Die Liga der Arabischen Staaten Versuch einer Bestandsaufnahme
Rüdiger Robert
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Zusammenfassung
Am 22. 3. 1980 ist die Liga der Arabischen Staaten 35 Jahre alt geworden. Sie war und ist der bislang einzige Versuch der arabischen Welt, sich institutionell zusammenzuschließen. Sämtliche arabischen Staaten und die Palästinensische Befreiungsbewegung gehören ihr an. Der Traum von der arabischen Einheit ist mit der Liga aber nicht in Erfüllung gegangen. Schon ihre Entstehungsgeschichte zeigt, daß der Gedanke, die Einheit des arabischen Vaterlandes wiederherzustellen, hinter den Einzelinteressen der arabischen Staaten, freilich auch hinter dem Weltmachtanspruch Großbritanniens zurückstehen mußte. Als regionale, der einzelstaatlichen Souveränität verpflichtete Organisation ist die Liga bis heute auf die freiwillige Mitarbeit der arabischen Staaten angewiesen. Trotz ihrer Schwäche hat die Arabische Liga in den vergangenen Jahrzehnten versucht, als Sprecher der arabischen Welt aufzutreten und zu handeln, zumindest aber Impulse für die arabische Einheit zu geben. (Teil-) Erfolge sind dabei nicht ausgeblieben — etwa im Kampf um die Erringung der Unabhängigkeit der arabischen Staaten. Insgesamt gesehen ist es jedoch nicht gelungen, der Verwirklichung der arabischen Einheit wesentlich näherzukommen. Dem steht nicht entgegen, daß der afro-arabische und der euro-arabische Dialog der Arabischen Liga in den siebziger Jahren neue Betätigungsfelder und damit Profilierungschancen eröffnet haben. Seit dem israelisch-ägyptischen Friedensschluß sind die arabischen Staaten untereinander zerstrittener als zuvor. Das hat zu einer Lähmung, ja Spaltung der Arabischen Liga geführt. Ihre weitere Existenz ist dennoch sinnvoll. Nach Überwindung des derzeitigen Schismas könnte die Arabische Liga bei der Suche nach einer neuen arabischen Identität und bei der Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der arabischen Welt wieder stärkeres Gewicht erhalten. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die arabischen Staaten den Gedanken der arabischen Einheit nicht länger nur propagieren, sondern die Liga auch ermächtigen, in diesem Sinne zu handeln.
I. Vorbemerkung
Der moderne arabische Nationalismus, der das Streben nach arabischer Einheit einschließt, wurzelt in dem Bewußtsein einer gemeinsamen Sprache, Geschichte und Kultur aller arabischen Länder Entstanden ist er am Ende des 19. Jahrhunderts als eine Gegenbewegung gegen die Versuche des zerfallenden Osmanischen Reiches, die arabischen Länder zu türkifizieren und so die Einheit des Reiches doch noch zu wahren. Im Ersten Weltkrieg haben die Araber unter der Führung des Sheriffs von Mekka, Hussein, an der Seite Großbritanniens gegen das Osmanische Reich gekämpft. Ziel war die Wiedergewinnung der Unabhängigkeit der „Arabischen Nation". Das Ziel ist nicht erreicht worden. Großbritannien und Frankreich haben als Kolonialmächte nach dem Ende des Ersten Weltkrieges die arabische Welt unter sich aufgeteilt. Die Folge war eine künstliche Balkanisierung insbesondere der arabischen Halbinsel. Neue Grenzen und Staaten, aber auch innerarabische Rivalitäten sind geschaffen worden. Die Bestrebungen nach einem unabhängigen und geeinten „Arabischen Vaterland" haben einen schweren Rückschlag erlitten Erst das Heraufziehen des Zweiten Weltkrieges hat zu einer internationalen Kräftekonstellation geführt, die zumindest die ansatzweise Verwirklichung des Wunsches nach arabischer Einheit wieder in den Bereich des Möglichen hat rücken lassen. Am 22. März 1945 kam es in Kairo zur Gründung der Liga der Arabischen Staaten durch Ägypten, Irak, Libanon, Saudi-Arabien, Syrien, Transjordanien und Jemen
Ob und inwieweit die Liga als Ausdruck arabischer Einheitsbestrebungen angesehen werden kann, ist bis heute umstritten. Einerseits wird sie begrüßt, ja gefeiert als erster institutionalisierter Ausdruck gesamtarabischer Einheit, andererseits wird sie verurteilt als bloße Verkörperung diffuser panarabischer Gefühle, gepaart mit einzelstaatlichem Machtstreben. Die Frage, welchem dieser Standpunkte — wenn überhaupt — beizupflichten ist, läßt sich nicht ohne weiteres beantworten. Keinesfalls genügt der Hinweis, daß alle arabischen Staaten mit der Erringung ihrer Unabhängigkeit Mitglied der Arabischen Liga geworden sind: Libyen (1953), Sudan (1956), Tunesien, Marokko (1958), Kuwait (1961), Algerien (1962), Süd-Jemen (1967), die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Bahrein, Oman (1971), Mauretanien, Somalia (1974) und Dschibuti (1977); Vollmitglied ist seit September 1976 zudem die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO). Um die Frage nach der Bedeutung der Arabischen Liga für die arabische Einheit be-antworten zu können, bedarf es vielmehr einer Bestandsaufnahme ihrer Entstehungsgeschichte, ihrer Struktur und ihrer Funktionen.
II. Die Entstehung der Liga der Arabischen Staaten
Großbritannien hat bis zum Zweiten Weltkrieg eine eindeutig ablehnende Haltung gegenüber dem Streben nach arabischer Einheit eingenommen. Erst danach hat es entsprechende Bemühungen nicht mehr einfach abzublocken, sondern in ein ihm genehmes Fahrwasser zu lenken versucht
Die Ursache für diesen behutsamen Gesinnungswandel war der Zwang, den Nahen und Mittleren Osten in seiner Gesamtheit gegen die militärische Bedrohung durch die Achsenmächte zu verteidigen. Um dieses Ziel zu erreichen, war es erforderlich, sich die als Folge des Palästinakonflikts schwer belastete arabische Freundschaft zu sichern Die Bemühungen Großbritanniens um die Gunst der Araber sind zunächst keineswegs überall erfolgreich verlaufen. Im Irak ist es sogar zu einem antibritischen Putschversuch — dem sogenannten Rashid’-Ali-Putsch — gekommen. Nicht zuletzt als Reaktion darauf hat der britische Außenminister Anthony Eden am 29. Mai 1941 erklärt:
„Die arabische Welt hat seit der Regelung am Ende des letzten Krieges große Fortschritte gemacht, und viele arabische Denker wünschen für die arabischen Völker ein höheres als das derzeit gegebene Maß an Einheit Zur Verwirklichung dieser Einheit hoffen sie auf unsere Unterstützung. Ein solcher Appell unserer Freunde sollte nicht unbeantwortet bleiben. Es scheint mir natürlich und recht zu sein, daß die kulturellen und wirtschaftlichen, aber auch die politischen Bindungen zwischen den arabischen Staaten verstärkt werden sollten. Die Regierung seiner Majestät wird ihrerseits einem entsprechenden Plan, der allgemeine Zustimmung findet, ihre volle Unterstützung geben."
Dieses Versprechen ist im Februar 1943 von Eden wiederholt worden. Nahezu gleichzeitig hat der irakische Premierminister Nuri al Sa id einen Einigungsplan für die Länder des „Fruchtbaren Halbmonds" unterbreitet Syrien, Libanon, Palästina und Transjordanien sollten zu einem einzigen Staat mit Minderheitsrechten für Maroniten und Juden zusammengefaßt werden. Im Rahmen einer Arabischen Liga sollte das neugeschaffene Großsyrien mit dem Irak verbunden werden. Die Möglichkeit des Beitritts weiterer interessierter Staaten war vorgesehen. Die Liga sollte zuständig sein für Angelegenheiten der Verteidigung, der Außenpolitik, der Währung, des Verkehrs, der Zölle und des Minderheitenschutzes
Einen ähnlichen Plan zur arabischen Einheit legte auch Emir Abdullah von Transjordanien vor. Dieser war ebenso wie das Projekt Nuri al Saids dadurch gekennzeichnet, nicht gesamt-arabisch zu sein, sondern in erster Linie auf eine Festigung und einen Ausbau der Herrschaft der Haschemiten in Bagdad bzw. Am-man abzuzielen
Beide Pläne haben sich als nicht umsetzbar erwiesen: Sie ließen die jüdische Weigerung, einen Minderheitenstatus in Palästina zu akzeptieren, ebenso außer acht wie das Interesse Frankreichs an der Erhaltung seines Einflusses in Syrien und im Libanon. Zudem verstießen sie gegen den Machtanspruch der mit den Haschemiten verfeindeten Herrscher Saudi-Arabiens, verletzten die Interessen der republikanisch ausgerichteten syrischen und libanesischen Nationalisten und stellten die dominierende Rolle Ägyptens in der arabischen Welt in Frage
Mit einer Rede vor der Deputiertenkammer seines Landes hat sich der ägyptische Premierminister Nahas Pascha im März 1943 an die Spitze der arabischen Einigungsbestrebungen gestellt. In der Folge ist es zu einer Reihe von Konferenzen zwischen ihm und Vertretern dritter arabischer Staaten über ein gemeinsames Programm für eine arabische Zusammenarbeit gekommen. Resultat dieser bilateral geführten Gespräche war die Einberufung einer vorbereiteten Konferenz zur Bildung einer „Arabischen Union" im September 1944 nach Alexandria
Diskutiert worden sind auf dieser Konferenz, die von den späteren Gründungsstaaten der Arabischen Liga beschickt war, drei Formen der arabischen Einheit
— Erstens die Schaffung eines unitarischen Staates mit zentraler politischer Autorität. Dies hätte die vollständige Preisgabe der Souveränität der beteiligten arabischen Staaten bedeutet.
— Zweitens die Schaffung eines föderativen Staates mit einem zentralen Parlament und einem Exekutivrat zur Vorbereitung und Durchführung von Beschlüssen auf gesamtstaatlicher Ebene. In diesem Fall hätten die Mitgliedstaaten eine teilweise, aber keine vollständige Preisgabe ihrer Souveränität hinnehmen müssen.
— Drittens die Schaffung einer lockeren Konföderation, die auf den Grundsätzen der Koordination und Kooperation aufbaut und über keinerlei Zentralgewalt verfügt. Wesentlicher Inhalt dieses Konzeptes war die vollständige Beibehaltung der Souveränität der Mitgliedstaaten. Die Beratungen über die geplante arabische Einheit sind durch verschiedene Faktoren erschwert worden: So bestand kein Einvernehmen über das Wesen arabischer Einheit. Die Vorstellungen reichten von dem Gedanken einer mehr oder minder verbindlichen arabischen Solidarität bis zu dem Ideal der Wiedererrichtung eines islamischen Großreiches. Erschwerend kam hinzu, daß die arabischen Staaten mit ihren Vorschlägen zur arabischen Einheit unterschiedliche, ja teilweise gegenläufige machtpolitische Interessen verfolgten. Irak und Transjordanien verfolgten primär die Vereinigung der Länder des „Fruchtbaren Halbmonds" unter ihrer Herrschaft. Saudi-Arabien hielt jede einschneidende Maßnahme zur Verwirklichung der arabischen Einheit aus egoistischen Gründen für verfrüht. Syrien und der Libanon wünschten vornehmlich eine Festigung ihrer Position im Kampf um die endgültige Unabhängigkeit von Frankreich. Ägypten war bestrebt, seine Führungsrolle durch Vermittlung zwischen den auseinanderstrebenden Auffassungen in der arabischen Welt zu untermauern. Als Belastung erwies sich zudem, daß die arabischen Staaten in ihrer überwiegenden Zahl nicht souverän, sondern von Großbritannien und Frankreich abhängig waren. Die Bildung eines straff organisierten, scharf antikolonialisti-sehen Blocks war deshalb von vornherein ausgeschlossen. Die Kompromißformel, die in Alexandria gefunden und bei der Gründung der Liga der Arabischen Staaten im März 1945 in Kairo bestätigt worden ist, bestand einerseits in dem Verzicht auf Schaffung eines föderativen oder gar unitarischen Staates, andererseits in der Errichtung einer regionalen Organisation mit der Absicht, die bis dahin völlig unkoordinierte Zusammenarbeit der arabischen Staaten insbesondere auf ökonomischem, sozialem und kulturellem Gebiet zu verbessern. Das Ziel der arabischen Einheit ist dabei zugunsten der Konsolidierung des Status quo in der arabischen Welt und das heißt vor allem zugunsten der Sicherung bzw. Erringung einzelstaatlicher Unabhängigkeit zurückgestellt, wenn auch nicht aufgegeben worden.
Die Gründung der Liga der Arabischen Staaten läßt sich vor diesem Hintergrund lediglich als ein erster Schritt auf dem Weg zur arabischen Einheit bezeichnen. Sie war freilich auch sein Sieg des gemäßigten arabischen Nationalismus, der nicht in der Revolution, sondern in der Evolution das einzig taugliche Mittel sah, auf die Dauer sowohl Unabhängigkeit als auch Einheit für die arabische Welt zu erringen. Darüber hinaus ist die Liga als eine gemäßigt arabische Front gegen die kolonialistisehen Bestrebungen Großbritanniens und Frankreichs im Nahen Osten entstanden. Dem widerspricht nicht, daß die Errichtung der Liga mit ihrer Betonung von Werten wie Kooperation und Koordination zugleich ein Erfolg westlichen Denkens gegenüber der panislamischen und der panarabischen Bewegung war
III. Zielsetzung und Aufbau der Liga der Arabischen Staaten
Zielsetzung und Aufbau der Liga der Arabischen Staaten spiegeln ihre Entstehungsgeschichte wider.
Hauptziele der Liga sind die Festigung der Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die Koordinierung ihrer Politik sowie ganz allgemein die Befassung mit Angelegenheiten und Interessen der arabischen Länder. Zudem ist es Aufgabe der Liga, in Streitfällen zwischen zwei Mitgliedstaaten oder einem Mitglied-staat und einem dritten Staat zu vermitteln. Für den Fall eines Angriffs oder der Drohung eines Angriffs gegen einen Mitgliedstaat ist darüber hinaus festgelegt, daß der Ligarat die erforderlichen Maßnahmen bestimmen soll, um die Aggression zurückzuweisen Diese Vorschrift ist durch den Vertrag über gemeinsame Verteidigung und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Ligastaaten 1950 präzisiert worden.
Die Verwirklichung der genannten Ziele steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Sicherung der einzelstaatlichen Unabhängigkeit und Souveränität; ja, dieser Vorbehalt wird selbst zur Zielbestimmung, wenn es im Vertragstext heißt, daß die u. a. auf den Gebieten Wirtschaft, Finanzen, Verkehr, Kultur und Gesundheit angestrebte Koordinierung der Politik zwischen den arabischen Staaten den Zweck haben soll, deren Unabhängigkeit und Souveränität zu schützen. Folgerichtig sind die Mitglieder der Liga auch darauf verpflichtet, untereinander die jeweils bestehenden politischen Systeme zu respektieren, deren Festlegung als ein einzelstaatliches Recht anzuerkennen und nichts zu unternehmen, was zur Änderung eines solchen Systems durch Einmischung von außen führen könnte. Die Hervorhebung der nationalen Eigenständigkeit und Souveränität findet ihren Niederschlag ferner in der Bestimmung, daß Entscheidungen der Liga von jedem Staat in Übereinstimmung mit seiner grundlegenden rechtlichen Struktur ausgeführt werden sollen. Kaum weniger bezeichnend für das begrenzte Maß an arabischer Einheit, das sich im Vertragstext findet, ist schließlich die Regelung, wonach die Zuständigkeit der Liga zur definitiven Beilegung von Streitfragen zwischen Mitgliedstaaten nur gegeben ist, wenn es dabei nicht um Fragen der Unabhängigkeit, der Souveränität oder des Hoheitsgebietes eines Staates geht und die streitenden Parteien selbst um eine Schlichtung nachgesucht haben.
Das höchste Organ der Liga der Arabischen Staaten ist der Ligarat. In ihm sind alle Mitglieder, unabhängig von ihrer Größe und ihrem politischen Gewicht, vertreten. Jedes Mitglied hat nur eine Stimme. Der Rat tritt auf unterschiedlich hoher Ebene zusammen. Neben die Botschafter-und Ministerebene ist seit 1964 die Ebene der Staats-und Regierungschefs getreten. Die arabischen Gipfelkonferenzen sind dadurch institutionalisiert und in die Arabische Liga inkorporiert worden. Aufgabe des Rates ist es, auf seinen mindestens zweimal jährlich stattfindenden Sitzungen — im März und im September — als gesetzgebendes Organ der Liga zu fungieren. In der Praxis hat er sich indes zu einer Körperschaft entwickelt, in der entweder — wie auf den arabischen Gipfelkonferenzen wiederholt geschehen — nationale Interessen unmittelbar aufeinanderprallen oder in der nur noch Entscheidungen ratifiziert werden, die bereits zuvor ligaintern — vor allem im Politischen Komitee — Billigung gefunden haben. In dieser Funktionsweise des Ligarats kommt eine institutioneile Schwäche der Arabischen Liga zum Ausdruck: Aufgrund fehlender Zwangsgewalt gegenüber ihren Mitgliedern bedarf sie eines besonders hohen, aber nicht immer erreichbaren Ausmaßes an Kooperation, um erfolgreich sein zu können
Neben dem Rat mit dem Politischem Komitee, den übrigen ständigen Ausschüssen, einem Wirtschafts-und einem Verteidigungsrat bildet das Generalsekretariat den institutio-nellen Kern der Liga. An seiner Spitze steht ein mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählter Generalsekretär. Bis 1979 war dies stets ein Ägypter: Von 1945 bis 1952 Abdel Rahman Azzam Pascha, von 1952 bis 1972 Abdel Khalik Hassouna und von 1972 bis 1979 Mahmud Riad. Die Wahl dieser Generalsekretäre war das Ergebnis der dominierenden Stellung Ägyptens in der Liga, die bis zum Friedensschluß mit Israel im März 1979 angedauert hat. Seit Juni 1979 ist der Tunesier Schadli Klibi Generalsekretär der Arabischen Liga.
Bei seiner Tätigkeit kann sich der Generalsekretär auf eine Reihe von Stellvertretern sowie auf einen Verwaltungsapparat stützen, der zumindest bis zu seiner Verlagerung nach Tunis mit neun Abteilungen und etwa 200 Mitarbeitern eine recht beachtliche Größe hatte Die Aufgaben des Generalsekretärs sind administrativer und exekutiver Natur. Ausdrücklich im Vertragstext genannt werden nur drei Funktionen: die Einberufung zu den Sitzungen des Ligarates, die Aufstellung des jährlichen Budgets und die Ernennung von Spitzenbeamten. Durch die Geschäftsordnungen für den Ligarat und das Generalsekretariat ist indes versucht worden, die Lücken in der Definition der Zuständigkeit des General-sekretärs zu schließen.
Unabhängig davon hat der Generalsekretär ein erhebliches politisches Gewicht erlangt. Es geht weit über alle vertraglichen Regelungen hinaus. Macdonald nennt folgende „internen" und „externen" politischen Funktionen, die der Generalsekretär wahrnimmt: Die Ausführung der vom Rat der Liga gefaßten Beschlüsse, die selbständige Erarbeitung von politischen Empfehlungen, die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedstaaten, die Rolle des Sprechers der Arabischen Liga, die Rolle des höchsten diplomatischen Repräsentanten der arabischen Welt gegenüber den nicht-arabischen Staaten und die Rolle des Vertreters der Liga gegenüber den Vereinten Nationen Es ist offenkundig, daß diese Funktionen geeignet sind, dem Generalsekretär eine eigenständige Politik zu ermöglichen. Ein entsprechender Versuch ist von Azzam Pascha unternommen worden
Das Beispiel des „Mr. Arab League" — er mußte 1952 aus dem Amt ausscheiden — zeigt aber auch, daß der Handlungsspielraum des Generalsekretärs nicht unbegrenzt ist. Als regionale Organisation, die auf dem Prinzip der Freiwilligkeit aufbaut, kann die Arabische Liga eigenständige Aktivitäten ihres General-sekretärs nur solange hinnehmen, wie diese mit den politischen Absichten der Mitgliedstaaten in Einklang gebracht werden können.
Entscheidungen des Ligarates müssen einstimmig gefällt werden, um für alle Mitgliedstaaten verbindlich zu sein. Nur in Ausnahmefällen genügt eine Zwei-Drittel-Mehrheit oder eine einfache Mehrheit zur Beschlußfassung. Im Unterschied zu den ständigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates der Vereinten Nationen haben die Mitglieder der Liga jedoch kein Vetorecht. Kommt es zu einer Beschlußfassung gegen den Willen eines Mitgliedstaates, kann dieser lediglich die Ausführung des Beschlusses verweigern.
Die praktische Konsequenz der Einstimmigkeitsregel ist, daß sie als Bremse gegen alle der Liga innewohnenden Bestrebungen wirkt, sich ansatzweise zu einem föderativen oder gar unitarischen Staat fortzuentwickeln. Aus diesem Grund ist sie innerhalb und außerhalb der Arabischen Liga auf heftige Kritik gestoßen.
Generalsekretär Hassouna hat in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre vergeblich versucht, die Einstimmigkeitsregel durch eine Vorschrift zu ersetzen, die dem Gedanken des Mehrheitsprinzips zum Durchbruch verhelfen sollte. Ihm schwebte die Schaffung einer arabischen Union vor. Die politische Sprengkraft, die in entsprechenden Vorschlägen enthalten ist, wird aus der seinerzeitigen Reaktion vor allem libanesischer Politiker ersichtlich. Sie reichte von bloßer Zurückweisung der Vorschläge über die Forderung nach dem Rücktritt des Generalsekretärs bis hin zu dem Verlangen des Austritts aus der Arabischen Liga Ursache für diese scharfe Reaktion war die Erkenntnis, daß die Abschaffung der Einstimmigkeitsregel zwar einen Schritt vorwärts in Richtung auf ein Mehr an arabischer Einheit, zugleich aber auch eine Einschrän-kung der nationalen Unabhängigkeit und Souveränität der Mitgliedstaaten bedeutet hätte.
Einen deutlichen Hinweis auf den Gedanken der arabischen Einheit im Vertragstext gibt die Bestimmung, daß diejenigen Staaten der Liga, die eine über das vereinbarte Maß hinausgehende Zusammenarbeit und Bindung untereinander wünschen, jeden Vertrag schließen können, den sie zu diesem Zweck für erforderlich halten. Diese Formulierung knüpft an die im Protokoll der Konferenz von Alexandria ausgesprochene Hoffnung an, daß die Gründung der Liga als Initialzündung für weitere Maßnahmen zur Festigung der Beziehungen und Bindungen zwischen den arabischen Staaten wirken werde.
Ebenfalls auf den Gedanken der arabischen Einheit verweist die Bestimmung, daß die Mitgliedstaaten der Liga dem Generalsekretariat Abschriften aller Verträge und Abkommen zustellen sollen, die sie mit einem anderen Staat abgeschlossen haben, gleichgültig ob dieser Mitglied der Liga ist oder nicht. Diese Soll-Regelung ist indes nicht mehr als ein dürftiger Ausfluß der ursprünglichen Absicht der arabischen Staaten, den Mitgliedern der Liga alle außenpolitischen Aktivitäten zu untersagen, die geeignet sind, der Liga oder einem Mitgliedstaat Schaden zuzufügen. Wesentlich konkreter ist der Hinweis auf den Gedanken der arabischen Einheit, der in der Aufgabenstellung der Liga enthalten ist. So hat die Liga nicht nur die Interessen der Mitgliedstaaten wahrzunehmen, sondern darüber hinaus alle Fragen zu behandeln, die die arabische Welt in ihrer Gesamtheit berühren. Arabischen Ländern, die aufgrund ihrer kolonialen Abhängigkeit zunächst nicht Mitglieder der Liga werden konnten, ist deshalb von vornherein die Möglichkeit zur Mitarbeit in den Ausschüssen des Ligarates — ja, im Falle Palästinas sogar zur Mitarbeit im Ligarat selbst — eingeräumt worden. Das Streben nach arabischer Einheit und der Kampf gegen den Kolonialismus sind in den entsprechenden Bestimmungen des Ligapaktes eine enge Verbindung eingegangen.
IV. Die Liga der Arabischen Staaten als politischer Akteur
Die Analyse der Entstehungsgeschichte, der Zielsetzung und des Aufbaus der Arabischen Liga zeigt, daß zwischen Wunschbild und Wirklichkeit der arabischen Einheit, selbst wenn die diesbezüglichen Erwartungen nicht allzu hochgeschraubt werden, eine deutliche Lücke klafft. Es wäre aber vorschnell, die Liga aus diesem Grunde als überflüssig oder gar als für die arabischen Interessen schädlich zu bezeichnen. Ihr Wert oder Unwert für die Verwirklichung des Gedankens der arabischen Einheit kann überhaupt erst aufgrund einer Untersuchung ermittel werden, die auch das Verhalten der Liga als politischer Akteur berücksichtigt. In die Untersuchung sind dabei, um ein fundiertes Urteil zu ermöglichen, unterschiedliche Politikfelder, auf denen die Arabische Liga tätig ist, einzubeziehen.
Politikfeld „arabische Unabhängigkeit“
Ein wesentliches Ziel der Liga der Arabischen Staaten war und ist die Erringung und Sicherung der Unabhängigkeit aller arabischen Länder. Dieser Gedanke hat bei der Entstehung der Liga — wie ausgeführt — eine nicht unerhebliche Rolle gespielt. An den Verhandlungen zur Gründung der Liga haben deshalb auch Vertreter nordafrikanischer arabischer Länder teilgenommen, die im Zweiten Weltkrieg noch unter Kolonialherrschaft standen. Bestandteil des Ligapaktes ist zudem ein Anhang, der sich mit denjenigen arabischen Ländern auseinandersetzt, die 1945 noch über keinerlei Selbständigkeit verfügten. In diesem Anhang wird unmißverständlich dargelegt, daß es Aufgabe der Liga ist, an der Verwirklichung der Bestrebungen dieser Länder — das heißt: an der Herbeiführung ihrer Unabhängigkeit — mitzuwirken.
Macdonald hebt hervor, daß die Liga kaum auf einem anderen Feld ihrer Aktivitäten derart erfolgreich war wie auf dem Feld ihrer Bemühungen um Erringung der Unabhängigkeit aller arabischen Länder Boutros-Ghali meint sogar, die Liga habe ihre Existenzberechtigung allein dadurch unter Beweis gestellt, daß sie dazu beigetragen habe, aus der Entkolonialisierung eine Doktrin und ein Prinzip des Internationalen Rechts zu machen
In der Tat hat sich die Arabische Liga kontinuierlich und unter Einsatz aller ihr zur Verfügung stehenden Mittel für eine Befreiung der arabischen Welt vom Kolonialismus und Imperialismus eingesetzt. Diplomatische, wirtschaftliche und militärische Aktivitäten haben dabei gleichermaßen eine Rolle gespielt. Direkt militärisch interveniert hat die Arabische Liga 1948 im Kampf um die Unabhängigkeit Palästinas. In späteren Jahren hat sie sich darauf beschränkt, arabischen Befreiungsbewegungen materielle und diplomatische Unterstützung zukommen zu lassen. So hat die algerische Befreiungsbewegung finanzielle Zuwendungen von den Mitgliedstaaten der Liga nach einem zuvor vom Ligarat festgelegten Schlüssel erhalten. Diesen Schlüssel hat selbst der Irak, der Ende der fünziger Jahre seine Mitarbeit in der Arabischen Liga zeitweilig eingestellt hatte, für sich als verbindlich angesehen Das zeigt deutlich, wie sehr das Ziel der Verwirklichung arabischer Unabhängigkeit für die Liga als integrierender Faktor gewirkt hat. Zum Forum entsprechender diplomatischer Aktivitäten hat die Liga insbesondere die Vereinten Nationen gemacht. Sie hat darüber hinaus die Zusammenarbeit mit den nicht-arabischen Ländern des afro-asiatischen Blocks gesucht und gefunden.
Die innere Festigkeit der Arabischen Liga bei ihrem Streben nach Unabhängigkeit der arabischen Länder ist — von der Palästinafrage abgesehen — lediglich in einem Fall erschüttert worden. 1961 hat sich der Irak der Schaffung eines unabhängigen Kuwait widersetzt. Historisch nicht unberechtigte Gebietsansprüche, Erdölinteressen, Fragen des Zugangs zum Persisch/Arabischen Golf sowie innere Spannungen im Irak haben zu diesem Konflikt geführt. Gegen den Willen der Mehrheit der Mitglieder der Arabischen Liga, aber auch Großbritanniens hat der Irak seine Ansprüche auf Kuwait indes nicht durchsetzen können
Mit ihren Bemühungen um die Erringung arabischer Unabhängigkeit hat die Liga eine wesentliche Voraussetzung, zugleich aber auch ein wesentliches Hemmnis für die Verwirklichung arabischer Einheit geschaffen. Auf der einen Seite ist ohne das Ende jeglicher Kolonialherrschaft im sogenannten „Neuen Nahen Osten" — also in den Ländern vom Persisch/Arabischen Golf bis zum Atlantik — die arabische Einheit nicht denkbar. Auf der anderen Seite sind die neu entstandenen arabischen Staaten trotz ihres Bekenntnisses zur arabischen Nation und Einheit in erster Linie darauf bedacht, ihre Interessen unter Einschluß ihrer Unabhängigkeit und Souveränität zu wahren. Die Arabische Liga hat deshalb auch keine Gelegenheit gehabt, weitreichende Einigungspläne voranzutreiben. Sie hat im Gegenteil erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, das einmal erreichte Maß an Unabhängigkeit ihrer Mitgliedstaaten zu sichern.
Eine ständige Bedrohung für die Unabhängigkeit einzelner Mitglieder der Arabischen Liga sind ungeklärte Gebietsansprüche und machtpolitische Ambitionen arabischer Staaten unter-und gegeneinander. So haben Ägypten und Saudi-Arabien in den sechziger Jahren aktiv in den Bürgerkrieg zwischen Republikanern und Royalisten im Nordjemen eingegriffen. Nasser wollte durch eine Niederwerfung der Royalisten die Position des als reaktionär eingestuften Saudi-Arabien auf der arabischen Halbinsel schwächen. Umgekehrt sah sich Saudi-Arabien außerstande, an seiner Süd-flanke eine jemenitische Republik zu akzeptieren, von der es eine nasseristisch ausgerichtete sozialistische Politik befürchten mußte Der Streit zwischen Ägypten und Saudi-Arabien hat für die Dauer des Bürgerkriegs, der sich über sieben Jahre hinzog, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Souveränität des Jemen geführt. Gravierender noch ist der Fall des Libanon. Hier ist Syrien mit zum Totengräber der Unabhängigkeit eines arabischen Staa-tes geworden. Unter geschickter Ausnutzung der Gegensätze zwischen Maroniten und Moslems, rechten Ultras und palästinensischen Guerillas hat es seit Mitte der siebziger Jahre zunächst die Rolle eines Schiedsrichters, dann einer Besatzungsmacht und schließlich auf Druck der Arabischen Liga einer „Schutzmacht" im Libanon übernommen. Seitdem steht das Land zu erheblichen Teilen unter der Kontrolle Syriens, das damit dem Traum der Schaffung eines großsyrischen Reiches zumindest vorübergehend näher gekommen ist Ein nicht minder anschauliches Beispiel für die Gefährdung arabischer Unabhängigkeit durch innerarabische Machtansprüche ist die Besetzung der kuwaitischen Insel Bubian im März 1973 durch irakische Truppen. Es war der bislang letzte Versuch des Irak, seine Ansprüche auf kuwaitisches Gebiet doch noch gewaltsam durchzusetzen
Eine ständige Bedrohung arabischer Unabhängigkeit sieht die Arabische Liga zudem in Verstößen einzelner Mitgliedstaaten gegen die Prinzipien der Blockfreiheit. Deren Einhaltung hat insbesondere Ägypten zunächst als ein Instrument zur Erringung arabischer Unabhängigkeit angesehen. Heute gilt die Politik der Blockfreiheit, die sich gegen Imperialismus, Kolonialismus, Neokolonialismus, Zionismus, Apartheid und andere Formen der Beherrschung und Hegemonie wendet, eher als ein Mittel zur Sicherung arabischer Unabhängigkeit. Die Politik der Blockfreiheit war und ist innerhalb der Arabischen Liga jedoch nicht unumstritten. Beispielsweise war der Irak in den fünfziger Jahren Mitglied des Bagdad-Paktes und als solcher eng mit dem Westen verbunden. Nach dem Sturz der Monarchie 1958 war er zeitweise einseitig auf die Sowjetunion fixiert. In beiden Fällen hat die Arabische Liga wegen des befürchteten Verlusts an Unabhängigkeit und Souveränität die Politik des Irak verurteilt Auch Tunesien und Libyen haben nicht immer eine Politik des Non-Alignment betrieben Ägypten selbst ist nach Abschluß der Vereinbarungen von Camp David und nach dem Friedensschluß mit Israel des Verstoßes gegen die Prinzipien der Blockfreiheit bezichtigt worden. Nach Meinung eines erheblichen Teils der Dritten Welt hat es die Zusammenarbeit mit Israel der Verpflichtung vorgezogen, für die Befreiung aller besetzten arabischen Gebiete und für die Wiederherstellung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes zu kämpfen Der Versuch, Kairo auf der 6. Gipfelkonferenz der Blockfreien in Havanna im September 1979 aus der Bewegung der nichtpaktgebundenen Staaten auszuschließen, ist allerdings gescheitert. Eine Entscheidung über die eventuelle Suspendierung der Mitgliedschaft Ägyptens soll die nächste Außenministerkonferenz der Blockfreien 1980/81 in Neu-Delhi treffen
Politikfeld „Palästina"
Die Palästinafrage hat die Liga der Arabischen Staaten mehr als jedes andere Problem beschäftigt. Manche Beobachter halten sie für den eigentlichen Kitt, der die Liga zusammenhält. Auch wenn entsprechende Behauptungen übertrieben sind, kann nicht bestritten werden, daß die Palästinafrage maßgeblich zur Gründung der Liga beigetragen hat und sich bis heute ein erheblicher Teil ihrer Aktivitäten auf die Lösung dieses Problems konzentriert. Die Liga ist bei ihrer Gründung von der Annahme ausgegangen, daß die Existenz und Unabhängigkeit Palästinas unter den Nationen de jure genausowenig in Frage gestellt werden könne wie die Unabhängigkeit jedes anderen arabischen Staates Der Beschluß der Vereinten Nationen zur Teilung Palästinas vom November 1947, der gegen den erbitterten Widerstand der arabischen Staaten zustande gekommen ist, und die gewaltsame Gründung Israels 1948 haben das Gegenteil bewiesen. Die Arabische Liga betreibt seitdem mit ihrer streng antizionistischen auch eine streng antiisraelische Politik. Ihre wesentlichen Prinzipien sind: die Forderung nach Unabhängigkeit Palästinas als arabischer Staat, die Nichtanerkennung Israels, die Verweigerung eines Friedensabschlusses mit Israel und die Nicht-teilnahme an bestimmten Organisationen und Konferenzen, in denen Israel vertreten ist Darüber hinaus hat die Liga einen Wirtschaftsboykott gegen Israel verhängt, der in seiner Wirksamkeit allerdings umstritten ist.
1967 — im Anschluß an den Juni-Krieg — haben die arabischen Staaten auf der Gipfelkonferenz von Khartum nochmals ihre Politik der Nichtanerkennung und des Nichtfriedensschlusses mit Israel bestätigt Seitdem ist ein vorsichtiger und in seinen Konsequenzen nicht immer klar erkennbarer Wandel in der Haltung der Liga festzustellen. Unter Bezugnahme auf die UN-Resolutionen Nr. 242 vom 22. November 1967 und Nr. 338 vom 22. Oktober 1973 fordert die Liga heute den Rückzug Israels aus allen 1967 besetzten arabischen Gebieten. Zugleich verlangt sie die Wiederherstellung der nationalen Rechte des Palästinensischen Volkes. Darunter versteht sie das Recht der Palästinenser auf Rückkehr in ihre Heimat, auf Selbstbestimmung und auf Bildung einer unabhängigen nationalen Autorität unter der Führung der Palästinensischen Befreiungsorganisation in allen Gebieten Palästinas, aus denen sich Israel zurückzieht
Nahezu drei Jahrzehnte war die Politik der Liga gegenüber Israel ein einigendes Band zwischen den Mitgliedstaaten. Es ist der Liga immer wieder gelungen, die arabische Welt in diesem Punkt zu einem relativ geschlossenen Verhalten zu bewegen. Das hat auch die Bundesrepublik Deutschland erfahren müssen. Als sie 1965 volle diplomatische Beziehungen zu Israel aufnahm, konnten sich die arabischen Staaten zwar nicht auf eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR verständigen, der Ligarat beschloß aber, die Beziehungen zur Bundesrepublik abzubrechen. Lediglich Libyen, Tunesien und Marokko sind dieser Aufforderung nicht gefolgt
Die Gegnerschaft zu Israel hat für die Arabische Liga auch institutioneile Konsequenzen gehabt. Sie sind als Fortschritte auf dem Weg zur arabischen Einheit gewertet worden, dürfen jedoch in ihrer praktischen Bedeutung nicht überschätzt werden. So ist der Vertrag über gemeinsame Verteidigung und wirtschaftliche Zusammenarbeit von 1950, der nicht zuletzt aufgrund der militärischen Niederlage der arabischen Staaten gegen Israel 1948 geschlossen worden ist, weitgehend Papier geblieben Nicht einmal durch den Beschluß zur Bildung eines gemeinsamen militärischen Oberkommandos 1964, als Israel die Ableitung des Jordan-Wassers zur Fruchtbarmachung der Negev-Wüste in Angriff nahm, ist dieser Vertrag sonderlich mit Leben erfüllt worden. Gefestigt hat sich indes die Zusammenarbeit zwischen den arabischen Staaten durch den gegen Israel verhängten Wirtschaftsboykott Zur Durchführung dieses Boy(kotts ist es der Liga gelungen, nach und nach einen beachtlichen Apparat in den Mitgliedstaaten aufzubauen. Er ist unabhängig von seiner Effizienz sichtbarer Ausdruck des gemeinsamen arabischen Kampfes gegen Israel
Seit dem überraschenden Besuch Sadats Ende 1977 in Jerusalem gehört die von der Liga verkörperte geschlossene Haltung der arabischen Staaten gegenüber Israel der Vergangenheit an. Die Vereinbarungen von Camp David und der israelisch-ägyptische Friedensschluß 1979 haben die Liga zutiefst erschüttert und in zwei Lager gemäßigter bzw. radikaler Kritiker Ägyptens gespalten Ägypten selbst hat seine bis dahin führende Rolle in der Arabischen Liga verloren. Ende März 1979 ist es auf der Tagung des Ligarates in Bagdad sogar zum (vorläufigen) Bruch mit Ägypten gekommen. Die wesentlichen Beschlüsse der Tagung waren die Rückberufung aller arabischen Botschafter aus Ägypten, die Empfehlung, die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehun-gen zu Ägypten einzustellen, die Suspendierung der Mitgliedschaft Ägyptens in der Liga und die Verlegung des Sitzes der Liga von Kairo nach Tunis
In auffälligem Gegensatz zu der Existenz einer — mit Ausnahme der jüngsten Vergangenheit — doch recht festgefügten arabischen Front gegen Israel steht die Tatsache, daß die Arabische Liga zu keinem Zeitpunkt über eine ausreichend positive und zugleich präzise Vorstellung hinsichtlich der künftigen Gestaltung Palästinas verfügt hat. Aus eben diesem Grunde ist es der Liga auch nicht gelungen, ein einheitliches Konzept zur Behandlung der Palästinaflüchtlinge zu entwickeln. Die Flüchtlinge sind — zumindest bis zur Gründung der PLO — stets Objekte im Kampf um Palästina geblieben. Heftige Auseinandersetzungen hat es innerhalb der Liga auch über die Frage gegeben, wer befugt ist, für die Palästinenser zu sprechen. Nach 1945 ist zunächst das noch unter britischer Mandatsherrschaft gebildete Higher Arab Committee als Repräsentant der Palästinenser aufgetreten. Mit der Gründung Israels hat es indes rasch an Bedeutung verloren. Die Versuche, in den fünfziger Jahren eine funktionsfähige allpalästinensische Exilregierung zu bilden, sind am Widerstand Jordaniens, später auch Ägyptens gescheitert Erst 1974 haben sich die Mitglieder der Arabischen Liga auf der Gipfelkonferenz von Rabat geeinigt, die PLO als einzig legitime Vertreterin des Palästinensischen Volkes anzuerkennen. Das schließt nicht aus, daß Jordanien weiterhin bestrebt ist, bei der Entscheidung über das künftige Schicksal der von Palästinensern bewohnten Westbank ein gewichtiges Wort mitzureden. Es hindert auch Ägypten nicht daran, an der PLO vorbei mit Israel über einen Autonomiestatus für die „besetzen arabischen Gebiete" zu verhandeln. Selbst Libyen hat in jüngster Zeit den Alleinvertretungsanspruch der PLO erneut in Frage gestellt.
Die unterschiedlichen Auffassungen darüber, wer die Palästinenser zu repräsentieren befugt ist, haben nicht zuletzt zu Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise der Mitwirkung Palästinas in der Arabischen Liga geführt. Fragen wie die nach der Zahl der Delegierten, die Palästina in der Liga vertreten sollen, oder die nach dem Stimmrecht Palästinas im Ligarat haben dabei eine Rolle gespielt Die entsprechenden Differenzen waren jeweils das Ergebnis einzelstäatlicher Interessen. An ihnen zeigt sich, wo die Integrationskraft der Arabischen Liga bei der Lösung des Palästinakonflikts endet: Kein arabisches Land ist willens und in der Lage, zugunsten der arabischen Einheit eine ihm selbst abträgliche Palästinapolitik zu betreiben. Für Jordanien ist beispielsweise der Anspruch auf palästinensisches Gebiet so gut wie unverzichtbar. Die Konsequenzen für die PLO sind gravierend; sie droht ständig in einen Interessengegensatz vor allem zu den Anrainerstaaten Israels zu geraten. Belege dafür sind die Auseinandersetzungen zwischen König Hussein und den Fedayin im September 1970 in Jordanien sowie der Kurswechsel Syriens im libanesischen Bürgerkrieg 1976. Angesichts dieser Gefahr ist die PLO bemüht, gute Beziehungen zu möglichst vielen arabischen Staaten zu unterhalten. Die Liga der Arabischen Staaten hat ihr dabei Hilfestellung geleistet. Allein ihr Bekenntnis zu den legitimen Rechten des Palästinensischen Volkes wirkt als eine Garantie gegen einseitige Versuche zur Isolierung der PLO innerhalb der arabischen Welt.
Politikfeld „afro-arabische Solidarität"
Der Gedanke der afro-arabischen Solidarität hat in den siebziger Jahren erheblich an Gewicht gewonnen. Neben die Zusammenarbeit im Rahmen der Bewegung der Blockfreien und der Vereinten Nationen sind zahlreiche neue, oftmals von der Arabischen Liga (mit) inspirierte Formen der Koordination und Kooperation getreten.
Ihre Wurzel hat die afro-arabische Solidarität in gemeinsamen historischen Erfahrungen der arabischen und afrikanische Staaten und daraus abgeleitet in dem gemeinsamen Streben nach politischer und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Die Ausweitung der Beziehungen zwischen der arabischen und der afrikanischen Welt in den siebziger Jahren beruht zudem auf speziellen ökonomischen und politischen Entwicklungen. Die guten Beziehungen Israels zu Südafrika und Rhodesien, vor allem die starre Haltung Tel Avivs im Palästinakonflikt haben nach dem Scheitern eines afrikanischen Vermittlungsversuchs zwichen Ägypten und Israel 1971 zu einer rapiden Verschlechterung des Verhältnisses zwischen den nichtarabischen afrikanischen Ländern und Israel geführt. Nicht weniger als 27 afrikanische Staaten haben 1972/73 ihre diplomatischen Beziehungen zu Israel abgebrochen Der jüdische Staat hat dadurch seinen Einfluß auf dem afrikanischen Kontinent weitgehend verloren. Begünstigt worden ist diese Entwicklung durch das ökonomische Erstarken der arabischen Welt, insbesondere der erdölproduzierenden Länder. Mehr und mehr war die arabische Seite willens und imstande, die bislang von Israel gewährte wirtschaftliche Hilfe an die afrikanischen Länder durch den Einsatz eigener finanzieller Mittel zu kompensieren.
Eine Belastung für das Verhältnis zwischen den afrikanischen und arabischen Staaten war der Oktoberkrieg von 1973; bestimmend dafür war die Anwendung der „Ölpreiswaffe". Sie hatte und hat erhebliche Zahlungsbilanzprobleme für die afrikanischen Staaten zur Folge.
Die Arabische Liga war in diesem Zusammenhang in besonderem Maß um eine einheitliche und solidarische Haltung der arabischen Länder gegenüber der afrikanischen Welt bemüht Auf der arabischen Gipfelkonfenrenz von Algier im November 1973 hat sie deshalb die Gründung von drei Organisationen mit dem Ziel der Gewährung multilateraler Wirtschaftshilfe an die afrikanischen Staaten initiiert. Es sind dies
— der Special Arab Aid Fund for Africa (SAA-
FA). Seine Aufgabe ist bzw. war es, der finanziellen Mehrbelastung der afrikanischen Länder durch die Verteuerung der Ölimporte unmittelbar entgegenzuwirken, Das Kapital der SAAFA ist 1974 auf 400 Mio Dollar festgesetzt worden. Von diesem Betrag waren bis Ende März 1977 Anteile von insgesamt 360 Mio Dollar gezeichnet und 265 Mio Dollar tatsächlich eingezahlt. Bis Ende 1976 sind mehr als 200 Mio Dollar an die nichtarabischen Staaten Afrikas ausgezahlt worden.
— die Arab Bank for Economic Development in Africa (ABEDA). Ihre Aufgabe ist die Förderung der wirtschaftlichen, finanziellen und technischen Zusammenarbeit zwischen arabisehen und afrikanischen Staaten. Dazu gehört die Mitwirkung an der Finanzierung von Volkswirtschaftsplänen und Entwicklungsprojekten der afrikanischen Staaten. Das Kapital der Bank belief sich im März 1977 nach Übernahme der SAAFA auf 886, 5 Mio Dollar. Bis Juli 1977 hat die ABEDA Kredite in Höhe von rund 250 Mio Dollar an afrikanische Länder vergeben. — der Arab Fund for Technical Assistance to African and Arab States. Er hat die Aufgabe, nicht nur den schwarzafrikanischen, sondern auch den kapitalarmen arabischen Ländern wir Marokko, Somalia, Mauretanien und dem Sudan technische Hilfe zu gewähren. Seine Kapitalbasis, die 1974 auf der Gipfelkonferenz von Rabat auf 25 Mio Dollar erhöht worden ist, ist allerdings recht schmal. Besonderes Interesse an der Gewährung technischer Hilfe hat der Irak gezeigt, der mit seiner weit entwickelten Erdölindustrie und Erfahrungen auf dem Gebiet des Bergbaus über entsprechende Voraussetzungen verfügt.
Neben der Initiierung der genannten Organisationen hat die Liga der Arabischen Staaten an deren Aufbau und Verwaltung mitgewirkt. So ist der SAAFA in enger Zusammenarbeit mit der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) ins Leben gerufen und bis zu seiner Integration in die ABEDA von der Liga verwaltet worden. Der ursprünglich als Provisorium gedachte Hilfsfonds ist dabei auch als Druckmittel im Palästinakonflikt verwandt worden. Das zeigt die Tatsache, daß die Arabische Liga die Auszahlung eines Teilkredits an Malawi wegen dessen Haltung gegenüber Israel 1974/75 verweigert hat Im Gegensatz zum SAAFA ist die ABEDA von vornherein als eine von der Arabischen Liga unabhängige Institution gegründet worden. Die Vorbereitung der Gründung hat aber ebenfalls in der Hand der Liga gelegen, an deren Sitz der Gründungsvertrag auch unterzeichnet worden ist. Darüber hinaus sind Fragen, die die ABEDA betreffen, in späteren Jahren wiederholt im Ligarat behandelt worden. Nicht zuletzt war die Liga an der Gründung und Verwaltung des arabischen Fonds für technische Hilfe beteiligt. Die Zuständigkeit für diesen Fonds hat bis 1976 bei der Liga gelegen. Danach ist er — wie der Special Arab Aid Fund for Africa — von der ABEDA übernommen worden.
Die Rolle der Arabischen Liga als Initiator, Gründer und anfänglicher Verwalter von Hilfsinstitutionen für Afrika ist mithin beachtlich. Zugleich kann darin ein Ansatz zu einem einheitlichen arabischen Auftreten gegenüber der afrikanischen Welt gesehen werden. Das schließt nicht aus, daß die afrikanischen Staaten die Hilfeleistungen der arabischen Staaten an Afrika wiederholt als nicht ausreichend bezeichnet haben Um dieses Problem zu klären, ist im April 1976 ein Außenministertreffen der afrikanischen und arabischen Staaten nach Dakar einberufen worden Auf diesem Treffen sind Maßnahmen und Schritte zur Vorbereitung einer ersten afro-arabischen Gipfelkonferenz beschlossen worden. Stattgefunden hat diese Gipfelkonfenrenz im März 1977 in Kairo; an ihrer Vorbereitung war die Arabische Liga maßgeblich beteiligt.
Die Gipfelkonferenz war ein beachtlicher Erfolg. Insgesamt sind fünf Grundsatzdokumente und Programme für eine ständige arabisch-afrikanische Zusammenarbeit verabschiedet worden Zugleich ist es gelungen, die bestehenden wirtschaftlichen Differenzen zumindest vorübergehend auszuräumen. Saudi-Arabien, Kuwait, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate gaben zu diesem Zweck ihre Bereitschaft bekannt, zusätzliche Mittel in Höhe von 1, 45 Mrd. Dollar als Entwicklungshilfe für Afrika aufzubringen. Von dieser Summe wurden 180 Mio Dollar zur Erhöhung des ABEDA-Kapitals bereitgestellt
Bei der Organisation der auf der Gipfelkonferenz vereinbarten künftigen Zusammenarbeit zwischen der arabischen und der afrikanischen Welt ist der Arabischen Liga eine besondere Rolle zugewiesen worden. So ist neben der Institutionalisierung der Gipfel-und der Außenministerkonferenz die Gründung eines ständigen Ausschusses beschlossen worden. Dieser Ausschuß setzt sich aus 24 Ministern oder deren Vertretern zusammen.
Zwölf von ihnen werden von der OAU, zwölf von der Arabischen Liga gewählt. Ferner gehören die Generalsekretäre der Liga und der OAU dem Ausschuß an. Aufgabe des Ausschusses ist es, die angestrebte weitere Verbesserung der afrikanisch-arabischen Zusammenarbeit in die Praxis umzusetzen und sie den politischen, sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Zielen zuzuführen, die auf der Gipfelkonferenz beschlossen worden sind
Die Arabische Liga hat damit als Initiator und Instrument im Bemühen um afro-arabische Solidarität eine Aufwertung erfahren. Diese darf aber nicht überbewertet werden. Die Liga ist schon deshalb nicht Ausdruck einer allzu festgefügten arabischen Einheit gegenüber der afrikanischen Welt, weil die Beziehungen zwischen den arabischen und den afrikanischen Ländern sich vielfach eher auf bilateraler als auf multilateraler Ebene abspielen Das ermöglicht den arabischen Staaten eine bessere Berücksichtigung ihrer individuellen politischen Präferenzen im afrikanischen Raum. Als weitere Einschränkung kommt hinzu, daß derzeit nicht erkennbar ist, ob und inwieweit die Beschlüsse der afro-arabischen Gipfelkonferenz — abgesehen von der Gewährung finanzieller Hilfe an die afrikanischen Staaten — nur Programm geblieben sind oder konkrete Folgen gezeitigt haben.
Politikfeld „euro-arabischer Dialog"
Der euro-arabische Dialog ist 1973 von arabischer Seite angeregt worden. Er war und ist aus arabischer Sicht der Versuch, eine systematische Zusammenarbeit mit Europa auf allen Gebieten der Politik, der Wirtschaft und der Kultur herbeizuführen Herausragende Teilziele sind die Überwindung der wirtschaftlichen Unterentwicklung der arabischen Welt noch vor Beendigung des Erdölzeitalters sowie die Gewinnung aktiver Unterstützung Europas im Kampf um die Lösung des Palästina-problems. Demgegenüber hat die europäische Seite, ohne die politische Dimension des Dialogs zu leugnen, primär Interesse an einem Ausbau der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gezeigt. Die Voraussetzungen dafür sind zumindest vom Grundsatz her günstig, ergänzen sich doch das europäische Potential an Technologie, Ausrüstungsgütern und Dienstleistungen mit dem Reichtum der arabischen Länder an Rohstoffen sowie beträchtlichen Finanzmitteln und Arbeitskräften Das Ausmaß an wirtschaftlicher Verflechtung zwischen Westeuropa und der arabischen Welt ist denn auch beachtlich. 13, 4 v. H.der Ausfuhren der Europäischen Gemeinschaft waren 1976 für die arabischen Länder bestimmt — also mehr als die Ausfuhren der Gemeinschaft in die USA und Japan zusammen. Umgekehrt gingen 40, 4 v. H.der arabischen Exporte — vornehmlich Mineralöl — in die Länder der Europäischen Gemeinschaft, dagegen nur 15, 8 v. H. nach Japan und 9, 3 v. H. in die USA
Teilnehmer am euro-arabischen Dialog waren die 22 Mitglieder der Arabischen Liga und die 9 Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft Die Rolle der Liga im Dialog ist dadurch gekennzeichnet, daß sich nun nicht etwa 22 Delegationen von arabischer und 9 von europäischer Seite gegenübersitzen, sondern jeweils nur eine einheitliche arabische und eine einheitliche europäische Delegation.
Das nationalstaatliche Element im Rahmen des Dialogs ist somit begrenzt. Für die Arabische Liga bedeutet das eine Hervorhebung als Repräsentant und Sprecher der arabischen Welt. Folgerichtig ist deren Generalsekretär auch mit der Abwicklung der Organisation im euro-arabischen Dialog auf arabischer Seite beauftragt worden
Die Frage, ob und inwieweit es der Liga gelungen ist, als in sich festgefügter politischer Akteur in diesem Dialog aufzutreten und damit gegenüber dem europäischen Verhandlungspartner Erfolge zu erzielen, ist nur schwer zu beantworten. Dietrich Lerche hat 1977 ein bemerkenswert hohes Maß an Solidarität von arabischer Seite im euro-arabischen Dialog festgestellt. Er hat dies zurückgeführt auf das gewachsene Finanzpotential der arabischen OPEC-Staaten, auf den Versuch der Liga, die „gemeinsame Sache“ gegen Israel zu einem zentralen Thema des Dialogs zu machen, und auf die defensive Haltung der Europäischen Gemeinschaft, die darauf ausgerichtet gewesen sei, Entscheidungen mit größeren politischen bzw. finanziellen Folgewirkungen hinauszuzögern Zudem habe der Zugzwang, im Rahmen des Dialogs zu gemeinsamen und vertretbaren Ergebnissen zu kommen, einen bedeutenden Integrationseffekt auf die arabischen Staaten ausgeübt
Im Gegensatz zu diesen Aussagen, die unter dem Aspekt der arabischen Einheit positiv zu bewerten sind, steht die Erkenntnis, daß der euro-arabische Dialog durch Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Arabischen Liga behindert und schließlich sogar blockiert worden ist. In der Tat haben die Ligastaaten bereits auf der ersten Tagung der Generalkommission des euro-arabischen Dialogs 1976 ihre ursprüngliche Absicht aufgegeben, auf die möglichst rasche Einberufung einer Außenministerkonferenz der EG-Staaten und der arabischen Staaten zu drängen Der Grund: innerarabische Differenzen, über die auch von den übrigen Tagungen der Generalkommission berichtet wird. Der Versuch, die durch ligainterne Schwierigkeiten mitverursachte Stagnation im euro-arabischen Dialog Ende 1978 auf einer Sitzung der Generalkommission in Damaskus zu überwinden, war nur vorübergehend erfolgreich. Auf Initiative des Brüsseler Doyens des diplomatischen Korps der Arabischen Liga bei der Europäischen Kommission ist der Dialog im Mai 1979 offiziell suspendiert worden Die bis zu diesem Zeitpunkt erzielten Ergebnisse auf ökonomischem Gebiet sind begrenzt. Einvernehmen ist im wesentlichen über Einzelmaßnahmen wie die Gründung eines europäisch-arabischen Dokumentations-und Informationszentrums für Normungszwecke, die Gründung eines Arabischen Polytechnischen Instituts, Studien zur petrochemischen und erdölverarbeitenden Industrie sowie über die Zweckmäßigkeit landwirtschaftlicher Entwicklungsprojekte hergestellt worden Mit ihrer Forderung nach einer umfassenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Europa und der arabischen Welt hat sich die Arabische Liga nicht durchsetzen können. Insbesondere haben sich die Hoffnungen auf einen umfassenden Technologietransfer und die Einräumung wirtschaftlicher Präferenzen durch die Europäische Gemeinschaft nicht erfüllt. Die Ursachen dafür sind mannigfaltig. Sie sind keineswegs nur auf arabischer Seite zu suchen. Zweifellos ist die Arabische Liga aber zunächst von zu hohen Erwartungen und mitunter auch von falschen Voraussetzungen ausgegangen. So liegt in Europa die Verfügungsgewalt über die Technologie fast ausschließlich in den Händen der Privatwirtschaft und nicht der Regierungen. Auf Preisgestaltung und Lieferbedingungen haben die öffentlichen Hände kaum Einfluß.
Ein Grund für den allmählichen Substanzverlust des euro-arabischen Dialogs war die Einbeziehung arabischer Staaten in die europäische Mittelmeerpolitik und in das Abkommen von Lom. Der Europäischen Gemeinschaft ist es dadurch gelungen, außerhalb des Dialogs eine feste wirtschaftliche Zusammenarbeit mit elf Ländern der Arabischen Liga zu vereinbaren. Bei diesen Ländern handelt es sich um die ökonomisch weniger begünstigten Staaten der arabischen Welt. Sie weisen in ihrer Gesamtheit eine defizitäre Handelsbilanz gegenüber der Europäischen Gemeinschaft auf. Die einzelnen Abkommen zeigen, wie außerordentlich unterschiedlich die wirtschaftliche Struktur der arabischen Länder ist. Möglicherweise hat sich die Arabische Liga deshalb auch schwergetan, im euro-arabischen Dialog eine einheitliche — auf Zusammenarbeit aller arabischen Staaten beruhende — und zugleich durchsetzbare . Außenwirtschaftspolitik" zu betreiben.
Im politischen Teil des euro-arabischen Dialogs war die Arabische Liga erfolgreicher als im ökonomischen Teil. Das Ausmaß der inneren Festigkeit der Arabischen Liga hat dabei eine erhebliche Rolle gespielt. Solange die Liga geschlossen aufzutreten vermochte, war sie durchaus in der Lage, politische (Teil) Er-
folge zu erzielen.
Der vermutlich größte Erfolg war die Quasi-Anerkennung der PLO durch die EG-Staaten auf der Tagung der Generalkommission des euro-arabischen Dialogs in Luxemburg 1976. Auf europäischer Seite war man zu Beginn der Sitzung davon ausgegangen, daß in den jeweiligen Delegationen die Beteiligten als Ganzes repräsentiert seien. Die Araber stellten sich jedoch — in diesem Fall das nationalstaatliche Element betonend — auf den Standpunkt, daß in ihrer Delegation, der auch Vertreter der PLO angehörten, die Mitglieder der Liga einzeln repräsentiert seien. Die Europäische Gemeinschaft hat dem nicht widersprochen Ein weiterer Erfolg für die Arabische Liga war die Londoner Erklärung der europäischen Staaten vom 31. Januar 1977 zum Nahostkonflikt. Trotz vorsichtiger und unpräziser Formulierungen sind die Europäer darin der Haltung der Liga in der Palästinafrage ein Stück entgegengekommen. Das ist nicht zuletzt im Hinblick auf die seinerzeit bevorstehende zweite Tagung der Generalkommission des euro-arabischen Dialogs in Tunis erfolgt
Der politische Druck, der im Rahmen des euro-arabischen Dialogs auf die europäische Seite ausgeübt worden ist, hat mit dem Zustandekommen der Vereinbarungen von Camp David und mit der Unterzeichnung des Friedensvertrages zwischen Israel und Ägypten nachgelassen. Die Auseinandersetzungen über den angenommenen Verrat Ägyptens innerhalb des arabischen Lagers waren derart heftig, daß dadurch nicht nur die Handlungsfähigkeit der Arabischen Liga in Frage gestellt worden ist. Auch das Verhältnis der arabischen Welt zu Europa konnte davon nicht unberührt bleiben. Das Scheitern einer Konferenz europäischer und arabischer Nachrichtenagenturen über eine Intensivierung des Nachrichtenaustausches in Wien im April 1979 ist ein Beispiel dafür. Die 16 in der Föderation arabischer Nachrichtenagenturen zusammengeschlossenen Agenturen lehnten eine Teilnahme an dem Treffen ab, weil die ägyptische Agentur Mena ebenfalls nach Wien eingeladen worden war Auch die Suspendierung des euro-arabischen Dialogs ist teilweise auf die innerarabischen Differenzen über den israelisch-ägyptischen Separatfriedensvertrag zurückzuführen.
So zwiespältig wie das Urteil über den Verlauf des euro-arabischen Dialogs muß auch das Urteil über die Liga der Arabischen Staaten im Rahmen dieses Dialogs ausfallen. Einerseits ist die Liga als gesamtarabische Institution tätig geworden, andererseits hat sie die unterschiedlichen Interessen der Mitgliedstaaten nicht ausreichend zu integrieren vermocht. Selbst wenn der euro-arabische Dialog nur eine „exercise in political goodwill" gewesen sein sollte, bleibt aber die Tatsache, daß dieses Forum und das Auftreten der Arabischen Liga im Rahmen dieses Forums dazu beigetragen haben, eine Konfrontationsatmosphäre und Fehlreaktionen zwischen Europa und der arabischen Welt zu vermeiden
Politikfeld „arabische Wirtschaftsintegration" Überwindung der ökonomischen Unterentwicklung und Verwirklichung der arabischen Einheit waren und sind wesentliche Ziele der Liga der Arabischen Staaten bei ihren Bemühungen um eine arabische Wirtschaftsintegration. 1950 hat die Liga mit dem „Abkommen über kollektive Verteidigung und wirtschaftliche Zusammenarbeit" erstmals eine entsprechende Vereinbarung zwischen den arabischen Staaten herbeigeführt. Ein zweiter und wohl auch erfolgreicherer Schritt zur ökonomischen Integration innerhalb der arabischen Welt war der „Vertrag zur Erleichterung des Warenaustausches und zur Regelung des Transithandels" von 1953. Der Vertrag beschränkt sich auf den Abbau von Importzöllen für bestimmte Güter sowie auf die Liberalisierung des Transitverkehrs. Den Abbau quantitativer — also mengenmäßiger — Restriktionen sieht er nicht vor. Dennoch hat er sich nach Meinung Fawzi Saadeddins und Robert W. Macdonalds teilweise bewährt. Er habe es — so Saadeddin — den Mitgliedstaaten der Arabischen Liga ermöglicht, Erfahrungen bei der wirtschaftlichen Kooperation zu sammeln. Der Wunsch nach einer Ausweitung der Kooperation sei dadurch bei den Mitgliedstaaten größer geworden Für Macdonald hat sich der Vertrag als eine brauchbare Grundlage für zahlreiche bilaterale Abkommen mit dem Ziel erwiesen, bestehende Handelshemmnisse zu beseitigen 1957 hat die Arabische Liga den Versuch zur Bildung einer umfassenden Wirtschaftsunion unternommen. Grundlage ist der Entwurf eines Vertrages zur arabischen Wirtschaftseinheit. Der Entwurf wird zunächst nicht weiter-behandelt. Statt dessen kommt es 1958 zur Bildung der Vereinigten Arabischen Republik (VAR) zwischen Ägypten und Syrien. Im selben Jahr intervenieren die USA militärisch im Libanon. Im Irak wird die Republik ausgerufen. Erst nach dem Zerfall der VAR ist der Vertragsentwurf als Instrument zur Verwirklichung der arabischen Einheit wiederbelebt und von Ägypten, Irak, Jordanien, Kuwait, Syrien, Nord-und Südjemen, Sudan sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten ratifiziert worden. Am 30. Mai 1964 ist der Vertrag in Kraft getreten
Dem Ziel einer vollständigen arabischen Wirtschaftsintegration ist die Arabische Liga damit nicht wesentlich nähergekommen. In erster Linie handelt es sich bei dem Vertragstext um eine Anhäufung unverbindlicher Absichtserklärungen. Sie reichen von der Gründung einer Zollunion bis zur Etablierung einer Währungsunion. Konkrete Schritte zur Verwirkli-chung der Integrationsstufen werden nicht genannt. Burhan Dajani hat das Vertragswerk deshalb auch als ein Projekt ohne jegliche Grundlage bezeichnet, das nur Hoffnungen erwecke und Ziele aufzähle
Hervorzuheben ist gleichwohl die mit dem Vertragswerk verbundene Gründung des Rates für Arabische Wirtschaftseinheit (RAWE), einer Organisation, deren Aufgabe es ist, die wirtschaftliche Integration allen Schwierigkeiten zum Trotz in die Praxis umzusetzen. Der RAWE als multinationale Institution mit eigener Verwaltung und eigenem Budget kann zu diesem Zweck Empfehlungen aussprechen. Rechtlich sind die Mitgliedstaaten an die Beschlüsse des Rates nicht gebunden. Die wichtigste Maßnahme, die der RAWE bislang getroffen hat, ist die Resolution zur Gründung des Arabischen Gemeinsamen Marktes (AGM) 1964
Der AGM — gedacht als Vorstufe zur arabischen Wirtschaftseinheit — zielt vornehmlich auf die Errichtung einer Freihandelszone für landwirtschaftliche, tierische und industrielle Produkte sowie natürliche Ressourcen. Insoweit ist die Bezeichnung „Arabischer Gemeinsamer Markt" irreführend. Sie drückt ein wesentlich darüber hinausgehendes und nur in der Präambel der Resolution angesprochenes Maß an Integration aus.
Der gegenwärtige Entwicklungsstand des Arabischen Gemeinsamen Marktes ist unbefriedigend Nur sieben von 21 arabischen Staaten haben sich dem AGM angeschlossen. Insbesondere ist es nicht gelungen, die arabischen erdölexportierenden Länder zur Mitgliedschaft zu bewegen. Von den sieben Mitgliedstaaten haben zudem nur vier (Ägypten, Irak, Jordanien und Syrien) tatsächlich im Rahmen des AGM zusammengearbeitet, und auch diese vier haben die Bestimmungen und
Regelungen der Resolution nicht in dem erwarteten Maß eingehalten. Die dennoch in begrenztem Umfang erreichte Handelsliberalisierung hat nicht wesentlich zur Ausweitung und Auffächerung des intraregionalen Handels beigetragen. Vollends fehlgeschlagen ist der über die Errichtung einer Freihandelszone hinausgehende Versuch, einen gemeinsamen Außenzolltarif für die Länder des AGM zu schaffen
Anfang der siebziger Jahre hat die Arabische Liga einen neuen Kurs der Wirtschaftsintegration eingeschlagen. Das hochgesteckte Ziel vollständiger arabischer Wirtschaftseinheit ist dabei in den Hintergrund getreten. Die neue Integrationsstrategie lautet „sektorale industrielle Kooperation" Mit ihrer Hilfe soll die bei der Industrialisierung bislang betriebene Politik der Importsubstitution für kurz-und mittelfristige Konsumgüter ergänzt werden durch eine Politik der Exportorientierung, die das Schwergewicht auf den Aufbau einer Investitions-und langlebigen Konsumgüterindustrie legt.
Ursache für den geänderten Kurs ist das unbefriedigende Ergebnis der bisherigen Bemühungen um wirtschaftliche Integration. Hinzu kommt das seit 1973 vorhandene Überschußkapital aus dem Export von Erdöl, das nach sicheren Anlagemöglichkeiten sucht. Von daher ist auch die Entstehung zahlreicher regionaler arabischer Entwicklungsbanken in den letzten Jahren zu verstehen. Die Vielzahl der Neugründungen deutet zugleich darauf hin, daß dabei nationales Macht-und Prestigedenken eine erhebliche Rolle gespielt haben. Als multinationale Institution ist auf Betreiben der Arabischen Liga und des RAWE der „Arab Fund for Economic and Social Development" gegründet worden. Er hat bis Ende 1976 Kredite in Höhe von etwa 690 Mio Dollar gewährt
Hauptinstrument der angestrebten sektoralen Kooperation auf industriellem Gebiet sind neben der Bildung spezieller Industrieverbände die sogenannten Arab Joint Ventures, d. h. arabische Gemeinschaftsunternehmen in Form von Holdings. Ihr Zweck ist die Errich-tung bzw.der Ausbau von Industriezweigen, die im arabischen Raum entweder noch nicht oder nur ungenügend entwickelt sind. Sie sollen langfristig als Grundlage für eine gemeinsame arabische Industrialisierungsplanung dienen. In den einzelnen arabischen Staaten erhalten sie besondere Vergünstigungen und sind rechtlich abgesichert Die Arabische Liga, die bereits in den fünfziger und sechziger Jahren — mit Ausnahme der Arab Potash Company — vergeblich die Bildung von Arab Joint Ventures vorgeschlagen hatte arbeitet an der Gründung der neuen arabischen Gemeinschaftsunternehmen mit. Gebildet worden ist bislang etwa ein halbes Dutzend derartiger Unternehmungen über ihren Erfolg oder Mißerfolg lassen sich noch keine Aussagen machen.
Kritisch einschätzen läßt sich hingegen das Gesamtergebnis der Bemühungen der Arabischen Liga um arabische Wirtschaftseinheit in den vergangenen 30 Jahren. Ohne jeden Zweifel ist erheblich weniger erreicht worden, als die unter Mitwirkung der Arabischen Liga zustande gekommenen verschiedenen Abkommen und Vereinbarungen vorgesehen hatten. Die Drittländerabhängigkeit der arabischen Staaten, ihr niedriges ökonomisches Entwicklungsniveau, das Entwicklungsgefälle innerhalb der arabischen Welt und die Existenz unterschiedlicher Wirtschaftssysteme haben dazu beigetragen Zudem haben sich politische Faktoren als ein ernsthaftes Hemmnis für die arabische Wirtschaftsintegration erwiesen. Ein solcher Faktor ist der Abschluß nicht ausreichend vorbereiteter Wirtschaftsabkommen aus tagespolitischen Erwägungen heraus, ein anderer Faktor die Furcht vor dem Verlust einzelstaatlicher Souveränität und Unabhängigkeit. Die Arabische Liga war zumeist nicht in der Lage, die gegensätzlichen nationalen Interessen gerade auf politischem Gebiet hinlänglich sichtbar zu machen und sodann auf ihre Harmonisierung hinzuwirken. Dazu hätte es vermutlich der Existenz einer mit mehr Eigengewicht ausgestatteten supranationalen Organisation bedurft. Dort, wo den Bestrebun-gen der Arabischen Liga um wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den arabischen Staaten doch ein gewisser Erfolg beschieden war, ist im übrigen die außerordentlich hohe fachliche Kompetenz der beteiligten Mitarbeiter sowie die weitgehende Unabhängigkeit der zur Projektverwirklichung gegründeten Institutionen von der Liga und ihrer schwer-fälligen Bürokratie hervorzuheben
Politikfeld „Friedenssicherung und kollektive Sicherheit"
Die Erhaltung des Friedens und die Wahrung kollektiver Sicherheit sind Aufgaben, die die Liga der Arabischen Staaten als regionale Organisation seit ihrer Gründung 1945 stets von neuem beschäftigt haben. Die Liga ist dabei bemüht gewesen, sowohl Streitfragen zwischen den Mitgliedstaaten beizulegen als auch die Sicherheit der Region gegenüber Angriffen von außen zu verteidigen.
Das Instrumentarium, das der Liga zur Bewältigung dieser Aufgaben zur Verfügung steht, ist unzureichend. Das gilt insbesondere für die vertraglich vorgesehenen Möglichkeiten zur friedlichen Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen den arabischen Staaten. Demgegenüber kann das System der kollektiven Sicherheit aufgrund des „Vertrags über gemeinsame Verteidigung und wirtschaftliche Zusammenarbeit" von 1950 als rechtlich besser ausgebaut gelten. In der Praxis hat es sich allerdings — wie Hassouna zutreffend feststellt — kaum bewährt.
Die Bemühungen der Arabischen Liga, in Streitfällen zwischen Mitgliedstaaten oder einem Mitgliedstaat und dritten Staaten zu vermitteln, sind angesichts der unzureichenden rechtlichen Regelungen häufig über die im Ligapakt enthaltenen Vorschriften hinausgegangen. So versuchte der Ligarat keineswegs nur dann Streitfälle zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten beizulegen, wenn er offiziell dazu aufgefordert wurde. Eine derartige Aufforderung ist überhaupt nur einmal aus Anlaß einer geringfügigen Grenzverletzung zwischen Syrien und Libanon an ihn ergangen Auch hat sich der Ligarat nicht darauf beschränkt, versöhnend in solchen Konflikten zu vermitteln, in denen eine Gefährdung des Friedens vorlag. Vielmehr hat er versucht, ganz allgemein Konflikte beizulegen, die geeignet waren, die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.
Es ist zudem keineswegs immer der Ligarat selbst gewesen, der sich in Konfliktfällen um einen Ausgleich der Interessen bemüht hat. Wiederholt hat er seine Vermittlertätigkeit auf ad hoc gebildete Kommissionen übertragen — so anläßlich der Libanon-Krise 1958, des Jemen-Konflikts 1962, des algerisch-marokkanischen Grenzstreits 1963 und der Krise zwischen Nord-und Südjemen 1972 In anderen Fällen hat der Ligarat seine Aufgabe der Friedenssicherung und Wahrung der kollektiven Sicherheit weitgehend dem Generalsekretär überlassen. Beispiele dafür sind die Bemühungen um die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Ägypten und Syrien nach Auflösung der VAR 1961 sowie die Versuche zur Schlichtung der irakisch-kuwaitischen Kontroverse in demselben Jahr. Mitunter ist die Initiative zu Vermittlungsbemühungen nicht einmal vom Ligarat, sondern vom Generalsekretär ausgegangen. So hat sich der Ligarat mit dem algerisch-marokkanischen Grenzkonflikt von 1963 erst auf Betreiben des Generalsekretärs befaßt
Die bevorzugte Methode der Arabischen Liga zur Beilegung von Konflikten zwischen Mitgliedstaaten ist der Versuch zur gütlichen Einigung. Wo immer es geht, war und ist die Liga bestrebt, nicht einseitig Partei zu ergreifen oder gar einen der Kontrahenten durch Beschluß des Ligarates an den politischen Pranger zu stellen. Diese Methode hat zwei Ursachen: Zum einen geht die Liga von der Annahme historisch bedingter besonderer Beziehungen zwischen den arabischen Staaten aus. Das läßt die Verurteilung eines Mitgliedstaates nur in Ausnahmefällen zu. Zum anderen sieht sich die Liga wegen ihrer ganz auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruhenden Struktur gezwungen, stets ein Mindestmaß an Solidarität und Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Mitgliedstaaten aufrechtzuerhalten, um sich nicht selbst in ihrer Existenz zu gefährden. Abgesehen von den etwas anders gelagerten Fällen der Mitgliedschaft des Irak im Bagdadpakt in den fünfziger Jahren und des israelisch-ägyptischen Friedensschlusses 1979 hat die Arabische Liga deshalb nur zweimal in ihrer 35-jährigen Geschichte offen Position gegen eines ihrer Mitgliedsländer bezogen:
1950 hat der Ligarat die Einverleibung der Westbank durch Jordanien als unvereinbar mit den Bestimmungen des Ligapaktes verurteilt und den Ausschluß des Königreiches aus der Liga erwogen. 1961 hat der Ligarat die Gebietsansprüche des Irak auf kuwaitisches Territorium zurückgewiesen und Maßnahmen zur Sicherung der Unabhängigkeit des Golfstaates ergriffen
Angesichts des in der Liga vorherrschenden Willens, aber auch Zwangs, Konflikte nach Möglichkeit auf dem Verhandlungswege bei-zulegen, verwundert es nicht, daß die Arabische Liga zur Aufrechterhaltung des Friedens in und zwischen den arabischen Staaten nur in zwei Fällen militärisch interveniert hat. Der erste Fall war die vorübergehende Entsendung einer arabischen Sicherheitstruppe in Stärke von 3 000 Mann nach Kuwait 1961 Dadurch sollte sowohl irakischen Gebietsansprüchen entgegengewirkt als auch der Rückzug Großbritanniens aus Kuwait beschleunigt werden. Der zweite Fall betrifft den Libanon. Durch Entsendung einer zunächst rein symbolischen Friedenstruppe, die später durch Einbeziehung im Lande stehender syrischer Einheiten in eine „arabische Abschreckungsstreitmacht" umgewandelt worden ist, hat die Arabische Liga auf Drängen Saudi-Arabiens und Kuwaits den libanesischen Bürgerkrieg 1976 in eben jenem Moment zu beenden gesucht, in dem er sich zu einer akuten Gefahr für die Stabilität der gesamten Region auszuweiten drohte
Bei Konflikten zwischen Mitgliedstaaten und Nichtmitgliedstaaten hat die Liga der Arabischen Staaten zumeist darauf verzichtet, als Vermittler aufzutreten. Statt dessen hat sie sich zum Fürsprecher der Interessen der betroffenen arabischen Länder gemacht. Beispielsweise hat sie im Streit zwischen Tune-sien und Frankreich über den Flottenstützpunkt Bizerta 1961 vorbehaltlos den Standpunkt Tunesiens unterstützt und den Rückzug der französischen Truppen gefordert Im arabisch-israelischen Konflikt stand die Liga — schon bedingt durch ihre Entstehungsgeschichte — von vornherein auf der Seite der arabischen Staaten und der Palästinenser. Es ist ihr damit gelungen, lange Jahre hindurch arabische Einigkeit zu demonstrieren. Allerdings bedeutet diese Art der Parteinahme für die arabische Welt auch, daß es der Liga bislang nicht möglich war, als regionale Organisation in Konflikten zwischen Mitgliedstaaten und dritten Staaten nachhaltig zu einer für alle Beteiligten befriedigenden Lösung beizutragen. Unter Erfolgsgesichtspunkten waren und sind die Bemühungen der Arabischen Liga um die Beilegung von Streitfragen zwischen Mitgliedstaaten ebenfalls kritisch zu sehen. Hassouna kommt hier zu einem insgesamt positiven Urteil. Zur Begründung verweist er auf den Weltsicherheitsrat, der sich wiederholt des Ligarates bedient habe, um eine Konflikt-regelung im arabischen Raum herbeizuführen. Als Erfolg der Liga wertet er ferner die Entsendung einer arabischen Friedenstruppe nach Kuwait 1961. Nicht zuletzt hat die Liga seiner Meinung nach im Konflikt zwischen Nord-und Südjemen 1972 eine nützliche, wenn auch nur begrenzt friedenserhaltende Rolle gespielt
Im Gegensatz dazu steht das Urteil von Boutros-Ghali. Seiner Auffassung nach hat die Arabische Liga in den meisten Fällen bei der Regelung von Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten — und damit auf einem Gebiet von erstrangiger Bedeutung — versagt Rashed hat sich diesem Urteil, das die Liga nicht gerade als Ausdruck arabischer Einheit erscheinen läßt, weitgehend angeschlossen. Zum Beleg führt er an, daß die arabischen Staaten bei Streitfällen untereinander oftmals kein Vertrauen in die Fähigkeit der Liga zur Schlichtung haben In der Tat waren in unterschiedlich gelagerten Konfliktfällen weder der Sudan noch der Libanon 1958 sonderlich um eine Einschaltung des Ligarates bemüht. Ihr Interesse war in erster Linie auf ein Aktivwerden des Weltsicherheitsrates gerichtet. Selbst die Organisation für Afrikanische Einheit ist der Arabischen Liga wiederholt als Schlichtungsgremium vorgezogen worden — so im Grenzstreit zwischen Marokko und Algerien 1963 oder in dem bis heute nicht ausgeräumten Konflikt über die Zukunft der phosphatreichen ehemals spanischen Provinz Westsahara. Dort, wo die Arabische Liga vermittelnd eingegriffen hat, kommt Rashed ebenfalls zu einem eher negativen Urteil. Die Vermittlungsbemühungen seien bisweilen mehr der persönlichen Autorität und dem gesamtarabischen Ansehen des Generalsekretärs als dem Instrumentarium der Liga und ihren Möglichkeiten zur Schlichtung zu verdanken gewesen Und was die stets als Erfolg der Liga angeführte Entsendung von Truppen nach Kuwait angehe, könne argumentiert werden, daß es sich hier gar nicht so sehr um die Beilegung eines Konfliktes zwischen zwei arabischen Bruderländern gehandelt habe. Dominiert habe vielmehr der antikolonialistische — d. h. antibritische — Aspekt der Kuwaitkrise
Als Fazit bleibt die Erkenntnis, daß es der Arabischen Liga schwerfällt, einen substantiellen Beitrag zur Lösung innerarabischer Konflikte zu leisten. Die Meinungsverschiedenheiten über die Beilegung des Libanonkonflikts auf dem arabischen Gipfeltreffen in Tunis Ende 1979 haben das erneut gezeigt Allein die Stationierung einer arabischen „Abschrek-kungsstreitmacht" und die Zahlung von Geldern zum Wiederaufbau des Landes vermögen auf die Dauer den Frieden im Libanon nicht zu sichern.
V. Die Liga der Arabischen Staaten — Ausdruck arabischer Einheit?
Die Liga der Arabischen Staaten kann nur sehr bedingt als Ausdruck arabischer Einheit angesehen werden. Ihre Entstehungsgeschichte macht deutlich, daß der Gedanke, die Einheit des arabischen Vaterlandes wiederherzustellen, nur einer von vielen und nicht einmal der primäre Faktor war, der zur Gründung der Liga geführt hat. Partikularistische Interessen der arabischen Staaten waren bei der Gründung vorherrschend. Der britische Einfluß hat ein übriges dazu beigetragen, die Bildung einer starken, mit eigenen Kompetenzen ausgestatteten Liga zu verhindern. Auf der anderen Seite kann nicht bestritten werden, daß eine gemeinsame Sprache, Geschichte und Religion sowie der Kampf um Palästina bei der Gründung der Liga eine Rolle gespielt haben.
Zielsetzung und Aufbau der Arabischen Liga sind ein getreues Spiegelbild ihrer Entstehungsgeschichte. Als regionale, der einzelstaatlichen Souveränität verpflichtete Organisation ist die Liga ganz und gar auf den Willen der Einzelstaaten zur Mitarbeit angewiesen. Sie kann deshalb auch nicht in einem größeren Maße Ausdruck arabischer Einheit sein, als es die arabischen Staaten zulassen. Sie als Erfüllung des jahrhundertealten Traums von der arabischen Einheit zu bezeichnen, ist nicht möglich. Ihre Existenz bedeutet lediglich einen ersten Schritt in diese Richtung, einen Schritt, der mit der Hoffnung auf weitere Schritte verbunden war und ist.
In krassem Gegensatz zu der der Liga zugeschriebenen Symbol-und Initialfunktion für die arabische Einheit stehen ihre Handlungsmöglichkeiten. Das ist historisch bedingt. Nur wer dieses Faktum im Auge behält, vermag die allen Schwierigkeiten zum Trotz erbrachten Leistungen der Liga angemessen zu würdigen, selbst wenn die erzielten Erfolge mitunter eher bescheidener Natur waren. Erfolgreich war die Liga bei der Vertretung gesamtarabischer Interessen vor allem im Zusammenhang mit dem Entkolonialisierungsprozeß. Ohne Zweifel hat sie bei der Erringung der Unabhängigkeit Marokkos, Tunesiens, Libyens, Kuwaits, Algeriens und Südarabiens eine beachtliche, wenn auch nicht immer herausragende Rolle gespielt. Zudem war sie mehr als drei Jahrzehnte Ausdruck eines gemeinsamen arabischen Kampfes um Palästina.
Die Stoßrichtung dieses Kampfes war gewiß einseitig, d. h. nicht so sehr auf die Verwirklichung eines von allen arabischen Staaten getragenen Konzepts für die Zukunft Palästinas als vielmehr gegen die Existenz Israels gerichtet. Dem steht aber nicht entgegen, daß die Liga in der Palästinafrage als ein einigender Faktor für die arabische Welt gewirkt hat, so wie umgekehrt das Palästinaproblem den Zusammenhalt der Arabischen Liga gefördert hat.
Bescheidener als die Erfolge der Liga im Kampf gegen Kolonialismus, Imperialismus und teilweise auch Zionismus waren die Erfolge im Bemühen um ein allmähliches Zusammenwachsen der arabischen Staaten. Wesentliche Ursache dafür ist, daß als Voraussetzung für die arabische Einheit in der arabischen Welt zwar unstreitig die Abwesenheit von Fremdherrschaft gilt, daß es darüber hinaus aber nicht gelungen ist, den Begriff der arabischen Einheit mit einem positiven, für alle arabischen Staaten gleichermaßen akzeptablen und praktikablen Inhalt zu füllen. Bestrebungen zur Verschmelzung arabischer Staaten sind deshalb bis in die Gegenwart erfolglos geblieben. In keinem Fall sind sie von der Arabischen Liga ausgegangen. Immerhin ist es der Liga gelungen, einige Anstöße zur ökonomischen, sozialen und kulturellen Integration der arabischen Welt zu geben und sich damit teilweise auch durchzusetzen. Das gilt insbesondere für den in diesem Aufsatz nicht untersuchten kulturellen Bereich. Nach eigenem Bekunden hat die Liga bei der Vereinheitlichung von Schulsystemen, Lehrplänen, Schulbüchern und Lexika geradezu erstaunliche Ergebnisse erzielen können Auf ökonomischem Gebiet ist der Liga der entscheidende Durchbruch zur arabischen Integration aber nicht gelungen. Weder der Arabische Gemeinsame Markt noch die Gründung von Arab Joint Ventures mit dem Ziel sektoraler industrieller Kooperation können in diesem Sinne interpretiert werden. Ebenso wie bei der Beilegung innerarabischer Streitigkeiten hat die Arabische Liga bei den Versuchen zur wirtschaftlichen Integration einfach nicht über die erforderliche Macht verfügt, um hochgesteckte Erwartungen erfüllen zu können. Sie hat sich deshalb zumeist darauf beschränken müssen, Denkanstöße zu geben und als Clearingstelle für unterschiedliche Interessen arabischer Staaten zu dienen. Diese Funktionen sollten nicht unterschätzt werden. Sie reichen aber nicht aus, um die arabische Einheit auf Dauer voranzutreiben.
Neue Betätigungsfelder, auf denen sich die Liga als gesamtarabische Institution in den siebziger Jahren begrenzt hat profilieren können, sind der afro-arabische und der euro-ara-bische Dialog. Während es um den afro-arabi-sehen Dialog nach der ersten Gipfelkonferenz in Kairo 1977 mehr als still geworden ist, befindet sich der euro-arabische Dialog seit seiner Suspendierung im Mai 1979 in einer schweren Krise. Die Revolution im Iran und die sowjetische Intervention in Afghanistan haben indes dazu beigetragen, das Interesse an einer Wiederbelebung des Dialogs zu fördern. Für die europäische Seite ist aufgrund der Vorgänge im Mittleren Osten zugleich eine Verstärkung der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit den arabischen Golfstaaten von besonderer Bedeutung Auf die krisenhafte Entwicklung in und um Iran und Afghanistan hat die Liga der Arabischen Staaten nur mittelbaren Einfluß. Am afro-arabischen und euro-arabischen Dialog hat sie in der Vergangenheit jedoch planend und verwaltend mitgewirkt und so zumindest den Anspruch auf arabische Einheit sichtbar gemacht.
Der Zustand der Arabischen Liga ist zu Beginn der achtziger Jahre keineswegs zufriedenstellend. Der Streit über den ägyptisch-israelischen Friedensvertrag hat die arabische Welt gespalten. Die Mitgliedschaft Ägyptens in der Liga ruht, d. h., das volkreichste arabische Land steht im eigenen Lager politisch im Abseits.
Der Sitz der Liga ist von Kairo nach Tunis verlegt worden. Ägypten hat diese Maßnahme als „illegal" bezeichnet und das Liga-Archiv in Kairo zurückbehalten. Der Neuaufbau der Organisation in Tunis geht nur zögernd voran. Der Führungskader, der in der Vergangenheit zu einem erheblichen Teil aus ägyptischen Beamten bestanden hat, konnte bislang nur in begrenztem Umfang durch tunesische Fachkräfte ersetzt werden. Generalsekretär Klibi ist deshalb gezwungen, sich weiterhin vorrangig um die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Liga-Organisation zu bemühen. Zugleich will er aber verhindern, mit der in Kairo verbliebenen Restliga in einen psychologischen Kleinkrieg verwickelt zu werden
Trotz ihrer Spaltung kann die Arabische Liga in Zukunft möglicherweise Impulse für die Verwirklichung der arabischen Einheit geben. Eine Schwächung der „Ablehnungsfront", die durch die politische Entwicklung im Mittleren Osten bereits eingetreten ist, und ein Scheitern der israelisch-ägyptischen Verhandlungen über einen Autonomiestatus für die „besetzten arabischen Gebiete" könnten dem Schisma innerhalb der arabischen Welt ein Ende setzen. Die Liga wäre dann wieder in der Lage, im Nahostkonflikt — soweit es die antiisraelische Position angeht — als Sprecher der arabischen Welt aufzutreten, was allerdings für Israel eine wenig erfreuliche Wendung bedeuten würde.
Die Überwindung ihrer Spaltung würde es der Arabischen Liga auch ermöglichen, in anderer Hinsicht erneut Aktivitäten zu entfalten. So ist ein Großteil der arabischen Welt nach der Erringung ihrer politischen und ökonomischen Unabhängigkeit von den Kolonialmächten auf der Suche nach einer neuen — weder vom Westen noch vom Osten geprägten — Identität. Der Islam, der in den letzten Jahren eine ungeahnte Renaissance erfahren hat, bietet sich dafür als entscheidende Grundlage an.
Die Liga könnte, obwohl sie in ihrer Entstehung von westlichem Gedankengut beeinflußt ist, entsprechende Impulse aufgreifen, verstärken und dergestalt zur Festigung des Bewußt-seins der Zusammengehörigkeit aller arabischen Staaten beitragen.
Eine weitere Möglichkeit für die Arabische Liga, der arabischen Einheit näher zu kommen, besteht trotz aller Schwierigkeiten in der Vergangenheit in der ökonomischen Entwicklung der arabischen Welt. Sie hat im vergangenen Jahrzehnt merkliche Fortschritte gemacht. Dabei ist auf der einen Seite das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis der arabischen Staaten — etwa im Bereich des Arbeitskräftepotentials — deutlich geworden, auf der anderen Seite hat die ungleiche Verteilung des Erdölreichtums ein ökonomisches und soziales Gefälle innerhalb der arabischen Welt entstehen lassen, das von erheblicher politischer Brisanz ist. Durch eine Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den arabischen Staaten könnte die Arabische Liga zu einem Abbau dieses Gefälles und damit zu einer stabileren Entwicklung der Gesamtregion beitragen.
Aufgaben, die die weitere Existenz der Liga der Arabischen Staaten rechtfertigen, gibt es mithin genug. Erfüllt werden können diese Aufgaben allerdings nur, wenn die arabischen Staaten mit ihren gegensätzlichen gesellschaftlichen Strukturen und Ideologien nicht nur das Ziel der arabischen Einheit propagieren, sondern die Arabische Liga auch dazu ermächtigen, in diesem Sinne zu handeln.
Rüdiger Robert, Dr. phil., Dipl. Pol., geb. 1945; Studium der Politikwissenschaft, Geschichte und Soziologie an der FU Berlin und an der WWU Münster; Akademischer Oberrat am Institut für Politikwissenschaft der Universität Münster. Veröffentlichungen: Unternehmenskonzentration und Wettbewerbspolitik in der Bundesrepublik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 34-35/75; Gewerkschaftliche Organisation und innergewerkschaftliche Demokratie, in: Politische Bildung, Heft 3/1975; Konzentrationspolitik in der Bundesrepublik — Das Beispiel der Entstehung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Berlin 1976; Die Unabhängigkeit der Bundesbank. Analyse und Materialien, Kronberg/Ts. 1978; Mitbestimmung und Grundgesetz. Der Verfassungsstreit über das Mitbestimmungsgesetz 1976, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 16/79; Nahostkonflikt, in: Handwörterbuch Internationale Politik, hrsg. von Wichard Woyke, Opladen
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