Umweltschutz ist eine drängende Aufgabe der Gegenwart. Dabei sollte auch dem Strafrecht eine eigenständige Rolle zufallen, die insbesondere darin besteht, plakativ hervorzuheben, welche Umweltschädigungen keinesfalls geduldet werden. Anliegen der Reform des Umweltstrafrechts im Jahre 1980 war es, einen Schritt in diese Richtung zu tun und mit einer leichteren Nachweisbarkeit von Umweltdelikten sowie höheren Strafandrohungen zu einem verbesserten strafrechtlichen Umweltschutz beizutragen. Zwar zeigt die Polizeiliche Kriminalstatistik, daß im letzten Jahrzehnt ein ganz enormer Anstieg der registrierten Umweltdelikte stattgefunden hat, doch lassen die bisherigen empirischen Erkenntnisse darüber, welche Sachverhalte und welche Umweltdelinquenten gegenwärtig mit dem Mittel des Strafrechts erreicht werden, Zweifel daran zu, daß tatsächlich die schwerwiegenden Verstöße gegen strafrechtliche Umweltnormen erfaßt werden. Vielmehr sind es in der Regel Kleinverschmutzer, die leicht nachweisbare und gut sichtbare Beeinträchtigungen der Umwelt auf sich geladen haben, die, wenn auch nur mit kleinen Strafen, von Strafgerichten bestraft werden. Dieses gewissermaßen offizielle Bild der Umweltkriminalität läßt sich erklären durch Besonderheiten der Umweltstrafrechtstatbestände, Probleme der Nachweisbarkeit von Umweltdelikten im Rahmen größerer Betriebe, Störungen der Kommunikation zwischen Umweltverwaltungs-und Strafverfolgungsbehörden sowie Defiziten in Kontrollressourcen und Kontrollinteressen. Insoweit ist die registrierte Umweltkriminalität derzeit kein Spiegel „tatsächlicher Umweltbelastungen", sie spiegelt vielmehr wider, was derzeit im Umweltstrafrecht durchsetzbar ist.
I. Der Ausgangspunkt: Das Umweltstrafrecht im Konzept rechtlichen Umweltschutzes
Die Kriminalität ist im Wandel begriffen. Waren es vor nicht allzu langer Zeit allein die „klassischen" Delikte Einbruchsdiebstahl, Betrug, Raub, Körperverletzung, Mord, die in der Vorstellung der Öffentlichkeit das Bild der Kriminalität prägten, so treten in den siebziger und achtziger Jahren neue Kriminalitätsformen hinzu: Informationsdiebstahl, Computer- und Wirtschaftskriminalität und nicht zuletzt Umweltkriminalität. Diese neuen Kriminalitätsformen sind einerseits Ausdruck dafür, daß sich neue, im Sinne von als schützenswert empfundene Rechtsgüter gebildet haben, von denen vor allem die natürliche Umwelt und ihre Bestandteile in den letzten Jahren besondere Beachtung fanden. Andererseits ist auch die Einsicht gewachsen, daß die schon immer als schutzbedürftig bewerteten Rechts-güter Gesundheit, Leben, Eigentum auch durch Eingriffe in die natürliche Umwelt des Menschen gefährdet und verletzt werden können.
Was Umweltkriminalität ist oder sein kann, wird zuallererst durch das Umweltstrafrecht bestimmt. Das vor nunmehr etwa fünf Jahren in Kraft getretene neue Umweltstrafrecht faßte die vorher über verschiedene Umweltverwaltungsgesetze wie beispielsweise das Wasserhaushaltsgesetz, das Bundesimmissionsschutzgesetz oder das Abfallbeseitigungsgesetz verstreuten Straftatbestände in einem eigenen Abschnitt des Strafgesetzbuches zusammen und rückte sie damit in den Kernbereich des Strafrechts ein. Während sich bis dahin Umweltstrafrecht im wesentlichen auf die akzessorische Sanktionierung verwaltungsrechtlicher Planungs-und Überwachungsvorschriften im Nebenstrafrecht beschränkte, haben nunmehr der biologische Lebensraum, Wasser, Luft und Boden als dessen Bestandteile sowie sonstige schützenswerte Güter — Tiere, Pflanzen u. a. Naturbestandteile — als eigenständige Rechtsgüter Anerkennung gefunden Allerdings fanden nur die wichtigsten Straftatbestände in das Strafgesetzbuch Eingang, andere verblieben in den jeweiligen Spezialgesetzen
Dabei dient dem strafrechtlichen Gewässerschutz § 324 Strafgesetzbuch (StGB), der Gewässerverunreinigungen oder sonstige nachteilige Eigenschaftsveränderungen von Gewässern unter Strafe stellt, sofern diese „unbefugt" erfolgen, also nicht durch eine behördliche Erlaubnis oder Bewilligung gedeckt sind. Während die fahrlässige Verunreinigung mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht wird, sieht § 324 bei vorsätzlicher Begehungsweise Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. § 325 StGB hat den Schutz vor Luftverunreinigung und Lärm zum Ziel. Hier wird die „Veränderung der natürlichen Zusammensetzung der Luft, die geeignet ist, die Gesundheit eines Menschen, Tiere, Pflanzen oder andere Sachen von bedeutendem Wert zu schädigen" bzw. die „Verursachung von Lärm, der geeignet ist, die Gesundheit eines anderen zu schädigen", unter Strafe gestellt, soweit beim Betrieb einer Anlage verwaltungsrechtliche Pflichten verletzt werden. Die Strafen reichen bei Fahrlässigkeit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe, bei Vorsatz bis zu fünf Jahren. Im Rahmen des § 327 StGB wird für das Betreiben von Anlagen ohne Genehmigung bzw. entgegen einer vollziehbaren Untersagung, von denen Umweltgefahren ausgehen können, Strafe angedroht, die bei vorsätzlichem Handeln bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe betragen kann.
Die kriminelle Abfallbeseitigung definiert § 326. Hiernach wird die unbefugte Beseitigung von gefährlichen Abfällen außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage bzw. unter we-sentlicher Abweichung von einem vorgeschriebenen oder zugelassenen Verfahren im Falle von Fahrlässigkeit mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr ober mit Geldstrafe, im Falle von Vorsatz mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Eine Bagatellklausel soll die Strafbarkeit auf einigermaßen gewichtige Fälle beschränken (§ 326 Abs. 5), wenn wegen der geringen Menge der Abfälle eine schädliche Einwirkung auf die Umwelt offensichtlich ausgeschlossen ist.
Schließlich bezweckt § 329 StGB den Schutz in ökologischer Hinsicht besonders empfindlicher Gebiete, z. B. von Wasser-oder Heilquellenschutzgebieten sowie von wenn wegen der geringen Menge der Abfälle eine schädliche Einwirkung auf die Umwelt offensichtlich ausgeschlossen ist.
Schließlich bezweckt § 329 StGB den Schutz in ökologischer Hinsicht besonders empfindlicher Gebiete, z. B. von Wasser-oder Heilquellenschutzgebieten sowie von Natur-schutzgebieten vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Ferner sollen durch die Qualifikationstatbestände der §§ 330, 330 a StGB (schwere Umweltgefährdung, schwere Gefährdung durch Freisetzen von Giften) besonders gefährliche Einwirkungen auf die Umwelt hervorgehoben werden, indem höhere Strafandrohungen vorgesehen werden, die bei besonders schweren Fällen der Umweltgefährdung und bei dem vorsätzlichen Freisetzen von Giften bis zu zehn Jahren reichen. Die gesetzgeberischen Ziele der Neuordnung und Neuformulierung des Umweltstrafrechts erstrecken sich zunächst auf die Harmonisierung der bis dahin verstreut und unterschiedlich geregelten Umweltbereiche, dann auf eine leichtere und gleichmäßigere Durchsetzung des Umweltstrafrechts, schließlich auf normvalidierende Effekte, wobei die Erwartung im Vordergrund stand, mit der Neuregelung den sozialschädlichen Charakter von Umweltstraftaten stärker in das Bewußtsein der Öffentlichkeit zu rücken und das staatliche „Unwerturteil" stärker zum Ausdruck kommen lassen zu können 4). Dabei sollte die „erzieherische Kraft" des Strafrechts vor allem durch die Kriminalisierung einigermaßen erheblicher Umweltbeeinträchtigungen zum Tragen kommen.
Der Wunsch, den strafrechtlichen Schutz der Umwelt zu verstärken, entsprang jedenfalls teilweise der Vorstellung, daß andere rechtliehe Instrumente des Umweltschutzes und insbesondere auch Appelle an die soziale Verantwortung nicht vollständig ausreichen.
Heute sind verschiedene Linien umweltbezogener Rechtspolitik erkennbar. Zum einen werden im Rahmen des Umweltverwaltungsrechts organisatorische, planerische und präventive Funktionen den Umweltverwaltungsbehörden anvertraut, zum anderen existiert die Linie eines individuellen verwaltungsgerichtlichen bzw. privatrechtlichen Rechtsschutzes gegen Umweltbeeinträchtigungen, der die Initiative des einzelnen Bürgers und Betroffenen voraussetzt und nur dann greift, wenn im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Verletzung subjektiver Rechte durch die öffentliche Hand geltend gemacht werden kann, oder wenn im zivilrechtlichen Verfahren privatrechtliche Ansprüche, beispielsweise 823 aus unerlaubter (§ BGB), aus der Gefährdungshaftung des § 22 WHG oder nachbarrechtliche Ansprüche aus § 906 BGB, zugrunde gelegt werden können 5).
Allerdings ist nach den bisherigen Erkenntnissen Umweltschutz durch die Verfolgung privatrechtlich oder verwaltungsrechtlich begründeter Unterlassungs-, Beseitigungs-und Schadensersatzansprüche nur in eng begrenztem Maße möglich. Dies liegt einerseits daran, daß die Geltendmachung öffentlicher oder allgemeiner Interessen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch den einzelnen Bürger entsprechend der verwaltungsgerichtlichen Entscheidungspraxis nicht möglich ist Andererseits ist die Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche durch erhebliche Schwierigkeiten bei dem Nachweis einer kausalen Beziehung zwischen umweltbelastendem Verhalten und eingetretenen Schäden an individuellen Rechtsgütern (vor allem auch an menschlicher Gesundheit und Leben) gekennzeichnet. Zwar mag hier die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die zu einer teilweisen Beweislastumkehr bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen bei von Betrieben verursachten Immissionen führt, gewisse Erleichterungen schaffen, doch wird die durch individuellen rechtlichen Selbstschutz aktivierbare Prävention von Umweltbelastungen begrenzt bleiben
Die Hauptlasten des rechtlichen Umweltschutzes werden deshalb vor allem im Hinblick auf die Durchsetzung des Vorsorgeprinzips und die Erhaltung allgemeiner Rechtsgüter das Umweltverwaltungsrecht und das Umweltstrafrecht zu tragen haben.
II. Rechtspolitische und rechtliche Probleme der Verfolgung und Ahndung umweltschädigenden Verhaltens
Bei Umweltkriminalität handelt es sich nicht nur um „neue Kriminalität", um Handlungen bzw. Verhalten, die aus dem Bereich wenigstens als neutral bewerteter Aktivitäten in den Bereich kriminellen Unrechts versetzt wurden, ihr liegt vielmehr ein Typ von Strafgesetz zugrunde, der ganz im Gegensatz zu klassischen Straftatbeständen, die Diebstahl, Körperverletzung, Tötung oder Raub unter Strafe stellen, nicht ein klar definiertes Verhalten zum Inhalt hat. Es handelt sich dabei um verwaltungsakzessorische Strafgesetze, wobei Verwaltungsakzessorietät der Straftatbestände meint, daß, 1. wie bei den Delikten der Gewässerverunreinigung (§ 324) oder der umweltgefährdenden Abfallbeseitigung (§ 326), die zuständigen Verwaltungsbehörden Erlaubnistatbestände setzen können, oder, 2. wie bei den Delikten der Luftverunreinigung und des Lärms (§ 325), des unerlaubten Betreibens von Anlagen (§ 327), des unerlaubten Umgangs mit Kernbrennstoffen (§ 328) und der Gefährdung schutzbedürftiger Gebiete (§ 329) vorgesehen, das umweltschädigende Verhalten auch gegen eine Verwaltungsvorschrift, einen Verwaltungsakt oder eine Genehmigungspflicht verstoßen muß, also entsprechende Verbote der Umweltverwaltungsbehörden vorausgesetzt werden. Mit der Einbeziehung landesrechtlicher Verordnungsgeber oder gar einzelner Behörden in die Umweltstrafrechtstatbestände wird also der Normsetzungsprozeß nicht auf der Ebene des Bundesgesetzgebers abgeschlossen, Sondern teilweise in die Exekutive verlagert, die durch entsprechende Verordnungen oder Verwaltungsakte erst weitere Merkmale setzen müssen, die eine umweltschädigende Handlung als kriminelle umweltschädigende Handlung qualifizieren. Eine Gewässerverunreinigung ist also nur dann strafbar und damit kriminelles Verhalten, wenn keine Genehmigung durch eine zuständige Behörde vorliegt. Andererseits zeichnen sich die Umweltschutzstraftatbestände durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe aus, die bei der Auslegung erhebliche Interpretationsspielräume öffnen. Hierzu zählen insbesondere die Einführung von Begriffen wie „nachteilige Veränderungen der Eigenschaften eines Gewässers" (§ 324), „nachhaltige Verunreinigung" (§ 325), „Veränderung der natürlichen Zusammensetzung der Luft" (§ 325), . Abfälle“ (§ 326), „Bestandteile des Naturhaushaltes von erheblicher ökologischer Bedeutung" (§ 330). Zwar finden sich diese Begriffe auch in den Umweltverwaltungsgesetzen, doch ist die Interpretation, die ihnen im Verlauf der Anwendung von Verwaltungsgerichten zugesprochen wurde, nicht unbedingt für die strafrechtliche Würdigung von Bedeutung
Die Verzahnung von Umweltverwaltungsund Umweltstrafrecht bringt natürlich politische und rechtliche, aber auch praktische Probleme mit sich, die unmittelbar auf das Erscheinungsbild registrierter Umweltkriminalität Auswirkungen haben dürften.
Zunächst zieht die Verkettung von Umweltverwaltungsrecht und Umweltstrafrecht die Frage nach dem Verhältnis zwischen den jeweiligen gesetzlichen Zielen nach sich. Wenn beispielsweise in § 324 StGB, der die strafbare Gewässereinleitung regelt, ausgeführt ist, daß nur ein unbefugtes Einleiten von Schadstof-fen in ein Gewässer unter Strafe gestellt ist, bleibt offen, wie sich verwaltungsrechtlicher und strafrechtlicher Umweltschutz gegenseitig beeinflussen. Da einerseits durch das strafrechtliche Verbot der schädigenden Gewässereinleitung ein absoluter Schutz der Gewässer bezweckt ist, andererseits das Wasser-haushaltsgesetz, das die Grundsätze der Gewässerbewirtschaftung festlegt, wasserwirtschaftliche Ziele verfolgt, die Schutz und Erhalt der Gewässer und deren wirtschaftliche Nutzung umfassen, muß, um der Einheit der Rechtsordnung willen, ein Ausgleich hergestellt werden.
Würde es sich bei der Tätigkeit der Umwelt-verwaltungen um ein streng gebundenes Verwaltungshandeln und Entscheiden handeln, so wäre das Problem nicht sonderlich gravierend. Allerdings sind Entscheidungen nach dem Wasserhaushaltsgesetz (entsprechendes gilt natürlich auch für andere Umweltverwaltungsgesetze, wie beispielsweise das Abfallbeseitigungs-und das Bundesimmissionsschutzgesetz) Ermessensentscheidungen, die Verwaltungsbehörde hat also unter Umständen mehrere Alternativen, unter denen sie eine geeignete auswählen kann.
Es liegt nahe, den auch durch die Schaffung des neuen Umweltstrafrechts gekennzeichneten Übergang von einer nur an der Bewirtschaftung und Verteilung interessierten zu einer zuallererst ökologischen Betrachtungsweise so zu interpretieren, daß die älteren Umweltverwaltungsgesetze im Lichte der Normansprüche des neuen Umweltstrafrechts ausgelegt werden sollten Hierbei stellt sich nun die Frage, ob und inwieweit Amtsträger, die im Rahmen der Umweltverwaltung tätig werden, sich wegen des Unterlassens von Verboten, des Unterlassens von Einschreiten gegen beobachtete Umweltschädigungen, gar wegen deren Duldung oder wegen des Festsetzens zu hoher Belastungen von Gewässern, Boden oder Luft selbst strafbar machen können.
Der Gesetzgeber hat dieses Problem bei der Setzung des Umweltstrafrechts wohl gesehen, aber von einer ausdrücklichen Regelung der Strafbarkeit von Amtsträgern im Bereich der Umweltverwaltung Abstand genommen
Ihm war bewußt, daß die Tätigkeit der Umweltverwaltungsbehörden vielfach in einem eher informellen und verhandlungsorientierten Rahmen stattfindet, der beispielsweise die Duldung von gewissen, unerlaubten oder gegen bestehende Auflagen, Verordnungen oder Anordnungen verstoßenden Umweltbeeinträchtigungen um der zukünftigen Kooperation mit Wirtschafts-und Industriebetrieben und des Erhalts präventiver Einflußmöglichkeiten willen umfaßt. Aus dem selben Grunde wurde im übrigen auch von der Schaffung einer Anzeigepflicht seitens von Amtsträgern, die im Rahmen ihrer Tätigkeit von Umweltverstößen Kenntnis genommen haben, abgesehen.
Da allerdings das allgemeine Strafrecht auch eine Unterlassungsstrafbarkeit kennt, bleibt die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Amtsträgern, also die Frage, inwieweit sich ein Amtsträger wegen der Unterlassung bestimmter Maßnahmen auf dem Gebiet des Umweltverwaltungsrechts oder der Erteilung fehlerhafter Genehmigungen strafbar machen kann, ein wesentliches Problem. Die Strafverfolgungsbehörden sind bislang im Bereich der Unterlassungsstrafbarkeit eher restriktiv verfahren. Neuerdings hat gar die Generalstaatsanwaltschaft Hamm entschieden, daß eine Strafbarkeit von Amtsträgern wegen einer Gewässerverunreinigung regelmäßig nicht in Betracht komme Hierbei handelt es sich um eine sehr problematische Entscheidung, die bei konsequentem Weiterdenken den vollständigen Rückzug des Strafrechts aus der Kontrolle öffentlicher Umwelt-verwaltung bedeuten würde. Zwar hat die Generalstaatsanwaltschaft Hamm eine Garantenstellung der zuständigen Beamten wegen deren besonderen Schutzpflichten gegenüber den ihnen anvertrauten Umweltgütern grundsätzlich bejaht, die Unterlassungsstrafbarkeit aber auf den ihrer Ansicht nach nur theoretisch denkbaren Fall, mit anderen Worten undenkbaren Fall, eingeengt, in dem das Entschließungs-und Auswahlermessen der Beamten auf Null reduziert sei. Zwar würde bei einer umfassenden Kontrollkompetenz des Strafrechts eine geordnete Bewirtschaftung des Wasserhaushalts durch die zuständigen Wasserbehörden sicher beeinträchtigt, denn eine Überforderung und daraus resultierend ein Rückzug der Verwaltung aus ihrer aktiven Verantwortung im Umweltschutz könnte hier die Folge sein, doch bleibt eine vollständige Freistellung der Umweltverwaltung von strafrechtlicher Verantwortlichkeit sicher nicht vertretbar
Weitere rechtliche Probleme haben sich bislang vor allem bei der Frage der Anwendbarkeit des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) sowie bei der Behandlung traditionell geduldeter Umweltbelastungen gezeigt Im Rahmen des rechtfertigenden Notstandes geht es um die Frage, inwieweit sich ein Umweltdelinquent auf den drohenden Verlust bzw. die drohende Schädigung anderer Rechtsgüter (wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebes, Arbeitsplätze etc.) berufen kann, wenn bestimmte umweltbezogene Auflagen, Anordnungen, Verbote etc. nicht beachtet werden. Soweit jedoch nicht von vornherein die Berufung auf einen rechtfertigenden Notstand abgelehnt wird, mit der Begründung, der Gesetzgeber bzw. Umweltverwaltungsbehörden hätten im Rahmen ihrer Entscheidungen mögliche Interessenkollisionen bereits ausreichend berücksichtigt, werden wirtschaftliche Interessen regelmäßig als nicht höherwertig gegenüber Umweltgütern angesehen und deshalb eine Rechtfertigung nach § 34 StGB in der Regel verneint
Andererseits hat eine Entscheidung des bayerischen Obersten Landesgerichts erhebliche Einschränkungen der Strafbarkeit für den Bereich traditionell geduldeter Umweltbelastungen bewirkt Es handelte sich hier um die Masseneinbringung von Küchenabwässern und Fäkalien in Bundeswasserstraßen aus Schiffahrtsrestaurationsbetrieben, die als gewohnheitsrechtlich erlaubt angesehen wurde. Das bayerische Oberste Landesgericht führte aus, daß zwar ein Umdenkungsprozeß zugunsten eines umfassenderen Gewässerschutzes begonnen habe, das Gewohnheitsrecht gleichwohl noch nicht erloschen sei.
Damit aber sind die bisher zutage getretenen Probleme des Umweltstrafrechts bei weitem nicht erschöpft. Die Diskussion um die praktische Reichweite und die Handhabung des Umweltstrafrechts wird die Strafjustiz vielmehr noch lange fordern, denn der Prozeß ist nicht abgeschlossen und in seinem Verlauf werden die Rolle und die Funktion des Strafrechts im Bereich des Umweltschutzes noch geklärt werden müssen. Mit der Entwicklung der Handhabung des Umweltstrafrechts wird im übrigen natürlich auch das Erscheinungsbild der Umweltkriminalität und der Umweltdelinquenten verbunden bleiben. Doch sei vor der Erörterung ihrer heutigen Erscheinungsformen ein kurzer Blick in ausländische Modelle bzw. Besonderheiten strafrechtlichen Umweltschutzes gestattet.
Der Blick in das benachbarte Ausland ist gerade im Bereich des Umweltschutzes und hier des strafrechtlichen Umweltschutzes von hoher Bedeutung, denn internationale Abkommen und Verträge sowie Rechtsvereinheitlichung, die Schaffung eines internationalen Konsenses über dem Umweltschutz zugrunde zu legende Standards sind erforderlich, um dem grenzüberschreitenden Charakter von Umweltbeeinträchtigungen Rechnung tragen zu können. Damit ist nicht allein das Problem grenzüberschreitender Immissionen angesprochen, sondern auch das Problem der Verlagerung umweltschädlicher Produktionsverfahren oder der Herstellung gefährlicher Produkte in Ländern mit weniger restriktiven Rechtsnormen sowie der Schutz der internationalen Umweltgüter (beispielsweise die Weltmeere).
Tendenzen des strafrechtlichen Umweltschutzes im Ausland lassen sich folgendermaßen zusammenfassen, wobei jedoch nationale Besonderheiten im Bereich der verfassungsrechtlichen Verankerung des Umweltschut-zes und vor allem der Umweltverwaltung in Rechnung zu stellen sind:
Die Einstellung in das Kernstrafrecht haben mehrere ausländische Strafgesetzgeber vorgenommen, teilweise wurden jedoch auch Umweltgesetzbücher geschaffen, die die Gesamtmaterie „Umwelt" regeln und Strafnormen enthalten Es finden sich Bemühungen um die Erleichterung des Nachweises von Umweltdelikten sowie eine Tendenz, den strafrechtlichen Umweltschutz vorzuverlagern, d. h. nicht nur tatsächlich eingetretene Schäden an Umweltgütern, sondern auch die bloße Gefährdung unter Strafe zu stellen. Schließlich ist die Konzentration auf schwere Umweltverstöße und die Ausscheidung von Bagatellbeeinträchtigungen zu nennen. Sonderregelungen für als Wirtschaftskriminalität eingestufte Umweltverstöße kennt beispielsweise das niederländische Strafrecht
Liegen die bislang genannten Tendenzen durchaus auf der Linie, die auch das deutsche Umweltstrafrecht eingeschlagen hat, so zeigen sich vor allem bei den auf betriebliche Umweltbeeinträchtigungen zugeschnittenen Strafen Unterschiede. Betriebsschließung, Kompensationsleistungen, Zwangsverwaltung von Betrieben werden in einigen Ländern, so z. B. in den USA und in den Niederlanden, als sinnvoll und als Geldstrafen oder Geldbußen überlegen angesehen Im übrigen haben ausländische Strafgesetzgeber auch organisatorische Anpassungen vorgesehen, wie etwa die Schaffung von Umweltbehörden und Sonderstaatsanwaltschaften zeigt, teilweise sind Anzeigepflichten vom Amtsträgern statuiert
IV. Die Entwicklung der Umweltkriminalität im Spiegel der Polizei-und Verurteiltenstatistik
Die polizeilich registrierte Umweltkriminalität ist in der Bundesrepublik seit ihrer erstmaligen gesonderten Erfassung im Jahre 1973 ganz beträchtlich angestiegen. Waren es im Jahre 1973 noch 2 321 polizeilich registrierte Umweltdelikte, so betrug diese Zahl im Jahre 1983 schon 7 507, ein Anstieg von 223%. Über die Entwicklung der einzelnen Umweltdelikte zwischen 1975 und 1983 gibt Tabelle 1 Auskunft. Ihr läßt sich entnehmen, daß sich der größere Teil der Umweltkriminalität aus dem Bereich von strafbaren Gewässereinleitungen (§§ 38, 39 a. F. WHG bzw.seit 1980 § 324 StGB) rekrutiert
Die Anstiegsraten für die einzelnen Umwelt-delikte fallen allerdings unterschiedlich aus. Vor allem macht eine differenzierte Analyse deutlich, daß es sich bei dem Anstieg nicht um einen bundesweiten einheitlichen Trend gehandelt hat. Vielmehr sind länderspezifische Veränderungen und Unterschiede sichtbar. So wurden beispielsweise in den Bundesländern Bremen, Hamburg und Niedersachsen im Jahre 1973 nur vereinzelt Umweltdelikte registriert, in Berlin sogar kein einziges Delikt erfaßt, während in demselben Zeitraum aus Bayern und Baden-Württemberg mehr als die Hälfte (56%) aller in Deutschland polizeilich festgestellten Umweltdelikte gemeldet wurden.
/Bis zum Jahre 1983 erfolgte allerdings auch in den übrigen Bundesländern eine erhebliche Zunahme, so daß der aufgrund der Polizeilichen Kriminalstatistik insgesamt feststellbare Anstieg überwiegend auf jene Bundesländer zurückgeht, die noch Mitte der siebziger Jahre praktisch keine Umweltkriminalität registrierten. So sind allein 77% des Anstiegs der Umweltdelikte in absoluten Zahlen zwischen 1980 und 1981 auf die Stadtstaaten Berlin, Hamburg, Bremen sowie das Bundesland Schleswig-Holstein zurückzuführen.
Eine extreme Situation läßt sich insbesondere im Bereich der Abfallbeseitigungsdelikte feststellen. Hier resultierten beispielsweise im Jahre 1981 fast die Hälfte der polizeilich registrierten Verstöße aus den Ländern Berlin und Hessen. Allein aus Berlin wurde etwa jedes vierte Abfallbeseitigungsdelikt in diesem Jahr gemeldet, mehr als das Doppelte der Anzahl, die im bevölkerungsreichsten Bundesland, Nordrhein-Westfalen, registriert wurde
Da jedoch nichts dafür spricht, daß sich im Falle von Abfallbeseitigungsdelikten Berlin oder Hessen von anderen Bundesländern unterscheiden, bzw. daß sich, auf die Umweltdelikte insgesamt bezogen, eine bundesländer-spezifische Verteilung der tatsächlichen Umweltverstöße ergeben hat, kann der Grund für eine solche verzerrte Verteilung und Entwicklung lediglich in einer unterschiedlichen Gewichtung und unterschiedlichen Ausgestaltung der Strafverfolgungspolitik gesucht werden.
Eine Analyse der Polizeilichen Kriminalstatistik wäre unvollständig ohne gleichzeitige Einbeziehung der Verurteiltenstatistik. Obwohl ein Vergleich der Polizeilichen Kriminalstatistik mit der Verurteiltenstatistik aufgrund unterschiedlicher Erfassungsmodalitäten nur bedingt möglich ist, läßt sich doch feststellen, und darüber gibt Tabelle 2 für den Bereich der strafbaren Verunreinigung eines Gewässers Auskunft, daß lediglich ein Bruchteil der als tatverdächtig erfaßten Umweltdelinquenten tatsächlich verurteilt wird. Hier kann gezeigt werden, daß dem Anstieg in der Polizeilichen Kriminalstatistik nichts Entsprechendes in der Verurteiltenstatistik gegenübersteht. Während zwischen 1975 und 1982 eine Steigerung der Anzahl von polizeilich registrierten Straftaten um 74%, bei Tat-verdächtigen eine Steigerung um 55% festgestellt werden kann, nimmt die Anzahl der wegen eines Umweltdelikts zu Strafen Verurteilten lediglich um 6% zu. Ein erheblicher Teil der strafgerichtlichen Verfahren wurde ein-gestellt (1983: 36%). Der erste Anschein spricht damit für eine relativ stabile Verurteilungspraxis, wobei über das Verfahrensmittel der Einstellung ein erheblicher Anteil von Tatverdächtigen ohne gerichtlich verhängte Strafe ausgesondert wird.
Im übrigen deutet die Strafzumessungspraxis bei Umweltkriminalität darauf hin, daß die abgeurteilten Fälle im untersten Bereich strafbaren Unrechts angesiedelt werden, denn nur etwas mehr als 2% der Verurteilungen lauten im Jahre 1983 auf Freiheitsstrafen, von denen wiederum der größte Teil bis sechs Monate reicht und zur Bewährung ausgesetzt wird. Die im Regelfall verhängten Geldstrafen belaufen sich in etwa zwei Dritteln der Fälle auf weniger als 30 Tagessätze, übersteigen also ein jeweiliges Netto-Monatseinkommen der Verurteilten nicht. Dies entspricht, wenn man zum Vergleich andere Deliktsbereiche heranzieht, z. B.der Strafzumessung bei Straßenverkehrsdelikten. Die aus der Analyse der Kriminalitätsstatistiken sich abzeichnende Struktur der Ermittlungsverfahren und der Verurteilungen läßt auf Probleme bei der Handhabung des Umweltstrafrechts schließen, die sich in dem Erscheinungsbild der registrierten Umweltkriminalität und der erfaßten Umweltdelinquenten niederschlagen. Dies gilt zunächst für die Entwicklung der Zahlen einzelner Umweltdelikte, deren Unterschiede zwischen den Bundesländern auf entsprechende Unterschiede im tatsächlichen Verhalten der Normadressaten wohl nicht zurückgeführt werden können. Dies muß aber gleichfalls für die asymmetrische Struktur der registrierten Umweltkriminalität gelten, wonach den Schwerpunkt Gewässerverunreinigungen darstellen, die gegenüber Luftverunreinigung und Lärm bzw. Abfallbeseitigungsdelikten dominieren.
Legt man beispielsweise die Verteilung der von der Umweltmeldestelle in Baden-Württemberg jährlich etwa 1 200 registrierten Beschwerden auf verschiedene Umweltbeeinträchtigungen zugrunde, dann betreffen 20 bis 30% Luftverunreinigung und Geruchsbelästigung, etwa 25% entfallen auf Lärmbelästigungen, während sich lediglich etwa jeweils 10% auf Gewässerverunreinigungen und Schädi-B gungen von Natur und Landschaft beziehen Hierin liegt ein Beleg dafür, daß jedenfalls von der Betroffenheit bzw. Anzeige-Neigung von Privatpersonen her gesehen eine andere Struktur der Umweltkriminalität zu erwarten wäre.
Jedenfalls kann aus der asymmetrischen Verteilung nicht auf ein häufigeres Vorkommen von Gewässerverunreinigungen im Vergleich zu Luftverunreinigung, Lärmbelästigung oder zur illegalen Abfallbeseitigung geschlossen werden. So konnte in einer Untersuchung nachgewiesen werden, daß beispielsweise die Landesanstalt für Umweltschutz in Baden-Württemberg im Jahre 1975 zwar den Verbleib von etwa 130 000 Tonnen industrieller Sonderabfälle nachvollziehen konnte allerdings blieben insgesamt selbst bei einer „freundlichen" Schätzung eines Anfalls von etwa 235 000 Tonnen industriellen Sonderabfalls in demselben Jahr etwa 100 000 Tonnen verschwunden. Eine Sonderaktion der Gewerbeaufsichtsämter in Nordrhein-Westfalen ermittelte bei mehr als 3% der überprüften Betriebe Verstöße gegen eine ordnungsgemäße Behandlung von Reststoffen. In 3 546 Fällen sollen im Jahre 1982 Beamte des Wirtschaftskontrolldienstes in Baden-Württemberg dem Verdacht krimineller Abfallbeseitigung nachgegangen sein
Bei diesem, offiziell bekannten Potential von Abweichung im Bereich des Umweltrechts verwundern die geringe Zahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren und die noch geringere Zahl von Verurteilungen. Die gegebenen Asymmetrien in der Struktur der Um-Weltkriminalität einerseits, die beobachtbare tatsächliche Belastung verschiedener Umweltbestandteile andererseits und die in Verwaltungs-bzw. Betriebsstatistiken ent-1 haltenen Angaben über Emissionen, Sonder-abfälle etc. stützen die Vermutung, daß in der Handhabung des Umweltstrafrechts Probleme ausgelöst werden, die die Gleichmäßigkeit und Effizienz seiner Anwendung beeinträchtigen und lediglich einen Ausschnitt von als Umweltkriminalität potentiell erfaßbaren Umweltbelastungen sichtbar machen. Hier gilt es nunmehr zu fragen, welche Sachverhalte bzw. welche Personen derzeit mit den Mitteln des Umweltstrafrechts erreicht werden.
V. Was kennzeichnet registrierte Umweltkriminalität: Straftäter und Straftaten
Welche Sachverhalte verbergen sich hinter den gesetzlichen Sammelbezeichnungen Gewässerverunreinigung, umweltgefährdende Abfallbeseitigung und Luftverunreinigung etc., die der kriminalstatistischen Erfassung zugrunde liegen? Es gibt zwar wenig Tatsachenmaterial, wenig Forschung zu den konkreten Erscheinungsformen der Umweltkriminalität und auch die Polizeiliche Kriminalstatistik gibt wenig her, um eine differenzierte Analyse zu ermöglichen. Dennoch lassen sich verschiedenen Informationsquellen (Forschung, Statistik) einige Anhaltspunkte entnehmen und zu einem Bild zusammensetzen, das eine Einschätzung der Umweltkriminalität und der Umweltdelinquenten erlaubt.
Erwartungsgemäß unterscheiden sich polizeilich registrierte Umweltstraftäter von durchschnittlichen Tatverdächtigen jedenfalls in den Dimensionen, über die die Polizeiliche Kriminalstatistik Auskunft gibt. So ist der Anteil von Frauen, Jugendlichen und Heranwachsenden sehr gering, das Durchschnittsalter der Umweltdelinquenten liegt erheblich höher als dasjenige der wegen klassischer Delikte Verdächtigen. Im übrigen werden Umweltdelikte überdurchschnittlich häufig in ländlichen Gebieten registriert, der Alltagserwartung durchaus entgegengesetzt, nach der der größere Teil von tatsächlich erfolgenden Umweltbeeinträchtigungen wohl in industriellen Ballungsgebieten angesiedelt ist. So wurde beispielsweise im Jahre 1983 etwa die Hälfte aller Gewässerverunreinigungsdelikte in Gemeinden mit einer Einwohnerzahl unter 20 000 registriert.
Was die Sachverhalte im engeren Sinne und die Herkunft der Delinquenten betrifft, so gibt Tabelle 3, die auf den Ergebnissen von Sonderauswertungen des Bundeskriminalamts beruht, im Hinblick auf Straftäter und ermittelte Sachverhalte bei Gewässerverschmutzung und umweltgefährdender Abfall-beseitigung im Jahre 1982 Auskunft. Danach sind es Vor allem Landwirte, in der Schiffahrt tätige Personen und Hauseigentümer, die als tatverdächtige Gewässerverschmutzer auffallen. Mit geringeren Anteilen sind Personen aus Gewerbebetrieben, Autowerkstätten und Tankstellen, Lkw-Fahrer sowie Kfz-Besitzer vertreten. Der Struktur der Herkunft der Tat-verdächtigen entsprechend verteilt sich die Art der eingeleiteten Stoffe bei Gewässerverschmutzungen. Es sind vor allem landwirtschaftliche Abfallprodukte, sodann öl, schließlich Hausmüll und Hausabwässer, die Gegenstand von polizeilich ermittelten unbefugten Gewässereinleitungen sind. Im Hinblick auf die Abfallart bei der umweltgefährdenden Abfallbeseitigung steht an erster Stelle Schrott, gefolgt von Hausmüll und Reifen bzw. Chemikalien.
Die hier zutagetretende Struktur von Umweltstraftätern und Umweltstraftaten steht ganz sicherlich nicht im Einklang mit herkömmlichen Vorstellungen und Erwartungen über die Verursacher und die Ursachen von Umweltschädigungen. Man mag der deutschen Landwirtschaft einiges vorwerfen können, aber die Annahme, daß sie das Gros der Gewässerverschmutzer repräsentiere oder daß es gelungen sei, hier ein gefährliches Potential an schädigenden Gewässereinleitungen zu isolieren, erscheint wenig überzeugend. Entsprechendes gilt für Hauseigentümer, Schiffahrtspersonal, Lkw-Fahrer oder Kfz-Besitzer. Im Regelfall handelt es sich in diesen Fällen um eine spontane, wenig geplante Einzeldelinquenz, wobei im übrigen auch darauf hinzuweisen ist, daß es sich dann, wenn Gewerbebetriebe oder deren Inhaber als Verursacher von strafbaren Gewässereinleitungen, umweltgefährdender Abfallbeseitigung oder Luftverunreinigung festgestellt werden, um Gewerbebetriebe kleinerer Art handelt
Selbstredend kann aus all den genannten Lebensbereichen und mittels der festgestellten eingeleiteten oder beseitigten Stoffe eine Umweltschädigung verursacht werden, doch liegt die begründete Vermutung nahe, daß hier als Auswahlkriterium im wesentlichen nicht die Größe des Gefährdungspotentials wirksam wurde, sondern vorwiegend die Tatsache, daß bestimmte Stoffe entweder gut sichtbar oder gut riechbar sind.
Im Lichte dieser Verteilungen wird nunmehr auch die Strafzumessungspraxis, wie sie weiter oben beschrieben wurde, plausibel. Es handelt sich bei diesen erfaßten Delikten nämlich in der Regel wohl um kleinere Verstöße gegen die Umweltstrafrechtsnormen, ein Ergebnis, das nicht ganz in Einklang mit den gesetzgeberischen Zielvorstellungen zu stehen scheint, die ja insbesondere die Erfassung schwerwiegender Umweltverstöße beinhalteten. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, daß bereits seit längerem von einem „Vollzugsdefizit" des Umweltstrafrechts die Rede ist.
VI. Probleme der praktischen Handhabung des Umweltstrafrechts
Offensichtlich sind bei der Anwendung der Sanktionsnormen des Umweltstrafrechts Auswahlprozesse wirksam, deren Ursachen insbesondere in Problemen im Verhältnis Umweltverwaltung/Strafverfolgungsbehörden sowie in Defiziten im sachlichen und personellen Bereich der Strafverfolgungsbehörden gesehen werden können.
Für die Kontrolle der Einhaltung von umwelt-bezogenen Anordnungen, Verwaltungsvorschriften und Gesetzen sowie für die Kontrolle bestimmter Umweltgütekriterien sind zunächst allgemeine und besondere Verwaltungsbehörden zuständig. Die Umweltverwaltungsbehörden (Regierungspräsidien, untere Verwaltungsbehörden auf Kreis-und Stadt-ebene, Wasserämter, Wasserwirtschaftsämter, Gewerbeaufsichtsämter) sind insbesondere für die Kontrolle umweltstrafrechtsrelevanten Verhaltens eines bestimmten Adressaten-kreises (nämlich Gewerbebetriebe, Industrieanlagen) von großer Bedeutung.
Verschiedene Umweltverwaltungsgesetze räumen den Verwaltungsbehörden gegenüber Betrieben weitgehende Rechte ein, die beispielsweise den jederzeitigen Zugang zum Betrieb umfassen. Damit könnten Umweltbehörden aufgrund der ihnen zunächst allein zur Verfügung stehenden Informationen über umweltbeeinträchtigende Vorgänge die entscheidenden Anstöße zu strafrechtlichen Ermittlungen geben. Allerdings sind sie in der Regel, wie die bisherige Forschung zeigt, an einer konsequenten Strafverfolgung und damit an der Vorlage von Anzeigen von Um-27 weltverstößen bei den Strafverfolgungsbehörden wenig interessiert. Die Erfüllung ihrer spezifischen Verwaltungsaufgaben ist eher durch verhandlungsorientiertes, nicht aber durch repressives Handeln geprägt. Selbst von den den Verwaltungsbehörden selbst zur Verfügung stehenden Ahndungsmöglichkeiten (Ordnungswidrigkeitenverfahren) oder Zwangsmitteln wird recht selten Gebrauch gemacht.
Die mit der Strafverfolgung befaßten Behörden, also zunächst Polizei und Staatsanwaltschaft, waren und sind nach eigener Einschätzung im Bereich der Handhabung des Umweltstrafrechts nicht adäquat ausgerüstet
Ein Beispiel aus den siebziger Jahren mag dies verdeutlichen: Nachdem es in einem industriellen Ballungsgebiet zu erheblichen Geruchsbelästigungen gekommen war, mußten die dortigen Polizeibehörden wegen Fehlens entsprechender Geräte bei der Ermittlung wegen des Verdachts eines Umweltdelikts den potentiellen Tatverdächtigen, einen großen Industriebetrieb, der allein über Meßgeräte verfügte, bitten, die Messung selbst vorzunehmen und damit praktisch in eigener Sache zu ermitteln. Selbstverständlich bestätigte sich aufgrund der Messung der Verdacht auf das Vorliegen einer Umweltstraftat nicht Da im Bereich der Verfolgung von Umweltschutzdelikten Beweisprobleme und Beweissicherungsprobleme überwiegend naturwissenschaftlicher und technischer Art sind, bleiben allgemeine Strafverfolgungsinstanzen im Regelfall entweder auf die Errichtung eines speziell hierfür eingerichteten technischen Dienstes oder auf die Inanspruchnahme externer Gutachter, auf Experten oder Geräte angewiesen.
Hier haben sich in den letzten Jahren sicher Verbesserungen ergeben, gelöst sind die Probleme jedoch noch nicht. Dies beginnt bei der Ausbildung von Polizeibeamten, die immer noch schwerpunktmäßig auf die klassische Kriminalität hin ausgerichtet ist, setzt sich fort mit Defiziten bei einer auf neue Kriminalitätsformen zugeschnittenen sachlichen und personellen Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden und endet schließlich im Bereich der problembehafteten Kooperation zwischen verschiedenen staatlichen Einrichtungen, die mit Aufgaben des Umweltschutzes und dem Vollzug von Umweltgesetzen betraut sind.
Gerade eine Ausbildung und Ausstattung der Polizei, die dieser im Rahmen von Umweltkriminalität eine aktive Kontrollstrategie erlauben würde, ist jedoch von grundsätzlicher Bedeutung. Reaktive Kontrollstrategien, die sich im Bereich der klassischen Kriminalität als Tätigwerden auf Opferanzeigen hin äußern (etwa 90% aller Straftaten werden der Polizei durch die Anzeige von Opfern oder Zeugen bekannt, etwa 10% gehen auf Aktivitäten der Polizei selbst zurück), sind im Falle von unmittelbar „opferlosen" und außerdem im Regelfall wenig sichtbaren Delikten wie des Umweltstrafrechts (ähnlich im übrigen der Betäubungsmittelkriminalität und der Wirtschaftskriminalität) kaum brauchbar.
Es ist nicht verwunderlich, daß gerade dort, wo eine besondere Polizei, nämlich die Wasserschutzpolizei, eingerichtet wurde, der größte Teil von Umweltdelikten registriert wird. Auf die Gesamtheit aller Umweltstrafverfahren bezogen, kommen zwei Drittel durch polizeiliche Aktivitäten in Gang, etwa 20% werden durch die Anzeige von Privatpersonen ausgelöst, nur in etwa jedem zehnten Fall geht die Initiative von einer Umweltver-, waltungsbehörde aus
Die unbedeutende Rolle, die in diesem Zusammenhang Umweltverwaltungsbehörden spielen, mag den Eindruck verstärken, daß aufgrund ihres eher konfliktvermeidenden Verhaltens bei der Auseinandersetzung mit Gewerbe und Industrie bislang eine Abschirmung dieser Bereiche gegen strafrechtliche Normansprüche erfolgt ist.
VII. Fazit und Ausblick
Die bekanntgewordene Umweltkriminalität, wie sie sich in der Polizeilichen Kriminalstatistik spiegelt, ist vor allem ein Produkt der Gesetzestechnik, die bei der Setzung des Umweltstrafrechts Anwendung fand, sowie der praktischen Strafverfolgung, die im Rahmen der Reform des Umweltstrafrechts keine Neuordnung und spezifische Ausrichtung erfuhr. Die Einführung von „Normhülsen" im Bereich des Umweltstrafrechts bringt es mit sich, daß erst durch weitere Entscheidungen strafrechtsexterner Art der Adressatenkreis und die Merkmale der bestrafungsfähigen und kontrollfähigen Handlungen festgelegt werden.
Zwar war der Anstieg der polizeilich registrierten Umweltdelikte in den letzten zehn Jahren erheblich, doch liegen ihre Schwerpunkte bei Kleinverschmutzungen. Dabei kann der Verdacht von erheblichen Vollzugs-defiziten im Bereich des Umweltstrafrechts mit der Struktur von Kontrollressourcen und Strafverfolgungsinteressen begründet werden. Während bei der Umweltverwaltung das legale und technische Instrumentarium der Kontrolle, aber fehlendes Strafverfolgungsinteresse angesiedelt sind, können bei den Strafverfolgungsbehörden zwar das Interesse an Strafverfolgung, aber Defizite bei den technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine effiziente Kontrolle und Verfolgung von Umweltkriminalität beobachtet werden. Die präventive Kapazität des Strafrechts im Bereich des Umweltschutzes muß heute noch als offen bezeichnet werden. Dabei bleiben vor allem das Verhältnis zwischen den Zielen des strafrechtlichen Umweltschutzes und der auch wirtschaftliche Aspekte einbeziehenden Verwaltung der Umweltgüter, die Kooperation zwischen Umweltverwaltung und Strafverfolgungsbehörden, die organisatorischen und technischen Voraussetzungen einer effizienten Verfolgung von Umweltkriminalität erörterungsbedürftig.
Hans-Jörg Albrecht, Dr. jur., geb. 1950; seit 1976 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Forschungsgruppe Kriminologie, in Freiburg. Veröffentlichungen u. a.: Strafrechtliche Kontrolle der Kindesmißhandlung, 1980; Strafzumessung und Vollstreckung bei Geldstrafen, 1980; Die vergessene Minderheit — alte Menschen als Straftäter, 1981; Legalbewährung nach Verurteilung zu Geldstrafe und Freiheitsstrafe, 1982; Probleme der Implementierung des Umweltstrafrechts, 1983; Jugendkriminalität als internationales soziales Problem, 1983; Datenschutz und sozialwissenschaftliche Forschung, 1984; Jugendarbeitslosigkeit und Jugendkriminalität, 1984.
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