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Geschichtsschreibung im politischen Optativ? Zum Problem der Alternativen im Prozeß der Auflösung einer Republik wider Willen | APuZ 50/1980 | bpb.de

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APuZ 50/1980 Artikel 1 Der Marshall-Plan und Deutschland Heinrich Brüning und die „konservative Alternative" Kritische Anmerkungen zu neuen Thesen über die Endphase der Weimarer Republik Geschichtsschreibung im politischen Optativ? Zum Problem der Alternativen im Prozeß der Auflösung einer Republik wider Willen

Geschichtsschreibung im politischen Optativ? Zum Problem der Alternativen im Prozeß der Auflösung einer Republik wider Willen

Josef Becker

/ 26 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Gegen die „kritischen Anmerkungen" von Udo Wengst hält diese Replik an den Positionen des Aufsatzes in „Aus Politik und Zeitgeschichte“, B 22/80, vom 31. Mai 1980 fest: 1. Seit dem Frühjahr 1930 gab es aufgrund der Klassengegensätze von Arbeiterschaft und Industriekapital und deren Interessenvertretungen in SPD und DVP wie angesichts der politischen Optionen von Reichspräsident und Reichswehr lediglich eine numerische Chance abstrakter Parlamentsarithmetik, aber keine reale Möglichkeit zur Wiederherstellung einer parlamentarischen Mehrheitsbildung in der Form der Großen Koalition. Darin zeigt sich nicht die unzureichende Problemlösungskapazität des Parteienstaates und des parlamentarischen Systems schlechthin, sondern das Scheitern der unvollendeten parlamentarischen Demokratie einer Republik wider Willen, wie sie in Deutschland 1918/19 begründet worden ist. 2. Im Rahmen dieser Grundbedingungen entsprach die „Rückkehr des Obrigkeitsstaats im Gewand des bürokratischen Notverordnungsregimes" Brünings der historisch-politischen Logik der Verfassungs-und Parteienentwicklung des Bismarck-Reiches, die als schwerwiegende Hypothek die Weimarer Republik belastete. 3. Es ist historisch inadäquat, den Kurs Brünings (der zunächst entsprechend der „Krisenstrategie" in den Anfangsjahren der Republik auf ein Ermächtigungsgesetz und/oder die Anwendung des Artikels 48, aber nicht auf ein Dauerregiment mit den Notstandsvollmachten des Reichspräsidenten gerichtet war) an dem Idealbild eines funktionierenden parlamentarischen Systems zu messen, das in dieser Form bei der Ausarbeitung der Weimarer Verfassung nicht Pate gestanden hat und selbst im trügerischen Jahrfünft einer scheinbaren Stabilisierung der Republik nach 1923 keine Realität gefunden hatte. 4. Brünings „konservative Alternative zum Untergang von Rechtsstaat und Demokratie" und seine parlamentarisch gestützte Präsidialregierung unterschieden sich (trotz des problematischen Plans einer Restitution der Hohenzollern-Monarchie) „tiefgreifend" von Papens Nachfolgeregime der reinen Präsidialregierung und verließen noch nicht den „Boden der demokratischen Ordnung". Das Scheitern der „konservativen Alternative” (prädisponiert im Scheitern des „Essener Programms" von 1920 und der „Bürgerblock" -Regierung von 1927/28) an den Institutionen des Reichspräsidenten und der Reichswehr und den Trägern (Hindenburg und Schleicher) war ein Scheitern an den ambivalenten Traditionen des preußisch-deutschen Konservativismus. 5. Auf die neuesten in B 22/30 referierten Forschungsergebnisse von Knut Borchardt über den fehlenden wirtschaftsund finanzpolitischen Spielraum der Regierung Brüning ging Udo Wengst überhaupt nicht ein. Seine Argumente stehen in diesem Bereich ebenso im Widerspruch zu den jüngsten Forschungen wie in bezug auf die Außenpolitik Brünings.

Udo Wengst überrascht seine Leser: Im Untertitel der „kritischen Anmerkungen" zu meinem Aufsatz „Heinrich Brüning und das Scheitern der konservativen Alternative in der Weimarer Republik“ kündigt er eine Auseinandersetzung mit „neuen Thesen über die Endphase der Weimarer Republik" an — schon drei Sätze weiter erfährt man, daß es sich eigentlich gar nicht um „neue" Thesen handle, sondern daß in meinem Aufsatz lediglich eine ältere Auffassung wieder aufgegriffen werde, die der damalige Nestor der deutschen Geschichtswissenschaft, Friedrich Meinecke, bereits 1947 vertreten habe. Also „alt" oder „neu"?

In der Tat stellt meine Deutung — und dies ist in meinem Aufsatz (im folg, zit.: B 22 + Seitenzahl) gleich eingangs nachzulesen — der Kanzlerschaft Brünings als des gescheiterten Versuchs einer konservativen Alternative zum Untergang von Rechtsstaat und Demokratie keineswegs eine neue These dar. Und ebensowenig ist diese Deutung (wie Udo Wengst offensichtlich meint) in der Welle der Brüning-Kritik nach dem Erscheinen der „Memoiren" des ehemaligen Reichskanzlers im Jahre 1970 untergegangen. Die postume Publikation der Brüning-Memoiren hat zwar für das Bild der politischen Persönlichkeit Brünings weithin einen ähnlichen Effekt ausgelöst wie zuvor schon für Gustav Stresemann das Bekanntwerden von dessen „Kronprinzen-Brief" und vor allem die Öffnung seines Nachlasses nach 1945. Insgesamt ist durch die Publikation der Brüning-Erinnerungen und die daran anschließende historisch-politische Diskussion das Bild Brünings „facettenreicher", seine Politik „problematischer" geworden (B 22, S. 17). Allerdings haben mich auch Udo Wengsts Einwände und Gegenargumente nicht davon überzeugt, daß nun an die Stelle einer „legenda aurea" in der Beurteilung Brünings und seiner Politik eine „leyenda negra" zu treten habe, in der Brüning (auf dem Weg einer personalistischen Reduktion der Gesamtproblematik) zur negativen Schicksalsfigur in der Schlußkrise der Weimarer Republik wird. Die folgende Replik auf die zentralen Punkte der „kritischen Anmerkungen" mag dies verdeutlichen -I. Zur Wirtschafts-und Finanzpolitik Brünings In meinem Aufsatz hatte ich in breiter Ausführlichkeit (vgl. B 22, S. 9— 13) neueste Forschungsergebnisse des Münchener Nationalökonomen und Wirtschaftshistorikers Knut Borchardt referiert, denen für die Beurteilung der wirtschaftlich-sozialen wie auch der politischen Entwicklung der Weimarer Republik grundlegende (im Hinblick auf Auffassungen wie die von Udo Wengst: revolutionäre) Bedeutung zukommt. Die Vermutung lag daher nahe, daß sich Udo Wengst bei seiner Kritik der Brüningschen Finanz-und Wirtschaftspolitik mit diesen neuen Studien von Knut Borchardt und ihren Ergebnissen auseinandersetzen würde. Dies geschieht nicht; Knut Borchardts Untersuchungen werden mit keinem Wort erwähnt.

Statt dessen greift Udo Wengst zur Begründung seiner Kritik auf das Argument zurück, daß Brünings „deflationäre Finanz-und Wirtschaftspolitik [... ] politischen Zwecken" diente „und erst in zweiter Linie wirtschaftstheoretisch begründet" war. Daher müsse eine Auseinandersetzung mit ihr „vor allem auf ihre politische Dimension eingehen", was in meinem Aufsatz nicht geschehen sei (S. 23).

Mit der Feststellung eines Primats der politischen vor den wirtschaftlichen Motiven beim Kurs der Kabinette Brüning in der Weltwirtschaftskrise rennt Udo Wengst offene Türen ein. Denn seit der Dissertation von Wolfgang J. Helbich über die Reparationen in der Ära Brüning aus dem Jahre 1962 (und nicht erst — wie Udo Wengst anscheinend meint — seit einer Veröffentlichung von Hans Mommsen aus dem Jahre 1978) steht es in der Brüning-Forschung fest, daß die Wirtschaftsund Finanz-politik wie die Innenpolitik des Reichs in den Jahren 1930— 1932 „ganz unter dem Primat der Außenpolitik" standen (B 22, S. 13). Diese Feststellung läßt aber den Schluß nicht zu (und dies war im wesentlichen ebenfalls bereits ein Ergebnis der Arbeit von Wolfgang J. Helbich), daß Brüning bei einer anderen politischen Prioritätensetzung 1930/31 eine großangelegte Politik der Arbeitsbeschaffung im Sinne der Theorien von John Maynard Keynes eingeleitet hätte oder hätte einleiten können, und zwar mit der konkreten Chance, die Weltwirtschaftskrise in Deutschland rasch in den Griff zu bekommen und auf diese Weise „Hitlers Aufstieg [... ] gleichsam mit wirtschaftspolitischen Tricks zu verhindern" (B 22, S. 12). Brünings „Deflationspolitik [... ] war zu einem erheblichen Umfang, objektiv gesehen, unvermeidlich" — so lautet auch das Urteil Ernest Hamburgers dessen Beitrag zur Brüning-Diskussion nach dem Erscheinen der „Memoiren" Udo Wengst als Exempel einer kritischen historischen Würdigung der deutschen Politik 1930— 1932 empfiehlt (S. 19, Anm. 4).

Für seine Auffassung, daß ein erfolgreicher wirtschaftsund finanzpolitischer Kurswechsel — weg von der Deflationspolitik, hin zur raschen Krisenmilderung — möglich gewesen wäre, beruft sich Udo Wengst auf eine De

Für seine Auffassung, daß ein erfolgreicher wirtschaftsund finanzpolitischer Kurswechsel — weg von der Deflationspolitik, hin zur raschen Krisenmilderung — möglich gewesen wäre, beruft sich Udo Wengst auf eine Denkschrift, die „kein geringerer als Hans Schäffer, Staatssekretär im Reichsfinanzministerium" (S. 23), im September 1931 verfaßte und die in einem soeben erschienenen Dokumenten-werk (erneut) abgedruckt ist Als Beispiel für ein konkretes Krisenbekämpfungskonzept (mit Arbeitsbeschaffungsprojekten etc.) zitiert Udo Wengst darüber hinaus den Wagemann-Plan vom Januar 1932, der eine „breite öffentliche Diskussion" über wirtschaftspolitische Alternativen auslöste und zu „Forderungen gegenüber der Reichsregierung" führte, die diese „nur halbherzig und widerstrebend in Erwägung" (S. 23) zog. Leider hat Udo Wengst anscheinend übersehen, daß in einem anderen Dokument des neuen Quellenbandes, an dessen Edition Wengst selbst mitarbeitete, „kein geringerer als Hans Schäffer" den Wagemann-

Plan und die damit im Zusammenhang stehende Kritik an der Regierung Brüning mit dem Verdikt kommentierte, es seien „einige ganz verständige Sachen dabei [... ], aber keine, welche die Krise beheben könnten. Das Schlimme sei", so fährt die Aufzeichnung Hans Schäffers fort, die sich in diesen Passagen wie eine vorweggenommene Kritik an Udo Wengsts „Anmerkungen" liest, „das Schlimme sei, daß durch die Art der Aufmachung und Bekanntmachung bei der Bevölkerung der Eindruck erweckt würde, es läge nur an der schlappen Haltung der Regierung, daß sie solche Mittel nicht ergreife. Das ist aber ganz unrichtig. Wagemann gibt jetzt schon selbst zu, daß an der Krise durch die Dinge nicht viel verändert werden könnte" 3). Und leider ist Udo Wengst offenbar auch entgangen, daß „kein Geringerer" als der Staatssekretär im Reichsfinanzministerium, Hans Schäffer, während seiner Amtszeit „die Brüningsche Deflationspolitik aus voller Überzeugung unterstützt hat. Auch später", so ist in seiner Biographie aus dem Jahre 1974 nachzulesen, „war er der Ansicht, daß keine andere Wirtschaftspolitik hätte betrieben werden können. Die spätere Kritik an den damaligen Maßnahmen bezeichnete Schäffer als eine posthume Weisheit" 4). Es hätte den Fortgang der wissenschaftlichen Diskussion mehr gefördert, wenn sich Udo Wengst statt auf „posthume Weisheiten" zu rekurrieren, der Herausforderung gestellt hätte, die für seine Auffassungen von den Forschungsergebnissen eines Wirtschaftshistorikers wie Knut Borchardt ausgeht.

II. Zur Außenpolitik Brünings Auch in bezug auf die Außenpolitik Brünings haben mich die Einwände von Udo Wengst nicht überzeugt. Wenn ich recht sehe, resümieren sie sich vor allem 1. in dem Vorwurf des reaktiven Charakters der Außenpolitik Brünings, der — im wesentlichen ohne eine von Anfang an entwickelte realistische Konzeption — unter dem ständig wachsenden Druck der rechtsradikalen Opposition zur Unzeit die Revision des Young-Plans betrieben und eine politisch nicht mögliche „Quadratur des Zirkels" (S. 22) versucht habe, und 2. in dem Vorwurf, daß Brüning „im letzten" die Bereitschaft zur „Kooperation mit den anderen Mächten" gefehlt habe, wie in dem Zweifel daran, ob Brünings Ziele „innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes realisierbar waren" und ob „sie zu einer stabilen Friedensordnung geführt hätten" (S. 25).

ad 1) In meinem Aufsatz hatte ich festgestellt, daß die „Konsequenzen der Katastrophen-wähl'vom September 1930 [sich] nicht auf die grundlegenden Veränderungen in der parlamentarischen und parteipolitischen Landschaft [beschränkten]; sie führten darüber hinaus", so ist in meinem Aufsatz zu lesen, „zu einem starken Vertrauensverlust im Ausland, zum raschen Abzug einer großen Zahl kurzfristiger Auslandskredite und damit zu einer außerordentlichen Verschärfung der wirtschaftlichen und sozialen Krise im Reich" (B 22, S. 8). An diesen (in der Forschung nirgendwo bestrittenen) Befund knüpft Udo Wengst die Feststellung an, daß die allgemeine „Revisionsstimmung" im Herbst 1930 „, nur die Folge der Wahl vom An diesen (in der Forschung nirgendwo bestrittenen) Befund knüpft Udo Wengst die Feststellung an, daß die allgemeine „Revisionsstimmung" im Herbst 1930 „, nur die Folge der Wahl vom 14. September 1930" ’ war (S. 22). Das Zitat, das sich Udo Wengst hier zu eigen macht, stammt, wie er korrekterweise hervorhebt, aus einer Debatte-rede des nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten Graf Reventlow im Auswärtigen Ausschuß des Reichstags. In der gleichen Sitzung dieses Parlamentsgremiums wollte Hermann Göring „von dem Reichsaußenminister die Bestätigung haben, daß die Debatte über die Revision des Young-Plans erst seit dem Ausgang der Wahl vom 14. September begonnen habe. Dr. Curtius", so heißt es in dem Bericht über die Sitzung des Auswärtigen Ausschusses weiter, „wies diese Annahme aber als auf einem erheblichen Irrtum beruhend zurück" 5). Kann man — wie dies Udo Wengst vorschlägt — die Behauptung eines NS-Führers, 'dessen propagandistische Zielsetzung (gegen „Erfüllungspolitik“ und „schlappe" Demokraten) auf der Hand liegt, hier für bare Münze nehmen? Und muß man dagegen — wie dies Udo Wengst tut — die Versicherung von Außenminister Curtius, daß „mit dem Moment der Unterzeichnung [des Young-Plans ... ] auch die Bestrebungen [der Reichsregie-rung] begonnen [hätten], ihn durch eine bessere Vereinbarung ersetzt zu bekommen" 6), a priori unter den Verdacht der schlichten Apologie stellen? Noch dazu, wenn die von Udo Wengst mitbearbeitete neue Quellenedition die Niederschrift über eine Ministerbesprechung enthält, in der Außenminister Curtius am 28. Februar 1930 ausführte: „Wenn wir die Annahme des Young-Plans bekommen, müssen wir eine zielbewußte Revisionspolitik einleiten"? 7)

Niemand bestritt, daß die Entwicklung des Rechtsradikalismus und speziell das Anschwellen der braunen Flut in und nach der Katastrophenwahl vom September 1930 „tiefgreifende Auswirkungen" (S. 20) auf die Politik der Regierung Brüning und ihren Handlungsspielraum hatte. Aber die These ist schlichtweg falsch und geht letzten Endes auf die NS-Propaganda und Hugenberg-Publizistik zurück, daß die Reparationspolitik Brünings letztlich nur als eine Funktion der Pressionen von rechts zu verstehen sei. Wolfgang J. Helbich hat schon vor nahezu zwei Jahrzehnten dem Zusammenhang zwischen der innenpolitischen Entwicklung und der Reparationspolitik Brünings eine scharfsinnige Untersuchung gewidmet, deren wesentliches Resultat wie folgt lautet: „Mehrfach hatte der innenpolitische Druck maßgeblichen Einfluß auf außenpolitische Entscheidungen des Kabinetts in der Reparationsfrage, aber es ist hervorzuheben, daß jedem Einlenken Brünings ein längerer hinhaltender Widerstand voraus-ging und daß sich sein Nachgeben in jedem Falle nur auf taktische Züge, nicht jedoch auf die Strategie der Reparationspolitik erstreckte." 8) Eine soeben erschienene Bonner Dissertation, die Udo Wengst bei der Abfassung seiner „kritischen Anmerkungen" wohl noch nicht zur Verfügung gestanden haben kann, bestätigt auf der Grundlage neu erschlossener Quellen dieses Urteil. Sie liefert einen zusätzlichen Nachweis für die Auffassung Helbichs, daß „Brüning schon bei seinem Regierungsantritt über ein Konzept für die Reparationsrevision verfügte", daß die „Reparationsrevision unmittelbar nach Regierungsübernahme und nicht erst nach den Septemberwahlen 1930 vorbereitet und angesteuert wurde", und zwar mit dem Ziel der „völligen Streichung der Re-parationen" Die vom Reichskanzler, vom Reichsfinanzministerium (H. Schäffer), Reichs-wirtschaftsministerium und Auswärtigen Amt formulierte, in sich stringente Reparationskonzeption wurde mit „flexibler Konsequenz" den sich wandelnden innen-, wirtschafts-, handels-und finanzpolitischen Verhältnissen sowie last but not least den internationalen Entwicklungen angepaßt.

Es war im Rahmen dieses Revisionskonzepts, daß Brüning es immer wieder ablehnte, „an die Frage [einer Reparationsrevision] in einem unzeitgemäßen Augenblick heranzugehen'" (S. 22). Und entsprechend dieser Maxime hat sich Brüning auch nicht — im Gegensatz zur Meinung Udo Wengsts — von der innenpolitischen Entwicklung zu einem im Sinne seines Revisionskonzepts „unzeitgemäßen" Schritt drängen lassen. Die von Udo Wengst zitierte Äußerung Brünings über die Ablehnung einer „unzeitgemäßen" Reparationsinitiative stammt von Ende November 1930; als Zeitraum, vor dem er ein Anschneiden der Reparationsfrage entschieden ablehnte, nannte der Kanzler damals eine Periode von mehreren Monaten bis zu einem Jahr. Die innere Entwicklung im Reich hat Brüning veranlaßt, und die Entwicklung auf dem Feld der Außenpolitik hat dies ermöglicht, daß das Reich rund sieben Monate später eine reparationspolitische Initiative ergriff. In einer Erklärung vom 6. Juni 1931, die vor allem als innenpolitischer Flankenschutz für eine unpopuläre Notverordnung gedacht war, kündigte die Reichsregierung die Unmöglichkeit der weiteren Erfüllung der Reparationsverpflichtungen an.

Dieser „Tributaufruf" bzw. die damit verbundene reparationspolitische Initiative hatte nicht allein — wie dies Udo Wengst zur Verblüffung des Lesers darstellt (S. 23) — „Moratoriumsgerüchte" (S. 23) zur Folge sowie (weitaus gravierender) die Konsequenz, daß die im Mai 1931 ausgebrochene zentraleuropäische Kredit-und Währungskrise in Deutschland erheblich verschärft wurde und sich zur Bankenkrise zuspitzte.

Bei den gleichzeitigen Gesprächen auf dem Landsitz des britischen Premierministers in Chequers gelang es Brüning, die britischen Politiker definitiv von der Notwendigkeit einer raschen Initiative in der Reparationsfrage zu überzeugen. Auf Grund der (partiellen) wirtschaftlichen Interessenkonkordanz, die damals zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich bestand, und — conditio sine qua non — auf dem Hintergrund der Young-Plankonformen Austerity-Politik Brünings machten die Engländer ihren ganzen Einfluß in Washington zugunsten eines internationalen Schuldenfeierjahres geltend. Es wurde (in einer Art antifranzösischer Einheitsfront von USA, Großbritannien, Italien und Deutschland) am 20. Juni 1931, vierzehn Tage nach Brünings Gesprächen in Chequers, vom amerikanischen Präsidenten Herbert Hoover verkündet. Dieses zunächst auf ein Jahr befristete Hoover-Moratorium sollte zur ersten, bei der Fortführung des Revisionskonzepts der Regierung Brüning kaum mehr reversiblen Etappe auf dem Weg zur definitiven Ablösung der Reparationen im Juni 1932 werden Was Udo Wengst als eine „Quadratur des Zirkels" (S. 22) bezeichnet, scheiterte im Frühjahr 1932 „ 100 Meter vor dem Ziel" 10a) — und zwar nicht daran, daß jetzt auch im Lager der Regierung sich die Zweifel an Brünings Durchhalte-kurs mehrten, sondern viel eher an der Über-zeugung der Ratgeber des Reichspräsidenten und Schleichers, daß ein Kanzlerwechsel und die Bildung einer vom Parlament unabhängigen Präsidialregierung die von Brüning angebahnten Erfolge in der Reparationsund Gleichberechtigungsfrage nicht mehr gefährden werde .. Das Größte, was Brüning erreicht hat“, so zog einer der kompetentesten Kritiker der Politik Brünings das Fazit, „war die Streichung der deutschen Reparationsverpflichtungen, die erst unmittelbar vor seinem Amtsantritt im Young-Plan neu festgesetzt worden waren. Er hatte die Streichung soweit vorbereitet, daß sie nach seinem Ausscheiden reibungslos über die Bühne ging"

ad 2): Es ist mir nicht ganz ersichtlich, worauf Udo Wengst sein Verdikt gründet (und was damit gemeint ist), daß der „außenpolitische Stil der Regierung Brüning [... ] im letzten nicht auf Kooperation mit den anderen Mächten angelegt“ gewesen sei (S. 25). Soll damit gesagt werden, daß Brüning in seinem außen-politischen Stil die „Herrenreiter-und Militär-diplomatie" seines Nachfolgers, des Herrn von Papen, vorwegnahm — jedenfalls „im letzten", wenn auch noch nicht erkennbar auf den ersten Blick? Oder wird damit eine innere Affinität zu dem „außenpolitischen Stil" und dem politischen Programm suggeriert, die nach 1933 in der deutschen Politik dominierten (da unter der Negation von „Kooperation" doch wohl Konfrontation mit dem fließenden Über-gang zur Aggression zu verstehen ist)?

Die eine Hypothese wäre jedenfalls so verfehlt wie die andere. Oder zielt Udo Wengst etwa generell auf die revisionistische Grundkon -zeption Brünings, die den Reichskanzler 1931 veranlaßte, das Angebot eines französischen Millionenkredits und damit einer „Kooperation" mit Frankreich auszuschlagen (trotz der verheerenden Haushaltslage von Reich, Ländern und Kommunen)? Dieses Argument würde außer acht lassen, daß mit dem Anleihe-angebot der Pariser Regierung selbstverständlich politische Bedingungen verknüpft waren — die Verpflichtung zu einem revisionspolitischen Moratorium, d. h.der Verzicht, für die Dauer eines bestimmten Zeitraums (zehn Jahre) die Frage der Revision von Versailles aufzurollen. Brüning selbst war dazu (natürlich) nicht bereit; hätte er ein französisches Angebot mit derartigen politischen Klauseln akzeptiert, wäre sein Sturz (und damit ein entsprechender Rechtsdruck unter Preisgabe der parlamentarischen Rückbindung für das neue Präsidialkabinett) die automatische Folge gewesen. Kooperation ja — aber nicht unter der Bedingung einer Preisgabe der Revisionspolitik gegenüber dem Versailler Vertrag (oder unter Hinnahme einer Juniorpartnerschaft mit Frankreich auf längere Sicht) — dies war die Grundmaxime der Außenpolitik in der Weimarer Republik unter Brüning wie schon zuvor unter Stresemann oder Rathenau.

Gewiß haben sich in Brünings Außenpolitik gegenüber der Ära Stresemann die Akzente in der Symmetrie von kollektiver Sicherheitspolitik (also Völkerbundspolitik als einer Basis deutscher Revisionspolitik) und der traditionellen Gleichgewichtspolitik einer (potentiellen) Großmacht zwischen Ost und West zugunsten der Bismarckschen Traditionen verschoben Diese Akzentverlagerung nach Stresemanns Tod trug dem Scheitern der Locarno-Politik Stresemanns Rechnung und war wie diese im wesentlichen realpolitisch motiviert. Aber auch in der Politik Brünings blieb — wie in der Diplomatie Stresemanns — der große, allgemeine Krieg als Mittel künftiger deutscher Politik ausgeschlossen. Dem entsprach das Ziel einer mitteleuropäischen Prä-ponderanz, nicht einer kontinentalen Hegemonie des Deutschen Reiches in einem post-Versailler Staatensystem, in dem die „künstliche" Hegemonie Frankreichs aus den ersten Jahren der Nachkriegszeit abgelöst war und eine politische Stabilisierung durch wirtschaftliche Kooperation und Verflechtung wie die Verzahnung von Allianzsystemen (unter Einschluß der Sowjetunion) geleistet werden sollte.

Zweifellos ist es nicht nur legitim, sondern auch notwendig, die Frage der Realisierbarkeit dieses Revisionsprogramms wie des Charakters einer post-Versailler Friedensordnung entsprechend den Zielsetzungen der Weimarer Außenpolitik zu stellen. Udo Wengst kommt bei beiden Fragen zu skeptischen bzw. negativen Antworten. Gruppiert man die Revisionsziele der Weimarer Republik in der von Brüning (wie ähnlich von Stresemann) verfolgten Reihung „Reparationen, militärische Gleichberechtigung, territoriale Revisionen" (vor allem gegenüber Polen), dann stellt man fest, daß am Ende der Kanzlerschaft Brünings die Schlußregelung der Reparationsfrage faktisch erreicht und die Weichen für die prinzipielle militärische Gleichberechtigung (im Rahmen einer begrenzten Abrüstungsbzw. Rüstungskontrollkonvention) gestellt waren.

Bleiben die territorialen Fragen. Henry Ashby Turner kam einmal in einer „counterfactual analysis" des Problems, welche Entwicklung wohl die deutsche Politik hätte nehmen können, wenn Stresemann auch nach 1929 noch die Leitlinien der deutschen Diplomatie hätte bestimmen können, zu dem folgenden Resultat: „Der Verlauf der europäischen Diplomatie jener Jahre [nach 1929] zeigt eindeutig, daß die ausschlaggebenden Großmächte durchaus bereit waren, einer friedlichen Revision der östlichen Grenzen [des Deutschen Reichs] ihre Zustimmung zu geben, besonders wenn eine solche Revision von einem militärisch starken Deutschland (was auch Stresemann erlangen wollte) verlangt wurde. [... ] Wenn ein traditioneller Revisionist nationalistischer Prägung wie Stresemann in der Wilhelmstraße am Ruder gewesen wäre, dann ist es höchst wahrscheinlich, daß Deutschland auch im Falle der polnischen Grenze Verständnis, vielleicht sogar Unterstützung in London und Paris gefunden hätte."

Ich selbst neige zu der Auffassung, daß angesichts der polnischen Haltung in der Korridor

Frage (und wegen der Bedeutung der Weichsel-Mündung für den jungen polnischen Staat)

die Revision der deutschen Ostgrenze „nur schwerlich gewaltlos" zu erreichen war (B 22, S. 15). Udo Wengsts Auffassung, daß die Revisionsziele der Regierung Brüning wohl schon auf Grund der „offen oder latent vorhandenen Gegnerschaft" (S. 25) der anderen europäischen Mächte, vor allem Frankreichs, keine Realisierungschance hatten, wird aber schlicht durch den Gang der Entwicklung bis 1938 — bis zum Anschluß Österreichs und der Angliederung der Sudetengebiete — widerlegt. Erst als mit Hitlers Zerschlagung der Tschechoslowakei die (Stresemanns wie Brünings Revisionspolitik grundsätzlich transzendierende)

hegemoniale Zielsetzung Hitlers deutlich wurde, haben sich Großbritannien und Frankreich in einer gemeinsamen Front gegen die deutsche Politik zusammengeschlossen. Das Ausscheiden Rußlands aus dem alliierten Siegerlager 1917, der revisionistische Anti-Versailles-Kurs der sowjetischen Außenpolitik in der Zwischenkriegszeit und die Veränderungen im internationalen Staatensystem im zeitlichen Rahmen wie im Gefolge der Weltwirtschaftskrise haben den Regierungen der Weimarer Republik ein Manövrierfeld eröffnet, das eher der „Krimkriegs-Konstellation" glich, in der es Bismarck gelungen war, das Reich und seine halbhegemoniale Position in Europa zu gründen, als daß es der „Einkreisungs" -Si-tuation der Jahre vor 1914 mit ihrer Eingrenzung der Optionsmöglichkeiten der deutschen Außenpolitik entsprochen hätte Darin lag die entscheidende außenpolitische Voraussetzung für die Möglichkeit der Weimarer Republik, nach der formellen Anerkennung ihres Großmachts-Status beim Eintritt in den Völkerbund auch die reale Position einer Großmacht auf friedlich-evolutionärem Wege wie-derzuerringen. Da bis zum Sturz Brünings von „hegemonialen Bestrebungen" als einem essentiellen Element der offiziellen deutschen Außenpolitik „nicht die Rede“ sein kann konnte auch die Restauration der deutschen Großmachtposition in die Stabilisierung eines neuen Gleichgewichtssystems und damit einer Friedensordnung einmünden. Zum rassischen Lebensraum-Imperialismus Hitlers führte jedenfalls von der außenpolitischen Konzeption Brünings keine Brücke.

III. Zum Problem der Alternativen in der Weimarer Republik Udo Wengst macht aus der Frage potentieller Alternativen im Prozeß der Auflösung der Weimarer Republik einen Kernpunkt seiner Kritik an meiner Deutung und Wertung der Politik Brünings. Er geht dabei von der Hypothese aus, daß nach dem Scheitern der großen Koalition im Frühjahr 1930 die parlamentarischen Optionsmöglichkeiten zwar eingeengt waren, daß Brüning aber doch noch über genügend Handlungsspielraum verfügte, um auf das Instrument des Artikels 48 zu verzichten und eine parlamentarische Lösung anzusteuern. Die Auffassung, daß SPD und DVP auch nach der Septemberwahl 1930 noch über Kompromißreserven verfügten, die zugunsten einer Großen Koalition hätten aktiviert werden können, entspricht einer politischen Wunschvorstellung, die ich teile. Ein historisches Problem läßt sich allerdings nicht im politischen Optativ klären.

Ich wiederhole hier nicht mehr im Detail die Argumente, die ich in meinem Aufsatz (und anderer Stelle) für die Auffassung vorgebracht habe, daß eine Rekonstruktion der Großen Koalition nach ihrem Zerfall 1929/30 primär wegen der Klassengegensätze zwischen Arbeiterschaft und Industriekapital (und ihren Repräsentanten in SPD und DVP) wie angesichts der partei-und verfassungspolitischen Präferenzen des Reichspräsidenten und der Reichs-wehr unmöglich war, daß die Große Koalition nach der Septemberwahl 1930 lediglich eine numerische Chance, aber keine reale politische Alternative mehr darstellte.

Die gegenteilige Auffassung Udo Wengsts ist nur haltbar, wenn man einige für die Entstehung, Entwicklung und das Scheitern der ersten deutschen Demokratie konstitutive Grundtatsachen außer acht läßt:

1. Die Weimarer Republik war eine Republik wider Willen. Sie war nicht das Kind einer siegreichen Revolution, deren Träger zielbewußt von langer Hand her auf die Ablösung der Monarchie und die Begründung einer demokratischen Republik hingearbeitet hatten. Die Weimarer Republik war das Produkt eines militärischen Zusammenbruchs und gewann in seinem Verlauf die Funktion eines „Rettungsankers": Der Sturz der Hohenzollern-Monarchie sollte der Tribut an die alliierten Siegermächte und der Preis für einen (nach den Vorstellungen der Zeit) erträglichen Frieden sein. Der Versailler Vertrag hat diese Hoffnungen nicht erfüllt und damit für die Deutschen in ihrer Mehrheit der Republik ihre tiefere politische Legitimation vorenthalten Daher und unter den traumatischen Wirkungen einer nicht verstandenen Niederlage, deren Konsequenzen man nicht hinzunehmen bereit war, stiftete nicht die republikanische Verfassung, sondern die Forderung der Revision von Versailles den schmalen Grundkonsens zwischen den Parteien in der Zeit der Weimarer Republik Dem entsprach, daß die Weimarer Republik auch von den sogenannten „Verfassungsparteien" SPD, Zentrum und Deutsche Demokratische Partei (ganz zu schweigen von der bürgerlichen Rechten) nur auf eine „gespaltene oder doppelte Loyalität" rechnen konnte

2. Die Weimarer Republik war eine unvollendete parlamentarische Demokratie. Ihrem Charakter einer improvisierten Republik wider Willen entsprach es, daß sie in ihrer geschriebenen wie in ihrer realen Verfassung (jedenfalls auf der Reichsebene) den Weg von der konstitutionellen Monarchie (die Bismarck in und seit dem preußischen Verfassungskonflikt der 1860er Jahre zementiert hatte) zur vollen parlamentarischen Demokratie und damit zum Parteienstaat nicht zu Ende gegangen ist. Institutionell hat diese Grund-tatsache vor allem ihren Ausdruck gefunden in der Konstruktion des Reichspräsidenten als einer Art „Ersatzkaiser" wie in der gleichsam extraparlamentarischen Position der Reichs-wehr als eines „Staates im Staat". Das bedeutete die Fortführung wesentlicher dualistischer Elemente der Verfassungsstruktur der konstitutionellen Monarchie (Dualismus Staatsoberhaupt/Parlament, zivile und militärische Gewalt) über die Zäsur von Oktoberreform und Novemberrevolution 1918 hinweg. Im labilen Gefüge des unvollendeten Parlamentarismus der Weimarer Republik konnte dabei der Artikel 48 der Reichsverfassung als eigentliches Machtattribut des „Ersatzkaisers" bereits ein Jahr nach der Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten in der Regierungskrise der Jahreswende 1926/27 — mutatis mu-tandis — den instrumentalen Stellenwert erlangen, den die Staatsstreichdrohung als konstitutives Element des Bismarckschen Regierungssystems inne hatte -

Geht man davon aus, daß der Charakter der ersten deutschen Demokratie als einer Republik wider Willen und als eines unvollendeten parlamentarischen Parteienstaates elementare Grundbedingung der deutschen Geschichte nach 1918 definierte, dann ergeben sich daraus zwei Schlußfolgerungen:

1. Der Untergang von Weimar beweist nicht das (zwangsläufige) Scheitern der Republik und des parlamentarischen Parteienstaats in der weltweiten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise seit dem Ende der 1920er Jahre. (Die Krisenüberwindung in alten Demokratien wie den USA und Großbritannien sind naheliegende Gegenbeispiele.) Der Untergang von Weimar belegt die mangelnde Fähigkeit einer Republik wider Willen und eines „unvollendeten Parteienstaats" (M. Stürmer), in den Rahmenbedingungen des Versailler Systems die Zuspitzung einer strukturellen Dauerkrise zu einer Existenzkrise zu bewältigen. 2. Der Untergang der Weimarer Republik kann in seinem Verlauf wie in seinen tieferen Voraussetzungen nicht angemessen erklärt, historisch begriffen und gerecht beurteilt werden, wenn man von vornherein die verantwortlichen Akteure der Jahre 1930— 1932 an einem republikanisch-parlamentarischen Idealbild mißt, das in dieser Form an der Wiege der Weimarer Demokratie nicht Pate gestanden und in der Wirklichkeit der Weimarer Republik — selbst im trügerischen Jahrfünft einer scheinbaren Stabilisierung zwischen 1923 und 1929 — keine Realität gefunden hatte Die „Selbstpreisgabe einer Demokratie" (K. D. Erdmann) nach 1930 ist histo-risch-politisch nur verständlich, wenn man die Jahre der Weimarer Republik als eine Spät-phase des Bismarck-Reiches begreift und die unzureichende strukturelle, institutionelle und personelle Problemlösungskapazität der ersten deutschen Demokratie als eine späte Folge der — wie es der Würzburger Staatsrechtslehrer Hasso Hofmann einmal formulierte — Bismarckschen „Utopie von der Vermeidbarkeit der Revolution ohne grundlegende Reformen" erfaßt.

Für die Beurteilung der Politik Brünings als einer gescheiterten konservativen Alternative zum Untergang von parlamentarischer Demokratie und Rechtsstaat bedeutet dies:

1. Das Schicksal der Republik wider Willen und des unvollendeten Parteienstaats hing entscheidend von der Frage ab, ob es gelang, das konservative und rechtsliberale Deutschland — und damit die alten Eliten in Militär, Wirtschaft und Bürokratie — für die Zusammenarbeit auf dem Boden der Verfassung (wenigstens als „Vernunftrepublikaner") zu gewinnen. Die Notwendigkeit einer derartigen konservativen Alternative lag seit der Entscheidung der Wähler gegen eine Mehrheit für die Parteien der Weimarer Koalition 1920 und seit dem Zerfall der Großen Koalition 1923 (für die nach einem Wort eines ihrer führenden sozialdemokratischen Mitglieder „auf keinem [innenpolitischen] Gebiete auch nur eine Stunde eine Einigung der Ansichten [... ] zu erzielen" war auf der Hand. Brüning hat dieses Ziel mit dem „Essener Programm" 1920 (das historisch im Vorfeld der CDU angesiedelt ist) und bei seinen spätestens seit 1923 belegten Versuchen verfolgt, die Deutschnationale Volkspartei auf dem Boden der Verfassung an der Regierung zu beteiligen. Als die sogenannte „Bürgerblock'-Koalition des Jahres 1927/28 scheiterte und danach Hugenberg in der DNVP die Repräsentanten eines konstruktiven Konservatismus aus der Parteileitung verdrängte, war im Grunde bereits die fundamentale Voraussetzung für die parlamentarische Tragfähigkeit der konservativen Alternative zur liberal-sozialen Option Stresemanns verloren. Der Mißerfolg der Volkskonservativen 1930 und die Obstruktionspolitik der DNVP Hugenbergs 1930— 1932 haben das Scheitern der konservativen Konzeption Brünings in ihrer ursprünglichen Fassung besiegelt. 2. Entgegen der pauschalen Subsumierung der drei Regierungen Brüning, Papen und Schleicher unter einen undifferenzierten Typus „Präsidialkabinett''durch Udo Wengst ist für die Beurteilung der Amtszeit Brünings als Reichskanzler folgendes festzuhalten:

a) Brünings ursprüngliches Konzept für die Krisenbewältigung war an dem Modell der Anfangsjahre der Weimarer Republik orientiert (sachlich und zeitlich begrenztes Ermächtigungsgesetz auf der Basis einer Zweidrittel-

majorität im Reichstag und/oder Einsatz des Artikels 48 der Reichsverfassung). Wesentlich dabei war, daß bereits für die Anfangsjahre der Weimarer Republik (um hier ein Urteil von Gerhard Schulz zu zitieren, das Udo Wengst S. 20 praktisch auf den Kopf stellt) „kaum" davon die Rede sein kann, daß die Handhabung des Artikels 48 einen „Ausnahmeweg der Legislatur" darstellte In der Zeit bis 1924/25 waren schon „alle Figurationen in Anwendung des Artikels 48 [... ] vorgegeben"

b) Brünings ursprüngliche Konzeption für eine Krisenbewältigung zielte nicht auf ein „Dauerregiment" (B 22, S. 7) mit den Notstands-vollmachten des Reichspräsidenten Eben sowenig hat Brüning den Schritt zum reinen Präsidialkabinett vollzogen, sondern immer Wert gelegt auf die Beibehaltung einer Tolerierungsmajorität im Reichstag und damit auf die parlamentarische Rückbindung seiner „Regierung über den Parteien". Darin beruht typologisch (wie politisch) der „tiefgreifende Unterschied" zu Papens System der „Regierung gegen die Parteien" Die Regierungsform des parlamentarisch abgestützten Präsidialkabinetts brachte zwar eine „eingreifende Verschiebung der konstitutionellen Gewichte [... ], aber der Boden der demokratischen Ordnung war noch nicht verlassen"; und „zwischen der Amtszeit Brünings und der letzten ihr folgenden Periode der Weimarer Republik klafft ein tiefer Unterschied, über den auch die nur scheinbare Fortführung der Notverordnungspraxis im alten Stil nicht hinwegtäuschen kann“

3. Die „Wiederkehr des . Obrigkeitsstaats im Gewand des bürokratischen Notverordnungsregimes'" (B 22, S. 9) in der Schlußkrise des „unvollendeten Parteienstaats" der Republik wider Willen widerspricht zwar unseren „posthumen Weisheiten" eines wünschenswerten parlamentarischen „Krisenmanagements"; sie war jedoch im Rahmen eines defizienten Parlamentarismus systemadäquat und hatte die „historische Logik der von Bismarck geprägten deutschen Verfassungsund Parteienentwicklung für sich" Die von Brüning zunächst nicht intendierte Variante seines Konzepts einer konservativen Alternative (die Regierung kraft Artikel 48 auf längere Dauer anstelle eines parlamentarischen Ermächtigungsgesetzes) scheiterte nicht an der Überforderung der parlamentarischen Tolerierungsmajorität, die mit Brüning einen Restbestand an parlamentarischer Demokratie aus der Staats-und Gesellschaftskrise zu retten suchte. Der Fehlschlag des Brüning-Kurses wurde besiegelt durch die „fatale Rolle einiger Personen" die in der Situation von 1930 so nicht fest kalkulierbar war und nicht vorhergesehen werden konnte. Insofern Hindenburg (mit seinen Beratern) und Schleicher als die Hauptverantwortlichen für die Entlassung Brünings in der Tradition des preußisch-deutschen Konservativismus wurzelten und die Rolle und Funktion der bewaffneten Macht im Staat aus den preußischen Traditionen definierten, scheiterte der konservative Preuße Brüning „gerade an der Ambivalenz der preußisch-konservativen Traditionen" (B 22, S. 16).

IV. Schlußbemerkung In meinem Aufsatz hatte ich ein zentrales Resultat meiner Betrachtungen in dem Satz zusammengefaßt: „Addiert man die außenpolitischen Belastungen der Weimarer Republik, ihre wirtschaftlich-sozialen Strukturprobleme wie die innen-und verfassungspolitischen Hypotheken, die die Weimarer Republik von der Hohenzollern-Monarchie übernommen hatte, dann leuchtet das Urteil ein, daß in den Jahren nach 1930 der Handlungsspielraum nicht mehr zur Verfügung stand, der zur Rettung von parlamentarischer Demokratie und Rechtsstaat notwendig war" (B 22, S. 16). Ernest Hamburger hat diesen Befund — auch aus der Erfahrung als preußischer SPD-Parlamentarier der Jahre 1925-1933 — wie folgt formuliert: Entscheidend für den Untergang der Weimarer Republik war, „daß das Parlament bereits im ersten Stadium der Wirtschaftskrise nicht mehr bereit und imstande war, seine eigentliche Aufgabe zu erfüllen, und daß bereits im zweiten Halbjahr 1929 die Wähler auf die erst im Anfang befindliche Depression weit über das durch die wirtschaftliche Lage verständliche Maß hinaus reagiert hatten. Der weitere Machtverfall des Reichstags war infolge der rapiden Verschärfung der Wirtschaftskrise und der Klassengegensätze sowie der leidenschaftlichen außerparlamentarischen Aktionen in der folgenden Zeit nicht aufzuhalten. Brüning hat diesen Prozeß gefördert und beschleunigt und hat dafür vor der Geschichte die Verantwortung zu tragen. Aber die demokratisch-parlamentarische Regierungsform war auch ohne das nicht mehr zu retten" Hamburgers Urteil ist aus meiner Sicht nur hinzuzufügen, daß Brüning „von seiner Zielsetzung aus gesehen [... ] nicht der erste Kanzler im . Auflösungsprozeß', sondern im abgeschnittenen Heilungsprozeß der deutschen Demokratie gewesen" ist.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Es erübrigt sich dabei, auf den polemischen lap-sus calami von Udo Wengst näher einzugehen, ich hätte die „wissenschaftliche Diskussion“ seit dem Erscheinen der Brüning-Memoiren „eher beiläufig oder überhaupt nicht zur Kenntnis" genommen (S. 19). Ich habe einen Aufsatz und kein Buch geschrieben; das letztere wäre notwendig gewesen, wenn ich eine „explizite Auseinandersetzung" hätte führen wollen. Für den Kenner der Brüning-Literatur der letzten 25 Jahre war ohnedies klar, wo ich an früheren Auffassungen festhalte bzw. mich von anderen Positionen abgrenze.

  2. Ernest Hamburger, Betrachtungen über Heinrich Brünings Memoiren, in: Internationale Wissenschaftliche Korrespondenz zur Geschichte der Arbeiterbewegung 15, 1972, S. 31.

  3. Ekhard Wandel, Hans Schäffer, Stuttgart 1974,

  4. Wolfgang J. Helbich, Die Reparationen in der Ära Brüning, Berlin-Dahlem 1962, S. 29.

  5. Winfried Glashagen, Die Reparationspolitik Heinrich Brünings 1930— 1931, Phil. Diss. Bonn 1980, Bd. I, S. 553 u. 564. — Udo Wengsts Verweis darauf, daß in dem „ersten von der Regierung Brüning vorgelegten Regierungsprogramm" die Revision des Young-Plans „keine Rolle" (S. 22) spielte, wäre ein merkwürdiges Juristenargument des „quod non est in actis non est in mundo", wenn damit Brünings öffentliche Regierungserklärung vor dem Reichstag am 1. April 1930 gemeint sein sollte. Der Young-Plan war am 13. März 1930 zum Reichsgesetz geworden; die Räumung des Rheinlandes als die wichtigste unmittelbare Folge des Young-Plans wurde von der französischen Regierung am 17. Mai 1930 angeordnet. War es schon deswegen denkbar, daß die Reichsregierung vor aller Öffentlichkeit bereits am 1. April ihre Revisionsabsichten ankündigte?

  6. Franz Knipping datiert den „Anfang vom Ende der Reparationen" auf die Einberufung des Beratenden Sonderausschusses im November 1931 (vgl.seinen gleichnamigen Beitrag zu: Josef Becker u. Klaus Hildebrand, Hgg., Internationale Beziehungen in der Weltwirtschaftskrise 1929- 1933, München 1980, S. 211 ff.).

  7. Vgl. Hans Mommsen, Heinrich Brünings Politik als Reichskanzler, in: Karl Holl (Hrsg.), Wirtschaftskrise und liberale Demokratie, Göttingen 1978, S. 31.

  8. Arnold Brecht, Gedanken über Brünings Memoiren, in: Politische Vierteljahresschrift 12, 1971, S. 628.

  9. Vgl. dazu meinen Versuch einer knappen Zwischenbilanz der wissenschaftlichen Diskussion: Zit. in B 22, S. 14 Anm. 11 sowie Probleme der Außenpolitik Brünings, in: Becker/Hildebrand, Internationale Beziehungen, S. 283 ff.

  10. Unter Hegenomie verstehe ich dabei eine Machtposition, „die in einem geographisch definierten Bereich von Staaten keine Mächtekombination (... zuläßt), die das ökonomische, militärische und politische Potential“ der Hegemonialmacht „übertrifft oder ausbalanciert und damit den entscheidenden direkten oder informellen Einfluß dieser Hegemonialmacht auf das gegebene Macht-und Staaten-system aufhebt" (Becker/Hildebrand, Internationale Beziehungen, S. 422). - Im übrigen hatte ich nicht - wie Wengst irrtümlich schreibt (S. 25) - Brüning das Ziel einer „dominierenden Großmacht“ für das Deutsche Reich, sondern das der „stärksten Großmacht" (in einem neuen Gleichgewichtssystem) zugeschrieben (B 22, S. 14).

  11. Henry Ashby Turner Jr., Stresemann und das Problem der Kontinuität in der deutschen Außenpolitik, in: Gilbert Ziebura (Hrsg.), Grundfragen der deutschen Außenpolitik seit 1871, Darmstadt 1976, S. 300.

  12. Vgl. dazu meine Skizze: Die Deutsche Frage als Problem des internationalen Staatensystems, in: Josef Becker (Hrsg.), Dreißig Jahre Bundesrepublik — Tradition und Wandel, München 1979, und jetzt insbesondere Andreas Hillgruber, Die gescheiterte Großmacht, Düsseldorf 1980.

  13. So Turner (Stresemann, S. 296) mit Bezug auf Stresemann

  14. Vgl. dazu Theodor Eschenburg, Die improvisierte Demokratie der Weimarer Republik, Laupheim o. J. (Zitat: S. 33).

  15. Nichts illustriert dies deutlicher als die Tatsache, daß selbst die SPD wenige Wochen nach dem mutigen Nein, das sie als einzige Reichstagspartei dem Ermächtigungsgesetz für Hitler am 23. März 1933 entgegenstellte, am 17. Mai 1933 der außenpo•litischen „Friedensrede" Hitlers zustimmte, die ganz in der Tradition der Weimarer Revisionspolitik zu stehen schien. Vgl. generell dazu Michael Salewski, Das Weimarer Revisionssyndrom, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 2/80 (dessen zugespitzte Wertungen ich allerdings nicht teile).

  16. So Theo Pirker („auch in der Arbeiterbewegung sei [.. . eine selbstverständliche Loyalität zur Republik ebenso die Ausnahme gewesen wie in anderen Teilen der Gesellschaft") in: Karl Dietrich Erdmann, Hagen Schulze (Hrsg.), Weimar — Selbstpreisgabe einer Demokratie, Düsseldorf 1980, S. 202.

  17. Vgl. meine kleine Dokumentation: Zur Politik der Wehrmachtabteilung in der Regierungskrise 1926/27, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 14, 1966.

  18. Vgl. dazu auch A. Hillgruber in: Erdmann/Schul-ze, Weimar, S. 141.

  19. Zit. nach meinem Aufsatz: Heinrich Brüning in den Krisenjahren der Weimarer Republik, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 17, 1966, S. 211.

  20. Die Passage, aus deren Zusammenhang Udo Wengst das Zitat gelöst hat, lautet: „Wie jede effektvoll genutzte Handhabe die Tendenz zur Wiederholung in sich trägt, hat dieses Mittel der außerordentlichen Gesetzgebung in kritischen Jahren eine überaus häufige und umfangreiche Inanspruchnahme und Bevorzugung erfahren. Von einem Ausnahmeweg der Legislatur kann daher kaum noch gesprochen werden" (Gerhard Schulz, Artikel 48 in historisch-politischer Sicht, in: Ernst Fraenkel (Hrsg.), Der Staatsnotstand, Berlin 1965, S. 52). — Schleierhaft ist mir übrigens geblieben, was Udo Wengst mit seiner Feststellung meint, daß die Anwendung „des Art. 48 durch Brüning von Anfang an diametral [! ] anderen Zielen diente als zu Beginn der Republik" (S. 24). In den Anfangsjahren wurde der Artikel 48 vor allem für finanz-und wirtschaftspolitische Maßnahmen wie zur Sicherung der Staatsordnung gegen illegale Umsturzversuche von rechts und links eingesetzt. Was waren dann die „diametral anderen Ziele" Brünings?

  21. So Günter Abramowski in: Erdmann/Schulze, Weimar, S. 194. Daß dieser Sachverhalt das Defizit der Weimarer Parteien an Kompromißfähigkeit erheblich verstärkte, ist eine communis opinio der Forschung. Da Udo Wengst einen entsprechenden Hinweis bei mir vermißt, mag es gerechtfertigt sein, folgende Passage aus meinem früheren Brüning-Aufsatz zu zitieren: „Gemäß den Traditionen des deutschen Obrigkeitsstaates und seiner Parteien-mentalität wirkte der Artikel 48 allein durch seine Existenz im Sinne einer Wahrung des alten Verhältnisses von Legislative und Exekutive, das hieß im Sinne einer Fixierung der mangelnden Verantwortungsbereitschaft und des fehlenden Machtinstinkts der Parteien" (s. Anm. 23, S. 217).

  22. Vgl. dazu auch die Diskussionsbeiträge von Kurt Birrenbach, Rudolf Morsey und mir, in: Erdmann/Schulze, Weimar, S. 196 und 207.

  23. So Karl Dietrich Bracher (Demokratie und Machtvakuum: Zum Problem des Parteienstaats in der Auflösung der Weimarer Republik, in: Erdmann/Schulze, Weimar, S. 124).

  24. Ulrich Scheuner, Die Anwendung des Art. 48 der Weimarer Reichsverfassung unter den Präsidentschaften von Ebert und Hindenburg, in: Ferdinand A. Hermens u. Theodor Schieder (Hrsg.), Staat, Wirtschaft und Politik in der Weimarer Republik, Berlin 1967, S. 277 und 281.

  25. Becker, Brüning, S. 216. — Auf die Einwände, die Udo Wengst gegenüber meiner knappen Erwähnung der monarchischen Restaurationsabsichten Brünings machte, kann ich hier nur folgendes erwidern: 1. Auf „deren Problematik" und die damit verbundenen „nahezu unüberwindlichen dynastischen Probleme" habe ich mit einem entsprechenden Literaturverweis ausdrücklich hingewiesen (B 22, S. 14, Anm. 12). 2. Daß Brüning auf keine positive Resonanz bei Hindenburg stieß, ist bereits in meinem (in B 22, S. 3 zit.) Aufsatz in der Historischen Zeitschrift 196, 1963, S. 110 nachzulesen. 3. Für die Bewertung der monarchischen Restaurationspläne sollte man vielleicht doch berücksichtigen, „daß sowohl Friedrich Ebert als auch Stresemann [... ] in der Wiederherstellung der Monarchie nicht nur ein legitimes, sondern auch realistisches Fernziel sahen" (Salewski, Weimarer Revisionsyndrom, S. 21) und daß, „setzt man einmal die Problematik jeder Restauration [... ] und die Belastung der Hohenzollern [... ]

  26. So Bracher (Demokratie und Machtvakuum, S. 133) mit Bezug auf die Verantwortung für das Scheitern der Republik und die Machtergreifung Hitlers (s. die folgende Anm.).

  27. Hamburger, a. a. O., S. 38 f. Rudolf Morsey formulierte kürzlich pointiert, die Weimarer Republik brauchte sich „gar nicht aufzulösen [... ], da sie gemessen an Geist und Postulat ihrer Verfassungsgrundlage auch vorher nicht real existierte"; bei der gleichen Gelegenheit zog Karl Dietrich Bracher das Fazit: „Das Scheitern der Republik war wohl schwer vermeidbar, doch bis zuletzt zeichneten sich alternative Möglichkeiten ab-, die fatale Rolle weniger Personen und ihrer Entscheidungen gab dann schließlich den Ausschlag"; Knut Borchardt kam bei einer Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung der Weimarer Republik bis 1929 zu dem Schluß: „Die Situation war bei ausbleibendem raschen Wachstum nicht mehr dauerhaft regierbar — und das ist eben das Scheitern der Republik noch vor der Weltwirtschaftskrise" (Erdmann/Schulze, Weimar, S. 193, 133 und 238).

  28. Werner Conze, Die Reichsverfassungsreform als Ziel der Politik Brünings, in: Der Staat 11, 1972, S. 215.

Weitere Inhalte

Josef Becker, Dr. phil., geb. 1931 in Buchen (Baden), o. Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Augsburg. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts mit den Schwerpunkten Parteiengeschichte, Verhältnis Staat und Kirche, deutsch-französische Beziehungen, Deutsche Frage, zuletzt: Liberaler Staat und Kirche in der Ära von Reichsgründung und Kulturkampf, Mainz 1973; (Hrsg, gemeinsam mit Rolf Bergmann) Wissenschaft zwischen Forschung und Ausbildung, München 1975; (Hrsg, gemeinsam mit Theo Stammen und Peter Waldmann) Vorgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, München 1979; (Hrsg.) Dreißig Jahre Bundesrepublik — Tradition und Wandel, München 1979; (Hrsg, gemeinsam mit Klaus Hildebrand unter Mitarbeit von Klaus-Peter Prem, Marie Luise Recker und Rolf Wenzel) Internationale Beziehungen in der Weltwirtschaftskrise 1929— 1933, München 1980.