Südpazifik: Entkolonialisierung und neue Identität Nationalitätenbildung, wirtschaftliche Entwicklung und außenpolitische Beziehungsstruktur im ozeanischen Raum | APuZ 10/1985 | bpb.de
Südpazifik: Entkolonialisierung und neue Identität Nationalitätenbildung, wirtschaftliche Entwicklung und außenpolitische Beziehungsstruktur im ozeanischen Raum
Günter Siemers
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Zusammenfassung
Seit Magellans Reise im frühen 16. Jahrhundert wurde der insulare Südpazifik von abendländischen Forschern erschlossen; später erschienen auch Abenteurer, Händler, Siedler und Missionare. Dritte Stufe der ausländischen Präsenz war schließlich die koloniale Inbesitznahme mit Schwerpunkt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von den damals gebildeten Kolonien, Protektoraten, Treuhandgebieten u. ä. sind acht nach dem Zweiten Weltkrieg zu souveränen Staaten geworden; einige weitere dürften in absehbarer Zeit die Unabhängigkeit erlangen oder sind freiwillig mit einem größeren Staat assoziiert, für einige Gebiete ist kein Ende der Fremdverwaltung in Sicht. Die wirtschaftliche Entfaltung der einzelnen Staaten und Territorien wird durch kleine Binnenmärkte, lange Verkehrswege ins Ausland u. a. beeinträchtigt, so daß fast alle eine negative Handelsbilanz aufweisen. Außenpolitisch gesehen, treffen im Pazifik die Interessen der Großmächte USA und UdSSR aufeinander; die USA unterhalten auf einigen Inseln im Südpazifik Militärstützpunkte, ebenso wie aus anderen Gründen Frankreich. Da die Inselstaaten keinerlei unmittelbarer Bedrohung von außen ausgesetzt sind, können sie eine vorwiegend auf die Wahrnehmung eigener Interessen ausgerichtete, von Beteiligung an politischen und militärischen Bündnissen freie Außenpolitik betreiben. Aus historischen, innenpolitischen u. a. Gründen sind dabei alle Regierungen mehr oder weniger westlich orientiert. Die Zusammenarbeit untereinander wird insbesondere durch das „Südpazifik-Forum" koordiniert.
„Lebe gut, liebe gut und stirb gut!" hat ein einheimischer Autor etwas provozierend den „Pacific way" zusammenzufassen versucht — eine für viele Bewohner der südpazifischen Inseln typische Lebenshaltung. In der Tat gibt es eine Reihe weithin gültiger sozialer und anderer Gemeinsamkeiten, die bei all der bunten Vielfalt in natürlicher Umgebung, Lebensstil, gesellschaftlichen und politischen Systemen die heute 5, 5 Millionen Menschen (Bundesrepublik 61, 3 Millionen) verbinden, welche auf etwa 555 000 qkm Landfläche (Bundesrepublik 248 706 qkm) den insularen Südpazifik bevölkern. Das hier behandelte Gebiet schließt Neuseeland und Australien, das ursprünglich polynesische, heute einen Bundesstaat der USA bildende Hawaii, das melanesische, von Indonesien annektierte Irian Jaya sowie zu südamerikanischen Staaten gehörende Inseln nicht ein.
Die über eine gewaltige Meeresfläche im zentralen und westlichen Pazifik etwa zwischen dem nördlichen und südlichen Wendekreis verteilten rund 7 500 Inseln, Atolle und Riffe (oft unbewohnt) liegen alle im warmen Klima-gürtel der Erde, wenn auch mit lokal durch Winde, Meeresströmungen und Inselform bedingten, nicht unerheblichen klimatischen Unterschieden. Sonne, dünne Besiedlung und das Meer haben ebenso wie gewachsenes
Brauchtum das Dasein der Menschen geprägt: Industriestaaten-Mentalität ist noch nahezu unbekannt, während ein Hang zu Lebensgenuß — unterschiedlich manifestiert in Gesang, Tanz, den verschiedenen Stufen des Kontaktes zum anderen Geschlecht (auch unter Umgehung strengerer Moralvorschriften des vorherrschenden Christentums) oder dem Konsum berauschender Getränke (heute oft Bier) — und die Einordnung in eine Gemeinschaft mit dem Bestreben, für Probleme gemeinsame Lösungen zu finden, sowie ein hohes Maß an Gastfreundschaft verbreitet sind. Zudem haben fast alle Inselgruppen eine Periode als Kolonie, Protektorat oder Treuhand-gebiet hinter sich oder befinden sich noch darin; fast alle verfügen über eine nur wenig leistungsfähige Wirtschaft, die sie bei der Entwicklung oder Unterhaltung einer modernen Infrastruktur von zusätzlicher ausländischer Hilfe abhängig macht.
Geteilte Sorgen auf wirtschaftlichem Gebiet, historisch bedingte gemeinsame Interessen in der Außenpolitik und verwandte Lebensformen haben allmählich eine „pazifische Identität" herausgebildet, welche die Staaten und Territorien der Region nicht nur intern zusammenarbeiten, sondern auch nach außen hin zunehmend gemeinsam auftreten läßt.
I. Nationalitätenbildung
Gegenwärtig bestehen auf den südpazifischen Inseln — die großräumig in Mikronesien („kleine Inseln" mit Kiribati, Nauru, Guam, dem TTPI), Melanesien („schwarze Inseln" mit den Salomon-Inseln, Neukaledonien, Vanuatu, Papua-Neuguinea, Fidschi) und Polynesien („viele Inseln" mit Tuvalu, Tokelau, Wallis und Futuna, West-Samoa, Amerikanisch-Samoa, Tonga, Niue, den Cook-Inseln, Norfolk, Französisch-Polynesien) eingeteilt werden (hier kleinere Verwaltungseinheiten nicht angeführt) — neun selbständige Staaten: Kiribati, Nauru, Papua-Neuguinea, die Salomon-Inseln, Vanuatu, Fidschi, Tuvalu, West-Samoa, Tonga; von den noch ausländisch verwalteten Gebieten werden einige wahrscheinlich in Kürze die Unabhängigkeit erlangen, andere sind semi-autonom, bei einem kleinen Rest ist ein Ende der Fremdverwaltung nicht in Sicht. In den meisten Fällen begann die formelle politische Abhängigkeit von einer Kolonialmacht in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. 1. Nach Forschern, Missionaren und Händlern die politische Inbesitznahme Die Vor-und Frühgeschichte der südpazifischen Inseln liegt noch weitgehend im dunkeln. Durch Ausgrabungen wurde jedoch stellenweise eine menschliche Besiedlung schon im 2. Jahrtausend v. Chr. nachgewiesen (Marianen, Karolinen, Wallis und Futuna, Vanuatu). Die gewaltigen Entfernungen, die in relativ kleinen und einfach konstruierten Schiffen zurückgelegt werden mußten, verhinderten trotz erstaunlicher seemännischer Leistungen das Entstehen größerer politischer Einheiten im Südpazifik; Kriege in der vor-europäischen Zeit fanden, soweit bekannt, nur zwischen einander nähergelegenen Herrschaftsbereichen statt.
Die Vielzahl in sich geschlossener, mehr oder weniger kleiner Gesellschaften konnte der Expansion fremder Großmächte zwar stellen-weise vorübergehend Widerstand entgegensetzen, mußte sich aber schließlich deren modernerer Waffentechnik beugen, wenn sie nicht aufgrund lokaler Machtrivalitäten sogar ins Land gerufen wurden oder nach zunächst freundlicher Aufnahme automatisch in eine dominierende Rolle hineinwuchsen.
Die ersten Europäer in der „Südsee" — wie der Spanier Balbao 1513 nach Überquerung der Landenge von Panama den vor ihm Regenden Pazifik nannte — waren neben Händlern, Abenteurern und Missionaren Forscher; später, während der Kolonialzeit, wurde diese Forschungstätigkeit fortgesetzt. Obwohl die Leiter von Expeditionen nicht selten von dem Drang, Neues zu erkunden, motiviert waren, verfügten sie in der Regel nicht über die Mittel, derartige Unternehmen selbst zu finanzieren; daher dienten entweder ihr unmittelbarer Auftrag oder die Ergebnisse ihrer oft jahrelangen Reisen (in Form von Karten und landeskundlichen Informationen) zumeist der Verfolgung wirtschaftlicher oder politischer Interessen.
Als erster Forscher drang der Portugiese Ferdinand Magellan in den Südpazifik vor und durchquerte ihn. Wie erhofft, gelang es ihm auf seiner 1520 angetretenen Reise, statt der bereits bekannten Segelroute um Afrika herum nach Osten zu den „Gewürzinseln" (Molukken) eine Westpassage an der Südspitze Südamerikas vorbei zu entdecken. Er selbst erreichte die heute indonesische Inselgruppe allerdings nicht mehr: Mehr als dreieinhalb Monate nach dem Verlassen der „Ma-
gellan-Straße" erreichte er nach völlig sturm-freier Überfahrt — die ihn bewog, diesem Weltmeer den Namen „Stiller Ozean" zu geben — die südlichen Marianen-Inseln Guam und Rota; auf der Weiterfahrt nach Westen griff er in Kämpfe der Herrscher von Cebu und Mactan (heutige Philippinen) ein und wurde getötet. Nur eines seiner ursprünglich fünf Schiffe gelangte in das Ausgangsland Spanien zurück und hatte damit erstmals die Erde umsegelt.
Zu den weiteren bekannten Entdeckungsreisen in den Südpazifik gehören u. a. die von Mendana (1567/69), Mendana und de Quiros (1595/96), de Quiros und Torres (1605/06), LeMaire und Schouten (1615), Tasman (1643), Dampier (1699), Bougainville (1767/68) und Cook (1768/71, 1772/75, 1776/79). Auf seiner dritten Reise wurde Cook 1779 auf Hawaii von Einheimischen getötet.
Auch Missionare — die anders als die Forscher unbewaffnet kamen, aber dort bleiben und verändern wollten — bezahlten das eingegangene Risiko besonders in der Frühzeit oft mit dem Leben. Obwohl nur ausnahmsweise (wie die im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in Neuguinea aktiv gewordene Rheinische Mission) kolonialpolitischen oder Wirtschaftsinteressen direkt verbunden, trugen auch sie letztlich zur ausländischen Durchdringung des Gebietes bei und arbeiteten später unter dem Schutz der jeweiligen Fremdverwaltung. Die wohl bekannteste Missionsorganisation war die „London Missionary Society" (LMS), von der Mitglieder z. B. (jeweils heutige Bezeichnung) 1797 in Französisch-Polynesien, 1830 in Amerikanisch-Samoa und Niue, 1839 in Vanuatu und 1840 in Neukaledonien an Land gingen. Heute ist das Christentum — vielfach durch Gliedkirchen oder Sekten repräsentiert — die verbreitetste Religion im Südpazifik; auch Christen halten z. T. jedoch noch an überkommenen religiösen Vorstellungen fest.
Abenteurer, Händler und Siedler erschienen lokal unterschiedlich in dieser Insel-Welt teils vor, teils nach den Missionaren. Besonders unrühmliche Kapitel der Frühzeit sind der öfter mit Gewalt verbundene Sandelholz-Handel (z. B. in Vanuatu ab 1825) und das „blackbirding" (z. B. ab 1847 in Vanuatu und ab 1863 auf Tokelau) — die häufig gewaltsame Verschleppung von Einheimischen zu sklavenähnlicher Arbeit anderswo. Später wurden auf freiwilliger Basis auch fremde Arbeitskräfte in die Region eingeführt — so Chinesen nach Tahiti, Japaner nach Hawaii und Inder nach Fidschi; die Nachfahren der letzteren sind heute in Fidschi zahlreicher als die einheimischen Melanesier — ein fortdauernder politischer Konfliktstoff.
Der Schutz wirtschaftlicher Interessen ihrer Staatsbürger — sei es in der Region ansässiger oder in der Region aktiver Niederlassungen von Firmen des Mutterlandes — gegenüber Einheimischen und anderen Ausländern, das verbreitete kolonialistische Denken jener Zeit, welches die Inbesitznahme von (dazu noch von „heidnischen Eingeborenen" bevölkerten) Gebieten zum Zwecke der wirtschaftlichen Ausbeutung (Zulieferung von Rohstoffen, Absatzmarkt für einfache Verarbeitungsprodukte) als normal ansah, und die Rivalität der Kolonialmächte untereinander waren die Hauptursachen dafür, daß schließlich fast alle südpazifischen Inseln unter ausländische Kontrolle gebracht wurden. Die im Verlaufe dieses Prozesses gebildeten politischen Einheiten — die allerdings nicht selten auf schon vorher vorhandenen politischen und ethnischen Gegebenheiten basierten — waren die Grundlage der heutigen selbständigen Staaten und Verwaltungsgebiete im Südpazifik.
Amerikanisch-Samoa Unincorporated Territory der USA, 197 qkm, 33 000 Ew. Cook-Inseln Assoz. mit Neuseeland, 240 qkm, 17 000 Ew.
Vanuatu 11 880 qkm, 120 000 Ew. Erste Kolonialmacht war Spanien, welches 1565 die auf dem Weg zu den Philippinen gelegenen Marianen in Besitz nahm und in der Folge militärisch unterwarf und missionierte. Bis 1774 blieb dies die einzige Annexion in der ganzen Region. 1885 fielen Spanien durch einen Schiedsspruch von Papst Leo XIII. zuungunsten Deutschlands auch die südlich davon gelegenen Karolinen zu.
Als nächste fremde Macht trat Frankreich stärker in Erscheinung: Nach einem Konflikt zwischen Missionaren der „London Missionary Society" und katholischen französischen Missionaren auf Tahiti, der sich auf den politischen Bereich ausweitete, brachte es ab 1842 (bis 1900) nach und nach Französisch-Polynesien unter seine Kontrolle, 1853 folgte Neukaledonien, 1887 Wallis und Futuna. Vanuatu — die damaligen Neuen Hebriden — wurde aufgrund von Rivalitäten zwischen britischen und französischen Siedlern durch eine 1887 unterzeichnete Konvention hinsichtlich des Schutzes der Siedler-Interessen einer „Gemeinsamen Marine-Kommission" beider Staaten unterstellt und schließlich 1906, nachdem auch Deutschland dort Fuß zu fassen versucht hatte, zu einem von Frankreich und Großbritannien (nach einem nicht unkomplizierten System) gemeinsam verwalteten „Kondominium" gemacht.
Die Briten waren in jener Zeit die Hauptrivalen Frankreichs. Nachdem bereits Kapitän James Cook 1774 das relativ abgelegene und kleine Norfolk zu einem Gebiet der britischen Krone erklärt hatte, unterwarfen sich 1874 die führenden Häuptlinge Fidschis. 1880 wurden die Cook-Inseln britisches Protektorat, 1884 der südöstliche Teil des zum heutigen Papua-Neuguinea gehörenden Teiles von Neuguinea und zugehörige Inseln (als „British New Guinea"), 1889 Tokelau, 1892 Kiribati und Tuvalu (die Gilbert-und die Ellice-Inseln), von 1893 bis 1900 die Salomon-Inseln, 1900 Niue.
Deutschland und die USA repräsentieren eine Übergangsphase des Kolonialismus im Südpazifik: Sie konnten nur noch teilweise Gebiete als erste in Besitz nehmen, andere Gebiete kauften oder übernahmen sie. Fast gleichzeitig mit Großbritannien erklärte Deutschland 1884 den Nordosten des heute zu Papua-Neuguinea gehörenden Teiles von Neuguinea („Kaiser Wilhelmsland") und einige Inseln (die zusammen mit später erworbenen Inseln dann den „Bismarck-Archipel"
bildeten) zum Schutzgebiet, 1886 die Marschall-Inseln, 1888 Nauru. Von Spanien kaufte es 1899 für 25 Mio. Peseten die gesamten Marianen außer Guam und die gesamten Karolinen. Ebenfalls 1899 wurde West-Samoa deutsche Kolonie.
Amerikanisch-Samoa fiel 1899 den USA zu, denen im selben Jahr das in kriegerischen Auseinandersetzungen unterlegene Spanien Guam abtrat.
Eine dritte Generation von Kolonialmächten übernahm — von kleinen Ausnahmen abgesehen und unter weiterer Beteiligung der USA — nur noch Gebiete von anderen Fremdmächten, so Australien, Neuseeland und zeitweilig Japan. Zum Teil geschah dies durch Übernahme der deutschen Verwaltungsgebiete oder dadurch, daß Großbritannien die administrative Zuständigkeit für bestimmte Gebiete unter seiner Verwaltung auf Australien und Neuseeland — vor und nach deren Unabhängigkeit — übertrug.
Deutschland verlor im Ersten Weltkrieg sämtliche Besitzungen. Die Marianen (außer Guam), die Karolinen und die Marschall-Inseln wurden von Japan besetzt und später unter Völkerbundsmandat (die Karolinen jedoch ab 1922 als Bestandteil Japans) verwaltet. Im Zweiten Weltkrieg eroberten amerikanische Truppen — in sehr heftigen und verlustreichen Kämpfen — die Inseln; seit 1947 werden sie (außer Guam) von den USA als „strategisches Treuhandgebiet" der UNO verwaltet. Nauru wurde von australischen Truppen eingenommen und ab 1919 als Völkerbundmandatsgebiet bzw. — nach einem japanischen Interregnum 1942 bis 1945 — ab 1947 als UNO-Treuhandgebiet formell von Australien, Neuseeland und Großbritannien gemeinsam, de facto aber nur von Australien verwaltet. Auch die früher deutsch verwalteten Gebiete des heutigen Papua-Neuguinea übernahm Australien — ab 1920 als Völkerbund-Mandat, ab 1946 als UNO-Treuhandgebiet (unterbrochen durch eine teilweise japanische Besetzung 1942 bis 1944). 1949 legte es die Verwaltung des ehemals britischen Gebietes (ab 1905 als „Papua" bezeichnet), die ihm 1902 übertragen worden war, mit der des ehemals deutschen Gebietes zusammen und schuf damit die politische Grundlage für den heutigen souveränen Staat. Die Verwaltung West-Samoas schließlich lag ab 1914 bei Neuseeland — ab 1920 ebenfalls als Mandats-und später als Treuhandgebiet. Neuseeland übernahm von London außerdem 1901 die Zuständigkeit für die Cook-Inseln einschließlich des seit 1904 eine eigene Verwaltungseinheit bildenden Niue und 1925 für Tokelau; Norfolk wurde 1914 der politischen Hoheit Australiens unterstellt. 2. Teilweise Entkolonialisierung seit dem Zweiten Weltkrieg Als einzige größere Inselgruppe hatte sich Tonga durch diplomatisches Geschick die Selbständigkeit — von einem zeitweisen britischen Veto-Recht in der Außenpolitik abgesehen — bewahren können. Im Gefolge des Zweiten Weltkrieges erlangten bisher acht weitere Gebiete wieder die Souveränität, dies jedoch mehr im Rahmen der Politik der Verwaltungsmächte als auf eigenen Druck hin. Ihrer Unabhängigkeit gingen unterschiedlich lange Perioden voraus, in denen durch die Gewährung innerer Selbstverwaltung o. ä. die Grundlagen für die heutigen politischen Systeme geschaffen wurden.
Sieht man von der Form einer konstitutionellen Monarchie mit der britischen Königin als nominellem Staatsoberhaupt (im Rahmen des Commonwealth) ab, ist Tonga die einzige konstitutionelle Monarchie unter den neun souveränen Staaten; alle anderen sind parlamentarische Demokratien. Auch in Tonga gibt es ein Parlament, in dem jedoch die neun gewählten Vertreter der Bevölkerung in der Minderheit sind gegenüber der gleichen Anzahl gewählter Adelsvertreter und den ex officio dem Parlament angehörenden (ernannten) Mitgliedern des Kronrates, so daß der König eine relativ starke Stellung hat. In West-Samoa ist die Repräsentativfunktion des Parlaments insoweit beschränkt, als nur die Matai (Sippschaftsoberhäupter) — etwa zehn Prozent aller Einwohner — das aktive und passive Wahlrecht haben. Nirgendwo im Südpazifik gibt es eine Diktatur oder besteht die Gefahr einer solchen. Wahlen haben seit dem Zweiten Weltkrieg bereits etliche Male zu Regierungswechseln geführt oder sogar zum Ausscheiden führender Politiker der siegreichen Regierungspartei aus dem Kabinett, wenn — wie in Papua-Neuguinea — die Verfassung vorschreibt, daß Regierungsmitglieder gleichzeitig dem Parlament angehören müssen. In der Haltung der einzelnen Fremdmächte zur Gewährung der Unabhängigkeit zeigen sich jedoch Unterschiede. a) Großbritannien und Australien: fast völliger Rückzug Großbritannien entließ 1970 Fidschi, 1978 die Salomon-Inseln und Tuvalu, 1979 Kiribati und 1980 (gemeinsam mit Frankreich) Vanuatu in die Unabhängigkeit Damit kontrolliert es nur noch das als Sitz eines Teils der Nachfahren der „Bounty" -Meuterer berühmt gewordene, strategisch aber völlig unwichtige Inselchen Pitcairn (4, 5 qkm, 53 Einwohner [am 31. 1.
1983), auf dem Luftweg nicht und per Schiff sehr selten und ohne Anlegemöglichkeit erreichbar), dessen Bevölkerung bei der englischen Krone verbleiben möchte.
Australien gewährte 1968 Nauru und 1975 Papua-Neuguinea die volle Souveränität Es kontrolliert noch Norfolk (mit teilweiser innerer Selbstverwaltung) sowie die seiner Küste vorgelagerten Torres Straits Islands mit ca. 10 000 Einwohnern, das 1969 als „external territory" eingerichtete, unbewohnte „Coral Sea Islands Territory" und das als „dependency" des Bundesstaates New South Wales verwaltete Lord Howe Island. b) Neuseeland: mehr Assoziierung als Verwaltung Als erstes der Inselgebiete überhaupt erlangte 1962 das von Neuseeland verwaltete West-Samoa die Unabhängigkeit Die Cook-Inseln erhielten 1965 die innere Selbstverwaltung und sprachen sich kurz darauf per Volksabstimmung für eine „freie Assoziierung“ mit Neuseeland aus — die von den Cook-Inseln einseitig für beendet erklärt und in völlige Souveränität umgewandelt werden kann. Auf der Grundlage dieser Assoziierung ist Neuseeland für die Außenpolitik und Verteidigung verantwortlich; die Einwohner der Cook-Inseln besitzen gleichzeitig die neuseeländische Staatsbürgerschaft Eine entsprechende Regelung wurde 1974 für Niue getroffen.
Lediglich Tokelau wird noch voll von Neuseeland verwaltet wo seit 1974 die Zuständigkeit dafür beim Außenministerium liegt Unmittelbar mit der Verwaltung befaßt ist das neuseeländische „Office of Tokelau Affairs“ mit Sitz in Apia (West-Samoa). Die Einwohner Tokelaus sind neuseeländische Staatsbürger. c) Frankreich: Konflikte auf Neukaledonien und den Gesellschaftsinseln Die geringste Bereitschaft unter den Kolonialmächten, sich aus der Region zurückzuziehen, hat Frankreich gezeigt Nachdem es 1980 dem gemeinsam mit Großbritannien verwalteten Vanuatu die Unabhängigkeit gewährt hatte (offenbar widerstrebend, denn wie sich später bei einem Gerichtsverfahren herausstellte, brachte die französische Verwaltungsspitze dem unmittelbar vor der Unabhängigkeit unternommenen, jedoch gescheiterten Sezessionsversuch der wirtschaftlich vor allem von französischen Siedlern kontrollierten Insel Santo heimlich Sympathie entgegen), verblieben ihm als Uberseeterritorien („territoires doutre-mer") Französisch-Polynesien, Wallis und Futuna und Neukaledonien.
Wallis und Futuna sind politisch konservativ; der für allgemeine politische Fragen zuständige „Territorialrat“ setzt sich aus dem französischen Verwaltungschef, drei mit Zustimmung des lokalen Parlaments ernannten Mitgliedern und den drei traditionellen Königen — von Wallis, Alo (Futuna) und Sigave (Futuna) — zusammen. Obwohl bei der Volkszählung 1976 mehr als die Hälfte der Bevölkerung der besseren Arbeitsmöglichkeiten wegen auf Neukaledonien lebte (diese Zahl dürfte aber inzwischen zurückgegangen sein), kam es bisher nicht zu politischen Unruhen.
Anders als das nahezu völlig polynesische Wallis und Futuna weist Französisch-Polynesien — wo sich zudem rund zwei Drittel der Bevölkerung auf die Hauptinsel Tahiti konzentrieren — mit (1983) 15 % einen beträchtlichen Anteil an Europäern auf (weitere 8 % Sind Mischlinge mit z. T. europäischen Vorfahren, 8 % Chinesen, 70 % Polynesier). Die dadurch bedingte, insbesondere in der Verwaltungshauptstadt Papeete bereits stärkere Abkehr von der traditionellen Lebensweise — vergrößert noch durch den ständigen Austausch eines Teils der französischen Verwaltungs-und Militärangehörigen und einen inzwischen umfangreichen Tourismus — hat ein an westlichen Vorstellungen orientiertes politisches Klima mit einer Vielzahl von Parteien geschaffen; bei den letzten Wahlen zur Territorialversammlung — dem Parlament des Gebietes — bewarben sich um die 30 Mandate 398 Kandidaten. Während sich früher vor allem Anhänger und Gegner der Unabhängigkeit gegenüberstanden (ein Plan des 1977 verstorbenen polynesischen Politikers Pouvanaa a Oopa, einseitig eine von Frankreich losgelöste Republik auszurufen, scheiterte 1958 am lokalen Widerstand gegen die dann erforderliche Einführung einer Einkommensteuer), haben sich die Programme und Forderungen in neuerer Zeit weiter differenziert. Sieger der Wahlen von 1982 blieb mit 13 errungenen Sitzen bzw. 29, 3 % Stimmenanteil die gaullistische „Tahoeraa Huiraatira" -Partei mit Gaston Flosse, die sich der freien Markt-31
Wirtschaft verbunden fühlt und für eine völlige innere Selbstverwaltung des Territoriums eintrat; auf die verschiedenen Anhänger einer völligen Unabhängigkeit entfielen 15 % der abgegebenen Stimmen.
Die Selbstverwaltung wurde Französisch-Polynesien schließlich im Spätsommer 1984 gewährt; Frankreich ist weiterhin für Außenpolitik, Verteidigung, Recht, die Währung, die Nachrichtenübermittlung in externe Gebiete, die höhere Erziehung und „öffentliche Freiheiten" zuständig.
Angesichts seiner militärischen Interessen, die auch bei gemäßigten lokalen Politikern nicht immer auf Sympathie stoßen, dürfte Frankreich vorläufig nicht bereit sein, dem Gebiet die volle Souveränität zu gewähren. Eine von einem Großteil der Polynesier getragene militante Unabhängigkeitsbewegung ist insofern nicht zu erwarten, als diese infolge der sehr stark auf den Dienstleistungssektor aufbauenden Wirtschaft vielfach einen Verlust von Arbeitsplätzen bedeuten würde und zum anderen angesichts der geographischen Gegebenheiten vom — ohnehin präsenten — französischen Militär leicht unter Kontrolle gebracht werden könnte. Gelegentliche punktuelle Ausschreitungen sind zwar auch künftig nicht auszuschließen, doch dürfte eine völlige Unabhängigkeit gegen den Willen Frankreichs nur mit Unterstützung von außen zu erlangen sein.
Vorsicht ließ die französische Regierung bereits walten: 1979 gliederte sie das abgelegene Atoll Clipperton — nach den bisherigen Informationen allenfalls in Verbindung mit der 200-Meilen-Wirtschaftszone von Bedeutung — aus Französisch-Polynesien aus und unterstellte es verwaltungsmäßig unmittelbar Paris.
Eine sehr viel kompliziertere Situation hat sich dagegen auf Neukaledonien entwickelt, wo bis vor wenigen Jahren politische Meinungsverschiedenheiten ebenfalls nur verbal und ohne Gewaltanwendung ausgetragen wurden.
Nachdem 1850 die gesamte Besatzung des französischen Forschungsschiffes „Alcmene"
getötet und gegessen worden war, annektierte Frankreich 1853 die Insel — politisch gesehen wohl auch als Gegengewicht gegen die britische Präsenz in Australien. Von 1864 bis 1897 wurden rund 40 000 Häftlinge zur Verbüßung längerer Strafen dorthin transportiert, von denen sich ein Teil nach Ablauf der Strafzeit am Ort niederließ und damit die Zahl der weißen Siedler vergrößerte. So setzte sich die Bevölkerung 1887 aus 9 100 frei zugewanderten Europäern, 9 700 Sträflingen oder freigelassenen Sträflingen und 42 500 Einheimischen (sowie 1 200 Sonstigen) zusammen. Vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur Volkszählung 1976 hat sich die Zahl der Weißen durch Ausbau der Verwaltung und des privaten Dienstleistungssektors, aber insbesondere infolge der Nickelgewinnung nahezu verdreifacht (von 18 100 auf 50 757), die der Melanesier nicht ganz verdoppelt (von 31 000 auf 55 598) und die der Sonstigen praktisch verdoppelt (von 13 600 auf 26 878, darunter 9 571 Wallisier, 6 391 Tahitianer, 5 111 Indonesier und etwa 2 000 Vietnamesen). Ende Januar 1982 hatten die Melanesier nach offizieller Schätzung an der Gesamtbevölkerung von 144 000 mit 64 300 einen Anteil von 44, 65 %. Die Melanesier Neukaledoniens besitzen die volle französische Staatsbürgerschaft, die anderen Nicht-Weißen können sie beantragen (was z. T. auch geschehen ist).
Wie in Französisch-Polynesien gibt es auch auf Neukaledonien schon seit längerem Unabhängigkeitsbestrebungen, und wie dort haben sie auch hier keine Mehrheit bei den Wahlen gefunden. Aber es bestehen auch grundlegende Unterschiede: Frankreich hat hier keine generellen militärischen Interessen, dafür aber starke wirtschaftliche (das Nickelvorkommen ist eines der größten der Erde); die melanesische Bevölkerungsgruppe — die sich selbst als „Kanaken" bezeichnet — steht zumindest seit der jüngsten Zuspitzung der Lage mehr oder weniger geschlossen hinter der Forderung nach einer raschen Unabhängigkeit; die Zahl der Weißen ist vergleichbar hoch, und viele von ihnen fühlen sich durch die teils über Generationen zurückreichende Ortsansässigkeit ihrer Familien ebenfalls hier verwurzelt.
Die Periode der Gewalttätigkeiten begann mit dem (offenbar unaufgeklärt gebliebenen)
Mord an einem der wenigen weißen Unabhängigkeitsanhänger; es hat inzwischen auf beiden Seiten eine Anzahl von Toten und zahlreiche Verletzte gegeben.
Frankreich versuchte die Lage durch ein im Sommer 1984 vom Parlament in Paris verabschiedetes Gesetz zu entschärfen, das Neuka• — einschließlich der verwaltungsmäßig dazugehörigen Pinien-Insel und Loyalitäts-Inseln — die innere Selbstverwaltung einräumte und für 1989 eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit vorsah. Alle Betroffenen lehnten diese Regelung jedoch ab: die Kanaken, weil das Gesetz die Unabhängigkeit zumindest hinauszögerte, die weißen Siedler („caldoches") hingegen, weil es schließlich zur Unabhängigkeit führen sollte. Im Herbst 1984 erwog die Regierung in Paris, die Volksabstimmung auf spätestens 1986 vorzuverlegen.
In der zweiten Septemberhälfte 1984 fand eine Tagung von mehr als 300 Delegierten verschiedener Pro-Unabhängigkeits-Organisationen statt, bei der ein Zusammenschluß zu einer „Kanakischen und sozialistischen nationalen Befreiungsfront" („Front de liböration nationale kanake et socialiste", FLNKS) erfolgte; außerdem wurde die Bildung einer „provisorischen Regierung" der FLNKS angekündigt. Als routinemäßige, von der FLNKS boykottierte Wahlen zum Territorialparlament im November 1984 die zu erwartende Dominanz durch Unabhängigkeitsgegner erbrachten — die weniger drastisch allerdings vermutlich auch sonst zustande gekommen wäre —, etablierte sich Anfang Dezember die „provisorische Regierung" mit dem profilierten melanesischen Politiker Jean-Marie Tjibaou als „provisorischem Präsidenten" an der Spitze; in einigen Gebieten errichtete die FLNKS vorübergehend Straßensperren. Frankreichs Sonderbeauftragter für Neukaledonien, Edgar Pisani, verkündete nach einem Kurzbesuch in Paris am 7. Januar 1985 einen Kompromißvorschlag, der die Interessen der Kanaken, der „caldoches" und Frankreichs in sich vereinen sollte: Im Juli 1985 Volksabstimmung zur Entscheidung zwischen innerer Selbstverwaltung und Unabhängigkeit bei Assoziierung mit Frankreich; bei Mehrheit für die Selbstverwaltung schnelle Verwirklichung der bereits vorgesehenen Regelung, bei Mehrheit für die Unabhängigkeit Einbringung einer entsprechenden Gesetzesvorlage im Parlament in Paris und, falls diese verabschiedet, im Oktober 1985 Wahl einer Gesetzgebenden Versammlung in Neukaledonien, der u. a. ein Assoziierungsvertrag mit Frankreich vorzulegen wäre, und schließlich am 1. Januar 1986 Beginn der Unabhängigkeit. Bei dem Referendum sollten nur solche Personen stimmberechtigt sein, die wenigstens drei Jahre ihren Wohnsitz in Neukaledonien hatten — eine Regelung, die von den 79 271 Wahlberechtigten der Wahl von 1984 rund 5 500 (darunter etwa 3 500 Angehörige von Militär und Zivilverwaltung) das Stimmrecht nähme und verfassungsrechtlich umstritten ist. Der Pisani-Plan, der in seinen Details auch eine Sicherung der Rechte der „caldoches" und eine von Frankreich garantierte finanzielle Entschädigungen vorsieht, stellt ein weiteres Entgegenkommen gegenüber den Kanaken dar und könnte in einer normalen Situation durchaus zu einem friedlichen Zusammenleben in einer multirassischen Gesellschaft führen. Gegenwärtig allerdings wird er erneut von beiden Seiten abgelehnt: Die „caldoches" mißtrauen dem Verhalten der Kanaken nach der Unabhängigkeit; die Kanaken sind sich der Mehrheit bei einer Volksabstimmung nicht sicher und fordern dafür — in Anlehnung an den Grundsatz der Selbstbestimmung der Völker — ein Stimmrecht nur für die Kanaken.
Auch zu Beginn des Jahres 1985 kam es zu schweren Unruhen. Nachdem die Polizei bei einer Razzia einen militanten Kanakenführer erschossen hatte — worauf in Libyen Zeitungen mit schwarzer Trauerumrandung erschienen —, wurde am 12. Januar 1985 der Ausnahmezustand verhängt. Kurz darauf bemühte sich Präsident Mitterand selbst bei einem Blitzbesuch um eine Beruhigung der Lage.
Wie sich die Parteien ohne beiderseitige Kompromißbereitschaft wieder aus diesem Konflikt lösen können, ist nicht zu ersehen. Kanakische Guerillataktik gegen die ebenfalls mit dem Gelände vertrauten „caldoches" und das technisch weit überlegene Militär könnte auf der 400 km langen, aber nur 50 km breiten, bergigen Insel Neukaledonien zwar weite Gebiete von den zerstreut lebenden weißen Siedlern „befreien", aber auch die ohnehin nicht sehr große Zahl der Kanaken stark dezimieren. Ebenso haben die „caldoches" bei bewaffnetem Kampf wesentlich mehr zu verlieren als zu gewinnen. d) USA: Mikronesien kurz vor dem Ende der FremdVerwaltung?
Die USA werden — sei es aus militärischen oder wirtschaftlichen Gründen — eine Anzahl kleinerer Gebiete weiterhin unter direkter Kontrolle behalten: das schon stark amerikanisierte Guam mit seinen großen Militär-stützpunkten, das über einen für Großraumflugzeuge geeigneten Flughafen und den schönen Naturhafen von Paga Pago (beide nicht unmittelbar militärisch genutzt) verfügende Amerikanisch-Samoa, die abgelegenen, in unterschiedlichem Umfang militärisch genutzten kleinen Inseln Midway, Johnston und Wake, die unbewohnten Inselchen Howland und Baker sowie — falls nicht einmal an Kiribati übergeben — das Kingman Reef, das Palmyra-Atoll und Jarvis, die alle drei zu den Linien-Inseln gehören.
Die übrigen, gegenwärtig von den USA verwalteten Gebiete bilden das strategische Treuhandgebiet „Trust Territory of the Pacific Islands" (TTPI), das geographisch gesehen die Marianen (außer Guam), die Karolinen und die Marschall-Inseln bzw. nach politischen Einheiten die Nord-Marianen, Palau (oder: Belau), die Föderierten Staaten von Mikronesien (mit Yap, Truk, Ponape, Kosrae) und die Marschall-Inseln umfaßt. Die „strategische" Treuhandschaft erlaubt den USA prinzipiell eine militärische Nutzung und räumt ihnen ein Veto-Recht gegen eine Änderung des derzeitigen Status ein; ihrer Beendigung muß — außer dem Kongreß aufgrund inneramerikanischen Rechts — auch der UNO-Sicherheitsrat zustimmen.
US-Präsident Carter kündigte während seiner Amtszeit ein Ende der Treuhandschaft für 1981 an. Die Regierung Reagan begann jedoch neue Verhandlungen mit den Inseln, so daß erst jetzt die Beendigung konkret in Aussicht zu stehen scheint, falls nicht der US-Kongreß wegen vereinbarter hoher Geldzahlungen seine Zustimmung verweigert oder die UdSSR im UNO-Sicherheitsrat wegen militärischer Rechte, die sich die USA weiterhin sichern wollen, ein Veto einlegt. Denn auch danach werden die Gebiete enge Beziehungen zu den USA unterhalten. Alle verfügen bereits über eigene politische Organe wie Regierung und Parlament, die nach der Beendigung der Treuhandschaft eigenständig weiter fungieren sollen.
Die Nord-Marianen werden nicht selbständig werden: 79 % der Teilnehmer an einer Volksabstimmung sprachen sich 1975 dafür aus, als Commonwealth eine „Union" mit den USA zu bilden, wodurch ihre Bürger die amerikanische Staatsangehörigkeit erhalten. Das Parlament der USA hat diese Regelung gebilligt.
Palau, die Marschall-Inseln und die Föderierten Staaten von Mikronesien haben im Laufe des Jahres 1982 mit den USA jeweils einen „Compact of Free Association" unterzeichnet. Durch die mit dem Ende der Treuhandschaft in Kraft tretende freie Assoziierung — die unbefristet gilt, aber jederzeit auch einseitig kündbar ist — wird der Status der drei Gebiete als dann unabhängige Nation nicht eingeschränkt; die USA übernehmen aber bei den Föderierten Staaten und den Marschall-33 Inseln auf 15 Jahre, bei Palau auf 50 Jahre die volle Verantwortung für die Verteidigung, wofür diese Nationen umgekehrt keinem Drittland ohne Zustimmung der USA militärischen Zugang gewähren. Allen drei Staaten stellen die USA in größerem Umfang Geldmittel für den Ausbau der Infrastruktur, die wirtschaftliche Entwicklung etc. zur Verfügung — nach Schätzungen in den ersten 15 Jahren insgesamt 2, 2 Mrd. Dollar.
Der „Compact" wurde in Volksabstimmungen von der Bevölkerung Palaus im Februar 1983 mit 61 % der abgegebenen Stimmen, der Föderierten Staaten im Juni 1983 mit 79% der Stimmen und der Marschall-Inseln im September 1983 ebenfalls mehrheitlich gebilligt. Im Falle Palaus haben die USA das Votum nicht als ausreichend akzeptiert, da die palauanische Verfassung die Verbringung von ABC-Waffen in dieses Gebiet untersagt, was die USA aber nicht grundsätzlich ausschließen wollen; zur „Überstimmung" dieser Verfassungsvorschrift wären wenigstens 75 % der Stimmen erforderlich gewesen. Ein neuerliches Plebiszit im September 1984 erbrachte 66% für den „Compact", so daß er nach wie vor auch von Seiten Palaus aus nicht in Kraft treten kann — was ebenso wie die o. a. Gründe die Beendigung der Treuhandschaft hinauszögert.
Einige Grundgegebenheiten, die die wirtschaftliche Entwicklung hemmen, hat nahezu der gesamte insulare Südpazifik gemein: Der Binnenmarkt ist durch niedrige Einwohner-zahlen und die zumeist sehr geringe Kaufkraft recht klein, was besonders im verarbeitenden Gewerbe eine kostensenkende Produktion größerer Volumina behindert. Exportgüter können nur auf mehr oder weniger langen Transportwegen größere Absatzmärkte erreichen — ein weiterer preistreibender Faktor, der umgekehrt auch für die Einfuhr von Vorprodukten zur Veredelung gilt. Schließlich verhindern die kleinen Volkswirtschaften auch die Bildung von nennenswertem Investivkapital, wie es etwa für den Einsatz moderner Technologien erforderlich wäre; außerdem ist gegenwärtig noch die Zahl qualifizierter Facharbeiter recht gering. Dennoch sollte die Wirtschaftskraft dieses Gebietes nicht unterschätzt werden: Allein das Außenhandelsvolumen mit der Bundesrepublik Deutschland belief sich 1983 auf 724, 3 Mio. DM (620, 2 Mio. DM deutsche Importe, 104, 1 Mio. DM deutsche Exporte) — wovon allerdings 75% auf den Handel mit Papua-Neuguinea entfielen. 1. Die Wirtschaftsstruktur: Landwirtschaft und Fischfang, kaum Industrie Die Oberfläche des Pazifik wird entweder von „hohen" oder „niedrigen" Inseln überragt. Die „hohen“ Inseln können von unterschiedlichem Typus sein: aufgetauchte Teile von durch die geologische Plattenverschiebung hervorgerufenen Faltengebirgen, durch Vulkanismus aufgeschüttete Kuppen oder angehobene Gesteinsformationen, oder auch gehobene Korallenkalkinseln. „Niedrige" Inseln ragen als Schutt von — weitgehend zu Sand zerkleinertem — Korallenkalk nur wenige Meter über die Wasseroberfläche und bilden oft ein Atoll um eine flache Lagune. Sie sind dadurch entstanden, daß der ursprüngliche Gesteins-grund durch Senkung des Meeresbodens oder Erosion immer tiefer im Wasser absank, während jeweils im oberen Bereich Kalkkorallen — die zur Existenz Licht, einen bestimmten Sauerstoff-und Salzgehalt des Wassers und relativ warme Temperaturen benötigen — ihre Gerüste bauten.
Die unterschiedliche Herkunft der Inseln ist daher mit einer recht unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit verbunden. So finden sich in den aufgetauchten Faltengebirgssträngen entlang des Pazifik-Westrandes und bis hin nach Fidschi u. a. Lagerstätten von Halbedeloder sogar Edelmetallen; vulkanischer Boden wiederum kann sehr fruchtbar sein, während der Kalk der „niedrigen" Inseln eine sehr spärliche Lebensgrundlage für Pflanzen bildet. Auch unter Klima-Aspekten kann sich die Oberflächengestalt einer Insel wirtschaftlich auswirken: Im Bereich feuchtigkeitsführender Luftströmungen erhält die Luvseite bergiger Inseln relativ viel Niederschlag, die Leeseite dagegen wenig.
Den Bewohnern niedriger Atolle ermöglicht aufgrund dieser Gegebenheiten vor allem die im Südpazifik nahezu allgegenwärtige Kokosplame (deren Nuß „Kokosmilch" und das Nußfleisch sowie aus einige Tage gedörrtem Nußfleisch [„Kopra" ] Fett liefert, aus deren jungen Trieben „Palmwein" gewonnen wird, aus deren Wedeln Matten zum Sitzen und für Dächer geflochten werden, usw.) in Kombina-B tion mit dem Fang von Meerestieren eine Existenz.
Auch auf besseren Böden wird teilweise nur Subsistenzwirtschaft betrieben, wobei als Grundnahrungsmittel häufig die — je nach Art manchmal zentnerschwere — Tarowurzel hinzukommt, ergänzt durch Brotfrucht, Gemüse u. ä. Fleisch ist weniger verbreitet; Schweinefleisch ist in manchen Gebieten vorwiegend Festtagsnahrung.
Für den Export haben unter den Agrarprodukten (oder den Verarbeitungsprodukten von diesen) außer Kopra insbesondere Zucker (Fidschi), Kaffee, Kakao, Kautschuk, Palmöl (Papua-Neuguinea u. a.), Zitrusfrüchte (Cookinseln u. a.), Bananen usw. Bedeutung; sie werden teilweise durch Plantagenbetriebe erzeugt. Für die Forstwirtschaft bieten vor allem in Teilen Melanesiens ausgedehnte tropische Regenwälder eine Basis. Großprojekte wie das von Vanimo (Papua-Neuguinea, Provinz West-Sepik) sind aber eine Ausnahme.
Fischfang zur Eigen-und Lokalmarktversorgung ist noch weit verbreitet (obwohl teilweise schon von importierten Fischkonserven abgelöst). Auf breiterer kommerzieller Basis arbeiten oft ausländische Fangflotten oder joint ventures mit ausländischer Beteiligung.
Einzige größere Bergbauunternehmungen im insularen Südpazifik sind der Abbau von Nikkelerz (das z. T. am Rande von Nouma verhüttet, z. T. nach Japan exportiert wird) auf Neukaledonien — dem nach Kanada größten Nickellieferanten der Erde —, die Gewinnung von Gold, Silber und Kupfer auf Bougainville (Papua-Neuguinea) sowie die Goldgewinnung auf Fidschi; z. T. sind umfangreiche andere Metallvorkommen bekannt (besonders auf Neukaledonien und auf Papua-Neuguinea), werden aber bisher kaum ausgebeutet. Erdöl und Erdgas wird nirgendwo gefördert. Kleine Reserven wurden in Papua-Neuguinea festgestellt; Fidschi und Tonga hoffen, fündig zu werden. Die Förderung von am Meeresboden gefundenen Manganknollen gilt gegenwärtig noch als unwirtschaftlich; außerdem würden das Ansaugen oder Abbaggern großer Flächen von Meeresboden und das folgende Absinken ausgeschiedener Stoffe in großen Gebieten das pflanzliche und tierische Leben im Meer weitgehend vernichten.
Das verarbeitende Gewerbe beschränkt sich aus den genannten Gründen zumeist auf die Weiterverarbeitung von Erzeugnissen des
Agrarsektors und Bergbaus sowie auf das Kleingewerbe; bisher „untypisch" ist die Textilindustrie auf den Cook-Inseln, die sich bereits einen Anteil am neuseeländischen Markt sichern konnte.
Der Tourismus wird einerseits geschätzt, weil er kaum ökologische Schäden verursacht, aber andererseits auch kritisiert wegen seiner Auswirkungen auf die traditionelle Gesellschaft. Auf Saipan (Nord-Marianen), Guam und Tahiti, bis zu einem gewissen Grad auch auf Fidschi hat er bereits die Form des Massentourismus angenommen. Selbst wo er weniger umfangreich ist, stellt er angesichts der in der Regel negativen Handelsbilanzen eine wichtige Devisenquelle dar. 2. Abhängigkeit von ausländischer Hilfe Kleine Einwohnerzahlen und Märkte, die noch verbreitete Subsistenzwirtschaft und mehr oder weniger begrenzte Exportvolumina halten auch die Staatseinnahmen — außer in Nauru — auf einem für die Modernisierung von Infrastruktur und Wirtschaft nicht ausreichenden Niveau. Auch Devisen zur Finanzierung der Importe stehen aufgrund der Defizite in der Handelsbilanz nicht ausreichend zur Verfügung. Nahezu der gesamte insulare Südpazifik ist daher von ausländischer Hilfe abhängig, soll zum einen die Infrastruktur (Gesundheitswesen, Erziehung, Verkehr u. a.) verbessert und zum andern die Wirtschaft mit dem Ziel einer wachsenden Autarkie weiterentwickelt werden.
Wissenschaftler an der Universität Hawaii haben den Grad der Abhängigkeit in einer 1981 erschienenen, auch heute noch gültigen Untersuchung zu relativieren versucht. Einen Teil ihrer Ergebnisse zeigt die folgende Tabelle, die auch sonstige außenwirtschaftliche Abhängigkeiten darstellt.
Die Hilfe wird von den Geberländern z. T. direkt, z. T. durch ihre Zahlungen an internationale Organisationen geleistet. Territorien, die noch unter ausländischer Verwaltung stehen, erhalten gewöhnlich keine direkte Hilfe von anderen Staaten. Frühere Verwaltungs-oder Kolonialmächte setzen ihre Hilfe gewöhnlich über die Unabhängigkeit hinaus fort. Australien und Neuseeland fühlen sich dem insularen Südpazifik gegenüber besonders verpflichtet; Neuseeland hat z. B. im Haushaltsjahr 1983/84 von insgesamt 59, 932 Mio. NZ$bilateraler öffentlicher Entwicklungshilfe allein 49, 209 Mio. NZ$an südpazifische Inseln vergeben, und Papua-Neuguinea finanziert in seinem Haushalt 1985 allein 26, 1 % seiner Gesamtausgaben durch einen australischen Zuschuß, der Bestandteil einer mittelfristigen Hilfszusage ist.
Auch im Südpazifik ist Entwicklungshilfe keineswegs unumstritten. So ist in Papua-Neuguinea aufgrund von bereits vor der Unabhängigkeit formulierten Grundsätzen eine „Lokalisierung" der Wirtschaft — d. h. eine Über-führung von Besitz und Arbeitsplätzen in die Hände Einheimischer — erklärtes nationales Ziel. Bei strikter Verwirklichung würde es nicht nur den — gegenwärtig noch beträchtlichen — Einsatz ausländischer Fachleute ausschließen, sondern auch private Investitionen (die in der Regel euphemistisch der „privaten Entwicklungshilfe" zugerechnet werden). Die Regierung in Port Moresby hat davon z. B. bei dem Bergbau-Großprojekt Ok Tedi Abstand genommen, an dem sie mit — aus den Gewinnen finanzierten — 20 % beteiligt ist, während ein deutsches Konsortium ebenfalls 20 % und ein amerikanisches und ein australisches Konsortium je 30 % Anteil haben; allein hätte die Regierung keinesfalls über die erforderlichen Investitionsmittel verfügt und damit auch nicht das nötige technische Know-how heranführen können.
Unbehagen bei den Empfängern löst manchmal auch die Projektgebundenheit von Entwicklungshilfe aus, mit der sich Geberländer oft Vorteile bei der Auftragsvergabe verschaffen. Die Verknappung von Entwicklungshilfe scheint die Kritik in dieser Frage aber zu dämpfen.
Während die Notwendigkeit größerer Hilfsbeträge auch bei kleinen Staaten — wie etwa im Falle der bundesdeutschen Finanzierung der beiden von Tonga und West-Samoa in die „Forum Line" (s. u.) eingebrachten und in Deutschland gebauten Ro-Ro-Frachter — unumstritten ist, wird manchmal beklagt, daß es sehr schwierig ist, Kredite oder Zuschüsse etwa in einer Größenordnung von 10 000, 20 000 oder 30 000 DM zu erhalten — was die zuständigen Stellen mit dem relativ hohen Arbeitsaufwand begründen. Nur große Hilfsbeträge aber können in kleinen Volkswirtschaften Monostrukturen schaffen, die besonders krisenanfällig sind und eine gesunde Diversifizierung verlangsamen.
Als sehr nützlich schließlich hat sich die „Stabex" -Hilfe der EG (für die AKP-Staaten) aufgrund des Lom 6-II-Abkommens erwiesen: Wenn der Exportpreis für bestimmte Agrarprodukte unter ein bestimmtes Niveau sank, wurde die Preisdifferenz von der EG erstattet. 3. Regionale Wirtschaftskooperation Schon 1947 riefen die damals im Südpazifik vertretenen Kolonialmächte eine „SüdpazifikKommission" (South Pacific Commission, SPC) ins Leben, deren Aufgabe bis heute eine Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Region durch Bereitstellung und Verbreitung von Fachinformationen (einschl. Organisierung von Fachtagungen) ist. Inzwischen gehört ihr eine Reihe selbständiger Staaten und Territorien an (die Mitgliedschaft ist beschränkt auf souveräne Staaten und assoziierte Territorien). In jüngster Zeit wurde wiederholt ihre Verschmelzung mit einer anderen Organisation diskutiert. Ihr Sitz ist Nouma.
Bedeutsamer für die wirtschaftliche Zusammenarbeit innerhalb der Region sind aber verschiedene vom „Südpazifik-Forum" (s. u.) ins Leben gerufene Organisationen. Hier ist zuerst das „South Pacific Bureau for Economic Co-operation" (SPEC) mit Sitz in Suva (Fidschi) zu nennen. Seine Gründung wurde formell 1973 vereinbart. Aufgabe des SPEC ist es, die Zusammenarbeit in der Region in enger Partnerschaft mit Australien und Neuseeland zu fördern. Dies geschieht u. a. durch Beobachtung der wirtschaftlichen Entwicklung und Informierung über Teilaspekte, Hinweise auf neue Absatzmöglichkeiten, Vorschläge zu Veränderungen und gewisse Funktionen als Zwischenstelle für Entwicklungshilfe.
Auf Beschluß des „Südpazifik-Forum" nahm 1978 eine „Pacific Forum Line Ltd." (PFL) den Betrieb und 1979 eine „South Pacific Forum Fisheries Agency" (SPFFA) die Tätigkeit auf; beide sind dem SPEC nachgeordnet.
In die PFL brachten Tonga, West-Samoa und Neuseeland je einen Ro-Ro-Frachter ein; finanziell beteiligt sind jedoch auch andere Staaten und Territorien der Region. Ziel der Linie (mit Verwaltungszentrale in Wellington) ist u. a. eine Dämpfung der Preise im interinsularen Schiffsverkehr und eine regelmäßige Verbindung auch zu Inseln der Region, deren Frachtaufkommen dies kommerziell nicht lohnend macht. Hohe Mietkosten für zu langsam umgeschlagene Container u. a. haben die PFL bisher nicht in den Gewinnbereich gebracht, doch hofft man, nach Rationalisierungsinvestitionen (u. a. mit EG-Hilfe) diese Schwelle in nächster Zukunft zu überschreiten. Die SPFFA (Sitz: Honiara, Salomon-Inseln) soll einen größtmöglichen Nutzen aus den „lebenden Meeresressourcen" für die Bevölkerung der Region sicherstellen, die regionale Zusammenarbeit fördern und relevante wissenschaftliche und Wirtschaftsinformationen erarbeiten und verbreiten. Dahinter steht offenbar der Wunsch, die gegen relativ niedrige Gebühren in den 200-Meilen-Zonen Fischfang betreibenden ausländischen Flotten (vor allem aus Japan, Taiwan und Südkorea) teilweise durch eigene zu ersetzen.
Eine andere Form der Zusammenarbeit ist erst lose im Gespräch: z. B. Pharmazeutika zentral und wegen der dann größeren Menge preisgünstiger aus dem Ausland zu beschaffen. Sollte dies zu einem Beispiel auch für andere Branchen werden, so könnten sich viele Importpreise in der Region zumindest auf ein ähnliches Niveau wie in größeren Ländern senken.
III. Außen-und Sicherheitspolitik
Der Pazifik umfaßt nicht nur immer wichtigere Verkehrsverbindungen zwischen seinen Anrainerstaaten, sondern ist auch eines der Gebiete, in dem die großräumigen Interessen der USA und der UdSSR aufeinandertreffen. Aufgrund der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges sind die USA jedoch weithin militärisch präsent, während die Sowjetunion erst in neuerer Zeit zu expandieren begonnen hat. 1. Einheimisches und ausländisches Militär im Südpazifik Nur wenige südpazifische Staaten verfügen über eigenes Militär; in keinem von ihnen besteht eine Wehrpflicht. Am größten sind die Streitkräfte Papua-Neuguineas mit (Mitte 1983) 3 263 Mann. Sie bestehen im wesentlichen aus Infanterie und Pionieren, verfügen nur über wenige kleine Marinefahrzeuge und in der Luft lediglich über eine geringe Transportkapazität; damit ist selbst zu Friedenszeiten nicht einmal eine wirksame Abriegelung der Landesgrenzen möglich.
Fidschi verfügt über 2 660 Soldaten — fast ausschließlich Infanterie, einige Marinefahrzeuge, keine Luftkapazität; 1 095 Mann davon sind im Rahmen der UNO-Friedenstruppe im Libanon stationiert, 469 wurden auf die Sinai-Halbinsel entsandt. Tonga schließlich hat 208 Militärangehörige: 108 Mann Infanterie, 50 Mann Marine, 50 Mann Königliche Garde. Ansonsten unterhält lediglich Vanuatu eine 300 Mann starke paramilitärische Einheit.
Das eigene Militärpotential südpazifischer Staaten ist damit in Relation zur Größe des Gebietes verschwindend gering.
Australien und Neuseeland sind — abgesehen von Militärberatern in Papua-Neuguinea bzw. befristeter Spezialausbildung in Fidschi — ebenso wie Großbritannien auf den Inseln nicht militärisch präsent. Neuseeland erwog allerdings 1983/84 die Schaffung einer 1 000 Mann starken Eingreiftruppe.
Frankreich unterhält auf Neukaledonien Militär, dessen Umfang (einschließlich Gendarmerie?) von Verteidigungsminister Hernu im Januar 1985 auf 6 012 Mann beziffert wurde und weiter wächst. In Französisch-Polynesien hat Frankreich seit 1963 — fast ausnahmslos in dem rund 1 300 km von Tahiti entfernten Moruroa-Atoll — eine Anzahl von Versuchs-serien mit Kernwaffen durchgeführt. Auch hier dürften wenigstens einige tausend Soldaten (einschl. Marine und Luftwaffe) stationiert sein (1963 waren zusammen 15 000 Techniker und Militärangehörige dorthin entsandt worden). Die USA unterhalten auf Guam große Marine-und Luftwaffenstützpunkte. Hier waren im Dezember 1982 10 800 Soldaten (Marine und Luftwaffe) stationiert. Eine kleine Anzahl von Soldaten ist auch auf dem Raketenversuchsgelände auf Kwajalein (Marschall-Inseln) und einzelnen anderen, unmittelbar amerikanisch verwalteten Inseln vorhanden.
Anderswo (so auf Tinian und Saipan (NordMarianen) hat das Militär noch nicht genutztes Gelände gepachtet.
Im Gegensatz zu von Frankreich nur zur Wahrnehmung lokaler Aufgaben eingesetztem Militär sind die US-Stützpunkte auf Guam Bestandteil eines strategischen Konzepts. Wie amerikanische durchfahren vermutlich auch sowjetische Kriegsschiffe die Region, doch hat die Sowjetunion nirgendwo dort einen Stützpunkt. 2. Die Außenpolitik der südpazifischen Staaten Ein Krieg zwischen den Großmächten würde ganz sicher auch im „Südpazifik" — der ja in Wirklichkeit den gesamten zentralen Pazifik einschließt — direkt oder indirekt schweren Schaden anrichten. Einem solchen Ereignis stünden die Bewohner der Inseln ähnlich machtlos gegenüber wie den Kämpfen im Zweiten Weltkrieg.
In Papua-Neuguinea befürchten einige Politiker — darunter ein Verteidigungsminister, der, weil er dies öffentlich aussprach, sein Amt verlor —, ihr Land könne in absehbarer Zeit von Indonesien unter Kontrolle gebracht werden. Gegen eine solche Annahme spricht allerdings, daß Papua-Neuguinea sehr viel größer ist und — nicht zuletzt infolge seiner wachsenden außenwirtschaftlichen Verflechtung — politisch ein ganz anderes Gewicht besitzt als etwa Ost-Timor, das Indonesien noch vor seiner bereits geplanten Unabhängigkeit trotz aller Protest-Resolutionen der UNO zu annektieren vermochte.
Von diesen beiden Fällen abgesehen, ist jedoch gegenwärtig für keinen der Inselstaaten eine auch nur potentielle Bedrohung von außen erkennbar, und politische Konkurrenz untereinander besteht nicht.
Für ihre Außenpolitik bedeutet dies, daß aus ihrer Sicht keine Notwendigkeit für ein bioder multilaterales Militärbündnis gegeben und prinzipiell auch keine institutionelle Bindung an einen der bestehenden politischen Blöcke akut erforderlich ist. Ziel der Außenpolitik muß es daher derzeit sein, den in der Region wirksamen machtpolitischen Status quo zu erhalten oder weiter zu verbessern und im übrigen die eigenen Interessen auf anderen Gebieten — insbesondere bei der Wirtschaft und Entwicklungshilfe — möglichst wirksam zu fördern.
Ein weiterer in der Außenpolitik wirksamer Faktor sind die innenpolitischen Verhältnisse: Bedingt durch das noch weithin traditionell bestimmte oder beeinflußte Gesellschaftssystem mit nur punktuell größeren wirtschaftlichen Veränderungen und durch geschichtliche Beziehungen nur zu den westB liehen Mächten gibt es nirgendwo im insularen Südpazifik eine größere pro-kommunistische oder sonst stark linksorientierte Bewegung oder Partei.
Alle Inselstaaten betreiben vor diesem Hintergrund eine unabhängige Außenpolitik, die sich in erster Linie an den eigenen Interessen bzw.denen der Region orientiert; keiner gehört einem außenpolitischen oder militärischen Bündnis (sieht man von der genannten Zusammenarbeit ab) an.
In der Praxis ist diese Außenpolitik eher pro-westlich, verbunden z. T. mit einer Mitgliedschaft im britischen Commonwealth oder anderen engen Beziehungen zur jeweiligen früheren Kolonialmacht. Die von einem Regierungschef der Salomon-Inseln einmal verkündete Bereitschaft, nötigenfalls auch sowjetische Entwicklungshilfe zu nutzen, die frühere Aufnahme eines Kredites in Libyen durch Tonga oder die ständigen Differenzen mit den USA über den Fang von Wanderfischarten (Thunfisch u. a.) — für den die USA keine 200-Meilen-Zonen anerkennen — stellen keine Abkehr von diesem Kurs dar, sondern lediglich die punktuelle Verfolgung eigener Interessen.
Untereinander und mit einigen noch nicht unabhängigen Territorien sowie mit Australien und Neuseeland arbeiten die Inselstaaten seit 1971 im „Südpazifik-Forum" (South Pacific Forum: SPF) zusammen — einem lockeren Zusammenschluß (keinem formellen Bündnis), der einmal jährlich auf einer Gipfelkonferenz die gemeinsamen politischen und wirtschaftlichen Interessen zu koordinieren sucht. Das SPF tritt z. B. für einen kernwaffen-freien Südpazifik ein und hat sich scharf gegen die von Japan erwogene Versenkung radioaktiver Abfälle im Pazifik gewandt; es unterstützt die weitere Entkolonialisierung der Region. Im letzteren Punkt allerdings zeigen sich schon unterschiedliche Haltungen: Staaten wie Vanuatu sind eher für eine aktivere Unterstützung, während andere sich passiver verhalten. Insgesamt gilt für den Südpazifik hinsichtlich der innen-wie der außenpolitischen Bemühungen der zahlreichen Inselstaaten das Prinzip „Einheit in der Vielfalt".
Literaturhin weise:
Bellwood, Peter: Man's Conquest of the Pacific. A Prehistory of Southeast Asia and Oceania, New York 1979;
Buchholz, Hanns J. (u. a.): Fischer Länderkunde Australien-Neuseeland-Südpazifik, Frankfurt 1984;
Pacific Publications (Hrsg.): Pacific Islands Year Book, 15th ed., Sydney 1984; University of the South Pacific, Institute of Pacific Studies (Hrsg.): Politics in Micronesia, Suva 1983;
University of the South Pacific, Institute of Pacific Studies (Hrsg.): Politics in Melanesia, Suva 1982;
University of the South Pacific, Institute of Pacific Studies (Hrsg.): Politics in Polynesia, Suva 1983;
South Pacific Social Sciences Association (Hrsg.): The Pacific Way. Social Issues in National Development, Suva 1983;
Moses, John A. und Paul M. Kennedy (Hrsg.):
Germany in the Pacific and Far East. 1870— 1914; St. Lucia (Queensland) 1977.
(Weitere Literatur mit Standort in verschiedenen Bibliotheken weist gegen eine geringe Gebühr die Übersee-Dokumentation, Neuer Jungfernstieg 21, 2000 Hamburg 36, nach.)
Berichtigung In der in B 7— 8/85 veröffentlichten Replik von K. -Peter Stratmann auf die Kommentare von Eckhard Lübkemeier und Randolph Nikutta zu seinem Beitrag , Air-Land Battle — Zerrbild und Wirklichkeit" (B 48/84) ist durch das Weglassen eines Wortes ein sinnentstellender Fehler entstanden. Es muß auf Seite 35, 1. Absatz, richtig heißen:
„Um es — gegen Lübkemeier, Nikutta und andere — knapp und deutlich zu wiederholen: Die Aussage des FM 100-5, daß es die Aufgabe des Kommandierenden Generals des Korps (bzw.seiner Untergebenen (the commander]) sei, durch Angriff (the offense) und die vollständige Zerstörung des von ihm bekämpften feindlichen Groß-verbands (an enemy force, the enemy force, the opposing force) den Feind zu schlagen (defeat the enemy), kann nicht als Aufforderung gelesen werden, durch offensive Besetzung Osteuropas und der Sowjetunion sowie durch vollständige Vernichtung der Streitkräfte der UdSSR diese zu besiegen!
Günter Siemers, M. A., geb. 1938; Studium der Ostasienkunde in Bonn; 1964 bis 1967 Tätigkeit beim Japanischen Rundfunk in Tokyo. Seit 1968 wissenschaftl. Angestellter am Institut für Asienkunde in Hamburg, dort u. a. für die Region Südpazifik zuständig; regelmäßige Mitarbeit an der vom Institut herausgegebenen Zeitschrift „Südostasien aktuell". Veröffentlichungen u. a.: „Papua-Neuguinea" und „Die südpazifischen Inseln", in: Politisches Lexikon Asien und Südpazifik, München 1980; Papua-Neuguinea — Neuer Staat im Aufbruch (Hrsg, und Mitautor), Hamburg 1978; zahlreiche Beiträge zu Jahr-und Handbüchern.
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