt, Hackfleisch gemacht werden, es kann gemacht werden, was will. Aber in diesem Augenblick kommt es nur darauf an, ob es gelingt, fast 15 Millionen eines gegen uns sich organisierenden feindlichen Volkstums in Ruhe, Ordnung, Arbeit und Disziplin zu halten. Wenn es nicht gelingt, dann kann ich vielleicht triumphierend sagen: Ich habe 2 Millionen Polacken umgebracht Ob dann aber die Züge an die Ostfront fahren, ob die Monopolbetriebe arbeiten, die jeden Monat 500 000 Liter Wodka und so und so viele Millionen Zigaretten liefern, ob die Ernährung und Landwirtschaft gesichert wird, von der wir allein 450 000 t Getreide ans Reich geliefert haben, das steht auf einem anderen Blatt.“ (14. 1., S. 772)

Am 29. Januar 1944 kam es zu einem Attentat auf den Zug, in dem Frank von Krakau nach Lemberg fahren wollte — ein weiteres Alarmzeichen für die deutsche Führung. Wenige Tage später drangen Einheiten der Roten Armee erstmals in das Generalgouvernement ein, so daß erste Räumungsmaßnahmen ergriffen werden mußten (2. 2., S. 781).

Während sich das Territorium und die Wirtschaftsleistung des Generalgouvernements für das Deutsche Reich immer weiter verringerten, sich die innere Unsicherheit für die deutsche Besatzung und ihre Verwaltung erhöhte, verstärkte die deutsche Führung ihre Bemühungen, unter europäisch-abendländischen Parolen wenigstens einen Teil der polnischen Bevölkerung doch noch für den „Kampf gegen den Bolschewismus" zu gewinnen — allerdings nur in untergeordneter Position, nicht durch eigene militärische Einheiten, denn Hitler wollte, wie er Frank berichtete, „um keinen Preis mehr eine Pilsudski-Armee haben" (5. 2., S. 789), wie einst im Ersten Weltkrieg.

Mitte Februar 1944 rechnete die deutsche Führung bereits mit einem allgemeinen polnischen Aufstand, der von England aus betrieben würde (16. 2., S. 804). Zur Rettung der politischen Situation wurde die Gründung der „Polnischen Antibolschewistischen Liga" vorbereitet (17. 2.). In die neue Konzeption paßte auch der „Polnische Hauptausschuß" als Repräsentanz eher kollaborationsbereiter konservativer Gruppen in Polen. Einem Interviewer der Zeitschrift „Das Reich" erklärte Frank: „Der Führer habe bestimmt, daß dieser Raum der absolut freie kulturelle Lebensraum der Polen im Rahmen des künftigen Europa sei, zu dem die Polen kraft ihrer alten Kultur beitragen müßten.“ (30. 3., S. 820)

Jetzt erst empfing auch Frank den Fürsterzbischof Sapieha zu einem Gespräch, da er sich von ihm eine politische Beeinflussung im deutschen Sinn erhoffte (5. 4.). Unter dem Druck der drohenden militärischen Niederlage geriet die alte Politik der quasikolonialen Apartheid endgültig ins Wanken.

Frank war jetzt sogar der Ansicht, „daß sich die Polizei im Laufe der Zeit nicht mehr zu der Aufgabe des Sklavenfangs hingeben werde. Jetzt gelte es vor allem, die neu ins Generalgouvernement hereinkommenden Industrien zu fördern und dafür zu sorgen, daß ihnen die notwendigen Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt würden" (19. 4., S. 837). Dagegen wurden Anfang Mai „zum ersten Mal ganze Kreise ... von Banden beherrscht", also von der polnischen Widerstandsbewegung, so daß schon eine deutsche Verwaltungsstelle „offiziell zurückgezogen worden“ sei (8. 5., S. 841): „Die Zahl der russischen Banden habe in den letzten 4 Wochen im Generalgouvernement erheblich zugenommen. Diese Banden seien eigentlich rein militärische Formationen, ihre Angehörigen seien große Idealisten. Die Offiziere und Unteroffiziere seien lang gediente Männer, taktisch geschult und strategisch außerordentlich beschlagen. Es sei sehr schwierig, eine solche Bande völlig zu vernichten. Auch herrsche in den Banden offenbar eine starke Disziplin, und die Bandenchefs scheuten nicht davor zurück, die eigenen Leute zu erschießen, wenn sie sich eines Partisanen als unwürdig erwiesen hätten. Eigentlich seien die Banden ein Bestandteil der regulären Armee und hätten Aufgaben ähnlich denjenigen der Kavallerie zu erfüllen. Jeder Bandenführer habe einen strikten militärischen Auftrag, den er so oder so durchführen müsse." (12. 5., S. 850)

Einen allgemeinen Aufstandsversuch wollte die deutsche Führung „mit allen Mitteln schärfster sofortiger Gewaltkonzentration ohne jedes Ansehen der Opfer" niederschlagen (18. /19. 5., S. 858), was an sich der neuen Konzeption widersprach, die nationalpolnischen gegen die kommunistischen Gruppen auszuspielen zu versuchen.

Breiten Raum nehmen die Protokolle über die Beratungen zur Niederschlagung des War-schauer Aufstands ein (S. 894 ff.). In einem Fernschreiben an Reichsminister Lammers meldete Frank: „Die Stadt Warschau steht zum größten Teil in Flammen. Die Niederbrennung von Häusern ist auch das sicherste Mittel, den Aufständischen Schlupfwinkel zu entziehen ... In der Stadt mit ihrer Millionenbevölkerung herrscht ein unvorstellbares Elend. Nach diesem Aufstand und seiner Niederschlagung wird Warschau dem verdienten Schicksal seiner völligen Vernichtung mit Recht anheimgefallen sein oder unterzogen werden.“ (5. 8., S. 898) 'Zuletzt verbuchte Frank unter einem „Polnischen Nationalausschuß" auch noch eine Art polnische Selbstverwaltung einzusetzen.

Aber: □er Polnische Nationalausschuß müßte sich zur polnischen Nationalität bekennen, also zum Antibolschewismus, da Bolschewismus mit Antipolonismus zu identifizieren sei." (4. 9., S. 903)

Frank ging jetzt davon aus, „daß allgemein eine gewisse Vermenschlichung, eine Vereuropäisierung und eine völlig gerechte Behandlung des Polentums eintreten müßte. Für Millionen polnischer Arbeiter und Bediensteter treffe es einfach nicht zu, daß jeder Pole ein Gauner sei." (4. 9., S. 904)

Nach Bekanntwerden des Vernichtungslagers Majdanek im Osten des Generalgouvernements behauptete Staatssekretär Dr. Bühler, . daß über diese Angelegenheit der Regierung des Generalgouvernements nichts bekannt sei, da sie keinen Einblick in solche Lager irgendwann einmal besessen habe, da diese Lager grundsätzlich ausschließlich und direkt von der Berliner SS-und Polizeizentrale eingerichtet und geleitet seien und in ihrer Gesamtführung, der Verwaltung und ihrem Gesamtgeschehen lediglich von der Berliner Zentrale veranwortet werden müssen" (15. 9., S. 909). Dabei hatte Bühler selbst an der Wannsee-Konferenz vom Januar 1942 teilgenommen

Auf dem Krakauer Burghof dankte Frank polnischen Männern und Frauen, die für Schanzarbeiten eingesetzt wurden. Nach alledem, was in den vergangenen Jahren gesagt und getan wurde, klangen Franks Dankesworte wie tausendfacher Hohn: „Ich danke Euch, daß Ihr zu mir gekommen seid ... Ich habe aus allen Berichten gehört und habe mich selbst an den Baustellen davon überzeugt, wie fleißig die Arbeit vor sich geht. Ich habe dem Führer davon Mitteilung gemacht, und er hat mich beauftragt, dem polnischen Volke des Generalgouvernements seine besondere Anerkennung und Dankbarkeit für diese hervorragende Leistung zum Ausdruck zu bringen... Es handelt sich jetzt um den Schlußkampf gegen den Bolschewismus." (22. 9., S. 912)

Die letzten Akte politischen Charakters waren ein Empfang Franks für den Polnischen Hauptausschuß in Krakau am 13. November 1944, dem er seine Bemühungen „um die Erhaltung und Erweiterung der großen europäischen Kulturgemeinschaft“ gerade gegenüber Polen herauskehrte und versicherte, daß Krakau nicht militärisch verteidigt würde, ferner ein propagandistischer Empfang für eine polnische und eine ukrainische Bauerndelegation am 14. November 1944. Alles andere war nur noch Abgesang, Räumung, allerdings ohne Zerstörung Krakaus, die an sich schon vorgesehen, aber von Frank durch seine Präsenz bis zum letzten Augenblick verhindert wurde.

Am 17. Januar 1945 verließ Generalgouverneur Frank seinen Amtssitz Krakau. Die letzten Eintragungen betreffen die Auflösung und Abwicklung der Verwaltung des Generalgouvernements im Reichsinnern. Im Mai 1945 wurde Frank von Amerikanern in Oberbayern verhaftet, in Nürnberg als einer der Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt und 1946 hingerichtet.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Martin Broszat, Nationalsozialistische Polenpolitik 1939— 1945, Frankfurt 19652, Christian Kießmann, Die Selbstbehauptung einer Nation. Nationalsozialistische Kulturpolitik und polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939— 1945, Düsseldorf 1971; als erste Einführung vgl. auch Hans Roos, Geschichte der polnischen Nation 1916— 1960, Urban-Bücher 49, Stuttgart 1961, S. 171— 206.

  2. Werner Präg, Wolfgang Jacobmeyer (Hrsg.), Das Diensttagebuch des deutschen Generalgouverneurs in Polen 1939— 1945. Veröffentlichungen des Instituts für Zeitgeschichte. Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte, Bd. 20, Stuttgart 1975.

  3. Imanuel Geiss, Weltherrschaft durch Hegemonie. Die deutsche Politik im Ersten Weltkrieg nach den Riezler-Tagebüchern, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 50/72.

  4. Zur Einsparung von den Lesefluß hemmenden Fußnoten werden referierte oder zitierte Stellen nur mit dem Datum des Dokuments, meistens Protokolle von Arbeitssitzungen und Besprechungen beim Generalgouverneur, nachgewiesen, bei längeren Dokumenten (mehr als eine Druckseite) mit Angabe der Seite. Zusätzliche Erläuterungen bleiben auf ein unerläßliches Minimum beschränkt.

  5. Diese Angaben nach den „Vorbemerkungen" zur Eröffnung des Diensttagebuchs, ebenda, S. 45.

  6. Rudolf Heß.

  7. Führer des NS-Kraftfahr-Korps (NSKK).

  8. j Nationalsozialistische Volkswohlfahrt; einzige, durch Zwangsgleichschaltung geschaffene Wohlfahrtsorganisation im Dritten Reich mit quasi-staatlichem Charakter.

  9. Dazu die Anmerkung der Herausgeber: „Die von Frank geforderten Erschießungen sind in der Literatur nicht belegt."

  10. Die Todesstrafe wurde in lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt; nach Anmerkung der Herausgeber.

  11. Hermann Göring.

  12. Gemeint war die Verhaftung der Professoren und Dozenten der Universität Krakau am 6. November 1939 und ihre Einlieferung in das KZ Sachsenhausen, wo die meisten ermordet wurden. Die „Scherereien“ bezogen sich offenbar auf Proteste gegen diese Maßnahme, u. a. auch von deutschen Professoren; vgl. Hans Roos, Geschichte der Polnischen Nation, a. a. O., S. 181.

  13. Es handelt sich um die Wannsee-Konferenz vom Januar 1942, auf der die Ausrottung der Juden im deutschen Machtbereich beschlossen wurde.

  14. Als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz verantwortlich für die Deportation von rund 5 Millionen Zwangsarbeitern aus den besetzten Gebieten in das Reich.

  15. Als Nachfolger Heydrichs Chef der Sicherheitspolizei und des SD und Chef des Reichssicherheitshauptamts der SS 1943— 1945.

  16. Vgl. oben S. 16 (31. 10. 1939), S. 24 (12. 9. 1940).

  17. Chef der Reichskanzlei 1937— 1945.

  18. Vgl. oben S. 26 (16. 12. 1941).

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Imanuel Geiss, Dr. phil., geb. 1931 in Frankfurt/Main; Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bremen. Veröffentlichungen u. a.: Der polnische Grenzstreifen. Ein Beitrag zur deutschen Kriegszielpolitik im Ersten Weltkrieg, Hamburg und Lübeck 1960 (polnische Ausgabe, Warschau 1964); Julikrise und Kriegsausbruch 1914. Eine Dokumenten-sammlung, 2 Bde., Hannover 1963/64; Juli 1914. Die europäische Krise und der Ausbruch des Ersten Weltkriegs, München 1965 (dtv 293); Gewerkschaften in Afrika, Hannover 1965; Panafrikanismus. Zur Geschichte der Dekolonisation, Frankfurt/Main 1968; Die Afro-Amerikaner, Frankfurt/Main 1969; Studien über Geschichte und Geschichtswissenschaft, Frankfurt/Main 1972 (edition suhrkamp 569); Was wird aus der Bundesrepublik? Die Deutschen zwischen Sozialismus und Revolution, Hamburg 1973; (mit Rainer Tamchina, Hrsg.) Ansichten einer künftigen Geschichtswissenschaft, 2 Bde., München 1974; German Foreign Policy, 1871— 1914, London 1976; Das Deutsche Reich und die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs, München 1978; Das Deutsche Reich und der Erste Weltkrieg, München 1978.