Der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages als Untersuchungsausschuß
Hans-Joachim Berg
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Zusammenfassung
Die Bewertung des grundgesetzlich gesicherten Untersuchungsrechts des Verteidigungsaüsschusses wird durch nahezu entgegengesetzte Positionen gekennzeichnet. Manche sehen im Untersuchungsrecht den „Kern der parlamentarischen Kontrolle über die Armee"; andere reihen es in den mitunter zynischen Macht-und Mehrheitskampf der Bundestagsfraktionen ein. Vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, sich um eine Klärung der Möglichkeiten des Verteidigungsausschusses zu bemühen. Der Verteidigungsausschuß ist, nicht anders als die Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 des Grundgesetzes, ein Mittel des Bundestages, durch Informationen dem Plenum Entscheidungsgrundlagen für seine Beschlüsse zur Verfügung zu stellen. Der Verteidigungsausschuß besitzt ein ausschließlich ihm zustehendes Recht zu parlamentarischen Untersuchungen auf dem Gebiet der militärischen Landesverteidigung. Das Plenum kann weder aus seiner Mitte einen eigenen Untersuchungsausschuß zu Fragen der militärischen Landesverteidigung bilden, noch kann es den Verteidigungsausschuß damit beauftragen, bestimmte Untersuchungen durchzuführen. Ob in einem konkreten Fall eine Untersuchungspflicht besteht, könnte allein das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Der Verteidigungsausschuß hat keine stärkeren Informationsrechte als die Untersuchungsausschüsse des Plenums. Auch er hat somit kein unbedingtes Recht auf Antwort. Der Verteidigungsausschuß hat aber den Vorteil, daß er in der Kontinuität seiner Fachausschußtätigkeit steht und damit besonders sachkundig ist. Der entscheidende Unterschied zu den Untersuchungsausschüssen nach Art. 44 besteht in der Nichtöffentlichkeit der Sitzungen. Während die Öffentlichkeit bei Art. 44 geradezu ein wesentliches Element ist, tagt der Verteidigungsausschuß auch als Untersuchungsausschuß grundsätzlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Ausnahmen werden nur insoweit gemacht, als es sich nicht um Fragen der militärischen Landesverteidigung handelt. Die Doppelrolle Fachausschuß-und Untersuchungsausschuß vermag der Verteidigungsausschuß nicht gleichermaßen auszufüllen. Die Untersuchungstätigkeit absorbiert die wesentlichen zeitlichen, personellen und politischen Kräfte des Ausschusses. Es sollte daher darüber nachgedacht werden, die wesentliche Untersuchungstätigkeit einem unabhängig vom politischen Tagesgeschäft arbeitenden Unterausschuß des Verteidigungsausschusses zu übertragen. Die politischen Ergebnisse von Untersuchungsausschüssen sollten nicht mit einer politischen und verfassungsrechtlichen Elle gemessen werden, auf die unser Regierungssystem nicht zugeschnitten ist. Nur eine Lösung der Abhängigkeit der Regierung von der Parlamentsmehrheit, etwa im Sinne des präsidialen Regierungssystems der USA, vermag reines Machterhaltungsdenken in Untersuchungsausschüssen zu verhindern.
Der Autor äußert seine persönliche Ansicht, die nicht mit der Auffassung des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages abgestimmt ist. „Sobald aber ein Problem dadurch politische Dimension erhält, daß ein Für und Wider zu bestimmten Entscheidungen oder gar Personen gefordert wird, siegt die Parteiräson, die Verabredung in den Fraktionen, der Horizont der eigenen parteipolitischen Absichten und Bekenntnisse. Das heißt konkret, daß die Angehörigen der Regierungspartei oder Koalition wenn irgend möglich gemeinsam votieren und die Regierung stützen, auch dort, wo objektive Gründe genug vorliegen, um ihr — den Maßstäben parlamentarischer Kontrolle entsprechend — verneinend entgegenzutreten. Ein solches Verhalten, das nicht ohne eine Beimischung zynischer Selbstverständlichkeit zur Schau gestellt wird, muß man in der Alltagspraxis der Ausschußarbeit, insbesondere beim Untersuchungsausschuß, feststellen, wo oft, bei formaler Beteiligung an der Untersuchung gemäß vorformulierten Beweisthemen, auch gegen die eigene Einsicht votiert wird. Es ist heute sogar gang und gäbe, bereits bei der Begründung und dann bei der Konstituierung eines Untersuchungsausschusses das Ergebnis, das ja von einem Mehrheitsvotum getragen werden wird, vorwegzunehmen. Bei internen Besprechungen zwischen den Fraktionen und ihren Vertretern wird oft von vornherein von einem . gespaltenen Votum" gesprochen, das man am Ende der Untersuchung erwartet."
Diese praxisorientierte Feststellung des ehemaligen Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, Dr. Werner Marx, findet eine nicht weniger eindringliche Ergänzung im politikwissenschaftlichen Schrifttum. Die Studie von C. C. Schweitzer über die parlamentarische Behandlung der „Bremer Bundeswehrkrawalle" führt etwa den bezeichnenden Untertitel „Gefahren für unseren Staat und ihre Verschleierung im Streit der politischen Parteien im parlamentarischen Untersuchungsverfahren"
Derartigen Äußerungen stehen eindringliche Hinweise entgegen, die die Bedeutung des Verteidigungsausschusses als „wichtigste Instanz der Regierungsüberwachung im Wehrbereich" und als „Kern der parlamentarischen Kontrolle über die Armeen" betonen. Entgegen der im allgemeinen zutreffenden Feststellung, daß die parlamentarische Kontrolle der Streitkräfte in der deutschen Parlamentsgeschichte hinter der allgemeinen Entwicklung der Parlamentsrechte zurückgeblieben ist, war das parlamentarische Untersuchungsrecht bereits eng mit der Kontrolle der Streitkräfte verbunden. Ähnlich wie in den Vereinigten Staaten und in England war es auch in Deutschland ein Untersuchungsausschuß zu militärischen Fragen, der den Beginn parlamentarischer Untersuchungsausschüsse markierte. Der erste Untersuchungsausschuß des Weimarer Reichstages hatte die Aufgabe, die Gründe für den militärischen Zusammenbruch Deutschlands im Ersten Weltkrieg zu klären.
Demgegenüber kam im Deutschen Bundestag den Untersuchungsausschüssen zu Fragen des Militärs keine weichenstellende Bedeutung zu. Das Plenum hatte bereits zwölf Untersuchungsausschüsse eingesetzt, bevor sich der Verteidigungsausschuß am 12. September 1956 zum erstenmal als Untersuchungsausschuß konstituierte Der Verteidigungsausschuß wurde erst durch die Grundgesetzände-rungen vom Februar 1956 als Ausschuß mit den Rechten eines Untersuchungsausschusses gebildet. Die Bedeutung des speziellen parlamentarischen Untersuchungsrechts blieb zunächst für die Praxis des Ausschusses gering. Die langfristigen Konsequenzen einer relativ kurzen Aufeinanderfolge von drei Untersuchungsausschüssen von Ende 1977 bis Anfang 1981 lassen sich noch nicht endgültig interpretieren. Möglich ist eine eher zufällige Massierung, wie sie schon in den Jahren 1956 bis 1957 festzustellen war. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, daß der Verteidigungsausschuß nunmehr grundsätzlich sein Untersuchungsrecht verstärkt wahrnehmen will.
I. Aufgabenstellung und Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsrechts des Verteidigungsausschusses
Das Untersuchungsrecht wird definiert als ein dem Parlament eingeräumtes verschärftes Frage-und Kontrollrecht, um sich selbst, unabhängig von anderen Staatsorganen, die zur Wahrnehmung seiner Funktionen notwendigen Informationen zu verschaffen. Untersuchungsausschüsse sind demnach vom Bundestag eingesetzte, mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Gremien aus mehreren Abgeordneten. Sie haben die Aufgabe, im Rahmen der allgemeinen Zuständigkeit des Bundestages durch Beweiserhebung (Tatsachen-ermittlung) und gegebenenfalls durch Wertung des Beweismaterials Beschlüsse des Bundestages vorzubereiten. Sie sind weder Straf-noch sonstige Gerichte Für den Verteidigungsausschuß gilt, mit der Ausnahme, daß ihm das Untersuchungsrecht bereits unmittelbar durch Artikel 45 a Abs. 2 und ohne Einsetzung durch das Plenum zusteht, das gleiche.
Aus beiden Definitionen geht hervor, daß parlamentarische Untersuchungsausschüsse insbesondere ein Mittel des Bundestages sind, durch Informationen dem Plenum Entscheidungsgrundlagen für seine Beschlüsse zur Verfügung zu stellen.
Unter der Prämisse, daß selbst das Auskunftsrecht des Bundestages und seiner Ausschüsse nach Artikel 43 gegenüber der Bundesregierung keine ausreichende Garantie für eine umfassende Unterrichtung gewährt, schien eine verfassungsrechtliche Kodifizierung eines solchen Informationsrechts notwendig zu sein. Zudem wurde ein kodifiziertes Untersuchungsrecht des Verteidigungsausschusses mit der Hoffnung verbunden, daß sich die Regierung bereits wegen der möglichen Einsetzung eines Untersuchungsausschusses schon in der normalen Unterrichtung des Verteidigungsausschusses entgegenkommender verhalten würde.
Aus der grundsätzlichen Zuweisung des Untersuchungsrechts an den Verteidigungsausschuß durch Artikel 45 a Abs. 2 kann aber nicht abgeleitet werden, daß der Verteidigungsausschuß durch eine Vielzahl von formellen Untersuchungen eine laufende Überwachung der Exekutive konstituiert Vergegenwärtigt man sich, daß der Verteidigungsausschuß ohnehin kein „permanenter" Untersuchungsausschuß ist, wird deutlich, daß die Frage der Häufigkeit oder Dauer von Überwachungen und Untersuchungen weniger eine Frage der Zulässigkeit mehrerer Untersuchungsausschüsse als vielmehr eine Frage der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines jeden einzelnen Ausschusses ist. Im Grundsatz gibt es keine Beschränkung hinsichtlich der Häufigkeit oder „Ständigkeit" parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, solange bei isolierter Betrachtung die Einsetzungsvoraussetzungen eines jeden Untersuchungsausschusses erfüllt werden
II. Die Einleitung des Untersuchungsverfahrens
Der sachliche Zuständigkeitsbereich des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß ist grundsätzlich identisch mit dem des Verteidigungausschusses als Fachausschuß. Er soll im Rahmen seines Sachgebietes die Aufgaben und die Rechte haben, die ein Untersuchungsausschuß nach Art. 44 hat. Während der Verteidigungsausschuß durch das Plenum als Fachausschuß mit der Beratung bestimmter Anträge und Überweisungen seines Sachgebiets beauftragt werden kann, ist dem Plenum in Verteidigungsangelegenheiten jede eigene parlamentarische Untersuchungsinitiative verwehrt Insoweit ist es auch unbestritten, daß der Bundestag nicht berechtigt ist, den Verteidigungsausschuß mit Untersuchungen zu beauftragen Es fragt sich jedoch, ob das Beauftragungsverbot soweit reicht, daß dem Plenum „jede Erörterung über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen" in Angelegenheiten der militärischen Verteidigung verwehrt ist Folgt man dieser Ansicht, wäre es dem Bundestag nicht einmal mehr gestattet, bestimmte Vorkommnisse im Bereich der militärischen Verteidigung zu diskutieren und im Zusammenhang damit allgemein zu erwägen, ob eine Konstituierung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß wünschenswert sei. Eine derart weitreichende Verselbständigung des Verteidigungsausschusses gegenüber dem Plenum wäre nicht mehr von der im übrigen zu befürwortenden Konzentration der parlamentarischen Kontrollbefugnisse auf den Verteidigungsausschuß gedeckt; denn der Verteidigungsausschuß bleibt auch als allein zuständiger Fach-und Untersuchungsausschuß ein Hilfsorgan des gesamten Parlaments. Zwar ist der Verteidigungsausschuß als Untersuchungsausschuß von Weisungen des Plenums unabhängig. Weisungen, Über-weisungen oder Aufträge sind jedoch begrifflich von einer unverbindlichen, freien politischen Erörterung zu unterscheiden. Solange sich dementsprechend Diskussionen im Plenum nicht zu einer durch Abstimmungen ausgedrückten Meinungsbildung konkretisieren, wird man eine Erörterung über die Konstituierung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß nicht ablehnen können. Aus der Privilegierung des Verteidigungsausschusses folgt seine Verpflichtung, von sich aus die Notwendigkeit eines Untersuchungsverfahrens 7’ 1 prüfen. Eine mißbräuchliche Ausübung dieses Ermessens könnte aufgrund eines Antrags parteifähiger Teile des Bundestages in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nach Artikel 93 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 13 Nr. 5 BVerfGG überprüft werden.
Unproblematisch ist die Konstituierung des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses. In einem solchen Fall decken sich nämlich das minderheitsrechtlich geschützte Untersuchungsbegehren und das das übrige Verfahren im Ausschuß bestimmende Mehrheitsprinzip. Von größerer Bedeutung ist deshalb die Frage, unter welchen Voraussetzungen die durch Artikel 45 a Abs. 2 Satz 2 geschützte Minderheit von einem Viertel der Ausschußmitglieder ein Untersuchungsverfahren einleiten kann. Der Wortlaut des Artikels 45 a Abs. 2 Satz 2 läßt nämlich die Frage unbeantwortet, ob das Quorum bereits mit der Antragstellung erreicht sein muß oder ob diese Forderung noch in einer späteren Abstimmung, dem Einsetzungsbeschluß, erfüllt werden kann.
Dem Gedanken der parlamentarischen Kontrolle und des parlamentarischen Minderheitenrechts wird aber nur durch ein Abstellen auf den Einsetzungsbeschluß angemessen Rechnung getragen. Eine andere Entscheidung würde nicht deutlich werden lassen, daß es bei dem Quorum für einen Untersuchungsausschuß alleine darum geht, die verfassungsmäßig erforderliche Höchstzahl zu erfüllen. Zusätzliche Bedingungen für den Zeitpunkt der Erfüllung sind nicht gestellt. Untersuchungsausschüsse sind eben ein Minderheiteninstrument für jede Gruppierung, die ein Viertel der Mitglieder des Parlaments hinter sich bringt Entsprechendes muß dann auch für den Verteidigungsausschuß gelten. Der Wortlaut des Artikels 45 a ist also so zu verstehen, daß der Verteidigungsausschuß die Pflicht hat, sich aufgrund eines von einem Viertel seiner Mitglieder angenommenen Antrags als Untersuchungsausschuß zu konstituieren.
Ist unter diesen Bedingungen ein Untersuchungsausschuß konstituiert, steht die Eröffnung des Untersuchungsverfahrens nach verbreiteter Ansicht zusätzlich unter dem Vorbe-halt einer rechtlichen Prüfung des Untersuchungsantrags durch den gesamten Verteidigungsausschuß. Dies sei notwendig, um die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grenzen des Untersuchungsrechts sicherzustellen Der Mehrheit sei es nämlich nicht zuzumuten, rechtlich zu beanstandenden Einsetzungsanträgen stattzugeben
Es ist aber zu fragen, ob auf dem Umweg über eine rechtliche Prüfung durch die Mehrheit nicht eine Gefährdung des Minderheiten-rechts auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gegeben sein könnte. Zwar wird betont, daß die Mehrheit allein einen rechtlichen Prüfungsmaßstab zu wählen habe und keine Ermessensentscheidungen treffen dürfe. Diese Voraussetzungen unterliegen ihrerseits aber selbst wieder der Beurteilung durch die Mehrheit, so daß Rechtsfragen durchaus als vorgeschobene Argumente für eine Ablehnung des Untersuchungsantrags mißbraucht werden könnten. Ein parlamentarisches Untersuchungsverfahren ist vorrangig ein politisches Kontrollmittel der Opposition. Würde die Ausübung dieses Rechts zu sehr an eine genehmigende Beurteilung der Mehrheit gebunden sein, würde das Kontrollrecht der Opposition übermäßig eingeschränkt werden. Eine rechtliche Beurteilung eines Einsetzungsantrags sollte vielmehr allein einer verfassungsgerichtlichen Klärung anheim gestellt bleiben.
III. Zur Durchführung des Untersuchungsverfahrens
1. Die Auskunftspflicht der Regierung Begründet wurde die Ausstattung des Verteidigungsausschusses mit den Rechten eines Untersuchungsausschusses außer mit dem Argument der besseren Geheimhaltung damit, daß der Verteidigungsausschuß von sich aus Informationen von der Regierung einholen können müsse und daß dieses Recht verfassungsrechtlich garantiert zu sein habe.
So berechtigt diese Argumentation auch erscheinen mag, so lenkt sie doch davon ab, daß die Auskunftsrechte des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß gegenüber anderen ad hoc eingesetzten Untersuchungsausschüssen nicht größer sind, als es Artikel 44 für alle Untersuchungsausschüsse festlegt. Von Bedeutung ist hingegen, daß der Verteidigungsausschuß im Gegensatz zu allen anderen Fachausschüssen die Informationsmöglichkeiten eines Untersuchungsausschusses direkt für die Arbeit als Fachausschuß nutzen kann. Da das Untersuchungsrecht nicht nur Skandal-oder Mißstandsenqueten ermöglicht, sondern auch Informationsenqueten, ist hier in der Tat eine Stärkung der unmittelbaren parlamentarischen Kontrolle über die Streitkräfte zu sehen. Freilich gilt dies nicht mit der Ausschließlichkeit, daß nur als Untersuchungsausschuß parlamentarische Kontrolle ausgeübt wird oder werden kann.
Aus dem „latenten" Untersuchungsrecht hat der Verteidigungsausschuß die Praxis entwikkelt, auch dann wie ein Untersuchungsausschuß Informationen oder Beweise zu erheben, wenn er sich nicht als solcher konstituiert hat. In der Regel kommt die Regierung diesem Verfahren entgegen, freilich stets im Rahmen der von ihr für richtig gehaltenen Untersuchungsintensität.
Das anschaulichste Beispiel für eine derartige Zusammenarbeit von Verteidigungsausschuß und Regierung gibt die Beratung des Verteidigungausschusses zum Waffensystem „Starfighter" Der Berichterstatter Draeger kennzeichnete diese Situation mit dem begriff eines „Als-ob" -Untersuchungsausschusses.
Gegen dieses Verfahren müssen erhebliche Bedenken geltend gemacht werden. Zwar mag es einem gegenseitigen Interesse von Verteidigungsausschuß (-Mehrheit) und Regierung entsprechen, ohne die formellen, zeitraubenden und von der Öffentlichkeit beobachteten Umstände eines Untersuchungsverfahrens erfüllen zu müssen, zu einer umfassenden Sachaufklärung bestimmter Themenbereiche zu gelangen. Das informative Entgegenkommen der Regierung könnte jedoch dazu führen, daß der Verteidigungsausschuß auf die konkretisierten Rechte eines formellen Untersuchungsausschusses verzichtet, weil er der Annahme ist, von der Regierung bereits umfassend informiert zu sein. Man wird die Informationsbereitschaft der Exeku- tive zwar nicht als einen Verfassungsverstoß bewerten können; im Interesse der Klarheit parlamentarischer Rechte sollte sich der Verteidigungsausschuß jedoch auf „Als-ob" -Untersuchungsausschüsse nicht mehr einlassen. 2. Die Öffentlichkeit des Verfahrens Der substantielle Unterschied zwischen der Durchführung eines Untersuchungsausschusses des Verteidigungsausschusses und einem Untersuchungsausschuß des Plenums besteht in der Regelung über die Voraussetzungen, unter denen beide Ausschüsse die Beweiser-hebung öffentlich durchführen können. Während nach Artikel 44 Abs. 1 Untersuchungsausschüsse des Plenums grundsätzlich öffentlich tagen und erst aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden kann, gilt diese Vorschrift nach Artikel 45 a Abs. 3 nicht für das Gebiet der Verteidigung. Ausgangspunkt für diese Regelung war und ist auch heute noch die Sorge um die militärische Geheimhaltung. Die Aufhebung des Grundsatzes der Öffentlichkeit bewirkt, daß die parlamentarische Kontrolle auch in Bereiche vordringen kann, die andernfalls einer Überprüfung weitgehend entzogen geblieben wären. Die während der Ausschußberatungen und später auch in der Literatur vertretene Auffassung, dem Verteidigungsausschuß würde durch das Untersuchungsrecht „in jedem Fall ein Recht auf Antwort von der Regierung" zustehen bedarf jedoch einer Korrektur. Auch das Untersuchungsrecht gewährt dem Parlament keinen unumschränkten Informationsanspruch. Der Unterschied zum normalen Informationsrecht einzelner Abgeordneter bzw. einzelner Abgeordnetengruppen ist letztlich darin zu sehen, daß der Maßstab für eine Auskunftsverweigerung der Regierung im Untersuchungsverfahren strenger ist. Selbst nach den weitgehenden Reformvorschlägen der Enquetekommission Verfassungsreform ist ein unbedingtes „Recht auf Antwort" für einen Untersuchungsausschuß nicht gegeben
Die konkreten Auswirkungen des Artikels 45 a Abs. 3 werden in der Literatur durchaus unterschiedlich bewertet. Zum Teil wird aus dem Schlußabsatz des Artikels die apodiktische und unabdingbare Nichtöffentlichkeit der Sitzungen des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß gefolgert An-dere wiederum halten die Öffentlichkeit nur „grundsätzlich" für ausgeschlossen, ohne sich jedoch dazu zu äußern, unter welchen Voraussetzungen von diesem Grundsatz abgewichen werden könne Die Möglichkeit einer öffentlichen Sitzung zieht, soweit ersichtlich, alleine Frost in Betracht Auf einem textlichen Mißverständnis beruht wohl die pauschale Einlassung von Klemmert, daß der Verteidigungsausschuß das Recht habe, in öffentlichen Verhandlungen nach Artikel 44 Beweis zu erheben Hernekam’p sieht eine Differenzierung der Öffentlichkeitsregelung in der Form, daß die Untersuchungstätigkeit des Verteidigungsausschusses „im militärischen Bereich ... ausnahmslos nicht öffentlich ist" Mit diesem Hinweis bringt Hernekamp erstmalig eine an der materiellen Sachfrage der „militärischen Verteidigung" orientierte Abgrenzung in die Diskussion ein. Demgegenüber ist die Argumentation einer letzten Gruppe daran orientiert, daß durch den Artikel 45 a Abs. 3 die Frage der Öffentlichkeit des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß nach den selben Regeln zu beurteilen ist wie die Öffentlichkeit normaler Fachausschüsse, der Abs. 3 des Artikels 45 a mithin lediglich die Privilegierung der Öffentlichkeit im Untersuchungsverfahren aufhebt und den Untersuchungsausschuß des Verteidigungsausschusses hinsichtlich der Öffentlichkeitsregelung mit der nicht öffentlichen Tätigkeit als Fachausschuß gleichsetzt
In der Untersuchungspraxis des Verteidigungsausschusses pflegte die Frage der öffentlichen Beweiserhebung immer eine be-sondere Rolle zu spielen. Für den Untersuchungsausschuß Lutze/Wiegel schilderte der Assistent der an der Regierung beteiligten SPD-Fraktion für den Untersuchungsausschuß, Elmar Hucko, die unterschiedlichen Interessenlagen der Ausschußfraktionen: „Die Opposition, die von Anfang an aus dem Spionagefall parteipolitischen Vorteil ziehen wollte, mußte aus diesem Grunde möglichst weitgehende Öffentlichkeit wünschen. Die Koalitionsfraktionen hatten zunächst zu nicht öffentlichen Beweisaufnahmen geneigt, mußten dann aber erkennen, wie parteipolitisch nachteilig diese Prozedur für sie war. Über die nicht-öffentlichen Sitzungen berichtete nämlich jedesmal der Ausschuß-Vorsitzende. Er gehörte der Opposition an ..."
Es war jedoch nicht immer nur der Wunsch der Opposition, eine öffentliche Beweisaufnahme durchzuführen. In der Spiegelaffäre kam zum Beispiel der Wunsch nach zwei öffentlichen Sitzungen des Verteidigungsausschusses von der Regierungsfraktion selbst. Der Obmann der oppositionellen SPD-Fraktion, Wienand, erhob zwar keinen politischen Widerspruch, äußerte jedoch rechtliche Bedenken gegen diese öffentlichen Sitzungen.
Während in den bisherigen Untersuchungsausschüssen des Verteidigungsausschusses die Frage der öffentlichen Beweiserhebung stets intern geklärt wurde, ersuchte der Verteidigungsausschuß im Falle Lutze/Wiegel den Geschäftsordnungsausschuß um eine Prüfung und Entscheidung. In seiner Stellungnahme betonte dieser zwar zunächst, daß ein Ausschuß des Deutschen Bundestages nicht befugt sei, das Grundgesetz verbindlich zu interpretieren, teilte dem Verteidigungsausschuß dann jedoch seinen Beschluß mit.
Die Ausschußmehrheit setzte sich dabei mit folgender Auffassung durch: „Verhandelt der Verteidigungsausschuß als Untersuchungsausschuß im Rahmen seiner Untersuchungen Fragen, die nicht auf dem Gebiet der Verteidigung liegen, und will er deshalb vom Grundsatz des Artikel 45 a Abs. 3 abweichen, dann hat er zunächst festzustellen, welches Thema der Untersuchung nicht auf dem Gebiet der Verteidigung liegt und sodann eine Entscheidung über das Verfahren zu treffen."
Demgegenüber vertrat die Minderheit folgende Auffassung:
„Der Artikel 45 a Abs. 3 schreibt nicht zwingend vor, daß der Verteidigungsausschuß als Untersuchungsausschuß nur in nicht-öffentlichen Sitzungen die erforderlichen Beweise erheben kann. Durch Mehrheitsbeschluß des Verteidigungs-Untersuchungsausschusses kann die Beweisaufnahme auch in öffentlicher Sitzung erfolgen, wobei die Vorschriften der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages zu beachten sind, d. h. Artikel 45 a Abs. 3 enthält kein Verbot zur öffentlichen Beweisaufnahme."
Bei einer ersten Prüfung scheinen beide Ansichten nicht weit voneinander abzuweichen. Sowohl die Mehrheit als auch die Minderheit stellen die Frage der Öffentlichkeit der Beweiserhebung in einem Untersuchungsverfahren des Verteidigungsausschusses zur Disposition einer Mehrheitsentscheidung. Die Differenz zwischen beiden Positionen ist dennoch gravierend. Während die Mehrheit nämlich einschränkend diese Entscheidung allein für Fragen gelten lassen will, die nicht auf dem Gebiet der militärischen Verteidigung liegen, war die Minderheit der Auffassung, daß das gesamte Spektrum, also auch militärische Angelegenheiten, Gegenstand einer öffentlichen Beweiserhebung sein könne, wenn dies die Mehrheit so beschließe.
Faktisch wurde das Problem durch informelle Vorbesprechungen außerhalb der eigentlichen Ausschußarbeit gelöst. Die zunächst aufwendig erarbeiteten und verteidigten Grundsatzpositionen wurden also schnell dem interfraktionellen „give and take" geopfert.
IV. Die Ergebnisse der Untersuchungen
Weiter oben wurde darauf hingewiesen, daß nach dem dogmatischen Anspruch das Untersuchungsrecht insbesondere der Vorbereitung von Entscheidungen des Bundestages dient. Die Art dieser Entscheidungen ist zwar nicht im einzelnen festgelegt, es kann jedoch kein Zweifel daran bestehen, daß in der Be-* Schlußfassung des Bundestages die politische Beurteilung der durch das Untersuchungsverfahren festgestellten Verhaltensweisen der Bundesregierung zum Ausdruck zu kommen hat. Das Untersuchungsergebnis ist demnach vorrangig ein politisches Bewertungsergebnis.
Erst als Schlußfolgerung aus dieser Bewertung ergeben sich weitere Möglichkeiten des politischen Handelns in Form von Sank-31 tionen des Plenums, etwa als Mißbilligungsantrag, als Antrag auf Entlassung eines verantwortlichen Ministers oder gar als Konstruktives Mißtrauensvotum.
Unter dieser Prämisse scheint es in der Tat gerechtfertigt zu sein, angesichts der bisherigen Erfahrungen mit Untersuchungen des Verteidigungsausschusses das Ergebnis derartiger Untersuchungen mit dem Ausgang des „Hornberger Schießens" zu vergleichen denn als Vorbereitung für eine gezielte sanktionierende Maßnahme des Bundestages hat noch keiner der Untersuchungsausschüsse des Verteidigungsausschusses zu dienen vermocht. Die kritischen Stimmen zu der Wirksamkeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse wird man nur dann als ein „altes Vorurteil" zurückweisen können, wenn man sich nicht an dem verfassungsmäßigen Auftrag der Untersuchungsausschüsse orientiert, sondern von anderen Bewertungsmaßstäben ausgeht. Von solchen, der originären Aufgabe informativer Kontrolle zuwiderlaufenden Vorstellungen sind die bisherigen Untersuchungsergebnisse des Verteidigungsausschusses geprägt. Soweit die einzelnen Verfahren des Verteidigungsausschusses überhaupt in einer Form abgeschlossen wurden, die eine Beschlußfassung des Plenums ermöglichten, standen nämlich weniger abschließende Meinungsbildungen zum Verhalten der Regierung im Mittelpunkt der Beschlußempfehlungen als vielmehr Empfehlungen und Vorschläge technisch-organisatorischer Art. Der Tenor der Ausschußberichte zielte weniger darauf ab, dem Plenum bestimmte politische Konsequenzen nahezulegen als vielmehr der Regierung bestimmte verwaltungsinterne Lehren anzuempfehlen.
Konsequenzen aus Untersuchungsausschüssen zog in der Regel nicht das Parlament, sondern vielmehr die Regierung. Dies ist kaum erstaunlich, wenn man sich vergegenwärtigt, auf welche Fragestellungen sich der Verteidigungsausschuß als Untersuchungsausschuß in der Feststellung von Untersuchungsergebnissen konzentriert hat:
— Im Verfahren um den Absturz des Oberleutnants Arndt standen „wichtige Erkenntnisse über Mängel in der Ausbildung und Ausrüstung ..., deren Beseitigung das Bundesverteidigungsministerium aufgrund der Forderungen des Verteidigungsausschusses mit großem Nachdruck betrieben hat" im Vordergrund.
— Der Untersuchungsausschuß Lutze/Wiegel konnte als Ergebnis die Aufdeckung „langfristiger Strukturmängel" verzeichnen.
— Die Untersuchung der gewalttätigen Aktionen gegen das öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr im Bremer Weserstadion vom Mai 1980 mündeten in einen Appell des Ausschusses an staatliche und gesellschaftliche Institutionen, zu vermehrten Anstrengungen in der grundlegenden geistigen Auseinandersetzung um eine wirksame militärische Verteidigung Das Bundesministerium der Verteidigung wurde lediglich gebeten, zu überlegen, ob die inhaltliche Ausgestaltung der Öffentlichkeitsarbeit ausreicht und ob neue Möglichkeiten der Selbstdarstellung entwikkelt werden können. Dieser Untersuchungsausschuß kann zwar für sich in Anspruch nehmen, den Anstoß zu einer längst überfälligen innenpolitischen Diskussion über die Aufgaben und die Stellung der Bundeswehr in Staat und Gesellschaft gegeben zu haben Der Feststellung Schweitzers, daß diese Ergebnisse auch ohne solch ein arbeits-, zeit-und geldaufwendiges formelles Untersuchungsverfahren hätten erarbeitet werden können ist aber zuzustimmen.
— Völlig in haushalts-sowie militärbürokratischen Verbesserungsvorschlägen war dann wieder der Untersuchungsausschuß MRCA Tornado befangen. Zwar kam die CDU/CSU-Fraktion im Ausschuß zu dem Ergebnis einer persönlichen politischen Verantwortlichkeit des damaligen Verteidigungsministers Apel. Diese Einschätzung wurde aber nicht in den allein entscheidenden Mehrheitsbericht aufgenommen.
V. Probleme des Untersuchungsrechts des Verteidigungsausschusses
1. Die Blockierung der übrigen Ausschußarbeit Die ausschließliche Konzentration des Untersuchungsrechts in Angelegenheiten der militärischen Verteidigung auf den Verteidigungsausschuß kann nicht ohne weiteres als eine zusätzliche Stärkung der Kontrollmittel des Verteidigungsausschusses angesehen werden. Zwar wird aus dem Exklusivrecht vielfach eine entsprechende Schlußfolgerung abgeleitet demgegenüber wird jedoch zu Recht auch auf negative Begleiterscheinungen hingewiesen
Die instrumentale Ausstattung des Untersuchungsrechts ist dabei weniger Ansatzpunkt der Kritik als vielmehr die zeitliche Koordinierung der normalen Fachausschußtätigkeit mit der Tätigkeit als Untersuchungsausschuß. Das Untersuchungsrecht des Verteidigungsausschusses ist nämlich in der Praxis weniger ein zusätzliches als vielmehr ein alternatives Kontrollinstrument. Denn wenn sich der Verteidigungsausschuß erst einmal als Untersuchungsausschuß konstituiert hat, nimmt diese Tätigkeit einen so breiten Raum ein, daß die laufenden Aufgaben als Fachausschuß dahinter zurücktreten. Schon in der vierten Wahlperiode klagte der Ausschußvorsitzende Dr. Jaeger darüber, daß von den bis dahin 99 Sitzungen des Verteidigungsausschusses „allein 12 durch Untersuchungsverfahren blockiert waren und damit nicht für andere Arbeit verwendet werden konnten"
Angesichts der . Als-ob’-Untersuchungen zum Waffensystem Starfighter, an die sich wenig später der Untersuchungsausschuß zum Absturz des Oberleutnants Arndt anschloß, stellte der Obmann der Unions-Fraktion im Verteidigungsausschuß, Klepsch, die Frage, ob eine derart strukturierte Arbeit sinnvoll sei und nach einer cost-effectiveness-Rechnung einen optimalen Effekt gebracht habe Klepsch befürchtete weiterhin, daß durch ein Übermaß an Untersuchungstätigkeit die sonstige Arbeit „paralysiert zu werden droht". Anläßlich der Plenarberatungen zum Untersuchungsausschuß Lutze/Wiegel wurde von Abgeordneten der Regierungsparteien SPD und FDP „auf den hohen Preis, den das Parlament für solche Untersuchungen im Verteidigungsausschuß zu zahlen hat", hingewiesen Die Abgeordneten beriefen sich darauf, daß in dem einen Jahr der Untersuchungen neben den 29 Sitzungen des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß nur zehn normale Ausschußsitzungen stattgefunden hätten. Während dieser Zeit bestand nach Ansicht von Möllemann und Neumann weithin eine parlamentslose Zeit für die allgemeine Verteidigungspolitik Für den Verteidigungsminister sei diese Situation zwar sicherlich nicht unangenehm gewesen; der Ausschuß selbst müsse sich aber fragen, ob der weitgehende Verzicht auf seine eigentliche Arbeit nicht möglicherweise zu folgenschweren Informations-und Einflußeinbußen geführt habe. Wiederholt wurden diese Bedenken anläßlich der Beratungen des Untersuchungsberichtes MRCA Tornado im März 1982
Gerade die Vorgeschichte zu diesem Untersuchungsausschuß zeigt, daß die weitgehende Blockierung der Ausschußarbeit von der Regierung bereits als Droh-und Druckmittel gegenüber dem Verteidigungsausschuß ins Spiel gebracht wird. Als während der Ausschußsitzung vom 22. Januar 1981 die Opposition detailliert Auskünfte über Finanzierungsprobleme bei der Beschaffung des Kampfflugzeuges Tornado verlangte, wurde sie vom damaligen Verteidigungsminister Dr. Apel darauf hingewiesen, daß die Opposition sich dann für einen Untersuchungsausschuß entscheiden müsse. Zwar gewannen sowohl bei der Opposition als auch bei der Regierungsmehrheit Gesichtspunkte der allgemeinpolitischen Auseinandersetzung und damit Gründe für einen Untersuchungsausschuß die Oberhand. Angesichts der partiellen Arbeitsblockierung des Verteidigungsausschusses durch den gerade vier Monate zuvor abgeschlossenen Untersuchungsausschuß Bremer Bundeswehrkrawalle war das Verhalten des Ministers nicht ungeschickt. In der Plenarberatung des Untersuchungsberichtes Tornado wies der Oppositionsabgeordnete Würzbach dann auch entsprechend kritisch auf Apels Einlassung hin Da die Zurückdrängung der Fachausschußtätigkeit durch einen Untersuchungsausschuß offensichtlich ist, ist es aufschlußreich, daß allein Angehörige der jeweiligen Regierungsparteien dieses Problem betonen. Es offenbart sich hier eine durchsichtige Zweckargumentation, auf die von Regierungsmehrheit und Opposition gleichermaßen zurückgegriffen wird. Bei den Regierungsparteien dürfte sich der von ihnen beklagte Einfluß-und Informationsverlust durch die fast ausschließliche Untersuchungstätigkeit nämlich kaum bemerkbar machen, weil diese Möglichkeiten ohnehin hauptsächlich außerhalb des Verteidigungsausschusses über die fraktions-und parteiinternen Verbindungen bestehen. Die Sorge um die Funktionserhaltung als Fachausschuß scheint vielmehr darin begründet zu sein, daß die Regierungsparteien in der Regel durch einen Untersuchungsausschuß in die politische Defensive gedrängt werden. Das vermeintliche Interesse an der Funktion des Verteidigungsausschusses als Fachausschuß offenbart sich somit ganz wesentlich als ein Eigeninteresse. Ähnlich verhält es sich mit der Argumentation der Opposition. Sie nimmt die Funktionsbeschränkung des Verteidigungsausschusses in Kauf, weil der Wert eines Untersuchungsausschusses für sie in der tagespolitischen Auseinandersetzung mit der Regierung bedeutend größer ist als die sachbezogene Routinearbeit, die in der Regel ohne große Resonanz in der Öffentlichkeit bleibt.
Diese durchsichtige Argumentationsweise sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Konkurrenz zwischen Untersuchungsrecht und Fachausschußtätigkeit tatsächlich zu einer ernsten Belastung der Funktionsfähigkeit des Verteidigungsausschusses führt. Zwar hat der Verteidigungsausschuß selbst während der Untersuchungen im Spionagefall Lutze/Wiegel nicht aufgehört zu arbeiten, auch wenn ihm nur ein Drittel der üblichen Sitzungszeit zur Verfügung stand Dennoch erwies sich die Untersuchungstätigkeit im wesentlichen anstelle der gebotenen kumulativen als eine alternative Tätigkeit des Verteidigungsausschusses. Wenn sich das „scharfe Schwert" des Untersuchungsrechts mithin auch gegen den Ausschuß selbst richtet, ist es um die Wirksamkeit dieses wichtigen Kontrollmittels nicht gut bestellt. Hier zeigt sich eine konstruktive Schwäche des Artikel 45 a. Angesichts dieser Schwäche scheint die Frage nach der Funktionalität der Konstituierung des Gesamtausschusses als Untersuchungsausschuß besonders berechtigt zu sein. 2. Die Zweckmäßigkeit der Umwandlung des Gesamtausschusses in einen Untersuchungsausschuß
Ein Ansatzpunkt, um die bisher nur alternative Kontrollwirkung eines Untersuchungsausschusses des Verteidigungsausschusses in ein parallel laufendes Kontrollinstrument weiterzuentwickeln, ergibt sich aus der Größe des Verteidigungsausschusses. Im Vergleich zu der üblichen Größe von Untersuchungsausschüssen mit etwa sieben Mitgliedern ist der Verteidigungsausschuß mit gegenwärtig 27 ordentlichen und 27 stellvertretenden Mitgliedern „hoffnungslos zu groß" Die präzise Aufgabenstellung eines Untersuchungsausschusses, die insbesondere eine umfassende und geordnete Beweisaufnahme erfordert, wird durch die große Anzahl der Beteiligten eher gefährdet als gefördert. Es ist schon wegen der Fülle des in der Regel zu bearbeitenden Materials unmöglich, daß sich jeder einzelne Abgeordnete ausreichend auf die Sitzungen des Untersuchungsausschusses vorbereitet, zumal aus Geheimschutzgründen meist nur wenige Exemplare einer Akte zur Verfügung stehen.
In der Praxis ist versucht worden, die unzweckmäßige Arbeitsgröße des Untersuchungsausschusses durch Absprachen zwischen den Fraktionen in informellen Gremien auszugleichen. Durch diese Absprachen wurden die Vollsitzungen als Untersuchungsausschuß von der langwierigen Erörterung von Verfahrens-, Termin-und Geschäftsordnungsfragen weitgehend entlastet.
Ebenso sachdienlich, aber nicht weniger problematisch war eine weitere „Verfahrensvereinfachung". Auch in den Sitzungen des Gesamtausschusses blieben die meisten Abgeordneten nämlich von einer wirklichen Beteiligung an dem Untersuchungsverfahren, insbesondere von der Beweisaufnahme, ausgeschlossen. Die Fraktionen hatten sich geeinigt, im wesentlichen nur ihre Berichterstatter und Obleute an der Beweisaufnahme aktiv teilhaben zu lassen. Die Vernehmung der Zeugen beschränkte sich demnach auf höchstens zehn Abgeordnete. Diese Zahl entspricht in etwa wieder der Größe der normalen Untersuchungsausschüsse nach Arti-kel gleichzeitig wird deutlich, daß das Untersuchungsverfahren in Wirklichkeit kein Verfahren des gesamten Verteidigungsausschusses, sondern nur etwa eines Drittels seiner Mitglieder ist. Die übrigen Abgeordneten konnten zwar an den Ausschußsitzungen teilnehmen, blieben aber weitgehend zur Passivität verurteilt und wurden nur noch bei entscheidenden Abstimmungen wieder in das Verfahren einbezogen.
Im Ergebnis führt dies dann dazu, daß an den Sitzungen des Untersuchungsausschusses nur noch die Obleute und Berichterstatter kontinuierlich teilnehmen, während sich bei den übrigen Ausschußmitgliedern die mangelnde Einbeziehung in die Untersuchungstätigkeit bald in einer häufigen Abwesenheit von den Sitzungen niederschlägt.
Aus der hier geschilderten Lage ergibt sich somit in doppelter Hinsicht eine unbefriedigende Situation. Zum einen ist der Verteidigungsausschuß als Fachausschuß weitgehend blockiert; andererseits sind etwa zwei Drittel der Ausschußmitglieder am Untersuchungsverfahren faktisch nicht beteiligt. Eingedenk dieser Nachteile ist der Vorschlag gemacht worden, die Durchführung von Untersuchungsverfahren des Verteidigungsausschusses weitgehend einem Unterausschuß des Verteidigungsausschusses zu übertragen 44).
Es ist wohl nur mit parteitaktischen Erwägungen zu begründen, daß die von allen Seiten begrüßten Erfahrungen mit dem Untersuchungsausschuß Absturz Oberleutnant Arndt im Jahre 1966 nicht für die nächsten Untersuchungsausschüsse übernommen wurden. Bei diesem Untersuchungsausschuß wurde die Arbeit im wesentlichen nur von den drei Abgeordneten Damm (CDU), Iven (SPD) und Ollesch (FDP) geleitet. Der damalige Bundestagsvizepräsident Dr. Mommer sprach diesen Abgeordneten dafür eine besondere Anerkennung aus Der spätere Verfassungsrichter Hirsch nannte als Abgeordneter sogar „die Arbeit, die Methode ... dieses Ausschusses beispielgebend für die Arbeit weiterer Untersuchungsausschüsse"
Aufgrund der neuen Geschäftsordnung von 1980 könnte sich nun eine Änderung ergeben Danach kann gemäß § 55 jeder Ausschuß zur Vorbereitung seiner Arbeit Unterausschüsse zur Erledigung bestimmter Aufträge einsetzen.
Mit einer Konstituierung als Untersuchungsausschuß nach Artikel 45 a Abs. 2 umfaßt die Arbeit des Verteidigungsausschusses auch die Durchführung des Untersuchungsverfahrens. Nach dem Wortlaut des § 55 Abs. 1 Satz 1, der ohne Ausnahme von „jeder" Ausschuß spricht, ist damit auch der Verteidigungsausschuß berechtigt, einen Unterausschuß zur Erledigung bestimmter Aufträge zum Zweck der Vorbereitung der Arbeit des Hauptausschusses einzusetzen. Dem steht auch nicht entgegen, daß die Geschäftsordnung des Bundestages nicht für Untersuchungsausschüsse und deren Verfahren gilt. Denn die Frage nach der Einsetzung eines Unterausschusses des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß ist unabhängig davon zu sehen, nach welchem Verfahren sich ein solcher Unterausschuß als Untersuchungsausschuß richtet.
Mit der neuen Regelung ist die Möglichkeit eröffnet, daß die Untersuchungstätigkeit des Verteidigungsausschusses nicht mehr zu einer weitgehenden Blockierung der Fachausschußtätigkeit führt. Wenn der Verteidigungsausschuß in der Lage ist, dieses neue Instrumentarium sinnvoll einzusetzen, wird seine Untersuchungstätigkeit dann tatsächlich als ein zusätzliches Kontrollmittel deutlich werden können.
Nicht weniger wichtig als die aufgabengerechte Ausstattung des Untersuchungsrechts ist jedoch das politische Kontrollverständnis der Parlamentarier selbst. Die eingangs zitierten Äußerungen von Marx und Schweitzer zeigen überdeutlich die Grenzen einer rein verfassungs-und verfahrensrechtlichen Betrachtung des Untersuchungsrechts.
Dabei gilt es allerdings zu beachten, daß nach der Konstruktion unseres parlamentarischen Regierungssystems die Regierung allein von der Parlamentsmehrheit abhängig ist. Die Mehrheit ist und bleibt im doppelten Sinn des Wortes „Partei" der Regierung. Bei dieser gegenseitigen Abhängigkeit ist nicht zu erwarten, daß die Mehrheit hilft, „ihre" Regierung in ernsthafte Bedrängnis zu bringen. Ein solches Verhalten wäre schlicht systemwidrig. Diese Feststellung kann nur den überraschen, der außer acht läßt, daß das Untersuchungsrecht seine höchste politische und parlamentarische Wirkung in den USA erlangt hat — einem Verfassungssystem, das aber gerade keine Abhängigkeit der Regierung vom Parlament kennt.
Hans-Joachim Berg, Dr. jur., geb. 1948; Referent beim Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages; Studium der Rechtswissenschaften und der Internationalen Politik in Köln, Kiel und Washington, D. C.; 1976— 1980 wissenschaftlicher Mitarbeiter von Mitgliedern des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages; Reserveoffizier. Veröffentlichungen u. a.: Der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages, München 1982; Zum grundgesetzlichen Verbot eines uneingeschränkten Dienstes von Frauen in den Streitkräften, in: Neue Zeitschrift für Wehrrecht, (3/1979); Heilmittel: ein starker Präsident?, in: Die Politische Meinung, 168 (1976); Sowjetische Hegemonialstellung im Warschauer Pakt, in: Politische Studien, 227(1976); zahlreiche journalistische Arbeiten zur Verteidigungs-und Sicherheitspolitik.
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