Beschleunigter Aufbau einer möglichst kompletten Industriestruktur und ausgeprägte Distanzierung vom RGW als Instrumente einer betonten Autonomiepolitik erschwerten in den siebzigerJahren die Anpassung der rumänischen Volkswirtschaft an verschlechterte außenwirtschaftliche Rahmenbedingungen. Die Zahlungskrise 1981/82 war Anlaß einer rigorosen Austeritypolitik zum raschen Abbau der Hartwährungsschulden, die nicht nur der Bevölkerung schwere Bürden auferlegt, sondern bei weitgehendem Verzicht auf westliche Investitionsgüter und Technologie die Modernisierung der rumänischen Wirtschaft in gefährlicher Weise beeinträchtigt. Verstärkten sowjetischen Integrationsbemühungen im RGW wird nach wie vor Widerstand entgegengesetzt, und jede Einschränkung der nationalen Planungsautonomie wird abgelehnt. Darunter leiden auch rumänische Versuche, den Warenaustausch mit den RGW-Partnern zu intensivieren, um den Schwierigkeiten auf dem Weltmarkt auszuweichen. Bisherige Erfahrungen zeigen, daß Volkswirtschaften mit zentraler Planung und Leitung und mit verstaatlichten Produktionsmitteln geringe Chancen haben, im internationalen Wettbewerb westlicher Märkte zu bestehen. Ist die Autonomiepolitik damit gescheitert? Ohne wesentliche Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bleibt die Austerity-Strategie eine Grat-wanderung zwischen chronischer Unterversorgung der Binnenwirtschaft und außenwirtschaftlicher Zahlungsfähigkeit.
I. Kritik und Rechtfertigung
Rumänien hat keine gute Presse mehr. Einst hochgelobt für seine unabhängige Außenpolitik, die Strategie schrittweiser „Entsatellisierung" und mutiges Löcken wider den sowjetischen Stachel, wird das Land seit einigen Jahren in den westlichen Medien vorwiegend negativ beurteilt. Sowohl die katastrophale Versorgungslage der Bevölkerung als auch die Unterdrückung oppositioneller Kräfte, die Behandlung der Minderheiten und die „Clan-Herrschaft“ der Familie Ceaujescu werden einem Dauerfeuer harscher Kritik unterzogen.
Abbildung 10
Warenstruktur der rumänischen Ausfuhr (in Prozent) Maschinen und Ausrüstungen Brennstoffe, mineralogische Rohstoffe, Metalle Chemische Erzeugnisse, Düngemittel Industrielle Konsumgüter Nahrungsmittel und Rohstoffe für die N ahrungsmittelindustrie 4, 2 33, 8 1, 7 1, 3 25, 7 22, 8 22, 7 7, 0 18, 1 16, 6 24, 9 29, 5 9, 7 16, 2 12, 7 34, 7 24, 9 9, 8 16, 2 7, 5 Tabelle 6 1950 Quelle: Anuarul Statistic al RSR 1986 1970 1980 1985
Warenstruktur der rumänischen Ausfuhr (in Prozent) Maschinen und Ausrüstungen Brennstoffe, mineralogische Rohstoffe, Metalle Chemische Erzeugnisse, Düngemittel Industrielle Konsumgüter Nahrungsmittel und Rohstoffe für die N ahrungsmittelindustrie 4, 2 33, 8 1, 7 1, 3 25, 7 22, 8 22, 7 7, 0 18, 1 16, 6 24, 9 29, 5 9, 7 16, 2 12, 7 34, 7 24, 9 9, 8 16, 2 7, 5 Tabelle 6 1950 Quelle: Anuarul Statistic al RSR 1986 1970 1980 1985
Seit dem Besuch des sowjetischen Parteichefs Michail Gorbatschow in Bukarest im Mai 1987 können sich westliche Publizisten bei der Darstellung der rumänischen Verhältnisse auch auf detaillierte Informationen aus sowjetischen Quellen berufen. So bildete sich eine etwas seltsam anmutende Allianz westlicher und sowjetischer Presseorgane in der kritischen Analyse von Irrtümern und Verfehlungen des Ceaujescu-Regimes sowie bei der Vergabe unerbetener Ratschläge. Die Korrespondenten der „Pravda“, „Izvestija“ und des sowjetischen Fernsehens vergaßen zumeist nicht, in ihren erstaunlich ungeschminkten Berichten über die Lebensverhältnisse in Rumänien auch das große Interesse in weiten Kreisen der rumänischen Gesellschaft am wirtschaftlichen Reformprogramm der UdSSR zu erwähnen. Einige dieser „Interessenten“ unter der rumänischen Politprominenz wurden in der sowjetischen Presse sogar namentlich zitiert Es handelt sich dabei um jüngere Nationalökonomen und Altkommunisten, die offensichtlich einen wirtschaftspolitischen Kurs vertreten, der von der ebenso zentralistischen wie autarkistischen Strategie der rumänischen Führung erheblich abweicht. Gorbatschow war in Bukarest noch viel deutlicher geworden. Unverblümt — wie bisher in keinem der besuchten Bruderländer — empfahl er sein Konzept der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erneuerung zur Nachahmung, forderte tiefgreifende Systemreformen, um stagnierende sozialistische Volkswirtschaften wieder in Schwung zu bringen, und riet zu „Demokratisierung“, Selbstverwaltung und offenerer Information der Bürger. Haupt-gegenstand der bilateralen Gespräche waren offenbar schwere Unzulänglichkeiten in den gegenseitigen Beziehungen. Öffentlich bezeichnete Gorbatschow die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern auf einigen Gebieten als eher „mittelmäßig oder sogar schlecht“ Insbesondere die Kontakte zwischen beiden Parteien ließen zu wünschen übrig. Die wirtschaftliche Kooperation zwischen Rumänien und der UdSSR bedürfe dringend einer Verbesserung. Er beanstandete die schlechte Qualität der zur Bezahlung sowjetischer Rohstoffe und Energieträger gelieferten rumänischen Industrieprodukte und drängte energisch auf eine stärkere Integration Rumäniens in den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW).
Hektische Rechtfertigungen der rumänischen Wirtschafts-und Gesellschaftspolitik im Vorfeld des Bukarester Gipfeltreffens und die offiziellen Presse-und Rundfunkverlautbarungen während und nach dem Staatsbesuch Gorbatschows zeigten eine beträchtliche Nervosität der rumänischen Führung. Allzu offensichtlich waren Befürchtungen, die Sowjetunion könne — wie schon zu Chruschtschows Zeiten — ihren Druck auf Rumänien verstärken, um das Land in eine bisher verweigerte Botmäßigkeit zu zwingen. Mit der KPdSU und ihrem dynamischen, ungeduldigen Generalsekretär rechnete der rumänische Staats-und Parteichef Nicolae Ceaujescu auf seine Art ab: Belehrungen aus Bukarest über den Charakter des wahren, ideologisch begründeten Weges zur „vielseitig entwikkelten“ sozialistischen Gesellschaft häuften sich, seit Gorbatschow im April 1985 seine Absicht verkündete, ein großangelegtes Reformkonzept in der Sowjetunion zu verwirklichen.
Die rumänischen Medien wurden nicht müde darauf hinzuweisen, daß mit der Machtübernahme der Kommunistischen Partei, beschleunigt durch den Amtsantritt Nicolae Ceauescus, in Rumänien ein Modernisierungsprozeß in Gang gesetzt worden sei, der inzwischen alle Bereiche der Wirtschaft und Gesellschaft erfolgreich durchdrungen habe. Die rumänische Führung habe frühzeitig die Notwendigkeit erkannt, zur intensiven Entwicklungsphase überzugehen. Mit der Einführung des „Neuen Ökonomisch-Finanziellen Mechanismus“ im Jahre 1978 habe sie den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen Rechnung getragen. Durch den Zwang der Unternehmen zur Selbstfinanzierung, das leistungsbezogene Lohnsystem und die „Perfektionierung der zentralen Planung und Leitung“ sei die Effizienz der Volkswirtschaft gesteigert worden. Was Gorbatschow als Grundlage „sozialistischer Demokratisierung“ bezeichne, nämlich die Mitbestimmung der Arbeitskollektive, sei in Rumänien längst durch die Partizipation der Werktätigen an der Formulierung der Wirtschaftspolitik wie auch an den Entscheidungen der Betriebe gewährleistet. Der von Gorbatschow in der Sowjetunion kritisierten Verkrustung einer selbstherrlichen, an Machterhalt und privilegiertem Status interessierten Bürokratie werde in Rumänien erfolgreich durch eine konsequente Ämterrotation entgegengewirkt.
Ende Januar 1987, als das Plenum des Zentralkomitees der KPdSU in Moskau Gorbatschows weitere Reformvorschläge diskutierte, veröffentlichte das Zentralorgan der Rumänischen Kommunistischen Partei eine Rede Ceauescus, in der anderen ungenannten sozialistischen Entwicklungsmodellen mit der Penetranz ideologischen Gralshütertums vorgeworfen wurde, sie verstießen gegen „objektive Gesetze“ des Aufbaus einer kommunistischen Gesellschaft und gegen die „siegreichen Prinzipien des wissenschaftlichen Sozialismus“ Man könne nicht im gleichen Atemzug über die Vervollkommnung der sozialistischen Wirtschaftslenkung und über Marktsozialismus und freien Wettbewerb — „Gesetzmäßigkeiten der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft“ — sprechen. Man könne eine Wirtschaft nicht sozialistisch nennen, wenn man das Grundprinzip des sozialistischen Eigentums an den Produktionsmitteln verletze. Im Hinblick auf das am 19. November 1986 vom Obersten Sowjet verabschiedete „Gesetz über individuelle Arbeitstätigkeit“ — und ähnliche Gesetze Ungarns und Bulgariens — fügte Ceauescu deutlich hinzu: „Kapitalistisches Eigentum bleibt kapitalistisches Eigentum, sei es klein oder groß.“ Unverkennbar ist die Absicht, mit der entschiedenen Verurteilung ideologischer Abweichungen die innerparteiliche Opposition vor allem jüngerer Kader gegen Ceauescus Wirtschaftsführung zur Ordnung zu rufen und den Aufmüpfigen den Makel der Häresie anzuhängen. Die Kritik an alternativen sozialistischen Entwicklungsmodellen und das Anpreisen der eigenen, als „richtig“ erkannten Konzeption dienen der rumänischen Führung aber auch als Ausdruck des Widerstands gegen die vermutete sowjetische Anmaßung, den Bruderländern, wie schon einmal in den sechziger Jahren, ein wirtschaftliches Reformprogramm überzustülpen, das sich kaum bewährte und schon nach wenigen Jahren auf Moskauer Geheiß wieder zurückgenommen werden mußte. Die Abwehr dezentralisierter Planungs-und Leitungsmethoden hat auch gewichtige innenpolitische Gründe. Eine auch nur teilweise Verlagerung der Planungskompetenzen und damit der Verfügungsrechte über die Produktionsmittel von den Ministerien und „Räten“ auf die Produktions-und Handelsbetriebe schwächt den Einfluß und die Kontrollmöglichkeiten der Partei und des Staates. Bei der weitverbreiteten Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den wirtschaftlichen und sozialen Zuständen im Lande kann sich die rumänische Regierung eine auch nur vorsichtige Liberalisierung kaum leisten. Die Erfahrungen anderer sozialistischer Länder haben gezeigt, daß die Reform des Wirtschaftssystems und der Einbau „marktwirtschaftlicher Hebel“ und Leistungsanreize kaum wirksam werden können, wenn es nicht gleichzeitig gelingt, Mitwirkungsbereitschaft und Eigeninitiative der Bevölkerung durch ein Mindestmaß an politischer Beteiligung, Meinungsfreiheit und anderer Grundrechte sowie durch deutlich verminderte Gängelung und Bevormundung zu wecken.
Es ist mehr als fraglich, ob beim gegenwärtigen Zustand der rumänischen Wirtschaft tiefgreifende Reformen, deren Erfolg offensichtlich von langjährigen Reifezeiten und günstigen außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängt, überhaupt zur raschen quantitativen und qualitativen Verbesserung der Produktionsergebnisse beitragen würden. Auch das in den Medien immer wieder zitierte und als beispielhaft propagierte Reformpaket vom März 1978, welches in einer Phase der sich häufenden binnen-und außenwirtschaftlichen Probleme beschlossen wurde, setzte die Strategie staatlicher Disziplinierung der Wirtschaft fort. Zwar sollten die Reformmaßnahmen ausdrücklich die ökonomisch-finanzielle Selbstleitung und Selbstverantwortung der Betriebe fördern, um nach Ceaujescus eigenen Worten die „Widersprüche zwischen der Entwicklung der Arbeiterdemokratie und dem übertriebenen Zentralismus und Bürokratismus“ zu beseitigen Doch in Erkenntnis der realisierbaren Möglichkeiten wurde die Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen auf die Betriebe unmittelbar mit Durchführungsdirektiven zu den Beschlüssen des Zentralkomitees wieder eingeschränkt.
Die Beteiligung der Betriebe an der Plandiskussion dient ausschließlich dazu, die von der Partei vorgegebenen Produktionsziele zu erfüllen oder überzuerfüllen. Mit der Verpflichtung zur Kostensenkung, zur Selbstfinanzierung und zum Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben wurden den Betrieben weitere und meist untragbare Lasten auferlegt. Die damals beschlossene Anpassung der Grundlöhne an die von den Betrieben erwirtschafteten Reingewinne trug seither zur erheblichen Unruhe unter der Arbeiterschaft bei. Um persönliche Leistungsreserven zu mobilisieren und das Lohnniveau der miserablen Versorgungslage auf dem Konsumgütermarkt anzugleichen, hat ein Staatsratsdekret vom September 1983 den garantierten Grundlohn, der durchschnittlich 80% der Masseneinkommen ausmachte, abgeschafft und durch ein kompliziertes Entlohnungssystem ersetzt, das die Höhe der individuellen Einkommen von der Planerfüllung, Materialeinsparung und Kapazitätsauslastung des Betriebes abhängig macht. Ceauescu hatte offensichtlich erhebliche Mühe, um sich mit diesem riskanten Manöver im Politischen Exekutivkomitee und im Zentralkomitee durchzusetzen. Erst im April 1986 wurde das Gesetz von der Großen Nationalversammlung in Kraft gesetzt Massive Lohnkürzungen sollen seither in zahlreichen Unternehmen zu Arbeitsniederlegungen und Streiks geführt haben
Der offensichtlich wachsende Unmut der Bevölkerung, ja Anzeichen von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sind eine Folge der von der Regierung seit Anfang der achtziger Jahre rigoros durchgeführten Austerity-Politik. Gerade der Konsum-sektor wurde zu massiven Einschränkungen gezwungen. Um Energie zu sparen und der Versorgung der Industrie höchste Priorität einzuräumen, wurde der private Energieverbrauch auf ein Niveau gedrosselt, das vor allem in den zurückliegenden Wintern zu schlimmen Entbehrungen in den Städten, zu erhöhter Sterblichkeit und zu Lebensbedingungen geführt hat, die man in Europa seit der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht mehr kannte. Auch die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs hat sich in den letzten Jahren rapide verschlechtert, was offenbar zu einer erheblichen Ausdehnung der Schattenwirtschaft und der Vermehrung der Schwarzmärkte beitrug Mehl, Zucker und Öl sind rationiert, Fleisch wird nur an die Beschäftigten in der Industrie abgegeben, Brot außerhalb Bukarests zugeteilt. Im Dezember 1986 hat die Große Nationalversammlung auf Empfehlung der Regierung die geplante Nahrungsmittel-und Konsumgüterversorgung des Binnenmarktes für 1987 gegenüber dem Vorjahr weiter reduziert Dies ist um so erstaunlicher, als nach rumänischen Angaben die Nettoproduktion der Landwirtschaft 1986 um 13, 3 % zunahm. Einige Pflanzenbaubereiche erzielten Rekorderträge und die Getreideernte lag um fast ein Drittel über dem Vorjahresergebnis Wie konsequent dennoch der private Verbrauch weiterhin beschnitten werden soll, zeigt die von Ceauescu angeregte Einführung industriell vorgefertigter, von öffentlichen Küchen verteilter Mahlzeiten für die arbeitende Bevölkerung. Auch die öffentlichen Sozialausgaben wurden drastisch eingeschränkt. Die staatlichen Investitionen im Wohnungsbau lagen 1985 real um 37 %, die Ausgaben für das Gesundheitswesen um 17% unter dem Niveau von 1980
Die der Bevölkerung auferlegten Opfer sind lediglich äußerer Ausdruck dafür, daß sich die Wirtschaft des Landes seit Anfang der achtziger Jahre in einer schweren Wachstumskrise befindet. Schon die Ziele des Fünfjahrplans 1981 — 1985 wurden kaum zur Hälfte erfüllt. In den Jahren 1981 und 1982 war die Investitionstätigkeit rückläufig. Auch 1985 und 1986 lagen die Investitionen mit Zuwachsraten von 1, 6 und 1, 2% weit unter den geplanten Anforderungen. Der Schlüsselbereich für die wirtschaftliche Entwicklung Rumäniens ist zweifellos der Energiesektor. Im Vergleich zu den übrigen kleineren sozialistischen Ländern mit reichen Rohstoffvorkommen ausgestattet, war Rumänien bis Mitte der siebziger Jahre sogar in der Lage, Energieträger, vor allem Erdöl, aus eigenen Quellen zu exportieren. Erst der beschleunigte Industrialisierungsprozeß, insbesondere der Ausbau der Petro-chemie, zwangen zu rasch wachsenden Einfuhren. Um eine zunehmende Lieferabhängigkeit von der Sowjetunion zu vermeiden, deckte Rumänien seinen zusätzlichen Erdölbedarf vorwiegend in den OPEC-Ländern, Damit wurde es von den rasanten Energiepreissteigerungen auf dem Weltmarkt voll getroffen. Vor allem der zweite „Ölpreisschock“ von 1979/80 trug zur Zahlungsunfähigkeit Rumäniens erheblich bei. Gleichzeitig ging die einheimische Ölförderung zwischen 1975 und 1985 von 14, 6 auf 10, 7 Mio. Tonnen jährlich zurück Die katastrophalen Versorgungsmängel bei Erdöl, Kohle und Elektroenergie führten zu eklatanter Unter-nutzung der verfügbaren industriellen Produktionskapazitäten. Im Oktober 1985 wurde die gesamte Stromerzeugung 6 auf 10, 7 Mio. Tonnen jährlich zurück 11). Die katastrophalen Versorgungsmängel bei Erdöl, Kohle und Elektroenergie führten zu eklatanter Unter-nutzung der verfügbaren industriellen Produktionskapazitäten. Im Oktober 1985 wurde die gesamte Stromerzeugung dem rumänischen Militär unterstellt, die Kraftwerke werden seither von Offizieren geleitet und überwacht. Dennoch — oder vielleicht auch gerade deshalb — bleibt die Produktion unbefriedigend; die Führung des Landes wirft diesem Sektor Disziplinlosigkeit und schwerwiegende Mängel in der Arbeitsorganisation vor. Der Minister für Bergbau und Energie wurde innerhalb von fünf Jahren viermal ausgewechselt. Auch der derzeitige Inhaber dieses Amtes, der ehemalige Ministerpräsident und nahe Verwandte Ceauescus, Ilie Verde, sah sich Anfang des Jahres wegen der Rückstände in der Kohle-und Erdölgewinnung sowie der Elektroenergieerzeugung, die 1986 erneut zu Versorgungsproblemen in der Industrie führten, deutlicher Kritik unterzogen 12).
Seit 1980 wendet Rumänien mehr als die Hälfte der Einfuhrkosten für Brennstoffe, mineralische Rohstoffe und Metalle auf. Rund Mio. Tonnen Erdöl belasteten die Devisenbilanz noch 1985 mit 2, 8 Mrd. US-Dollar 13). Nur relativ geringe Mengen wurden in der Sowjetunion eingekauft, die sich bis 1985 offensichtlich weigerte, Rumänien in das Präferenzpreissystem des RGW einzubeziehen und für Energielieferungen Weltmarktpreise und harte Währungen verlangte. Rumänien konnte nicht an dem erheblichen Kostenvorteil partizipieren, der den übrigen importabhängigen kleineren RGW-Mitgliedstaaten dadurch entstand, daß die Preise im Intra-RGW-Handel seit 1975 jährlich aus dem Durchschnitt der Weltmarktnotierungen der vorangegangenen fünf Jahre errechnet werden und somit sowjetisches Erdöl bis 1985 im RGW stets erheblich* billiger war als in den OPEC-Ländern. Zudem konnten die Rohstoffkunden in diesem Bezugssystem die sowjetischen Lieferungen mit Industrie-produkten aus einheimischer Produktion bezahlen, die auf dem Weltmarkt kaum absetzbar waren. Kamen sie mit ihren Gegenlieferungen nicht nach, so gewährte die UdSSR großzügige Clearingkredite zu Minimalzinsen.
Rumänien, dessen Exportindustrie bei anhaltender Rezession in den westlichen Industrieländern der internationalen Konkurrenz immer weniger gewachsen war, häufte bis 1981 Auslandsschulden von netto fast 10 Mrd. US-Dollar an 14). Als nach Bekanntwerden der Zahlungskrise in Polen der Kreditstrom westlicher Banken an sozialistische Länder versiegte, geriet auch Rumänien in Schwierigkeiten. Im November 1981 trat die rumänische Regierung, die ihren Zins-und Tilgungszahlungen ins westliche Ausland nicht mehr nachkommen konnte, mit einem Konsortium von zehn westlichen. Banken und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) in Umschuldungsverhandlungen ein. Der 1982 durchgeführten Umschuldung folgte schon im nächsten Jahr eine weitere, obwohl sich die rumänische Regierung nicht ohne Erfolg bemühte, mittels einer harten Restriktionspolitik die Defizite der Handels-und der Leistungsbilanz zu beseitigen. Die Handelsbilanz in konvertibler Währung konnte bereits 1981 ausgeglichen werden, ab 1982 wurden wachsende Überschüsse der Handelsbilanz, ab 1983 auch Überschüsse der Leistungsbilanz erzielt. Letztere erlaubten einen bemerkenswerten Abbau der Netto-Verschuldung von 9, 8 auf 5, 9 Mrd. US-Dollar in den Jahren 1981-1985 15). Von 1983 bis 1985 wurden Verzinsung und Tilgung ohne weitere Umschuldung geleistet, obwohl Rumänien seit 1984 die Hilfe des IWF ablehnte, um sich dessen wirtschaftspolitischen Auflagen — vor allem die Zurückdrängung der Binnennachfrage durch Einschränkung der Investitionstätigkeit — zu entziehen. Dieser erstaunliche Kraftakt, der sich wohl am ehesten durch den Willen der rumänischen Führung erklärt, nach keiner Seite in Abhängigkeit zu geraten, wurde mit schweren Opfern für die Bevölkerung und mit verheerenden Auswirkungen auf die Kapazitätsauslastung der Industrie bezahlt. Vor allem die Einschränkung der Energie-und Rohstoffimporte beeinträchtigte die Exportfähigkeit und zwang damit zu noch radikaleren Einfuhrrestriktionen. Von den westlichen Industrieländern wurden nur noch absolut produktionsnotwendige Güter importiert. Wichtige Investitionsgüter-und Ersatzteilimporte unterblieben. Nach rumänischer Darstellung produziert das Land mittlerweile 90 % seines Investitionsgüterbedarfs selbst, eine Politik, die stolz „nationale Option“ genannt wird allerdings beim heutigen Tempo der internationalen technischen Entwicklung gefährliche Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit rumänischer Produkte auf dem Weltmarkt haben muß.
Der weitgehende Verzicht auf den Import westlicher Investitionsgüter und Technologie beeinträchtigt die Modernisierung der rumänischen Wirtschaft in bedrohlicher Weise. Von westlichen Geschäftspartnern werden neuerdings beträchtliche technoTabelle logische Rückschritte der rumänischen Industrieproduktion konstatiert. Nach deren Erfahrung hat sich die internationale Wettbewerbsfähigkeit der aus Rumänien bezogenen Waren in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Die scharfe Reduzierung der Brennstoffimporte wirkt sich auch negativ auf die Lieferkapazität bei petrochemischen Pro-dukten aus, die — einschließlich mineralischer Rohstoffe und Metalle — 1980 fast 30 % und 1985, trotz fallender Preise auf dem Weltmarkt und eindeutig auf Kosten der Binnenversorgung, immerhin noch 25 % der rumänischen Exporte stellten So ist der Mißerfolg der rumänischen Außenhandelspolitik in den vergangenen beiden Jahren nicht nur zufällig. Schon 1984 hatten — entgegen allen Planzielen — die Ausfuhren gegenüber dem Vorjahr um 3 % ab-und die Einfuhren um 5, 7 % zugenommen. 1986 sanken die Exporte erneut um 11, 6%, während die Importe nur um 5, 6% eingeschränkt werden konnten Staats-und Parteichef Ceauescu, der seine Strategie der forcierten Auslandsschuldentilgung gefährdet sah, ließ nach Bekanntwerden dieses schlechten Resultats seiner Empörung freien Lauf. Er beschuldigte die Export-industrie, trotz gestiegener Industrie-und Agrarproduktion weniger im Ausland abgesetzt zu haben, weil die rumänischen Erzeugnisse den qualitativen Anforderungen der internationalen Kundschaft nicht gewachsen seien und — gegen eindeutige Planvorgaben — Ausfuhrprodukte für den Binnenmarkt abgezweigt wurden Es ist bezeichnend für die Lage der rumänischen Ausfuhrwirtschaft, daß diese Einbußen auch durch ein im September 1985 erlassenes Dekret nicht verhindert werden konnten, das den Verantwortlichen in Ministerien und Betrieben bei Nichterfüllung der Exportpläne drastische Gehaltsabzüge bis zu 50 % des Tariflohns androht.
Im Handel mit den nichtsozialistischen Ländern (westliche Industrie-und Entwicklungsländer) hat sich der Handelsbilanzüberschuß schon 1985 gegenüber 1984 von 2, 06 auf 1, 38 Mrd. US-Dollar verringert, weil die rumänischen Einfuhren aus dieser Region um 3, 2%, die Ausfuhren dorthin aber um 13 % schrumpften. Der Überschuß der Leistungsbilanz in konvertiblen Währungen — entscheidend für die Strategie der Westschuldentilgung — ging 1985 im Vergleich zum Vorjahr von 1, 45 Mrd. auf 915 Mio. US-Dollar zurück Um den 1985 fälligen Schuldendienstverpflichtungen nachkommen zu können, wurden die Devisenreserven bis Ende 1985 auf weniger als 200 Mio. US-Dollar abgebaut, kaum der Gegenwert für die in konvertiblen Währungen zahlbaren Importe eines einzigen Monats. Die Ausgangslage für 1986 war also denkbar ungünstig. So bereiteten bereits vorübergehende Liquiditätsengpässe erhebliche Zahlungsprobleme, und Rumänien mußte erneut bei den Gläubigerbanken eine Umschuldung der 1986 und 1987 fälligen Kre-dite beantragen. Diese Vereinbarung wurde im Juli 1986 geschlossen und deckt 880 Mio. US-Dollar ab, die zwischen 1989 und 1992 zurückgezahlt werden sollen Der vereinbarte Zinssatz wurde von 1% % auf 1% % über Libor abgesenkt, ist aber im Vergleich zu den Konditionen, die andere sozialistische Länder von westlichen Banken erhalten, immer noch ungünstig. Rumänien, das schon 1985 an die internationalen Kapitalmärkte zurückkehrte und keine Mühe hatte, kleinere Anleihen aufzunehmen, muß seine übereifrige Schuldentilgungspolitik also teuer bezahlen. Hätte es höhere Währungsreserven, so würde es bei Refinanzierungsabkommen und neuen Krediten sicher günstigere Bedingungen erhalten. In der Bonitätsliste der westlichen Banken, die alle wichtigeren Schuldnerländer nach der Einschätzung ihrer Kreditwürdigkeit aufreiht, rangierte Rumänien 1986 unter den RGW-Mitgliedstaaten immer noch auf dem vorletzten Platz
Zwei Faktoren könnten in den nächsten Jahren die rumänische Zahlungsbilanz entlasten. Nach westlichen Berechnungen muß Rumänien für seine Auslandsschuld in konvertierbaren Währungen 1987 noch Zinsen und Tilgung in Höhe von 1, 9 Mrd. US-Dollar, 1988 von 1, 65 Mrd. US-Dollar leisten. In den beiden folgenden Jahren sollten die Schuldendienstverpflichtungen nach rumänischer Darstellung rasch abnehmen Andererseits ist der Nutzen stabiler und relativ niedriger Weltmarktpreise für Erdöl und andere Energierohstoffe auf der Importseite größer als die dadurch bewirkte Erlös-einbuße bei der Derivateausfuhr. Es ist zu vermuten, daß die rumänische Führung auf diese vorteilhaften Entwicklungstendenzen baut, wenn sie den verstärkten sowjetischen Integrationsbemühungen im RGW entschiedenen Widerstand entgegensetzt. Im Rahmen einer mit erstaunlicher Konsequenz durchgehaltenen Unabhängigkeitspolitik wurde zwischen 1960 und 1974 der Anteil der sozialistischen Wirtschaftsgemeinschaft am rumänischen Außenhandel von 66, 7 auf 34, 5 % reduziert, der Anteil der UdSSR von 40, 2 auf 15, 7% verringert An den gemeinsamen Investitionen der RGW-Länder, die vor allem der Erschließung und Nutzbarmachung sowjetischer Bodenschätze dienen und mit langfristigen Rohstoff-und Energielieferungen abgegolten werden, zeigte Rumänien meist betontes Desinteresse Erst zunehmender Bedarf an Rohstoffen, Brennstoffen und Elektroenergie aus der UdSSR ließ die rumänische Regierung in den achtziger Jahren gelegentlich einlenken, zumal eine kontinuierliche Bedienung aus sowjetischen Quellen für RGW-Kunden nur gegen eine angemessene Beteiligung an den wachsenden Prospektions-, Förder-und Transportkosten zu haben ist. So wird seit 1982 in Konstantinovskij am Don mit rumänischer Hilfe ein Kernkraftwerk errichtet, das eine Kapazität von 4 000 Megawatt anstrebt. Die rumänischen Leistungen sollen mit langfristigen garantierten Elektroenergielieferungen abgegolten werden, zu deren Übertragung gemeinsam eine 750-Kilovolt-Hochspannungsleitung nach Mäcin in der rumänischen Dobrudscha gebaut wird.
Doch von brüderlicher Eintracht ist bei dieser Zusammenarbeit wenig zu spüren. So kritisierte der rumänische Premierminister Däscälescu auf der 42. Ratstagung des RGW in Bukarest im November 1986 die unbefriedigenden Rückzahlungsmodalitäten bei solchen gemeinsamen Investitionen in der Sowjetunion und den Zwang, Finanzierungsmittel in frei konvertierbarer Währung — für Zukäufe benötigter Bauteile aus westlichen Ländern — bereitzustellen. Schon vor diesem Auftritt hatte die Sowjetunion den rumänischen Partnern wiederholt vorgeworfen, bei der gemeinsamen Erschließung der Gasfelder von Sowjetabad in der Turkmenischen SSR durch verspätete oder gänzlich ausgebliebene Materiallieferungen und durch ungeeignete Arbeitskräfte erhebliche Schwierigkeiten zu verursachen.
Trotz dieser kaum beispielhaft zu nennenden Einzelfälle multilateraler Zusammenarbeit kann von einer zunehmenden Wiedereinbindung Rumäniens in den RGW nicht die Rede sein. Die rumänische Führung hat sich der von der Sowjetunion geforderten Integration in die sozialistische Wirtschaftsgemeinschaft seit Anfang der sechziger Jahre verweigert und ihre hartnäckige Autonomiepolitik auch dann fortsetzt, als spätestens ab Mitte der siebziger Jahre ökonomisches Kalkül eine engere Anlehnung an die rohstoffreiche Sowjetunion und an die industriell weit fortgeschritteneren Partner im RGW nahelegte. Rumäniens Strategie, die Beteiligung an der Produktionsspezialisierung und an den Kooperationsvorhaben im RGW so gering wie möglich zu halten, erwies sich mit dem Übergang zur Einfuhrabhängigkeit bei Energierohstoffen und verschlechterten exportseitigen Rahmenbedingungen auf den internationalen Märkten als außerordentlich kostspielig. Der allein zwischen 1976 und 1980 durch den Verzicht auf sowjetisches Erdöl — und damit niedrigere RGW-Verrechnungspreise — erlittene Verlust wird von westlicher Seite auf etwa 3 Mrd. US-Dollar geschätzt
Die rumänische Regierung bemühte sich seit Anfang der achtziger Jahre, den eklatanten Schwierigkeiten mit den westlichen Handelspartnern durch eine Intensivierung des Warenaustauschs mit den übrigen RGW-Ländern, vor allem der Sowjetunion, ohne eine verstärkte Teilnahme an den Integrationsmaßnahmen, auszuweichen. Nicht nur die unablässige Kritik der rumänischen Führung an den Mängeln des Funktionsmechanismus der sozialistischen Wirtschaftsgemeinschaft und an der unzureichenden Kooperations-und Hilfsbereitschaft der Partnerländer, sondern vor allem die Außenhandelszahlen deuten darauf hin, daß diese Strategie ihre Wirkung weitgehend verfehlt hat. Zwar hat sich der Warenaustausch Rumäniens mit dem RGW in der ersten Hälfte der achtziger Jahre etwas günstiger entwickelt als der von den Einfuhrrestriktionen besonders hart getroffene Westhandel, doch der Anteil des RGW am rumänischen Außenhandel ist zwischen 1980 und 1985 nur von 34, 4 auf 40 % gewachsen, mit einem keineswegs eindeutig zunehmenden Trend Die Beteiligung der UdSSR an den gesamten Importen und Exporten belief sich nach den — in sich keineswegs stimmigen — rumänischen Angaben 1985 auf nicht mehr als etwas über 21 %. Damit weist Rumänien unter den Partnerländern nach wie vor die geringsten Anteile am Intra-RGW-Handel aus.
Dieses Resultat mag mehrere Gründe haben. Da nach dem im RGW üblichen Verfahren bilateral verrechnet werden muß und entstehende Salden in der Regel nicht auf Drittländer innerhalb der Gemeinschaft übertragen werden können, sind die Warenaustauschmöglichkeiten von vornherein eng begrenzt. Zudem trifft Rumänien auch im RGW auf wachsenden Widerstand gegen den Absatz seiner qualitativ unzureichenden und technologisch rückständigen Industrieprodukte. Zwar wird von rumänischer Seite mit Befriedigung festgestellt, daß der Anteil der „spezialisierten“, das heißt in arbeitsteiliger Kooperation mit anderen RGW-Ländern hergestellten Produkte bei Maschinen und Ausrüstungen zwischen 1973 und 1982 von 8 auf 47% stieg, Rumänien somit als industrialisierter Partner Anerkennung findet. Doch beklagt man sich im gleichen Atemzug darüber, daß das Volumen der im RGW abgesetzten Erzeugnisse eben dieses Sektors weit unter der Ausfuhrkapazität liege und auch anteilmäßig geringer sei als in anderen Partnerländern Nach rumänischer Ansicht wird der RGW-Handel auch durch ungünstige Austauschrelationen, also hohe Einfuhr-und niedrige Ausfuhrpreise behindert. Seit Jahren beschwert sich die rumänische Regierung in den Gremien des RGW vor allem über die ungünstigen Verrechnungspreise für Nahrungsmittel, deren Hauptabnehmer die Sowjetunion geworden ist. Während Rumänien bis 1985 Weltmarktnotierungen für sowjetisches Erdöl zahlen mußte und ausgerechnet im Januar 1986 offiziell in das Präferenzpreissystem des RGW einbezogen wurde, als dieses Produkt im RGW teurer geworden war als auf dem Weltmarkt — von Vorzugspreisen also nicht mehr die Rede sein konnte —, erzielten die als Gegenleistung in die UdSSR gelieferten Agrarprodukte, besonders Fleisch und Getreide, angeblich zu geringe Erlöse, um auch nur die Produktionskosten zu decken. Da wir die Verrechnungsbasis nicht kennen, ist bestenfalls zu vermuten, daß die rumänischen Exporteure weniger die niedrigen Weltmarktnotierungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse als das viel höhere Agrarpreisniveau der Europäischen Gemeinschaft vor Augen hatten. Unbegründet scheint die rumänische Kritik nicht zu sein, denn die UdSSR hat in einem für diesen bilateralen Tauschhandel wichtigen Produkt offensichtlich nachgegeben und 1986 für eine gegenüber dem Vorjahr um 8 % verringerte Menge rumänischen Frischfleischs 19 Mio. Rubel und damit 15, 4% mehr bezahlt als 1985
Es ist fraglich, ob die rumänische Führung ernsthaft daran interessiert ist, die wirtschaftlichen Beziehungen zur Sowjetunion auf Dauer wesentlich zu intensivieren. Rumänien hat am 16. Mai 1986 — als letztes RGW-Land — ein langfristiges Abkommen über ökonomische und technische Zusammenarbeit mit der UdSSR geschlossen. Der rumänisch-sowjetische Warenaustausch soll im Planjahrfünft 1986— 1990 um 70% zunehmen, verglichen mit einem geplanten Zuwachs des gesamten Außenhandels von 52, 7 %. Um Rumäniens Ausfuhrsortiment um einige von der UdSSR benötigte Industrieprodukte von „Weltniveau“ zu erweitern — und damit die geplante Steigerung des bilateralen Warenaustauschs überhaupt erst zu ermöglichen —, werden verschiedene Fertigungszweige mit sowjetischer Hilfe modernisiert. Davon profitiert vor allem Rumäniens veraltete und ineffiziente Stahlindustrie, der komplette Produktionsanlagen, vor allem zur Herstellung von Öl-und Gasröhren, geliefert werden. Die Sowjetunion war bis in die siebziger Jahre von westlichen Röhrenlieferungen abhängig und ist auf diesem kritischen Sektor noch längst nicht autark; sie könnte sich hier — außer Reichweite der amerikanischen Embargopolitik — eine Zulieferindustrie aufbauen. Die Sowjetunion vereinnahmt auch mehr und mehr die traditionelle rumänische Exportproduktion von Öl-und Gas-bohrgerät, die erst in den letzten Jahren den Anschluß an die Entwicklung modernster Technologie bei computergesteuerten Systemen und Speziallegierungen verloren hat. Mehr als 40% der sowjetischen Einfuhren dieser Geräte stammen aus Rumänien -Zweifellos gilt die gleiche Aufmerksamkeit auch der rumänischen Rüstungsindustrie, die für eine Reihe von Entwicklungsländern Waffen nach sowjetischen Lizenzen fertigt.
Eine solche Modernisierung nach sowjetischem Muster ist zwar vom Fortschritt der Entwicklung in den westlichen Industrieländern weit entfernt und würde die Absatzchancen rumänischer Produkte auf dem Weltmarkt nicht verbessern, doch könnten immerhin im rumänisch-sowjetischen Handel zusätzliche Gegenliefermöglichkeiten von ausreichendem technologischen Standard für steigende Energiebezüge aus der UdSSR geschaffen werden. Von 1986 bis 1990 soll Rumänien jährlich 5 Mio. Tonnen sowjetisches Erdöl erhalten; schon 1986 wurden 6 Mio. Tonnen und damit fast die Hälfte der rumänischen Ölimporte, dazu 2, 5 Mio. Kubikmeter Erdgas und 2, 8 Mio. Kilowattstunden elektrischer Strom geliefert Die Entwicklungsmöglichkeiten dieses Warenaustauschs sind aber begrenzt. Die Qualitätsansprüche der sowjetischen Importeure gegenüber den RGW-Lieferanten steigen; die rumänische Ausfuhrkapazität kann letztlich nur auf Kosten der Westexporte, kaum noch durch Einschränkungen der Binnenwirtschaft, erweitert werden, und die von der UdSSR geforderten Weltmarktpreise bieten keine Vorteile. Der in konvertierbaren Währungen oder sogenannten „harten“, also weltmarktfähigen Waren abgerechnete Teil des gegenseitigen Handels nimmt zu — etwa 14 % der Ausfuhren und 18 % der Einfuhren Rumäniens wurden 1985 auf diese Weise abgewikkelt Damit verliert der Warenaustausch mit der Sowjetunion viel von seiner Attraktivität, die ja für die kleineren RGW-Länder bisher in dem von Rumänien viel zu wenig genutzten Vorzug bestand, zweitklassige Industrieprodukte auf einem großen und aufnahmefähigen Markt absetzen und dafür Rohstoffe und Energieträger beziehen zu können.
IV. Einschränkung der Planungsautonomie
Abbildung 8
Tabelle 4 (in Prozent) Sozialistische Länder davon RGW Nichtsozial. Länder davon OECD 55, 6 50, 1 44, 4 36, 0 44, 8 37. 8 55. 2 38. 6 40. 7 34. 4 59. 3 34. 0 41, 0 35, 4 59, 0 28, 6 41, 4 37, 9 58, 6 32. 2 45. 5 40. 0 54. 5 26, 4 Länderstruktur des rumänischen Außenhandels 1970 1975 1980 1982 1984 1985 Quelle: Anuarul Statistic al RSR. betr. Jgg.; Petra Pissulla (Anm. 13). Tab. IV b.
Tabelle 4 (in Prozent) Sozialistische Länder davon RGW Nichtsozial. Länder davon OECD 55, 6 50, 1 44, 4 36, 0 44, 8 37. 8 55. 2 38. 6 40. 7 34. 4 59. 3 34. 0 41, 0 35, 4 59, 0 28, 6 41, 4 37, 9 58, 6 32. 2 45. 5 40. 0 54. 5 26, 4 Länderstruktur des rumänischen Außenhandels 1970 1975 1980 1982 1984 1985 Quelle: Anuarul Statistic al RSR. betr. Jgg.; Petra Pissulla (Anm. 13). Tab. IV b.
Wie stark die rumänische Handelspolitik gegenüber der Sowjetunion und dem ganzen RGW nach wie vor weniger von ökonomischen als von rein politsehen Erwägungen getragen wird, zeigt der erbitterte Widerstand der rumänischen Führung gegen die von Generalsekretär Gorbatschow seit seinem Amtsantritt geforderte „Vertiefung des Integrationsprozesses“ im RGW. Vor allem zwei der von der Sowjetunion vorgeschlagenen Instrumente zur Intensivierung der Zusammenarbeit im RGW, nämlich Direktbeziehungen zwischen den Unternehmen der Partnerländer — ohne die bisher obligatorische Zwischenschaltung der staatlichen Außenhandelsorganisationen — sowie die Gründung gemeinsamer Betriebe in der Produktion und in der Forschung und Entwicklung, werden von rumänischer Seite vehement und mit bemerkenswerter Eloquenz abgelehnt. Es scheint, als habe die sowjetische Forderung, die nach rumänischer Ansicht eine Einschränkung der nationalen Planungs-und Leitungsautonomie impliziert, einen besonders empfindlichen Nerv getroffen.
Tatsächlich erinnert die derzeit geführte Diskussion an heftige Auseinandersetzungen, die Anfang der sechziger Jahre von den rumänischen Kommunisten — damals noch unter Parteichef Gheorghe Gheorghiu-Dej — mit der KPdSU geführt wurden. Anlaß war auch seinerzeit das sowjetische Bestreben, die Spezialisierung der Produktion und die Kooperation innerhalb des RGW voranzutreiben, vor allem um den Markt der bereits industrialisierten Mitgliedsländer für Maschinen und Ausrüstungen zu erweitern und kostengünstige Massenproduktionen zu ermöglichen. Nikita Chruschtschow, der schon vorher Parallelinvestitionen und „Eisenfresser“ im Block kritisiert hatte, forderte im November 1962 vor dem Zentralkomitee der KPdSU eine supranationale, mit zentralen Planungs-und Leitungskompetenzen ausgestattete RGW-Behörde mit Sitz in Moskau. Mitten in die Diskussion der sensibilisierten Staaten des Sowjet-blocks um die zukünftige Gestaltung der Zusammenarbeit im RGW platzte der sowjetische Wirtschaftswissenschaftler E. B. Valev mit seinem Vorschlag einer „überstaatlichen Wirtschaftseinheit“, die das südukrainische und das nordostrumänische Industrierevier zusammenschließen sollte. Die rumänische Führung qualifizierte den Valev-Plan als einen Versuch zur „Liquidierung des rumänischen Staates und des rumänischen Volkes als Nation“ und lehnte — vermutlich mit breiter Unterstützung der übrigen kleineren RGW-Partner — entschieden ab, „Funktionen aus der Zuständigkeit des Staates in die Kompetenz überstaatlicher Organe überzuführen“. Die vom Zentralkomitee am 22. April 1964 beschlossene „Erklärung zum Standpunkt der Rumänischen Arbeiterpartei in den Fragen der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung“ die diese Verweigerung enthält, wird von westlichen Forschem in der Regel als „Grundsatzdokument“ der rumäni-sehen Außenpolitik betrachtet und prägt die Beziehungen Rumäniens zur Sowjetunion bis zum heutigen Tage
Das konsequente Festhalten an dieser Politik, den von der Hegemonialmacht UdSSR eingeräumten Handlungs-und Verweigerungsspielraum so weit wie möglich und bis an den Rand der Interventionsschwelle zu nutzen, macht die gereizte Reaktion der rumänischen Führung aufjeden Versuch, „supranationale Prinzipien“ in den RGW einzuführen, verständlich. In die Diskussion um die wirtschaftliche Integration im RGW werden betont Erklärungen aus den sechziger Jahren eingeführt, zum Beispiel Zitate aus einer 1968 gehaltenen Rede Ceauescus: „Unter keinen Umständen können wir damit einverstanden sein, daß die fundamentalen Prinzipien der (RGW-) Statuten widerrufen werden, und wir mißbilligen, daß Thesen und Vorschläge vorgebracht werden, die für eine . Integration'der Mitgliedsländer des RGW plädieren und dieser Organisation supranationale Eigenschaften verleihen und supranationale wirtschaftliche Institutionen errichten wollen“
In der Vorbereitungsphase der 42. Ratssitzung des RGW in Bukarest äußerte der Staats-und Parteichef Anfang September 1986, daß die „unabhängige Entwicklung jeder nationalen Volkswirtschaft“ bei der Formulierung der Grundlage gemeinsamer Betriebe berücksichtigt werden müßte. Keinesfalls dürften diese Gemeinschaftsunternehmen „ihre Tätigkeit nach dem Vorbild der imperialistischen multinationalen Unternehmen ausrichten, die tatsächlich Instrumente der Ausbeutung anderer Völker geworden sind“ Deutlicher kann man den Entschluß, „supranationale Organisationen jeder Art“ abzulehnen, nicht begründen. Die Ratssitzung selbst brachte über diesen Punkt keine Einigung. Rumänien ist nach wie vor das einzige RGW-Mitgliedsland, das noch keine bilateralen Vereinbarungen mit der UdSSR über die Errichtung direkter Beziehungen zwischen den Unternehmen beider Länder oder die Gründung gemeinsamer Betriebe geschlossen hat. Auch Generalsekretär Gorbatschow hat bei seinem Besuch in Bukarest nicht mehr erreicht als eine im gemeinsamen Kommuniqu veröffentlichte vage Absichtserklärung, die erst mit Leben erfüllt werden müßte. Wichtiger erscheint, daß die Gesprächspartner die von den Gastgebern zweifellos wörtlich genommene Formel von der „völligen Gleichheit, Achtung der nationalen Unabhängigkeit und Souveränität, Nichteinmischung in interne Angelegenheiten, gegenseitigem Vorteil und internationaler Solidarität“ in das Kommuniqu aufgenommen haben.
Ceaujescus Autonomiepolitik als „gescheitert“ anzusehen, um eine in den westlichen Medien neuerdings häufig verwendete Formel zu verwenden, mag bei objektiver Beurteilung der Wirtschaftslage und der Einfuhrabhängigkeit Rumäniens berechtigt erscheinen. Doch die Schlußfolgerung, daß die bisher verfolgte Strategie damit aufgegeben und aus dem Saulus ein Paulus des RGW geworden sei, ist wohl verfrüht und würde den Eigenwillen, ja Eigensinn dieses Mannes und seiner Führungsmannschaft, zu der auch seine Frau Elena gehört, unterschätzen. Wie sehr er entschlossen ist, seine Absicht, Rumäniens handelspolitische Unabhängigkeit gegen alle Widerstände auch aus den Reihen der eigenen Partei und gegen den Rat westlicher Finanzinstitutionen doch noch durchzusetzen, zeigen wiederholte Erklärungen zur beschleunigten Tilgung der Auslandschulden wie auch Maßnahmen, um die Entscheidungswege in der rumänischen Wirtschaft zu straffen. So verkündete Ceauescu Ende Juni 1987, daß das Ständige Büro des Obersten Rates für die ökonomische und soziale Entwicklung — eine Art Superministerium unter seiner Leitung, dem auch seine Frau Elena und neuerdings sein Sohn Nicu angehören — aus einem „Wirtschaftsparlament“ zu einem „Oberkommando“ der rumänischen Volkswirtschaft umgestaltet werde — „Perestrojka“ auf rumänisch. Auch als Herrscher eines Volkes, das in seiner Geschichte nie durch Aufstände oder Revolutionen von sich reden machte, geht Nicolae Ceaujescu einen gefährlichen Weg. Eine wirkungsvolle Politik weitgehender wirtschaftlicher Unabhängigkeit setzt eine hohe Effizienz der nationalen Güterproduktion und einen geschickt diversifizierten Außenhan-del voraus. Ist beides nicht zu realisieren, so verbleibt die Gratwanderung zwischen einer zunehmenden Unterversorgung der Binnenwirtschaft und außenwirtschaftlicher Zahlungsunfähigkeit.
Das Austerity-Programm der rumänischen Regierung hat inzwischen ein Ausmaß erreicht, das nicht nur das Volumen, sondern auch das qualitative und technologische Niveau der Exportproduktion schwer beeinträchtigt, mit bereits spürbaren und noch zu erwartenden Folgen für die Entwicklung der Zahlungsbilanz. Darüber hinaus wird die fortgesetzte Einschränkung des Nahrungsmittel-, Energie-und Konsumgüterangebots für die Bevölkerung als kaum noch erträglich beurteilt. Diese außenwirtschaftliche Sanierungspolitik auf Kosten des Binnenmarktes bewirkt Apathie, Unlust, Leistungsverweigerung, sinkende Arbeitsmoral, „Selbstbedienung“, illegale Tauschgeschäfte und Schwarzarbeit, worunter die Produktion mehr und mehr leidet. So verschlechtern sich die materiellen Lebensbedingungen in Rumänien — auch im Vergleich mit anderen sozialistischen Ländern — immer mehr. Die stetige Steigerung des Lebensstandards der arbeitenden Bevölkerung, oder doch wenigstens seine Stabilisierung auf einem Niveau, das sich von der Versorgungslage der vierziger und frühen fünfziger Jahre positiv unterscheidet, wurde von den kommunistischen Regierungen bisher stets als wesentlicher Teil einer erfolgreichen Strategie der Legitimierung ihrer Herrschaft betrachtet. Auf einen ausreichenden Konsens mit der rumänischen Bevölkerung allein aufgrund einer betont antisowjetischen Unabhängigkeitspolitik zu hoffen, ist riskant, und die Stimmung im Lande beweist eher das Gegenteil. Die Mühseligkeiten des täglichen Lebens und der Zorn über eine Regierung, die nicht bereit oder imstande ist, den Werktätigen ein angemessenes Versorgungsniveau zu sichern, überwiegen heute den in den sechziger und siebziger Jahren — unter günstigeren Umständen — noch ausgeprägten Stolz auf eine Politik, die es „den Russen zeigt“.
Wird die rumänische Wirtschaftspolitik der letzten Jahre unter den geltenden außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen als Sackgasse erkannt, dann gilt es, eine praktikable Alternative aufzuzeigen, was offenbar viel schwieriger ist, als Kritik an den bisher angewandten Methoden und deren Folgen zu üben. Wenigstens drei der bislang verfolgten Strategien bedürfen einer gründlichen Überprüfung:
Erstens. Die konsequente Distanzierung von gemeinschaftlichen Vorhaben des RGW mag unter politischen Auspizien bemerkenswert erscheinen, doch würde eine stärkere Einschaltung in die Produktionsintegration und das Zuteilungssystem der sozialistischen Wirtschaftsgemeinschaft unter den derzeitigen Umständen zumindest kurzfristig mehr Vorteile als Nachteile bieten. Beispiele anderer sozialistischer Länder auf dem Wege von der Agrar-zur Industriegesellschaft zeigen, daß die wirtschaftliche Anlehnung an die Sowjetunion für die Sicherung der Rohstoff-und Energieversorgung wie auch für den industriellen Aufbau erheblichen Nutzen bringen kann. Die bisher in der sozialistischen Region gesammelten Erfahrungen beweisen eher, daß eine Volkswirtschaft mit zentraler Planung und Leitung und mit verstaatlichten Produktionsmitteln geringe Chancen besitzt, im harten internationalen Konkurrenzkampf westlicher Märkte zu bestehen. Die überwiegende Integration in die Weltwirtschaft bleibt somit ausgeschlossen, eine Alternative zur engen Zusammenarbeit im RGW ist daher bei ausgeprägter Außenhandelsabhängigkeit nicht gegeben.
Zweitens. Das Festhalten an hochzentralisierter Wirtschaftsplanung und -leitung mag politische Gründe haben, ist auf Dauer aber unpraktikabel und schädlich. Tiefgreifende Wirtschaftsreformen, die Entscheidungsbefugnisse dorthin verlagern, wo die Voraussetzungen einer vernünftigen Geschäftspolitik überschaut werden, die ausreichende persönliche Leistungsanreize bieten und Privatinitiative belohnen und nicht bestrafen, sind geeignet, die Effizienz einer sozialistischen Planwirtschaft zu erhöhen. Es ist ein Fehler, als notwendig erkannte Systemreformen aus Furcht vor dem Verlust an Parteikontfolle und vor einer zu starken Einkommens-und Vermögensdifferenzierung oder aus ideologischen Bedenken gegen die Reprivatisierung von Produktionsmitteln gerade dort abzubremsen, wo sie ihre Wirksamkeit erst entfalten könnten. Wie problematisch, langwierig und oft auch entmutigend dieser Weg sein kann, zeigt Ungarns Beispiel. Für die Wiedergesundung der rumänischen Wirtschaft, die Sicherung der Zahlungsfähigkeit und eines stetigen Produktionswachstums ist eine grundlegende Reform der Wirtschaftsordnung notwendig.
Drittens. Rumäniens Strategie der forcierten Tilgung von Auslandsschulden sollte angesichts der Zahlungsmoral anderer Schuldnerländer in der Welt und ihrer vielen fröhlichen Esser auf Pump unser Respekt nicht versagt bleiben. Dennoch kann man der rumänischen Wirtschaftsführung nur empfehlen, die Tilgungspolitik nicht ausschließlich außenpolitischen Erwägungen unterzuordnen. Ökonomisches Kalkül spricht dafür, die Tilgung der in konvertiblen Währungen verzinslichen und rückzahlbaren Kredite fortzusetzen, wenn auch in erheblich verlangsamtem Tempo, um der Einfuhr aus den westlichen Industriestaaten im Interesse der Modernisierung der rumänischen Wirtschaft einen größeren Spielraum zu bieten und um die Lebensbedingungen der Bevölkerung zu verbessern. Der Mut zu neuen Strategien ist also dringend vonnöten, und es ist den Verantwortlichen für Rumäniens Wirtschaftspolitik zu empfehlen, verstärkt auch den Rat jüngerer Nationalökonomen im eigenen Lande zu suchen. Der rumänischen Wirtschaft, die auf eine eindrucksvolle Entwicklung ihrer Produktivkräfte zurückblicken kann, ist zu wünschen, daß sie den Weg aus der Talsohle findet, ehe es für eigenständige Entscheidungen zu spät ist.
Roland Schönfeld, Dr. oec. publ., geb. 1930; Leiter der Geschäftsführung und Mitglied des Präsidiums der Südosteuropa-Gesellschaft; Präsident der Studiengesellschaft für Fragen mittel-und osteuropäischer Partnerschaft; Mitglied im Lenkungsausschuß des Arbeitskreises für Ost-West-Fragen im Auswärtigen Amt; Lehrbeauftragter der Hochschule für Politik der Universität München. Veröffentlichungen u. a.: Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe als Instrument sozialistischer ökonomischer Integration und sowjetischer Hegemonie; in: Georg Brunner/Theodor Schweisfurth/Alexander Uschakow/Klaus Westen (Hrsg.), Sowjetsystem und Ostrecht (Festschrift für Boris Meissner), Berlin 1985; (Hrsg.) Reform und Wandel in Südosteuropa, München-Wien 1985; Außenwirtschaft, in: Klaus-Dieter Grothusen (Hrsg.), Südosteuropa-Handbuch, Band V, Ungarn, Göttingen 1987; Außenpolitische Verhaltensmuster der kleineren Warschauer Pakt-Staaten, in: Karl Kaiser/Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Weltpolitik. Strukturen — Akteure — Perspektiven, Bonn 1987 2.