Während sich mehrere Einzelgewerkschaften auf die tarifpolitische Auseinandersetzung mit den Arbeitgeberverbänden über einen „Einstieg in die 35-Stunden-Woche" vorbereiten, wird von verschiedenen Seiten die Flexibilisierung der Arbeitszeit als Alternative zu generellen Arbeitszeitverkürzungen vorgeschlagen. Individuelle Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit und Job-sharing würden demgemäß im Wege einer freiwilligen Verringerung des Arbeitsangebots durch viele Beschäftigte mindestens ebenso wirksam zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen wie eine kürzere Normalarbeitszeit. Die Ergebnisse einer Repräsentativbefragung der Beschäftigten zeigen jedoch, daß das Potential solcher Arbeitnehmer, die auf Arbeitszeit und -einkommen verzichten würden, erheblich geringer ist als der Anteil derjenigen, die flexible Arbeitszeiten generell befürworten. Die für sich selbst an Arbeitszeitflexibilisierung interessierten Arbeitnehmer entsprechen nur zum Teil dem Profil der betrieblichen Nachfrage nach Teilzeitarbeitskräften. Weil im Bereich der verhältnismäßig „unqualifizierten“ Teilzeitarbeit Arbeitsplätze ohnehin entsprechend den betrieblichen Rentabilitätskriterien angeboten werden, aber in „qualifizierteren" Tätigkeitsbereichen, nur ein eng begrenztes Interesse an einem zeitflexiblen Arbeitskräfteeinsatz besteht, sind die Entwicklungsmöglichkeiten der freiwilligen Teilzeitarbeit wesentlich ungünstiger, als es in der arbeitspolitischen Diskussion behauptet wird. Der gelegentlich an die Gewerkschaften gerichtete Vorschlag, die unterschiedlichen Angebots-und Nachfrageprofile durch Tarifierung geeigneter Rahmenbedingungen flexibler Arbeitszeit einander anzunähern, stößt in der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation auf ausgesprochen schwierige Verwirklichungsbedingungen: Quantität und „Qualität" der Teilzeitarbeit stehen in einem reziproken Verhältnis zueinander, was zur Folge hat, daß größere als die im Wege der „Freiwilligkeit" entstehenden Beschäftigungseffekte nur durch Benachteiligung von Arbeitnehmern mit bereits heute besonders ungünstigen Arbeitsmarktchancen erzielt werden können. Arbeitszeitflexibilisierung kann daher nicht als gleichwertige Alternative zu allgemeinen Arbeitszeitverkürzungen angesehen werden.
In den Tarifverhandlungen des Jahres 1984 wird die von der IG Metall und anderen Einzelgewerkschaften erhobene Forderung nach einem Einstieg in die 35-Stunden-Woche der wichtigste Konfliktgegenstand sein. Nach dem gescheiterten Streik der Stahlarbeiter 1978/79 wird damit erneut der Versuch unternommen, durch eine allgemeine, kollektivvertraglich abgesicherte Arbeitszeitverkürzung einen wirksamen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit zu leisten. Die Arbeitgeber stellen die Beschäftigungswirksamkeit solcher Vereinbarungen jedoch weiterhin nachdrücklich in Abrede, weil sie wegen der damit verbundenen Kostensteigerungen Wettbewerbs-nachteile erwarten, die sich mittelfristig nachteilig auf die Beschäftigungsentwicklung auswirken würden. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, wenn schon im Vorfeld der Auseinandersetzung scheinbar weniger konfliktträchtige arbeitszeitpolitische Maßnahmen als Alternativen offeriert werden. Gemeint sind die Vorschläge zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, die allesamt davon ausgehen, daß in beschäftigungspolitisch wirksamer Größenordnung Arbeitszeit „umverteilt" werden könnte, wenn die Arbeitnehmer die Möglichkeit erhielten, ihre Wunsch-arbeitszeit (in Länge und Lage) individuell mit dem Arbeitgeber auszuhandeln Dann näm-lich — so die Hoffnung — würde ein Großteil der Beschäftigten (auch unter Inkaufnahme von Einkommensverringerungen) Arbeitszeiten deutlich unter dem kollektivvertraglich vereinbarten Standard wählen.
Ohne auf die Durchsetzungschancen und den Beschäftigungserfolg genereller (Wochen-) Arbeitszeitverkürzungen einzugehen, soll im folgenden dargelegt werden, daß die — nach Aussage von Meinungsumfragen von vielen Arbeitnehmern gewünschte und inzwischen auch von den Arbeitgebern befürwortete — Flexibilisierung der Arbeitszeiten weder hinsichtlich der zu erwartenden Beschäftigungseffekte noch hinsichtlich von Verwirklichungsbedingungen, sozialer Betroffenheit und Folgewirkungen als gleichwertige Alternative zu kollektivvertraglichen Arbeitszeit-verkürzungen angesehen werden kann
I. Arbeitnehmerpräferenzen für Teilzeitarbeit
Gegenwärtig beträgt der Anteil der Teilzeitbeschäftigten etwa 15 % und zweifellos bestehen in erheblichem Umfang unbefriedigte Wünsche nach Arbeitszeiten unterhalb der geltenden Norm der 40-Stunden-Woche — sowohl bei Vollzeitbeschäftigten als auch bei gegenwärtigen Nicht-Erwerbstätigen. Gäbe man allen Beschäftigten (und den Erwerbswilligen) die Möglichkeit, ihre Wunscharbeitszeit zu realisieren, so wird vermutet, daß „rd. 13 % des gegenwärtig realisierten Arbeitsvolumens zur Disposition steht", ein Quantum, das ausreichen würde, „die gleichzeitige Unterbeschäftigung von Erwerbspersonen (Arbeitslose und Stille Reserve) zu beheben“ Ähnlich jüngst die Behauptung von Grottian u. a., es gäbe „quer durch alle Einkommens-und Berufsgruppen über 5 Millionen Erwerbstätige, das entspricht etwa einem Viertel der Vollzeitbeschäftigten, die sich Teilzeitarbeit wünschen, sie aber nicht bekommen können“ Derartige Behauptungen sind nicht nur „vorsichtig einzuschätzen"'— wie Scharpf einräumt —, eine „Überbeschäftigung" in dieser Größenordnung ist schlichtweg unrealistisch, wie im folgenden belegt werden soll.
Welches Arbeitsvolumen tatsächlich zur Umverteilung anstünde, könnten die individuellen Wunscharbeitszeiten verwirklicht werden, ist noch schwieriger zu prognostizieren als die Zahl derjenigen, die überhaupt kürzere Arbeitszeiten wünschen. Aber schon die verschiedenen Schätzungen zur Zahl der „Verzichtsbereiten" geben zu Zweifeln Anlaß. Bei Meinungsumfragen zu diesem Thema kommt es entscheidend darauf an, daß der Zusammenhang zwischen kürzerer Arbeitszeit und dementsprechend verringertem Einkommen realistisch vom Befragten vergegenwärtigt wird; denn man wird davon ausgehen müssen, daß eine Ausweitung der freiwilligen Teilzeitarbeit zumindest in der Mehrzahl der Fälle mit deutlichen Lohn-bzw. Gehaltsabschlägen verbunden wäre.
Zwar könnte in manchen Fällen, je nach der Bewertung des Tausches „Zeit gegen Geld“, der Aspekt des Geldverlustes nebensächlich sein gegenüber dem Aspekt des Zeitgewinnes. Aber je nach Attraktivität und Realisierungsmöglichkeit alternativer Zeitverwendungsmuster wird die soziale Bedeutsamkeit des entgangenen Einkommens durchaus unterschiedlich beurteilt. Angesichts der diffizilen situativen Besonderheiten müssen alle Umfragen mehr oder weniger schematisch von den Umständen im Einzelfall abstrahieren, um einen repräsentativen Überblick zu erhalten. Die bisher vorliegenden Umfragen zur Abschätzung des Potentials freiwilliger individueller Arbeitszeitreduzierungen haben jedoch methodisch oft einen Weg gewählt, der leicht zu einer Überschätzung des umzuverteilenden Arbeitsvolumens führt. Sie haben bei den Befragten zum einen Entscheidungskriterien aktualisiert, die eine Präferenzäußerung für Gewinne an arbeitsfreier Zeit erleichtern. Zum anderen gehen sie von einem hohen Grad der Übereinstimmung zwischen fiktiven und realen Entscheidungen aus und fragen nach der gewünschten prozentualen Verringerung der Arbeitszeit. Da dabei die Gefahr besteht, daß die Interviewten überfragt werden, suggerieren die Angaben über die Wunscharbeitszeiten eine „Scheingenauigkeit", die wohl publizistische Wirkung erzielen mag, die aber zur Abschätzung des Volumens der „Überbeschäftigung" nur unter großen Vorbehalten herangezogen werden kann In einer eigenen Untersuchung wurde auf eine solche Quantifizierung der möglicherweise frei werdenden Arbeitsvolumina verzichtet und statt dessen der Versuch unternommen, die Personengruppe, in der solche Präferenzen verbreitet sind, im Hinblick auf ihre sozialstrukturelle Einordnung und ihre Beschäftigungssituation zum Befragungszeitpunkt näher zu bestimmen. Grundlage ist eine Befragung von ca. 1 000 beschäftigten Arbeitnehmern im Alter von 18 bis 60 Jahren, die regelmäßig 19 und mehr Stunden pro Woche arbeiten. Die Interviews wurden im Herbst 1981 durchgeführt. Zur Möglichkeit individueller Arbeitszeitvereinbarungen nahmen die Befragten folgendermaßen Stellung: „Nehmen wir einmal an, es gäbe eines Tages die Möglichkeit, daß jeder die Dauer seiner regelmäßigen Wochenarbeitszeit nach den eigenen Einkommensbedürfnissen mit dem Betrieb frei vereinbaren könnte — z. B. irgendwo zwischen 10 und 40 Stunden pro Woche.
Würden Sie eine solche Möglichkeit befürworten, nur für bestimmte Fälle befürworten oder ablehnen?"
Die Befragten, die eine Arbeitszeitflexibilisierung nur für bestimmte Fälle befürworten wollten, wurden näher über ihre Motive befragt. Die Mehrheit derjenigen, die individueile Arbeitszeitvereinbarungen nur für bestimmte Fälle befürworten, will diese Möglichkeit auf Arbeitnehmer beschränkt wissen, von denen im allgemeinen angenommen wird, daß sie eine vollzeitige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können bzw. nicht auszuüben wünschen: nämlich Frauen mit familiären Verpflichtungen, Personen in Aus-und Weiterbildung, Rentner u. ä. Bei den 30 % der Befragten, die die Arbeitszeitflexibilisierung ablehnen, sind betriebliche Organisationsprobleme der meistgenannte Grund (58 %); an zweiter Stelle folgt die Befürchtung, daß sich „nachteilige Auswirkungen auf die Arbeitsmoral" ergäben (24 %). Nur eine Minderheit von 13 % lehnt Arbeitszeitflexibilisierung wegen „nachteiliger Auswirkungen auf die Arbeitnehmer" ab. Faßt man die Ablehnenden und die bedingten Befürworter zusammen, dann läßt sich das Meinungsbild von knapp der Hälfte der Befragten folgendermaßen umschreiben: Individuelle Arbeitszeitvereinbarungen werden als Privilegierung von Teilen der Arbeitnehmerschaft auf Kosten des reibungslosen Funktionierens betrieblicher Abläufe betrachtet. Arbeitsverhältnisse nach diesem Muster würden nur dort gutgeheißen werden, wo sie sich zwanglos in die etablierten Abläufe einpassen ließen und wenn besondere soziale Situationen den Flexibilisierungswunsch rechtfertigen. In allen anderen Fällen träfen jene Beschäftigten, die Anspruch auf eine zeitreduzierte Beschäftigung erheben, vermutlich auf den Widerstand und die Mißbilligung ihrer Kollegen, die solche, gegen die Anforderungen der Arbeitswelt gerichteten Ansprüche schlechthin für illegitim halten.
Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang auch, wie die Arbeitnehmer die Einstellung relevanter Gruppen zur Arbeitszeitflexibilisierung einschätzen. Wie aus Tabelle 1 hervorgeht, überwiegt sowohl bei den Befürwortern als auch bei den Ablehnenden (einschließlich der bedingt Befürwortenden) eine unzutreffende Wahrnehmung der Konflikt-front: Wie insbesondere die Einschätzung der Gewerkschaften als Befürworter individueller Arbeitszeitvereinbarungen zeigt, sind die in der arbeitspolitischen Kontroverse vorgebrachten Forderungen und Argumente weitgehend unbekannt. Des weiteren fällt auf, daß viel häufiger Befürwortung durch andere unterstellt wird, als die Befragten selbst ausdrücken: Während rund 80 % aller Befragten (Befürworter und Ablehnende) der eigenen Familie und immerhin noch 67 % den Arbeitskollegen eine Pro-Haltung unterstellen, weisen sich tatsächlich nur 52 % selbst als Befürworter aus. Neben der Häufigkeit, mit der bestimmte Gruppen den Befürwortern bzw. Gegnern der Arbeitszeitflexibilisierung zugerechnet werden (Tab. 1), läßt sich auch ermitteln, welche Zurechnungen und Selbsteinstufungen besonders häufig zusammen auftreten. Gruppiert man die Befragten zu diesem Zweck nach typischen Meinungsmustern, so zeigt sich:
a) Die größte Gruppe, zu der rund 35 % der Befragten zählen, befürwortet die Arbeitszeitflexibilisierung und glaubt sich einer Meinung mit Gewerkschaften und in Gegnerschaft zu den Unternehmern.
b) Die zweitgrößte Gruppe (zu ihr rechnen 26 % der Befragten) sieht sich auf der Seite der Unternehmer und teilt deren (vermeintliche) Ablehnung individueller Arbeitszeitabsprachen. Die Gewerkschaften werden hier als Befürworter solcher Regelungen eingeschätzt. c) Die drittgrößte Gruppe (rund 18% der Befragten) lehnt die Arbeitszeitflexibilisierung ebenfalls ab, sie glaubt sich dabei aber in einer Front mit den Gewerkschaften und Unternehmen. d) Auch die viertgrößte Gruppe (mit 11%) sieht die institutionellen Kräfte in ihrer Gegnerschaft vereint, aber zählt sich zu den Befürwortern flexibler Regelungsformen.
e) Schließlich teilen 6% der Befragten die realitätsgerechte Auffassung, daß die Gewerkschaften zu den Gegnern, die Unternehmer dagegen zu den Befürwortern von Arbeitszeitflexibilisierung zu rechnen sind. (Diese Gruppe „Informierter" besteht je zur Hälfte aus Befürwortern und Ablehnenden.)
Diese Befragungsergebnisse lassen auf erhebliche Informationsdefizite schließen. Die Fehleinschätzung der Gewerkschaftsposition zeigt, daß mindestens zwei Drittel der Befragten von der Diskussion über Teilzeitarbeit und flexibler Arbeitszeit nicht erreicht wurden. So dürfte auch kaum eine zureichende Kenntnis jener Nachteile verbreitet sein, die Arbeitnehmer bei diesen Arbeitszeitformen zu gewärtigen haben. Der besonders hohe Anteil von Fehlinformierten in der Gruppe der Befürworter (rund 75%) legt zwei Schlußfolgerungen nahe. Einmal scheint die Befürwortung flexibler Arbeitszeit nur zum geringeren Teil als akuter persönlicher Arbeitszeitwunsch zu werten zu sein; zum anderen ist mit zunehmendem Bekanntheitsgrad der gewerkschaftlichen Bedenken mit einer abnehmenden Befürwortungsbereitschaft zu rechnen.
Die Befürwortung der Arbeitszeitflexibilisierung sagt noch nichts darüber aus, ob mit einer Erweiterung der Möglichkeit, Wunsch-arbeitszeiten individuell auszuhandeln, ein Arbeitsmarktentlastungseffekt auch tatsächlich eintritt. In den persönlichen Präferenzen der Befürworter von Arbeitszeitflexibilisierung müßte a) die Bereitschaft erkennbar werden, in nennenswertem Umfang, d. h. unter Inkaufnahme von Einkommenseinbußen, die Arbeitszeit zu verringern. Auf der Seite der Arbeitskraftnachfrage muß b) komplementär dazu die Bereitschaft existieren, die „rückzugswilligen" Arbeitnehmer auch in dem gewünschten Umfang zeitlich freizustellen und die ausfallende Arbeitszeit als zusätzliche Nachfrage am Arbeitsmarkt geltend zu machen. Wie im folgenden anhand einer weiteren Aufschlüsselung der Daten gezeigt werden kann, muß bezweifelt werden, daß diese beiden Komponenten eines möglichen Arbeitsmarktentlastungseffekts in der von den Befürwortern einer „Neuen Arbeitszeitpolitik" erhofften Weise konvergieren. Einerseits erscheint das Rückzugspotential als zu gering und zudem als nur teilweise realisierbar, andererseits wird die kompensatorische Mehr-nachfrage der Unternehmen aus noch darzulegenden Gründen geringer als häufig erwartet ausfallen.
Der Anteil derjenigen, die zu (einer beliebigen Form von) Arbeitszeitverkürzungen bei Einkommenseinbußen bereit sind, wurde mit folgender Frage ermittelt:
„Wenn mehr arbeiten auch mehr Einkommen bedeutet und weniger arbeiten weniger Einkommen zur Folge hat, möchten Sie dann persönlich mehr arbeiten, weniger arbeiten oder genausoviel arbeiten wie zur Zeit?“
In der Frage wird zwar unmißverständlich der trade-off zwischen Zeit und Geld aktualisiert, darüber hinaus werden jedoch keine weiteren Entscheidungskriterien suggeriert. Wenn man die daraufhin geäußerten Präferenzen für kürzere, unveränderte und längere Arbeitszeit mit der jeweiligen Position der Befragten zur Arbeitszeitflexibilisierung kreuztabelliert, so ergibt sich die in Tabelle 2 wiedergegebene Verteilung.
Es bevorzugen immerhin 20% der Befürworter flexibler Arbeitszeiten eine Verringerung ihrer Arbeitszeit und Einkommen, aber umgekehrt wollen über zwei Drittel der Befürworter keinerlei Veränderung. Ein kleiner Teil der Befürworter möchte die Möglichkeit individueller Regelung sogar zur Ausdehnung seiner Arbeitszeit nutzen. Die große Zustimmung, die der Vorschlag individueller Arbeitszeitvereinbarung findet, darf also nicht darüber hinwegtäuschen, daß man diese Wahlfreiheit nur zum geringen Teil zur Verkürzung der eigenen Arbeitszeit nutzen will und zum überwiegenden Teil als eine Option für andere Beschäftigte betrachtet
Arbeitsmarktpolitische Hoffnungen können sich nur an die Präferenzen jener Gruppe von Arbeitnehmern knüpfen, die sowohl die Möglichkeit individueller Arbeitszeitabsprachen befürworten als auch ein Interesse daran bekunden, diese Möglichkeit trotz der mit ihr verbundenen Einkommenseinbußen selbst auch wahrzunehmen. Es handelt sich dabei um rund 10% aller Vollzeitbeschäftigten (89 Befragte in der Stichprobe), die als „echtes“ Potential verkürzungsbereiter Befürworter von flexiblen Arbeitszeiten angesehen werden können.
In dieser Gruppe sind Frauen überproportional vertreten (37 % gegenüber 28 % unter allen Vollzeitbeschäftigten). Auch Personen aus Haushalten mit zwei Erwerbstätigen und alleinstehende Erwerbstätige sind hier überdurchschnittlich häufig anzutreffen. Dagegen sind Haushalte, in denen Kinder unter 18 Jahren leben, deutlich unterrepräsentiert. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen liegt ca. 200 DM über dem allgemeinen Durchschnitt. Dies ist sowohl Folge der überdurchschnittlichen Erwerbsbeteiligung als auch eines hohen Sozialstatus der Haushaltsangehörigen: Von den gehobenen und höheren Angestellten und Beamten gehören dreimal so viele Personen zu dieser Gruppe (15, 2 %) wie von den un-und angelernten Arbeitern (5, 2 %). Soweit sie verheiratet sind, ist auch der soziale Status der Partner der Befragten überdurchschnittlich hoch.
Besonders deutlich weichen die „verkürzungsbereiten" Befürworter von Arbeitszeitflexibilisierung hinsichtlich ihrer soziopolitischen und arbeitsbezogenen Werthaltungen von den übrigen Befragten ab. „Postmaterialisten" nach der Definition von Inglehart sind überproportional vertreten; das Wertmuster der konventionellen Leistungsethik findet wenig Anklang. Die Mehrheit dieser Gruppe hängt eher einem Wertmuster an, das leistungsethischen Werten polar entgegengesetzt ist und eine Bewertung des Lebensbereichs Arbeit aus einer „arbeitsfernen Perspektive" ausdrückt -Am häufigsten ist dieses Wertmuster unter jüngeren (etwa bis zum 40. Lebensjahr), gut ausgebildeten Arbeitnehmern in Akademiker-und Managerberufen sowie in sozialen Dienstleistungsberufen anzutreffen. Diese Berufsgruppen sind überproportional in der Kategorie der Verkürzungs/Flexibilisierungsinteressenten vertreten.
Insbesondere für die zuletzt genannten Berufsgruppen, grundsätzlich aber auch bei allen Interessenten für individuelle Arbeitszeit-verkürzungen, ist die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, daß nur ein geringer Teil (vermutlich weit weniger als die Hälfte) der individuellen Arbeitszeit zur Disposition steht. Wenn wie in der vorgenannten Gruppe mit durchschnittlich 43 Wochenstunden über-normale Arbeitszeiten anfallen, dürfte sich das individuelle Verkürzungsinteresse nicht selten auf die Verwirklichung der 40stündigen Normalarbeitszeit statt auf eine weit darunter liegende Wochenstundenzahl richten. Insgesamt kann man die Gruppe derer, die bereit wären, die (selbst befürwortete) Möglichkeit individueller Arbeitszeitregelung auch selbst im Sinne einer Arbeitszeitverkürzung zu nutzen, in zwei Typen unterteilen.
Der eine Typ repräsentiert Arbeitnehmer, für die aufgrund ihres sozioökonomischen Hintergrunds Einkommensreduzierungen tragbar sind, für die Arbeit nicht der zentrale Lebensbereich ist und die dennoch in der betrieblichen Hierarchie nicht „ganz unten“ stehen, sondern auch in dispositiven und administrativen Arbeitsrollen zu finden sind. Für diesen Typ der Flexibilisierungs-/Verkürzungsinteressenten muß allerdings angenommen wer-den, daß entsprechende Arbeitnehmerwünsehe wegen entgegenstehender betrieblicher Interessen und Organisationsprobleme oft nur begrenzt realisierbar sind.
Der andere Typ repräsentiert eine Kategorie von Arbeitnehmern in Handels-, Verkehrsfeinschließlich Post) und gewerblichen Dienstleistungsberufen, aber auch in Büroberufen und selbst in „blue-collar" -Tätigkeiten. In einigen dieser Berufsbereiche ist Teilzeitarbeit (bis 35 Wochenstunden) schon gegenwärtig überproportional verbreitet. Flexible und kürzere Arbeitszeiten sind hier überwiegend im Zuge von Rationalisierungsinitiativen der Unternehmen eingeführt worden.
Als Fazit ist festzuhalten: Die breite Befürwortung flexibler Arbeitszeiten verleitet zu einer erheblichen Überschätzung des Arbeitsvolumens, das nach Verwirklichung akuter Änderungswünsche als kompensatorische Arbeitskraftnachfrage der Betriebe erwartet werden kann. Der Anteil des durch Arbeitszeitflexibilisierung umverteilbaren Arbeitszeitvolumens ist weit geringer einzuschätzen als bisher angenommen, weil erstens die „verzichtsbereiten“ Arbeitnehmer nur einen Teil ihrer Arbeitszeit (vermutlich weniger als die Hälfte) „abtreten" möchten, zweitens nicht alle Änderungswünsche organisatorisch berücksichtigt werden können und drittens zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse nur in dem Maße entstehen werden, wie das „freigegebene" Arbeitsvolumen nicht durch Rationalisierungsmaßnahmen verringert wird.
II. Betriebliche Interessen an Arbeitszeitflexibilisierung
Abbildung 2
Tabelle 2: Der Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach veränderter Arbeitszeitdauer und der Befürwortung flexibler Arbeitszeit (nur Vollzeitbeschäftigte, in %)
Tabelle 2: Der Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach veränderter Arbeitszeitdauer und der Befürwortung flexibler Arbeitszeit (nur Vollzeitbeschäftigte, in %)
Seit mehreren Jahren wird in Appellen der Politiker und der Verbände auf ein großes Potential von Arbeitsplätzen hingewiesen, die in arbeitsorganisatorischer bzw. technischer Hinsicht „teilbar" sind Mangelt es demnach nuram „guten Willen der Arbeitgeber" und an „entsprechendem Druck der Gewerkschaften und Betriebsräte" wenn keine Entlastung des Arbeitsmarktes durch die Befriedigung von Teilzeitwünschen stattfindet? Zur Beantwortung dieser Frage ist es ganz nützlich festzustellen, wo und warum Unternehmen Teilzeitarbeitsplätze anbieten.
Wesentlicher Bestimmungsgrund der betrieblichen Nachfrage nach Teilzeitkräften sind meßbare Produktivitätsvorteile der kürzeren Arbeitszeit, deren Erträge die rechenbaren Mehrkosten (Personalnebenkosten, Verwaltungsaufwand) und den Aufwand für arbeitsorganisatorische Umstellungen übersteigen.
Produktivitätsvorteile entstehen zum einen, weil die durchschnittliche Leistungsintensität steigt, wenn Ermüdungsphasen aus der (verkürzten) Arbeitszeit ausgelagert sind. Des weiteren verringern sich die Lohnstückkosten infolge deutlich niedrigerer Absentismusraten und Krankenstände gegenüber den Vollzeitbeschäftigten. Zum änderen ergeben sich Produktivitätssteigerungen aus der Nutzung der verringerten (kontrahierten) Arbeitszeitquanten zur Rationalisierung der Arbeitsorganisation. Dies gilt insbesondere für die Flexibilisierung von Lage und Dauer der täglichen bzw. wöchentlichen Arbeitszeit, die mit dem 8stündigen Normalarbeitstag weit weniger „elastisch" und „liquide" erfolgen könnte. Durch die Vereinbarung kleiner Arbeitsportionen entsprechend dem diskontinuierlichen Arbeitsanfall typischer Dienstleistungstätigkeiten kann auf Sicherheitsmargen in der Personalkapazitätsplanung verzichtet und ein wohldosierter Einsatz von Arbeitskraft „wie aus dem Wasserhahn“ ermöglicht werden. In analoger Weise überspielen z. B. sogenannte „Hausfrauenschichten“ (von 4 oder 5 Stunden) die Limitationalität 8stündiger Normalschichten an Produktionsanlagen mit fixem Ausstoß. Kostenvorteile ergeben sich ebenfalls, wenn Teilzeitkräfte für solche Aufgaben eingesetzt werden, die keine voll- zeitige Arbeitsplatzbesetzung erfordern (Sekretariatsarbeiten) oder deren ganztägige Ausübung unzulässig ist (Bildschirmarbeitsplätze). Weil bei der Zusammenfassung unterschiedlicher Arbeitsaufgaben in einer Arbeitsrolle Reibungsverluste und Organisationsprobleme entstehen können, ist es oft ökonomischer, für Einzelaufgaben spezialisierte Teilzeitkräfte zu beschäftigen. Die Arbeitszeit ist dann nicht mehr Ausgangsdatum für den Zuschnitt von Arbeitsplätzen, sondern Resultante einer Optimierungsrechnung.
Die gestiegene Erwerbsbereitschaft verheirateter Frauen, die in großem Maße als Angebot an Teilzeitarbeitskräften auftritt, verschafft den Betrieben ein höheres Maß an Autonomie am Arbeitsmarkt. Auch diese gesteigerte Autonomie führt auf längere Sicht zu verbesserten Rentabilitätsbedingungen für die Betriebe. Je nach Marktlage schlägt sich der Autonomiezuwachs in geringeren Rekrutierungsproblemen (und -kosten) oder in größerer Flexibilität bei der Anpassung der Personalkapazität an einen schwankenden oder rückläufigen Arbeitsbedarf nieder. So erweitert der Zugriff auf den Teilzeitarbeitsmarkt mit seinen insbesondere für Frauenerwerbstätigkeit typischen „Konditionen" (qualifikations-und gratifikationsunspezifische Arbeitsmotivation, Lohnfindung ohne Bezug auf existenzsichernde Einkommen) generell den Handlungsspielraum der Arbeitskraftnachfrager — auch gegenüber der vollzeitbeschäftigten Teilbelegschaft, die verkleinert in ihrer Funktion als Stammbelegschaft mit geringeren Kosten aufrechterhalten werden kann Weiterhin läßt sich auf dem Arbeitsmarkt für Teilzeitkräfte leichter ein Arbeitsangebot für solche Tätigkeiten finden, die bei Vollzeitarbeit z. B. wegen ihres extrem wiederholenden Charakters erhebliche Motivationsprobleme aufwerfen würden.
Bei Anpassung des Personalbestandes an einen rückläufigen Arbeitsbedarf durch Entlassungen kann der Betrieb mit weniger Widerspruch von Seiten der betroffenen Arbeitnehmer und der betrieblichen Interessenvertretung rechnen, wenn davon Teilzeitkräfte betroffen sind. Denn alle Beteiligten verbinden mit diesen Beschäftigungsverhältnissen weit weniger die Erwartung einer gesicherten Dauerbeschäftigung, sondern subsumieren auch Kontinuität und Dauer der Beschäftigung unter die Prämisse der Flexibilität.
Ebenso gestattet im Falle eines notwendigen Personalabbaus die Umwandlung von Voll-zeit-in Teilzeitarbeitsplätze nicht nur die Wahrung des „guten Rufes" des Unternehmens und das Einsparen sonst fälliger Sonderkosten bei Entlassung, sondern es fällt als weiterer Vorteil auch das größere Reservoir eingearbeiteter Kräfte ins Gewicht. Dasselbe gilt auch bei stabiler Beschäftigungslage, wenn Betriebe (bevor sie Ersatzeinstellungen vornehmen) dem Arbeitnehmerwunsch nach Umwandlung von Vollzeit-in Teilzeitstellen zustimmen. Dabei werden nicht selten hohe Produktivitätsvorteile realisiert, weil sich das geleistete Arbeitspensum nur unterproportional oder gar nicht verringert Außerdem bleibt den Betrieben eine im Vergleich zu Vollzeitkräften wesentlich elastischere, größere und kostengünstigere Kapazitätsreserve erhalten: Bei Personalengpässen können z. B. Halbtagskräfte ihre Arbeitszeit verdoppeln, ohne Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge zu erlangen.
Höhere Flexibilitätsgrade und vermehrte Optionen hinsichtlich des Arbeitskräfteeinsatzes bei der selektiven Nachfrage nach Teilzeitarbeit bedeuten Risikominderung und Kostensenkung gegenüber den Kosten der Beschäftigung von Vollzeitkräften. Betrachtet man die Bestimmungsgründe der betrieblichen Nachfrage nach zeitflexibler Arbeit unterhalb des Normalarbeitszeitstandards unter ihrem gemeinsamen Nenner, der Realisierung von Produktivitätsreserven, dann ist erkennbar, daß bei konstantem Arbeitsbedarf das Gesamtvolumen bezahlter Arbeitszeit sinkt, wenn die Zahl der Arbeitsplätze durch organisatorische Neuaufteilung vergrößert wird. Man geht sicherlich nicht fehl anzunehmen, daß eine Ausweitung von Teilzeitarbeit aus betrieblichen Interessen nur in deutlich unterproportionalem Maße zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze führen wird. Neben den bereits erschlossenen Anwendungsbereichen von Teilzeitarbeit bestehen ohne Zweifel vielfach organisatorische bzw. technische Möglichkeiten der Arbeitsplatz-teilung, die entweder (noch) nicht von den Betrieben genutzt werden oder bei denen Arbeitnehmerwünsche nach Teilzeitarbeit bisher auf Desinteresse oder Ablehnung bei den Betrieben gestoßen sind. Zum einen ist dies der Fall, wenn Teilzeitarbeitskräfte ihre Wünsche zur Lage der Arbeitszeit nicht der be-trieblichen Arbeitsnachfrage (z. B. an Nachmittagen, in Abendstunden) anpassen möchten. Zum anderen gibt es eine Zone der Indifferenz, in welcher Betriebe Teilzeitarbeitsplätze überwiegend nur auf Wunsch der Beschäftigten einrichten. Oberhalb dieser Zone, in gehobenen Qualifikationsstufen oder in professionellen Bereichen, wo die Verfügung über Informationen und kontinuierliche Kommunikationskontakte zentrale Voraussetzungen zur Aufgabenerfüllung sind, steht das betriebliche Interesse an Risikominderung und klarer Kompetenzverteilung einer Teilung von Arbeitsplätzen entgegen Je höher Positionen in der Hierarchie administrativer und dispositiver Organisationsrollen placiert sind, in desto geringerem Maße sind sie hinsichtlich Arbeitszeitlage und -dauer definiert. Vielmehr legen die Arbeitgeber großen Wert auf die möglichst uneingeschränkte Verfügbarkeit der Arbeitskräfte Wo qualifizierte Arbeitskräfte sich eine ihrem Status entsprechende Teilzeitnische (durch Umwandlung einer Vollzeitstelle) erobern konnten, gelang dies oft nur gegen erhebliche Widerstände und setzte den Verzicht auf Linienfunktionen, Vorgesetztenrolle und weitere Karriere voraus Wer seine Orientierung an arbeitsfernen Lebensbereichen so offen bekundet, wird nicht nur von Kollegen und Topmanagement als „Exot" oder „Paradiesvogel“ angesehen, sondern disqualifiziert sich auch für die jeweiligen Normalansprüche auf Schutz und Förderung durch Arbeitgeber und betriebliche Interessenvertretung (z. B. hinsichtlich Beschäftigungssicherheit, Zusatzgratifikationen etc.).
Die Interessen der Anbieter und Nachfrager von Teilzeitarbeit konzentrieren sich offensichtlich auf entgegengesetzte Pole der Qualifikations-und Einkommensskala: Auf der einen Seite offerieren Betriebe Teilzeitarbeitsplätze auf so niedrigem Entlohnungsniveau, daß das Einkommen zur selbständigen Führung eines Haushalts regelmäßig nicht ausreicht. Auf der anderen Seite existiert ein bescheidenes Arbeitskraftangebot für solche Arbeitsplätze, die auch bei reduzierter Arbeitszeit noch eine auskömmliche Existenz zu finanzieren erlauben.
Bestrebungen, Teilzeitarbeit als Instrument zur Anhebung des Beschäftigungsniveaus einzusetzen und ihre größere Verbreitung zu fördern, stoßen deshalb auf je unterschiedliche Realisierungsprobleme: Im „unteren“ (fast ausschließlich von Frauen besetzten) Segment des Teilzeitangebots sind der Ausweitung auf beiden Seiten Grenzen gesetzt Einerseits, weil sich das Stellenangebot bislang ohnehin entsprechend den betrieblichen Rentabilitätskalkülen entwickeln konnte, andererseits, weil auch das in Frage kommende Potential bereitwilliger, geeigneter und lediglich einen Zusatzverdienst anstrebender Arbeitskräfte nicht überschätzt werden darf.
Bei der beschäftigungspolitischen Bewertung betrieblicher Umstellungen von Vollzeit-auf Teilzeitarbeit muß außer dem dadurch ausgelösten Produktivitätseffekt auch die Verteilungswirkung des Beschäftigungseffekts berücksichtigt werden: Der insgesamt verringerten Nachfrage nach Arbeitszeitvolumen stünde eine Ausweitung bei den Teilzeitbeschäftigten gegenüber, die zu einem nicht geringen Teil aus der „stillen Reserve" bislang nicht erwerbstätiger Frauen gespeist würde
In einem „mittleren" (ebenfalls vorwiegend weibliche Arbeitskräfte umfassenden) Segment definiert sich das Interesse an reduzierter Arbeitszeit ganz wesentlich über eine mit anderen (Familien-) Aufgaben oder Interessen konform gehende Arbeitszeitlage. Weil die individuelle und soziale Valenz arbeitsfreier Vormittagsstunden gering ist, wenn man in der zweiten Tageshälfte berufstätig ist, konzentriert sich das Interesse auf Vormittagsarbeit. Gegenüber der Alternative Nachmittags-arbeit ist die reguläre (mit doppeltem Einkommen ausgestattete) Ganztagsarbeit attraktiver. Eine die Unattraktivität von Nachmittagsarbeit ausgleichende Höherbezahlung würde dagegen die betrieblicherseits angestrebten Produktivitätsgewinne zunichte machen.
Dem schmalen Segment der höher qualifizierten (weiblichen und männlichen) Teilzeitinteressenten öffnen sich dagegen nur in bestimmten „geeigneten" Dienstleistungsberufen (typisch: Lehrer), vorwiegend im nicht-gewerblichen Bereich, Entfaltungschancen. Ganz abgesehen von der sehr begrenzten betrieblichen Nachfrage, ist das Interesse höher qualifizierter männlicher Arbeitskräfte an längerfristiger Teilzeitarbeit zu gering, um Entlastungseffekte am Arbeitsmarkt erwarten zu lassen.
III. Regelungsprobleme flexibler Arbeitszeit
Wenn die Flexibilisierung der Arbeitszeit ernstlich als Alternative zu allgemeinen Arbeitszeitverkürzungen vorgeschlagen wird muß auch deutlich gemacht werden, wie das oben umrissene Problem gelöst werden könnte, die schlecht zusammenpassenden Profile der Nachfrage und des Angebots von Teilzeitarbeit so einander anzugleichen, daß es zur Verwirklichung aller individuellen Wünsche nach flexibler und reduzierter Arbeitszeit, d. h. einer Ausdehnung freiwilligerTeilzeitarbeit, kommt. So wie allgemeine Arbeitszeit-verkürzungen nur durch Änderung kollektiv-vertraglicher Vereinbarungen zu verwirklichen sind, so bedarf offensichtlich auch die Arbeitszeitflexibilisierung neuer bzw. geänderter tarifvertraglicher Rahmenbedingungen und Standards, wenn die erhofften beschäftigungspolitischen Wirkungen ohne eine weitere Zunahme nachteilbehafteter Arbeitsplätze eintreten sollen. Damit stellt sich das Problem der Regelbarkeit flexibler Arbeitszeitformen und nicht zuletzt auch die „Frage, warum die Gewerkschaften sich bisher zu einer Tarifierung selbst der bereits weitverbreiteten Arbeitszeitformen Teilzeitarbeit und Gleitzeit nicht haben entschließen können"
Zweifellos sind die von einzelnen Gewerkschaften in der Vergangenheit benutzten Begründungen für ihre ablehnende, ja gelegentlich auch (die Arbeitszeitwünsche von Arbeitnehmern) abwertende Haltung nicht restlos überzeugend. Typische Negativmerkmale der Teilzeitarbeit hätten möglicherweise frühzeitig „ausgeregelt" werden können und sind in diesem Sinne u. a. auch der „Nichtaktivität der Gewerkschaften in diesem Feld“ geschuldet Organisationspolitische Schwierigkeiten im Umgang mit den Interessen der Teilzeitarbeitenden (die zudem zum weit geringeren Teil als die Vollzeitbeschäftigten gewerkschaftlich organisiert sind) und die Dominanz soziokultureller Normalitätsvorstellungen, in welchen die besonderen Bedingungen der Frauenerwerbstätigkeit nicht so recht Platz haben, sind sicherlich zutreffende, wenngleich nicht hinreichende Erklärungen für die gewerkschaftliche Regelungsabstinenz. Aber auch der Verzicht auf die Befassung mit der Regelungsmaterie Teilzeitarbeit schützt nicht vor Schwierigkeiten: Die „ungeregelte“ Verbreitung flexibler Arbeitszeiten ebenso wie die Nichtbeachtung von Arbeitnehmerwünschen nach Teilzeitarbeit erschweren den Prozeß der Vereinheitlichung und Vertretung der Arbeitnehmerinteressen. Das Thema der Tarifierung von Rahmenbedingungen flexibler Arbeitszeit wird deshalb auch dann nicht erledigt sein, wenn andere tarifpolitische Ziele, wie etwa die Wochenarbeitszeitverkürzung, die Tagesordnung bestimmen. Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die Diskussion über Tarifierungskonzepte und deren Verwirklichungschancen vorzustellen und fortzusetzen. Statt dessen sollen abschließend nur drei Argumente stichwortartig genannt werden, die eine skeptische Haltung gegenüber aktuellen Tarifierungsvorschlägen zur flexiblen Arbeitszeit und gegenüber deren Favorisierung als Alternative (oder gleichrangiges Komplement) zu allgemeinen Arbeitszeitverkürzungen begründen.
1. Es besteht ein Dilemma zwischen den Intentionen und den Wirkungen tarifvertraglicher Regulierung der flexiblen Arbeitszeiten. Die Einschränkung der betrieblichen Gestal-tungsrechte zugunsten der Teilzeitbeschäftigten würde sich als Hindernis der angestrebten Vermehrung von Teilzeitarbeitsplätzen erweisen. Denn unter den gegenwärtigen Bedingungen am Arbeitsmarkt stehen Qualität und Quantität solcher Beschäftigungsverhältnisse in einem umgekehrten Verhältnis zueinander: Bessere Arbeits-und Entlohnungsbedingungen führen zur Verringerung der betrieblichen Nachfrage nach Teilzeitarbeit; die drastische Vermehrung der Teilzeitarbeitsplätze setzten jedoch größere betriebliche Gestaltungsspielräume (u. a. auch für die Aufteilung von Vollzeitarbeitsplätzen) voraus. In beschäftigungspolitischer Hinsicht dürfte keine dieser Alternativen akzeptabel sein.
2. In der Diskussion über Teilzeitarbeit und Job-sharing wurde verschiedentlich auf die Gefahr der Erosion der Interessenbasis für kollektive Arbeitszeitverkürzung verwiesen, welche im Gefolge einer Individualisierung der Arbeitszeit droht Mindestens ebenso gravierende Folgen drohen, wenn infolge der gleichrangigen sozialen Geltung mehrerer (abgestufter) Arbeitszeitnormen der Normalarbeitszeitstandard an Bedeutung verliert und damit auch die „Normalität" des Anspruchs auf ein existenzsicherndes Individualeinkommen verlorengeht. Damit würde tendenziell jeder Anspruch auf ein „volles" Arbeitseinkommen begründungspflichtig und der Parameter der (das Einkommen bestimmenden) Arbeitszeit entwickelte sich zu einer weiteren Dimension sozialer Ungleichheit. Diese alles andere als harmlosen Folgen einer faktischen Pluralisierung der „normalen“ Arbeitszeitdauer sind auch bei einer noch so komfortablen Regelung der Bedingungen von Teilzeitarbeit zu befürchten. Sie wären vermeidbar, wenn der Normalarbeitszeitstandard funktional gleichwertigen Ersatz fände. 3. Selbst wenn man einer Politik der umfassenden Arbeitszeitflexibilisierung denselben Beschäftigungseffekt unterstellt wie allgemeinen Arbeitszeitverkürzungen, so ist sie dennoch, was die vorhersehbaren Auswirkungen auf unterschiedliche Arbeitnehmergruppen angeht, keine gleichwertige Alternative.
Der Preis für die Anhebung des Beschäftigungsniveaus durch individuell reduzierte Arbeitsangebote würde zu einem beträchtlichen Teil von Arbeitnehmern entrichtet werden, die in Ermangelung alternativer Beschäftigungschancen gegen ihren Willen erhebliche Einbußen an Arbeitseinkommen hinzu-nehmen hätten. Während bei kollektivvertraglich zustandekommenden Arbeitszeitverkürzungen die Durchsetzungs-und Kompromißkosten annähernd gleichverteilt sind, d. h. von allen beteiligten Arbeitnehmern getragen werden, verteilen sich die individuellen Kosten der Arbeitszeitflexibilisierung unter den Bedingungen hoher Arbeitslosigkeit großenteils entsprechend der bestehenden Verteilungsstruktur von Arbeitsmarktchancen. D. h. Berufsanfänger und die Beschäftigten in krisenbetroffenen Unternehmen schneiden dabei weiterhin besonders ungünstig ab; Arbeitnehmergruppen mit ungünstigen Arbeitsmarktchancen und unzureichendem Rückhalt in den gewerkschaftlichen und betrieblichen Interessenvertretungen bleiben auf ihren benachteiligten Status verwiesen
Auch angesichts der in den Verwirklichungjbedingungen flexibler Arbeitszeiten liegenden Probleme besteht kein Anlaß, die bestehenden Arbeitnehmerwünsche nach individuell zu vereinbarenden Arbeitszeiten als unerheblich oder „schädlich" für die Wahrung der kollektiven Arbeitnehmerinteressen anzusehen. Dagegen liegt es nahe, die Lösung der Problematik in einer Stufenstrategie zu suchen, wie dies inzwischen auch prinzipielle Befürworter von Arbeitszeitflexibilisierung vorschlagen Erst nach erfolgreichen, d. h. beschäftigungswirksamen, allgemeinen Arbeitszeitverkürzungen dürfte aufgrund der dadurch gestärkten Verhandlungsposition der Gewerkschaften die Aussicht bestehen, die Rahmenbedingungen individueller Arbeitszeitvereinbarungen zum Vorteil der Arbeitnehmer zu regeln.
Uwe Engfer, Diplomsoziologe, geb. 1952; Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut für Soziologie der TH Darmstadt. Karl Hinrichs, geb. 1951; Wissenschaftlicher Angestellter an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Claus Offe, Dr. rer. pol., geb. 1940; o. Professor für Politikwissenschaft und Soziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld. Helmut Wiesenthal, Diplomsoziologe, geb. 1938; Wissenschaftlicher Angestellter an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld.
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