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Deutsch-sowjetische Beziehungen: Kontinuität und Wandel 1945 bis 1987 | APuZ 3/1988 | bpb.de

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APuZ 3/1988 Traditionen und Stationen der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 1987 Die deutsch-amerikanischen Beziehungen von 1945 bis 1987 Deutsch-sowjetische Beziehungen: Kontinuität und Wandel 1945 bis 1987 Deutschlandbilder — Akzentverlagerungen der deutschen Frage seit den siebziger Jahren

Deutsch-sowjetische Beziehungen: Kontinuität und Wandel 1945 bis 1987

Hans-Adolf Jacobsen

/ 45 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion sind für die Stabilität und den friedlichen Wandel in Europa von fundamentaler Bedeutung, wenngleich sie auch stets von dem Verhältnis zwischen den beiden Weltmächten USA und UdSSR abhängig bleiben. Die Geschichte dieser ebenso komplexen wie widersprüchlichen, zugleich durch einseitige Schuldzuweisungen gekennzeichneten Beziehungen — die triangulär unter Einbeziehung der DDR zu sehen sind — ist bis heute noch nicht wissenschaftlich adäquat aufgearbeitet worden. In dem vorliegenden Beitrag werden — verbunden mit dem Ziel, über ältere, tradierte Betrachtungsweisen hinauszuführen. — Kontinuität und Wandel dieser Beziehungen untersucht. Ausgehend von dem Versuch einer Periodisierung (sieben Phasen von 1945 bis 1987) werden zunächst die grundlegenden Konfliktfelder verdeutlicht. Hierzu zählen die beiderseitigen Feindbilder, so wie sie sich historisch entwickelt haben, die kontroversen Probleme der Sicherheit im Lichte der Clausewitzschen Theorien vom Primat der Politik und der bis heute andauernde Zielkonflikt in der deutschen Frage, wenngleich in jüngster Zeit auf sowjetischer Seite die Existenz der einen Nation in zwei deutschen Staaten zumindest als eine Realität zur Kenntnis genommen worden ist. Im zweiten Teil wird die unterschiedliche Zusammenarbeit in ihren Möglichkeiten. Entwicklungstendenzen und Grenzen, die vor allem durch den Systemantagonismus gezogen werden, erörtert. Neben dem politischen Dialog und den Konsultationen werden die wirtschaftliche, kulturelle, technische und wissenschaftliche Kooperation — insbesondere seit den siebziger Jahren — bilanziert. In einem Ausblick geht es schließlich um die Frage, ob mit dem außenpolitischen „Neuen Denken" (Gorbatschow) ein grundlegender Wandel in den bilateralen Beziehungen zu erwarten ist. Viele Anzeichen sprechen dafür, daß in Zukunft die kooperativen Elemente im Ost-West-Verhältnis auf dem europäischen Kontinent die der Konfrontation zurückdrängen werden.

Im Ringen um eine unserer Zeit angemessene europäische Friedensordnung haben die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion in den letzten Jahrzehnten eine maßgebliche Rolle gespielt. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit ist wohl kaum zu bestreiten, daß von ihrer Qualität, positiv wie negativ, auch das künftige Schicksal unseres Kontinents mitbestimmt wird, zumal sich beide Seiten als Partner begreifen, von deren Entschlossenheit. Fähigkeiten und aktivem Handeln die Gestaltung des gemeinsamen „europäischen Hauses“ abhängt. Allerdings sind die Beziehungen zwischen den Weltmächten USA und UdSSR hierfür noch entscheidender; zwischen beiden Ebenen bestehen natürlich unverkennbare Wechselwirkungen, die es bei jeder Analyse zu berücksichtigen gilt

Die Geschichte dieser ebenso komplexen wie widersprüchlichen. zugleich durch einseitige Schuld-zuweisungen gekennzeichneten Beziehungen — die triangulär unter Einbeziehungen der DDR zu sehen sind —. ist bis heute noch nicht wissenschaftlich adäquat aufgearbeitet worden. Die Gründe dafür leuchten ein Jedoch gibt es bereits zahlreiche Studien und fortlaufende Überblicke, deren Wert aber schon deshalb begrenzt ist, weil ihre Autoren die Interaktionen unter Einbeziehung bestimmter innenpolitischer und internationaler Determinanten vorwiegend aus der Interessenlage der einen oder anderen Seite analysiert und bewertet haben. In dem vorliegenden Beitrag hat sich der Verfasser die beide Partner berücksichtigende Aufgabe gestellt, Kontinuität und Wandel der bilateralen Beziehungen zu verdeutlichen. Damit möchte er zugleich zum Überdenken älterer tradierter Betrachtungsweisen und zur Kritik herausfordem. Hierbei werden unter Kontinuität die in dieser Epoche fortwirkenden prinzipiellen, politisch relevanten Konstanten — unterschiedlich in ihrer Intensität und Gewichtung — verstanden Dazu zählen u. a. die Asymmetrien in der machtpolitischen Hierarchie der Staatenwelt, der Systemantagonismus mit konträren Vorstellungen über die Organisation von Gesellschaft. Werte und ordnungspolitische Zielsetzungen im Globalmaßstab, die Blockbildung. die Festschreibung des Status quo in Europa bzw. die friedliche Überwindung desselben, und auf sowjetischer Seite eine Haltung der Selbst-gerechtigkeit — mag Generalsekretär Gorbatschow neuerdings auch das Wahrheitsmonopol Moskaus zum ersten Mal in Frage gestellt haben

Der Wandel betrifft u. a. veränderte Denk-und Verhaltensweisen, die gegenseitige Einschätzung. Formen des Mitteleinsatzes und den Wechsel zwischen angestrebter Verbesserung bzw. Intensivierung der Beziehungen und Phasen der Stagnation oder krisenhafter Zuspitzung. Wenngleich eine klare Trennung zwischen beiden politischen Ebenen nicht immer möglich sein wird, so kann eine solche Unterscheidung dennoch sinnvoll sein, um über Möglichkeiten und Grenzen des Normalisierungs-und Versöhnungsprozesses beider Völker begründeter urteilen zu können. Nun ließe sich mit W. Link zu Recht argumentieren, daß der Ost-West-Konflikt die Kontinuität bis in die Gegenwart hinein dominiert und sich lediglich der Austragungsmodus desselben geändert habe Jedoch fragt sich, ob nicht als Konsequenz wachsender Verflechtung antagonistischer Gesellschaftssysteme und ihrer Bemühungen, sich den Herausforderungen gemeinsam zu stellen, die Qualität des Grundkonfliktes Veränderungen unterworfen ist. von denen sich heute gewisse Konturen abzuzeichnen scheinen. Diese so interessante Fragestellung kann hier indessen nicht weiter vertieft werden. Vielmehr wird versucht, die eingangs angedeutete Problematik nicht chronologisch, sondern in einem systematisch-exemplarischen Überblick zu erörtern

I. Periodisierung

Tabelle 1: Meinungsbild zum Gefühl der Bedrohung durch die Sowjetunion (in Prozent)

Wer die Jahrzehnte bilateraler Beziehungen seit 1945 analysiert, kann verschiedene, ineinander übergreifende und sich bedingende Phasen wahrnehmen. die durch wechselnde Tiefen und Höhen bzw. durch einen gelegentlich verwirrenden „ZickZack“ -Kurs gekennzeichnet waren. Sie sind stets von den Wandlungen des internationalen Systems, insbesondere von dem politischen Klima zwischen den beiden Supermächten, aber auch von dem triangulären Verhältnis zwischen Bonn. Ost-Berlin und Moskau abhängig geblieben Vielleicht lassen sich insgesamt sieben Perioden unterscheiden: In der ersten Phase von 1945 bis 1949 war Deutschland als Objekt der Siegermächte in Besatzungszonen aufgeteilt, während der „Kalte Krieg“ als konfrontatives Element des Ost-West-Konfliktes das Schicksal Europas zu überschatten begann. Prädispositionen deutscher Führungseliten trugen dazu bei. daß die Weichen für die Grundsatzentscheidung von 1949 gestellt wurden Mit der Bildung der beiden deutschen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung setzte die zweite Phase ein. In dieser waren es vor allem das Werk und Verdienst des ersten Bundeskanzlers. Konrad Adenauer — unterstützt von den Alliierten und seinen Parteifreunden —. die Bundesrepublik Deutschland fest im Westen verankert, die Souveränität zurückgewonnen und die Aufrüstung durchgesetzt zu haben während W. Ulbricht und sein Führungszirkel die „demokratische Umgestaltung“ der DDR nach Weisung Moskaus im Zeichen des „Sozialismus“ einleiteten Beide Strategien vertieften die Spaltung, an der sehr wahrscheinlich auch das taktisch bedingte Angebot Stalins vom März 1952 zur Neutralisierung Deutschlands und die zahlreichen Wiedervereinigungsinitiativen (freie Wahlen) kaum mehr etwas ändern konnten. Mit der Blockbildung im Osten — als Antwort auf die Westintegration — war dieser Prozeß weitgehend abgeschlossen. Seitdem dürfte wohl keine politische Chance verspielt worden sein, die Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit zu verwirklichen. Vielmehr kennzeichneten der Antagonismus, gegensätzliche Rechtspositionen in der deutschen Frage und damit im Hinblick auf den territorialen und sozialen Status quo Europas, den Status von West-Berlin, sicherheitspolitische Kontroversen. Auseinandersetzungen um Menschenrechte und Probleme in anderen Regionen der Welt das bilaterale (trilaterale [DDR]) Konfliktmuster. Dieses wurde durch die Asymmetrien (Weltmacht versus mittlere Macht) und durch die schwere historische Hypothek aus der NS-Zeit noch zusätzlich belastet

Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bonn und Moskau im September 1955 hoffte Adenauer (in der dritten Phase), durch direkte Kontakte mit der Gegenmacht die deutsche Frage schneller regeln zu können, denn die Sowjetunion war — ebenso wie die drei anderen ehemaligen Siegermächte (USA, Frankreich, Großbritannien) — für Deutschland und Berlin als Ganzes mitverantwortlich Doch erwies sich das Ziel der Wiedervereinigung von Jahr zu Jahr mehr als die große Illusion westdeutscher Politiker. Die Einheit Deutschlands war nicht gegen den Willen der Sowjetunion — etwa mit Hilfe einer „Politik der Stärke“ — durchzusetzen. Die sogenannte „Hallstein-Doktrin“ konnte zwar eine gewisse Zeit lang die Anerkennung des zweiten deutschen Staates durch Länder, die bereits Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland unterhielten, verzögern. aber im Laufe der sechziger Jahre wurde sie soweit ausgehöhlt, daß sie stillschweigend aufgegeben wurde Was blieb, war der deutschlandpolitische Grunddissens zwischen der Sowjetunion (sowie der DDR) und der Bundesrepublik Deutschland. Die eine Seite verfolgte zielstrebig eine defensive Status-quo-Politik. verbunden mit der Absicht, die DDR anerkennen und West-Berlin einen Sonderstatus zukommen zu lassen, die andere ging von dem Vorbehalt eines Friedensvertrages aus. d. h. einer friedlichen Revision der Grenzen im Interesse der Nation, der Freiheit und eines „peaceful change“

Zu Beginn der sechziger Jahre (vierte Phase) veränderte sich die internationale Szenerie: Nach dem Ende der Kuba-Krise (1962) signalisierten die beiden Weltmächte ihre Bereitschaft, eine direkte Konfrontation zu vermeiden („Gleichgewicht des Schreckens“) und die gegenseitigen Interessen-sphären nachhaltiger zu respektieren. Gleichzeitig begannen sich bis dahin tradierte Denk-und Verhaltensweisen führender Politiker in der Bundesrepublik Deutschland aufzulockern. Gestützt auf die Entschließung des Deutschen Bundestages vom 14. Juni 1961 leitete Außenminister Schröder eine „Politik der kleinen Schritte“ ein. die unter Wahrung nationaler Interessen (Freiheit-Frieden-Einheit) und außenpolitischer Prinzipien (Westintegration. Verteidigung im Bündnis. Gewaltverzicht) Brücken zwischen Ost und West schlagen sollte

In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre (fünfte Phase) zeichneten sich eine Modifizierung der bilateralen Beziehungen und eine zunehmend realistischere Einschätzung des Gegenüber ab. Diese gipfelten nach dem Regierungswechsel 1969 (sozialliberale Koalition) in dem Abschluß des bedeutsamen Moskauer Vertrages (Gewaltverzicht und Anerkennung des politischen Status quo in Europa). Dieser Modus vivendi vom 7. August 1970 war in der Tat ein tiefgreifender Einschnitt in der bilateralen Beziehungsgeschichte, denn er schuf die wichtigsten Voraussetzungen für den Beginn einer echten Normalisierung, verbesserter Kooperation und für die so notwendige Versöhnung zwischen den beiden Völkern. Das russische Volk hatte im Zweiten Weltkrieg bekanntlich am meisten unter der NS-Herrschaft gelitten Dieser Vertrag ebnete darüber hinaus nicht nur den Weg zu den Abkommen mit anderen osteuropäischen Staaten (Polen, ÖSSR), der DDR (Grundlagenvertrag) und dem der vier Mächte über Berlin (1971). sondern auch zur multinationalen Entspannung (KSZE) 1975. In Helsinki wurde von den Staaten Europas, den USA und Kanada ein Kodex zwischenstaatlicher Verhaltensweisen vereinbart, der seitdem Maßstäbe gesetzt hat. Allein nicht überall hat er sich in gleicher Weise durchsetzen lassen

Die Globalisierung des Ost-West-Konfliktes (sechste Phase), der sich steigernde Rüstungswettlauf mit massiven gegenseitigen Vorwürfen, erkennbare Destabilitäten in Osteuropa (Polen) und der sowjetische Einmarsch in Afghanistan Ende 1979 verstärkten erneut die Konfrontation, die erst wieder Anfang der achtziger Jahre langsam eingedämmt werden konnte

Seit Mitte der achtziger Jahre (siebte Phase) — auch bedingt durch den Machtwechsel in der Sowjetunion (Gorbatschow) und das „Neue Denken“ — wurde erneut eine deutliche Annäherung zwischen Bonn und Moskau erkennbar. Es kam zu kontinuierlichen Konsultationen und partiell verbesserter Zusammenarbeit, bei der sich beide Seiten stärker bemühten, gemeinsame Interessen zu verfolgen.

Allerdings blieben davon die Grundkonflikte (einschließlich der des Status von West-Berlin) unberührt. Möglicherweise kann der erste sichtbare Erfolg auf dem Gebiet der Abrüstung, das amerikanisch-sowjetische INF-Abkommen vom 8. Dezember 1987. zu dessen Gelingen auch die Bundesrepublik Deutschland einen inzwischen von Moskau honorierten Beitrag geleistet hat als Ausgangspunkt einer wegweisenden Verbesserung der bilateralen Beziehungen betrachtet werden, bei der nicht nur die Gestaltung einer europäischen Friedensordnung („gemeinsames europäisches Haus“) unter Akzeptanz ordnungspolitischer Gegensätze im Mittelpunkt steht, sondern auch der Versuch, miteinander zur Lösung der mannigfachen Herausforderungen unserer Zeit beizutragen.

II. Konflikt: Feindbilder

Tabelle 2: Bundesrepublik Deutschland: Handel mit der UdSSR (in Millionen DM) Quelle: Statistisches Bundesamt Jahr 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 Import 1 2 17 66 93 151 224 409 386 443 673 796 861 835 937 1 001 1 153 1 100 1 175 1 306 Export 0 0 1 7 53 112 289 250 303 383 778 823 826 614 774 586 541 792 1 094 1 582

Das spezifische Konfliktverhältnis zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion ist zunächst einmal durch gegenseitige, schier unauslöschbare „Feindbilder“ gekennzeichnet. Obgleich in beiden Ländern — ungeachtet der ideologischen Indoktrination in der Sowjetunion im Geiste des Klassenkampfes — kein nennenswerter Haß auf Deutsche bzw. Russen zu spüren ist, und es auch wohl keine wirkliche Angst voreinander gibt, trennen nach wie vor „Mauern von Vorurteilen und Abgründe von Nichtwissen beide Völker“ Nicht zuletzt die offiziösen oder kolportierten Feindbilder haben aber die meisten Menschen hier wie drüben daran gehindert, den anderen in seiner Welt hinreichend zu begreifen, ihn in seinen unterschiedlichen Wertvorstellungen ernst zu nehmen sowie seine Abhängigkeiten und Sorgen zu verstehen. Auch haben sie die Wege zur echten Versöhnung entweder versperrt oder schwer gangbar gemacht. Und dort, wo mit unverkennbarem Erfolg begonnen wurde, durch Friedenserziehung. Versachlichung des Dialogs und erweiterten Austausch diese Lage zu verbessern. wurden die Barrieren bald wieder undurchlässiger. die Begegnungen gedrosselt und im „Staatsinteresse“ stärker kontrolliert, während vertrauensbildende Maßnahmen unterlaufen wurden

Eine beachtliche, freilich nicht widerspruchsfreie „Image-Forschung“ hat die mannigfachen Rahmenbedingungen hierfür herausgearbeitet und auch verdeutlicht, in welchem Umfange dabei Fremd-und Selbstbilder miteinander verflochten sind Verzerrte Bilder oder auch vereinfachte Abbildungen einer komplexen Wirklichkeit und Voreingenommenheit resultieren aus verschiedenen, sich wechselseitig bedingenden bzw. ergänzenden Faktoren. Hierzu zählen u. a. die historischen Wurzeln, das Ost-West-Gefälle, rassenideologische Interpretationen, Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges mit allen seinen Erscheinungsformen einschließlich der des Vernichtungsfeldzuges gegen die UdSSR und des Exodus der Deutschen aus ihrer Heimat im Osten, besonders aber der Antagonismus der Systeme, der durch mangelnde Kontakt-möglichkeiten in den Jahren des „Kalten Krieges“ noch verschärft worden ist.

Auf deutscher Seite lassen sich zunächst Antipathien gegenüber den Slawen mit ihrer „Unberechenbarkeit“. ihrem „angeborenen Mißtrauen“, ih-rer „Rückständigkeit“ und ihrer „Herrschsucht“ nachweisen. Daraus entwickelten sich abstruse Theorien von der rassischen Minderwertigkeit der Russen und nach dem Sieg der bolschewistischen Revolution ein Antikommunismus — zunächst defensiv, dann (ab 1933) extrem offensiv und seit 1945 wieder defensiv —, dem ein dezidiertes Feind-Freund-Denken zugrunde lag. Letzteres verstärkte sich erneut nach dem weltpolitischen Umbruch des Jahres 1945 und unter dem Eindruck des stalinistischen „Totalitarismus“, der häufig mit dem des Nationalsozialismus gleichgesetzt wurde. Es wurde zum vorherrschenden Interpretationsmuster des Ost-West-Konfliktes bis in die zweite Hälfte der sechzigerJahre. Ergänzt wurde dieses durch Strategien gegenseitiger Schuldzuweisungen, was auch hieß, das Gegenüber im Spiegel eigener Erwartungen zu sehen („mirror-image", verstanden als „sich selbst erfüllende Prophezeihung“). Da " dem anderen meist schlechte Absichten unterstellt wurden, war eigene Stärke erforderlich. Diese wiederum führte bei dem Gegenüber zu erhöhten Bedrohungsvorstellungen, auf die mit entsprechenden Maßnahmen reagiert wurde. Bei dieser Eskalation als Konsequenz vermeintlicher Bedrohungen durch den anderen konnten häufig selbst friedliche Aktivitäten des Gegenspielers als geschickte Schachzüge hochstilisiert werden

In der Bundesrepublik Deutschland haben sich in den sechziger Jahren infolge der Entspannungspolitik und innenpolitischer Faktoren alte Feindbilder beträchtlich reduzieren lassen. Davon zeugen auch zahlreiche Umfragen (s. Tabelle 1). Eine Analyse von Presse-und Parteiaussagen zum sowjetischen System, zur sowjetkommunistischen Ideologie und der Rolle der Streitkräfte in der UdSSR in den letzten zwanzig Jahren hat allerdings gezeigt, wie die Einschätzung von „rechts“ (tendenziell konservativer) über „liberal“ bis hin zu „linksliberalen“ Positionen variierten. Akuten Bedrohungsvorstellungen (belegt durch Militärinterventionen, Ideologie der Weltrevolution, Atomkrieg als Mittel der Politik) unter der „worst-case“ -Perspektive auf der einen Seite stehen moderatere Bilder gegenüber, in denen sich etwas von dem gewachsenen Verständnis für systemimmanente Probleme des anderen Gesellschaftssystems widerspiegelt. Von einem dezidierten antikommunistischen Feindbild in der Bundesrepublik Deutschland, das für die Adenauer-Ära symptomatisch gewesen ist. kann heute nicht mehr die Rede sein, was eine entschiedene Ablehnung kommunistischer Herrschaftspraktiken nicht ausschließt 1950 wurde das Ergebnis einer öffentlichen Umfrage in der Bundesrepublik bekanntgegeben, ob die Bevölkerung gegen den Abzug der Besatzungstruppen sei. Damals befürchteten 28 Prozent, daß die Russen sofort Deutschland besetzen würden, wenn die Westmächte abgezogen seien (Frankfurter Allgemeine Zeitung. 7. Juni 1950). In den darauffolgenden Jahren antworteten die Bundesbürger auf Fragen der Meinungsforschungsinstitute (Allensbach. Emnid u. a.) nach ihrem Gefühl der Bedrohung durch die Sowjetunion fol Prozent, daß die Russen sofort Deutschland besetzen würden, wenn die Westmächte abgezogen seien (Frankfurter Allgemeine Zeitung. 7. Juni 1950). In den darauffolgenden Jahren antworteten die Bundesbürger auf Fragen der Meinungsforschungsinstitute (Allensbach. Emnid u. a.) nach ihrem Gefühl der Bedrohung durch die Sowjetunion folgendermaßen:

Auf sowjetischer Seite hat die „bedrohliche Feind-welt“ mit den teils eingebildeten, teils verzerrt wahrgenommenen Erscheinungsformen von Subversion. Gefährdung der inneren Sicherheit und psychologischer Kriegführung als Alibi für militante Rhetorik und zur Rechtfertigung offensiver Tätigkeiten dienen müssen. Seit 1945 haben sich dort bestimmte Stereotypen herausgebildet, die in immer neuen Varianten und in unterschiedlicher Dosierung als Mittel des verstärkten ideologischen Kampfes, der Integration des eigenen Volkes und der Disziplinierung der Verbündeten in Osteuropa betrachtet werden können 26). Sieht man einmal von den absoluten Zerrbildern ab. mit denen sowjetische Kommentatoren verschiedentlich einen weitgehenden Gleichklang zwischen den „Herrenmenschentypen“ des NS-Systems und bestimmten Vertretern der Bundesrepublik Deutschland konstruiert haben, die von deutscher Seite mit Recht als völlig absurd zurückgewiesen wurden, so lautete die Anklage, daß „Militaristen“ und „Revanchisten“ die Politik der Bundesrepublik Deutschland maß-geblich beeinflussen würden. Das hing einmal mit dem historischen Trauma zusammen, aber zum anderen auch mit der Klassenanalyse („Klassenfeind“) in der Sowjetunion. Nach dem Selbstverständnis der Kommunisten wird der Friede grundsätzlich nur vom „kapitalistischen, imperialistischen System“ bedroht, während die sozialistischen Staaten alles nur Erdenkliche tun, um den Frieden in der Welt zu wahren. Daher wird die Politik der Bundesrepublik Deutschland im wesentlichen als die Fortsetzung alter bürgerlicher Klassenziele, vielleicht mit moderateren Mitteln, beurteilt. Aber die Führung in Moskau kann die Bundesbürger je nach deren Einstellung zur sowjetischen Politik auch differenzierter beurteilen. Antisowjetischen, militaristischen, kriegstreibenden Kräften stehen fortschrittlich gesinnte, der Arbeiterklasse und ihren Idealen zuneigende, gutwillige, realistische Kräfte gegenüber, die es zu unterstützen gilt. Zur Gruppe der „Böswilligen“ zählen jene, die von „Kriegsabenteuern" und „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“ anderer Staaten nicht zu trennen sind und von der Annexion fremder Gebiete träumen 27).

Lassen wir einmal außer Betracht, daß durch solche unsinnigen Behauptungen nur bewiesen wird, in welch hohem Maße sowjetische Dogmatiker immer noch Gefangene ihrer eigenen Ideologie geblieben sind — entscheidend ist die Frage: Was verstehen die Propagandisten in der UdSSR (und damit auch in der DDR) unter dem Begriff „Revanchismus“ und „Militarismus“? Legt man bei der Antwort eine marxistische Interpretation zugrunde, so würde das heißen: Als „Revanchisten“ sind diejenigen zu bezeichnen. die als „reaktionäre Ideologen“ im Interesse der „Ausbeuterklasse“ die Massen geistig für einen Revanchekrieg erziehen, verlorene Territorien zurückerobern wollen und von einem aggressiven Antikommunismus geprägt sind. Sie sind daher eine ständige Gefahr für die Erhaltung und Festigung des Friedens. Unter der Rubrik „Militaristen“ wären jene Kräfte der Bundesrepublik Deutschland einzuordnen, die zur Verwirklichung ihres Expansionsprogramms gegenüber anderen Ländern den Krieg als das entscheidende Mittel betrachten. Dreißig Jahre deutsch-sowjetischer Beziehungen haben hinlänglich bewiesen, wie haltlos derartige Vorwürfe sind. Daran ändert auch die ständige Wiederholung nichts 28).

Daß sich inzwischen viele Bürger der Sowjetunion im Zuge verbesserter Kommunikation und eines gewachsenen Erfahrungsaustausches von der generellen Friedfertigkeit der Deutschen — genauso umgekehrt die Deutschen von der der Russen — überzeugen konnten, ist zwar eine erfreuliche Tatsache. aber diese hat leider politisch bisher noch keine hinreichenden Auswirkungen gehabt. Nach wie vor ist die vielfach unseriöse, weil zu ideologi-sche Berichterstattung über die Bundesrepublik Deutschland in der Sowjetunion ein Stein des Anstoßes und ein Hindernis auf dem Weg aufrichtiger Versöhnung, was nicht heißt, daß nicht auch Korrekturen auf deutscher Seite erforderlich sind.

III. Konflikt: Sicherheit

Jahr 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 Umsatz in Mio DM 2 800. 0 2 885, 1 3 681, 7 5 107, 2 8 042, 9 10 188, 4 11 112, 1 11 011. 6 11 739. 8 14 004, 9 15 460. 6 16 846, 3 20 752, 7 23 033, 2 25 158, 4 24 155, 7 18 740, 1 Änderung zum Vorjahr in % Quelle: Statistisches Bundesamt 4-3, 0 + 27. 6 + 38. 7 + 57. 5 + 26, 7 + 9, 1 -0, 9 + 6, 6 + 19, 3 + 10, 4 + 9, 0 + 23. 2 + 11, 0 + 9. 2 -4. 0 -22, 4 Einfuhr in Mio DM 1 253, 5 1 277, 2 1 386. 3 1 993. 1 3 269. 2 3ﬕC

Wohl kaum ein zweites Thema hat die Beziehungsgeschichte der beiden Staaten so kontinuierlich beeinflußt wie das der Sicherheit. Unausrottbare Vorurteile. historische Erfahrungen, nationale und paktinterne Interessen, die technologische Entwicklung sowie der Antagonismus der Systeme und die Asymmetrien haben hierbei den Ausschlag gegeben. Die Sowjetunion ließ sich nach dem Zweiten Weltkrieg bei ihren Grundentscheidungen vom Primat der Sicherheit leiten, weil sie nicht ein weiteres Mal an den Rand des Abgrundes gedrängt werden wollte und die von den Westmächten unterstützte Revisionspolitik der Bundesrepublik Deutschland (Wiedervereinigung. Aufrüstung) als neue Gefahr perzipierte Politisch-ideologische wie umfassende rüstungspolitische Maßnahmen sollten die territoriale und systemspezifische Unversehrtheit der Sowjetunion garantieren.

Zur gleichen Zeit fühlten sich die Politiker des westdeutschen Staates und über 70 Prozent der Bevölkerung durch das hegemoniale Ausgreifen des Sowjetkommunismus in Osteuropa, durch die Vorgänge in der DDR und in Asien (Koreakrieg) in der Freiheit ihrer Eigenentwicklung bedroht. Verteidigung im Bündnis und Strategie der Abschreckung mußten daher die eigene Sicherheit gewährleisten Daran hat sich bis heute nichts geändert, wenn auch die Militärdoktrinen z. T. neu durchdacht und formuliert worden sind.

Es gibt zahlreiche Studien, in denen das Problem der Sicherheit untersucht und beurteilt worden ist. Auf diese fast uferlose Debatte voller Widersprüche und einseitiger Schuldzuweisungen soll hier nicht näher eingegangen werden Vielmehr muß ein anderer, in jüngster Zeit häufig vernachlässigter Aspekt erörtert werden, der für die Einschätzung von Bedrohung und Sicherheit zentral ist und bleiben wird. Kein Geringerer als C. v. Clausewitz hat darauf hingewiesen, daß Krieg die Fortsetzung der Politik unter Einmischung anderer Mittel und das militärische Instrument stets von der Politik abhängig sei; werde er von seinem „Erzeuger“, d. h. von der Politik getrennt, bleibe er sinn-und zwecklos Es komme darauf an, die Grundfrage zu klären. was der Politiker mit dem Mitteleinsatz (Waffenpotentiale) bezwecke, und was er in einem kriegerischen Konflikt leisten zu können glaube. Ende der siebziger Jahre wurde im Weißbuch der Bundesrepublik Deutschland mit Recht betont, daß sich Art und Ausmaß der Bedrohung der NATO aus der Verbindung von politischen Zielen, Absichten und Angriffsmitteln des Warschauer Paktes, insbesondere der Sowjetunion, ergeben würden. Dieser Gesamtzusammenhang ist in den Strategiedebatten bedauerlicherweise wenig berücksichtigt worden.

Zunächst ist davon auszugehen, daß der Krieg in Europa im nuklearen Zeitalter nicht mehr als Fortsetzung der Politik unter Einmischung anderer Mittel betrachtet werden kann, sondern höchstens als Bankrotterklärung einer Politik, die mit der Auslösung desselben ihren eigenen Untergang heraufbeschwört. Dies gilt auch für einen Krieg mit konventionellen Waffen, zumal durch diesen die zahllosen Atomkraftwerke in Mitleidenschaft gezogen würden. mit unübersehbaren Folgen, wie sie bereits ansatzweise bei der Katastrophe von Tschernobyl spürbar geworden sind. Sodann ist festzuhalten, daß beide Seiten bei ihrer Beurteilung der Lage nicht von der Annahme (in Europa) ausgehen, der andere werde ihr gegenüber seine politischen Ziele mit Hilfe eines „Blitzkrieges“ oder anderer militärischer Operationen durchsetzen wollen. Über drei Jahrzehnte Beziehungen zwischen der Bundesrepu-blik Deutschland und der Sowjetunion — so spannungsreich sie auch im einzelnen gewesen sein mögen, verbunden mit Sorgen und subjektiven Bedrohungsängsten — haben bewiesen, daß Bonn und Moskau sich an diesen Kodex zwischenstaatlicher Beziehungen gehalten haben Freilich ist nicht zu leugnen, daß die Sowjetunion eine Politik der friedlichen Konfliktregelung in anderen Regionen (so u. a. im eigenen Hegemonialbereich oder in Afghanistan) nicht in gleicher Weise beachtet hat. sondern militärische Mittel zur Interessenwahrung eingesetzt hat Demgegenüber können alle Bundesregierungen darauf verweisen, daß bisher kein einziger deutscher Soldat zum Kampfeinsatz über die nationalen Grenzen hinaus entsandt und kein militärischer Druck auf andere Staaten ausgeübt worden ist; auch hat sich die Bundesrepublik niemals in fremde Bürgerkriege eingemischt (klarer Defensivauftrag der Bundeswehr) Wer die Bundeswehr mit der Wehrmacht des Dritten Reiches vergleicht, um auf diese Weise ihre Gefährlichkeit und den „Geist des Revanchismus“ hervorzuheben, der bekundet lediglich, daß er Unvergleichbares miteinander vergleicht oder ganz einfach propagandistische Ziele verfolgt.

In der Phase des „Kalten Krieges“, d. h. in jener des Ost-West-Konfliktes, in der das konfrontative Element in den Beziehungen überwog. hat es auf beiden Seiten — unterschiedlich im Gewicht und im letzten noch immer nicht hinreichend geklärt — verschiedene Bedrohungsszenarien gegeben, die auf subjektiven Annahmen oder angesichts regionaler Konflikte und unzulänglicher Kommunikation auf Befürchtungen beruhten. Konrad Adenauer. in dessen Denken im Mittelpunkt die Unversöhnlichkeit zwischen christlichem Humanismus und antichristlichem Materialismus stand, sah die Bundesrepublik Deutschland anfangs durch ideologische Infiltration, zeitweise auch durch militärische Aggression im Sinne weltrevolutionärer Zielsetzung gefährdet. Jedoch hat er später weniger mit einer akuten Bedrohung gerechnet, weil er glaubte, daß die Sowjetunion keine heißen Kriege wünsche, denn auch sie wisse, welches Risiko damit verbunden sein würde Andere Politiker seiner Zeit glaubten, daß es der Sowjetunion in erster Linie um die Verteidigung ihres territorialen Machtbereiches gehe. Es sei aber nicht von der Hand zu weisen, daß sie bei günstiger Entwicklung der Lage noch einen Schritt weiter gehen und expansiv ausgreifen würde. So mancher Zeitgenosse hat überdies das Gespenst eines „bolschewistischen Überfalls“ mit dem Ziel, ganz Deutschland beherrschen zu wollen, an die Wand gemalt. Einige hielten die Furcht vor einem kommunistischen Angriff auch deshalb wach, weil sie glaubten, auf diese Weise die Integration der Gesellschaft fördern zu können

Die massive Kritik der UdSSR in dieser Phase der Beziehungen (d. h. bis in die sechziger Jahre) richtete sich in erster Linie gegen die westliche „Politik der Stärke“ zur „Eindämmung des Kommunismus“. Die Frage, ob Moskau de facto eine „Aggression der NATO“ (Bundeswehr) zur Einverleibung der sozialistischen DDR befürchtet hat. ist nicht zu beantworten. Aufjeden Fall wurde die Propaganda in den Ostblockstaaten nicht müde, derartige Anschuldigungen zu erheben. Was immer davon Einbildung. Fehlinterpretation oder bewußte Taktik gewesen sein mag — bei der Einschätzung wurden bestimmte Ziele territorialer bzw. ideologischer Art mit dem militärischen Potential, den Fähigkeiten und Optionen des Gegners in Verbindung gebracht. d. h. auch auf sowjetischer Seite wurde die Bedrohung von den politischen Intentionen des angenommenen Aggressors abgeleitet.

Im Zuge der Entspannungspolitik, in der die Kooperation zur Regelung der Konflikte und eine ausreichende Verteidigung (Harmel-Bericht) als gleichberechtigte und notwendige Säulen der Ost-West-Beziehungen gelten, sind derartige Szenarien gewaltsamer Konfliktlösung im Denken der politisch-militärischen Führungseliten zurückgedrängt worden. Zugleich setzte ein Prozeß ein. in dem sich die Waffenarsenale als Faktoren der Bedrohung mehr und mehr verselbständigten.

Wenn die Annahme zutrifft, daß die Sowjetunion ihre konventionelle Überlegenheit in Mitteleuropa in erster Linie als politisches Mittel zur Erhaltung ihres mit den USA ebenbürtigen Weltmachtstatus, als Kompensation für die mannigfachen Schwächen in anderen Bereichen von Ökonomie und Technologie. zugleich als Garant ihrer dominierenden Rolle in Osteuropa begreift — von der Notwendigkeit des begrenzten Einsatzes in Teilen der Dritten Welt einmal abgesehen —. dürfte eine reale Bedrohung des Westens weitaus geringer einzuschätzen sein, als dies üblicherweise der Fall gewesen ist. In diesem Zusammenhang ist von einem Überwuchern des Dialoges durch das Militärische — losgelöst von politischen Absichten — gesprochen worden denn beide Seiten haben immer wieder auf das vorhandene überlegene Potential des Gegenüber hingewiesen und dieses als Drohfaktor betrachtet; aber unklar bleibt, welche politischen Absichten sie dem angenommenen Gegner unterstellen. Waffentechnologische Befürchtungen, wie sie etwa zu Beginn der sechziger Jahre ernsthaft erörtert worden sind (Krieg durch Zufall), werden nur noch selten geäußert, höchstens lassen sich Hinweise auf „katalytische“ Kriege finden, d. h. darauf. daß der Funke eines bisher regional begrenzten Konfliktes (wie z. B. im Nahen Osten) andere Gebiete erfassen und die Weltmächte veranlassen könnte, in die Auseinandersetzung einzugreifen.

Viel häufiger wird allerdings behauptet, überlegenes militärisches Potential könne — vor allem in Krisenzeiten — dazu benutzt werden, den Handlungsspielraum des Gegenüber einzuengen (Erpressung bzw. Wohlverhalten). Zunächst ist hierbei anzumerken, daß bei einem politischen Druck mit militärischen Potentialen der Konflikt einkalkuliert werden muß. Jedoch: Schon ein solches Verhalten wäre im Nuklear-Zeitalter ein Spiel mit dem Feuer, äußerst risikoreich und im Endergebnis mehr als zweifelhaft. Aber auch in diesem Falle müßte nach dem politischen Sinn. d. h. nach dem Ziel einer solchen Maßnahme gefragt werden. In der Geschichte der bilateralen Beziehungen (und damit auch des Ost-West-Konfliktes in Europa) hat keine Seite allein durch das Vorhandensein eines überlegenen Waffenpotentials des anderen zu einer politischen Entscheidung wider Willen gezwungen werden können. Ähnliches trifft für die angenommene militärische Invasionsfähigkeit des Gegners zu; sie hat bisher ebensowenig politisches Handeln im Sinne des Wohlverhaltens bewirken können

Wer versucht, das deutsch-sowjetische Verhältnis unvoreingenommen zu analysieren, wird zu dem Ergebnis kommen, daß gerade im Sicherheitsbereich die zwei Staaten in hohem Maße — aus z. T. unterschiedlichen Gründen — Fehleinschätzungen zum Opfer gefallen sind. Und was die häufig emotionsgeladene Diskussion über das Kräfteverhältnis in Ost und West anbetrifft, die einem Verwirrspiel gleicht, so gehen beide Seiten entsprechend ihrer Interessenlage von unterschiedlichen Bedrohungslagen aus. Eine einvernehmliche Einschätzung der Potentiale dürfte auch künftig kaum möglich sein, da die Daten nicht nur zwischen den Blöcken, sondern auch innerhalb des westlichen Bündnisses differieren. Stets werden diese in Anbetracht geographischer Disparitäten, mangelnder Transparenz und nicht zuletzt aus technologischen Gründen kontrovers bewertet werden. Könnte man sie ihrer in-nenpolitischen Alibi-Funktion entkleiden, sie gemeinsam besser überprüfen und damit zu einem sinnvollen Ausgangspunkt für ernsthafte Rüstungskontrollverhandlungen machen so ließen sich wahrscheinlich nicht nur offiziös propagierte Bedrohungsbilder korrigieren, sondern auch in erhöhtem Maße gegenseitiges Vertrauen schaffen. Daß in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen wirtschaftliche und ökologische Aspekte weitaus mehr im Mittelpunkt realer Bedrohungsvorstellungen stehen als militärische, wenngleich auch die Strategie der Drohung durch nuklearen Selbstmord Ängste auslösen mag. haben Umfragen in jüngster Zeit bewiesen.

In diesem Zusammenhang darf allerdings nicht vergessen werden, daß die innenpolitische und block-interne Bedrohung für die Sowjetunion sicherlich einen größeren Stellenwert besitzt als eine solche in westlichen Staaten, wenn dies auch nur indirekt zugegeben wird, und die „imperialistische Militanz und Einkreisungspolitik“ des Westens im Vordergrund der Argumentation steht. Ungeachtet des propagierten Überlegenheitsdogmas und der These von der gesetzmäßigen Entwicklung des Kommunismus hat sich seit den fünfziger Jahren gezeigt, wie anfällig der Sozialismus gegenüber Wandlungen in Osteuropa geblieben ist. Destabilisierungstendenzen — im sowjetischen Sprachgebrauch meist als Konsequenzen „ideologischer Diversionsversuche“. „psychologischer Kriegführung“ und von „Konterrevolutionen“ interpretiert — dürften eine realere Bedrohung für die KPdSU und ihren Führungsanspruch bedeuten als viele von der sowjetischen Propaganda als gefährlich apostrophierte Kräfte des „Revanchismus“ und „Militarismus“. Dabei ist freilich nicht zu leugnen, daß die Politik der Bundesrepublik Deutschland, unterstützt von ihren Bündnispartnern, den Status quo hinzunehmen, um ihn dann friedlich überwinden zu können, eine permanente Herausforderung für die kommunistischen Parteien Osteuropas und die (DDR-Führung bleibt -Aber ähnliches gilt mutatis mutandis für die Bundesrepublik Deutschland und den Westen im Hinblick auf das sowjetische Prinzip der „friedlichen Koexistenz". Mit dessen Hilfe sollen günstigere Voraussetzungen für den Sieg des Kommunismus geschaffen werden. Freilich unterscheiden sich beide Strategien grundlegend in der Frage des jeweiligen Mitteleinsatzes und der Akzeptanz durch die Bevölkerung.

Doch ungeachtet dieser politischen Implikationen dürfte sich schon längst die Einsicht durchgesetzt haben, daß es keine erkennbaren politischen Ziele in Europa gibt, die mit militärischer Gewalt erzwungen werden sollen, vielmehr alles getan werden muß. um die realeren Bedrohungen unserer Zeit bei den grenzüberschreitenden Wirkungen von Zerstörungen der Umwelt, der Energie (Atomkraftwerke) und der Atmosphäre gemeinsam abzu-wehren. Erst dann besteht größere Hoffnung, die Lebensbedingungen der Völker in Ost und West wirksamer sichern zu können

IV. Konflikt: Deutsche Frage

') Ohne innerdeutschen Handel. 2) Automatische Datenverarbeitung. 3) Eisen-. Blech-und Metallwaren. 4) Baugewerbe. Dienstleistungsunternehmen. Staat, private Organisationen ohne Erwerbscharakter und private Haushalte. Quellen: Statistisches Bundesamt: Außenhandel. Fachserie 7, Reihe 7. und Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Fach-serie 18. Reihe 1. Input-Output-Rechnung des DIW. Tabelle 4: Auswirkungen des Warenexports der Bundesrepublik Deutschland in die RGW-Länder 1) auf die Zahl der Erwerbstätigen (inﬕC

Seit 1949 zählte die Frage nach der Einheit der deutschen Nation und die Regelung dieses Problems zu einem der Grundkonflikte der Europa-und Weltpolitik, der erst in den siebziger Jahren durch die Ostverträge und einen vertraglich vereinbarten Modus vivendi zwischen den beiden deutschen Staaten entschärft wurde

Wohl mit Recht ist behauptet worden, daß die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland unter Leitung Adenauers bis in die Mitte der sechziger Jahre zunächst und vor allem Wiedervereinigungspolitik gewesen ist. was Alleinvertretungsanspruch und die Forderung nach einer friedensvertraglichen Regelung der territorialen Frage bedeutet hat. Bundestag und Bundesregierung haben seit 1949 im Einvernehmen mit ihren Verbündeten unablässig ihre Bemühungen darauf konzentriert, die als unnatürlich und gefährlich empfundene Spaltung Deutschlands und damit Europas im Interesse der Nation und künftiger Friedenssicherung zu überwinden. In zum Teil leidenschaftlichen und kontrovers geführten Debatten, in bilateralen und multilateralen Konferenzen sowie Gesprächen, begleitet von Aktivitäten aller Art, wurde das Für und Wider einzelnerVorschläge — auch aus der Opposition — erörtert, kritisiert, verworfen, abgeändert und neu konzipiert, ohne daß man freilich dem erstrebten Ziel näher gekommen wäre. Im Gegenteil: Die Verfestigung der unterschiedlichen Positionen in Ost und West in der deutschen Frage (Einheit. Grenzen im Osten, Selbstverständnis der Deutschen, Sicherung West-Berlins) wurde immer offenkundiger, zumal nach Meinung Adenauers angesichts der Bedrohung Europas durch den Sowjet-kommunismus nur Einheit und Geschlossenheit der freien Welt Freiheit und Sicherheit der westlichen Gemeinschaft garantieren konnten

Ob die Note Stalins vom 10. März 1952 ernst zu nehmen war. ist bis heute umstritten. Solange die Moskauer Archive geschlossen bleiben, lassen sich nur Vermutungen äußern, ob zu diesem Zeitpunkt eine reelle Chance verspielt worden ist. Deutschlands Einheit als neutraler, bewaffneter Staat in den Grenzen der westalliiert-sowjetischen Vereinbarungen von 1945 herzustellen. Auch wenn heute der Anteil Adenauers an der Ablehnung des sowjetischen Vorschlages durch die Westmächte stärker als früher betont werden muß. da dieser der Westintegration absoluten Vorrang einräumte, die er durch dieses Wiedervereinigungsangebot nicht in Frage gestellt sehen wollte, so ist es doch im Lichte der historischen Erfahrungen und ideologisch-machtpolitischer Prämissen insbesondere unter dem Aspekt vorrangiger sowjetischer Sicherheitsinteressen nach wie vor schwer vorstellbar, daß Moskau damals bereit gewesen sein sollte, einen so hohen Preis zu bezahlen, um die Westbindung der Bundesrepublik Deutschland im letzten Augenblick zu vereiteln. Analysiert man das tief verwurzelte Mißtrauen der sowjetischen Führung gegenüber ihren Nachbarn — die Entwicklung Osteuropas und der DDR nach 1949 —. so erscheint eine solche These wenig wahrscheinlich. Im nachhinein stellt sich vielmehr die Frage, ob seit dem Treffen an der Elbe im April 1945 überhaupt ein wirkliches Versäumnis konstatierbar gewesen ist, die Einheit Deutschlands in Freiheit zu verwirklichen.

Mit nie ermüdendem Nachdruck sowie mit allen nur erdenklichen propagandistischen Parolen haben sowjetische Politiker und Journalisten seit den fünfziger Jahren auf den „moralisch gerechtfertigten Preis“ hingewiesen, den die Deutschen für die Jahre 1941 bis 1945 hätten bezahlen müssen, insbesondere jene, die in der direkten Nachfolge des Dritten Reiches für Kriegsgreuel und Vernichtung haftbar gemacht werden müßten. Ende der sechziger Jahre hat Außenminister Gromyko die „endgültige Entscheidung der Grenzfragen“ und damit die Zweiteilung Deutschlands unter anderem mit dem bezeichnenden Hinweis erläutert, diese sei unauslöschbar mit dem „Blut sowjetischer Soldaten“ verbunden; sie bedeute die „Anerkennung der großen Heldentaten, die unser Land vollbracht habe, als es die Völker Europas, die Völker der Erde vor der faschistischen Sklaverei gerettet habe“

Für die Sowjetunion stellen bis heute die Unverrückbarkeit der Grenzen, die Existenz zweier deutscher Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung. die Unantastbarkeit der DDR und die „gleiche Sicherheit“ die wichtigsten Grundlagen für eine Friedensordnung in Europa dar. Die Bundesrepublik sieht dies anders. Solange der Wille zur Einheit der Deutschen ungebrochen und lebendig ist. wird sie das nationale Ziel im Rahmen europäischer Lösungen nicht aufgeben. Für sie ist die Verwirklichung desselben eine der wichtigsten Vorbedingungen für einen wahren Zustand des Friedens und der Freiheit auf dem Kontinent. Diese Auffassung teilen auch ihre Verbündeten.

Das Offenhalten der deutschen Frage in Form der steten Erinnerung an die erhoffte Durchsetzung von Menschenrechten und des nationalen Selbstbestimmungsrechtes für alle Deutschen wird als Wunsch nach friedlicher Revision des Status quo in Europa interpretiert werden können; von „Revanchismus“ in diesem Zusammenhang zu sprechen ist unzulässig. Denn dieses Ziel soll und kann — wenn überhaupt — nur erreicht werden unter Verzicht auf Anwendung und Androhung von Gewalt, mittels freier Wahlen und im Einvernehmen mit allen Nachbarn. Allerdings wird es heute in Anbetracht politischer Realitäten und Prioritäten (Friedenssicherung) sowie der besonderen Verantwortung der beiden deutschen Staaten für die Stabilität Europas mehr denn je erforderlich sein, in dieser Frage von einer klar definierten Wirklichkeit auszugehen. Leerformeln zu vermeiden, außerdem Wünschbares vom Machbaren zu unterscheiden. Notwendig sind heute eine intensivere Rückbesinnung auf den ursprünglichen Nationenbegriff und die Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen zur Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls unter den Deutschen — ungeachtet des Eingebunden-seins der zwei Staaten in gegensätzliche Blocksysteme. Daß auch dieses begrenzte Ziel für die sowjetische Führung einen Dorn im Auge bedeutet, ist in den letzten Jahren deutlich geworden, denn sie hat keinen Zweifel daran gelassen, daß sie jede deutsche Politik, die als Mitteleinsatz die Selbstbestimmung der Völker proklamiert als „Akt der Aggression“ versteht. So ist in dieser Grundfrage bis heute die Kontinuität der Zielkonflikte eine Determinante europäischer Politik geblieben

V. Zusammenarbeit: Politischer Dialog und Konsultationen

Bezeichnend für die Qualität der Beziehungen und das politische Klima zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion bis Mitte der sechziger Jahre war. in welchem Maße konfrontative Elemente überwogen. In Erklärungen, diplomatischen Noten, Memoranden, Appellen und Interviews häuften sich gegenseitige Anklagen, Vorwürfe und Verdächtigungen; Sprache und Kommunikation entsprachen dem Geist des „Kalten Krieges“. Gedankenaustausch und Empfänge der jeweiligen Botschafter waren ebenso wie Reisen von Politikern in das andere Land eine Seltenheit. Erst der Moskauer Vertrag (1970) und die KSZE-Schlußakte (1975) führten zu einer entscheidenden Wende, zumal sich inzwischen auch die politische Großwetterlage günstig entwickelt und der Modus vivendi zwischen den beiden deutschen Staaten und West-Berlins (Viermächte-Abkommen von 1971) zu einer Reduzierung von Spannungen in Mitteleuropa geführt hatten

Mehr und mehr nutzten beide Seiten die bis dahin vernachlässigten Möglichkeiten zum Dialog über die Weltlage, ihre Interessen und die bilateralen Beziehungen. Politische Konsultationen auf den verschiedensten Ebenen — in Abstimmung mit den jeweiligen Verbündeten —, Begegnungen von Parlamentariern, Parteiführern und Fraktionsvorsitzenden sowie von Ministerpräsidenten der Länder mit den Repräsentanten der Sowjetunion und Sitzungen von gemischten Kommissionen — seit 1979 im Durchschnitt drei-bis viermal im Jahre — verdeutlichen die Absicht. Staatsbesuche und Arbeitstreffen als unabdingbares Instrument zur Verbesserung der Beziehungen, zur Stabilisierung der Lage in Europa und damit zur Vertrauensbildung konsequenter einzusetzen

Bundeskanzler W. Brandt hatte z. B. 1970 zum ersten Mal die Gelegenheit, sich ein persönliches Ur-teil über L. Breschnew zu bilden, von seiner „Verhaftung in der russischen Geschichte“, seinem Selbstbewußtsein und vor allem von der „Konkurrenzlosigkeit seiner Autorität“. Ein Erfahrungsaustausch über Land und Leute, über die unterschiedlichen Regierungsweisen in Bonn und Moskau standen neben den vordringlichen Aufgaben, die sich aus der Verwirklichung des Vertragswerkes ergaben. im Mittelpunkt des Treffens in Oreanda (1971). Dabei konnten Kompromißformeln gefunden und Reibungswiderstände offen angesprochen werden. Beide Seiten begriffen besser, wo es Übereinstimmungen, Annäherung und Unterschiede gab

Ähnliche Erfahrungen sammelte Bundeskanzler H. Schmidt, dessen Weltbild von der Sowjetunion vielleicht festgefügter als das seines Vorgängers gewesen sein dürfte. Seiner Meinung nach war die Sowjetunion die einzig „übriggebliebene expansive Weltmacht“, wenn auch Breschnew und das von ihm geführte Politbüro zu einer Strategie des sorgfältig kalkulierten, begrenzten Risikos zurückgekehrt seien Das Streben der Sowjetunion nach „Ebenbürtigkeit“ und „gleicher Sicherheit“ sei nicht nur als Ausdruck der spezifisch sowjetischen Verteidigungspolitik zu sehen, sondern zugleich als Kompensation für den Inferioritätskomplex. Schmidt gewann den nachhaltigen Eindruck, daß Breschnew von einer unverkennbaren Friedensliebe durchdrungen gewesen sei. aber auch von dem Bestreben, den eigenen territorialen Besitzstand zu konsolidieren und den Weltmachtstatus der UdSSR zu erhalten. Er versicherte später in seinen Memoiren. daß er bei den verschiedenen Gesprächen mit der sowjetischen Führung nicht nur die einzelnen Persönlichkeiten und den Führungsapparat, vor allem aber auch den Mann an der Spitze besser kennen und achten gelernt, sondern auch ein Gefühl für die Art ihres Denkens — undogmatisch in außenpolitischen Fragen — gewonnen habe. Zugleich habe er seinen eigenen Standpunkt erläutern und dabei manche Mißverständnisse ausräumen können. Er hat sich aber auch keineswegs gescheut, wenn es ihm notwendig erschien, in aller Deutlichkeit auf seine unterschiedliche Einschätzung sowjetischer Politik (z. B. in der Afghanistan-Frage) hinzuweisen. Ungeachtet der Systemunterschiede und des von ihm kritisierten sowjetischen Machtstrebens hat Schmidt die Deutschen aufgefordert, die Bürger der UdSSR als Nachbarn zu sehen und mit ihnen im Interesse des Friedens in Europa und der Welt gute Nachbarschaft anzustreben

Wie wohl kein zweiter deutscher Politiker hat der dienstälteste Außenminister der Welt, H. -D. Genscher, der seit dem 17. Mai 1974 amtiert und seitdem die Grundlinien der deutschen Außenpolitik maßgeblich mitbestimmt hat. durch seine „Dauerhaftigkeit der Überzeugung im Wechsel“ (W. Scheel) bewiesen, wie stark er einerseits durch die Beachtung und Bewahrung der „Bewegungsgesetze“ einer mittleren Macht (Westorientierung, Nachbarschaft mit dem Osten, nationaler Einheitswille in Freiheit, Aufrechterhaltung einer offenen, stabilen Weltwirtschaft) geprägt worden ist. andererseits durch seine vielfachen Erfahrungen im Umgang mit sowjetischen Politikern Ob in der UNO. in Bonn, Moskau, Belgrad, Madrid, Stockholm oder bei anderen Gelegenheiten — stets hat er den Kontakt mit seinem sowjetischen Gegenüber gesucht, um sich von diesem einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, dessen außenpolitischen Handlungsspielraum zu verstehen und gemeinsame Interessen auszuloten. Aber es ging ihm auch darum, den eigenen Standpunkt unmißverständlich darlegen und die Reaktion der anderen Seiten prüfen zu können. Mögen ihm Kritiker auch eine gewisse Rastlosigkeit vorwerfen — fest steht, daß er gerade auf Grund seiner Kenntnisse das sowjetische politische Denken und Wollen realistischer einzuschätzen vermocht hat als viele seiner Kollegen. Davon zeugt zugleich sein außenpolitisches Credo, das er einmal mit den Worten von A. Duckwitz (Bremer Bürgermeister im Jahre 1848) umrissen hat: „Ein Staat wie Deutschland, im Herzen Europas. darf nie als ein Hindernis für das Wohlergehen der Gesamtheit der europäischen Staaten erscheinen. vielmehr soll er seine Stellung in solcher Weise nehmen, daß seine Selbständigkeit als ein Glück für das Ganze, seine Existenz als eine Notwendigkeit angesehen wird. Darin liegt die sicherste Bürgschaft seines Bestehens.“

Ein so bedachtsam formulierender Staatsmann wie Bundespräsident R. v. Weizsäcker, hat es nach seinem Besuch in der Sowjetunion im Juli 1987 als das Wichtigste bezeichnet, daß der „Gesprächsfaden, d. h.der offene Dialog aufgenommen bzw. fortgesetzt worden ist mit dem Z'el, die beiderseitigen Beziehungen zu festigen und auf eine neue, langfristige Grundlage zu stellen“. Besonders beeindruckt habe ihn, daß dabei beide Seiten problembewußter geworden seien, worauf man künftig stärker achten müsse, welche Empfindlichkeiten es zu berücksichtigen gelte, und wie man mit der nötigen behutsamen Verantwortlichkeit in den Beziehungen weiter komme, ohne entweder „in Gleichgültigkeit oder Euphorie“ zu verfallen. In der strittigen deutschen Frage sei von der Realität und den Verträgen auszugehen. Im übrigen aber sei die Geschichte offen und diese halte immer wieder „neue Antworten“ bereit Und schließlich bedurfte es einer ersten persönlichen Begegnung mit Generalsekretär Gorbatschow im Kreml am 29. Dezember 1987. um den bayerischen Ministerpräsidenten F. J. Strauß zu der überraschenden Äußerung zu bewegen, daß er von der „Ehrlichkeit des Willens zum Wandel und der Redlichkeit gemeinsamer Zielsetzung“ bei der jetzigen sowjetischen Führung zutiefst überzeugt sei Ob nunmehr eine „neue Ära“ der deutsch-sowjetischen Beziehungen oder gar ein „neues Kapitel“ mit intensiverer Kooperation und weniger Konfrontation eingeleitet werden kann, wird die Zukunft erweisen müssen. Auf jeden Fall lehren 32 Jahre deutsch-sowjetischer Beziehungen, daß die Kontinuität des persönlichen Dialogs, von Gipfelkonferenzen und Arbeitsbesuchen verantwortlicher Spitzenpolitiker in regelmäßigen Abständen zu einem der Imperative internationaler Politik zählen muß. Welche Fortschritte auf diese Weise im Interesse des friedlichen Wandels erzielt werden können, hat jüngst das Treffen von Präsident R. Reagan und M. Gorbatschow mit der Unterzeichnung des INF-Vertrages am 8. Dezember 1987 in Washington eindrucksvoll bewiesen.

VI. Zusammenarbeit: Wirtschaft

Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Jahre 1955 stellte sich den beiden Staaten (bzw. später ihren Wirtschaftsgemeinschaften EG und RGW) die Aufgabe, auch ihre wirtschaftlichen Beziehungen zum gegenseitigen Nutzen zu entwikkeln. Aber selbst diese wurden zunächst vom Konflikt des „Kalten Krieges“ beherrscht und zusätzlich durch den westlichen Protektionismus und die autarkienahe Wirtschaftspolitik der UdSSR erschwert Erst nach schwierigen Verhandlungen kam am 8. April 1958 ein langfristiges Handelsabkommen über den Waren-und Zahlungsverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion zustande (zugleich ein solches über Repatriierung von Deutschen, die am 21. Juni 1941 die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hatten und noch in der UdSSR lebten), das bis 1961 den Gesamtumfang des Warenverkehrs der Bundesrepublik (Import und Export) verdoppelte (s. Tabelle 2, Seite 40).

In den sechziger Jahren ebneten sodann das Wirtschaftswachstum in Ost und West und der Entspannungsprozeß die Wege zur Expansion des Außenhandels und zur Intensivierung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen. Allein die Struktur der unterschiedlich gesteuerten Wirtschaftssysteme, die mangelnde Flexibilität der RGW-Volkswirtschaft bei der Modernisierung, die unzureichende Wettbewerbsfähigkeit der sowjetischen Produkte und die jeweiligen internen Prioritäten in der Wirtschaft setzten diesen von Anfang an enge Grenzen. Während der Anteil der europäischen OECD-Länder am Gesamthandel (Ostexporte-Ostimporte) von Mitte der sechziger bis Anfang der achtziger Jahre zwischen 3, 5 und 4, 5% schwankte, die Bundesrepublik in der gleichen Zeit ihren Anteil der Importe aus der UdSSR von 1, 1 (1970) bis auf 3% (1982) bzw.der Exporte von 1, 2% auf 2, 6% steigern konnte, stieg die Netto-Verschuldung der UdSSR zwischen 1971 und 1982 von 1, 1 auf 13, 2 Milliarden Dollar In mehreren Abkommen (u. a. vom 5. Juli 1972, 19. Mai 1973 und 6. Mai 1978) regelten die beiden Staaten ihre Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft und Industrie. So unterzeichnete z. B. ein Firmenkonsortium aus der Bundesrepublik Deutschland mit Vertretern der Sowjetunion im März 1974 einen Vertrag über die Lieferung eines Stahlwerkes für Kursk (Wert: 2, 5 Milliarden DM); wenige Monate später schloß die Firma Mannesmann AG einen solchen über Großrohren im Umfang von 900 000 Tonnen für die Jahre 1975/76 ab. Im September folgte eine dritte Vereinbarung über die Lieferung von Erdgas in Höhe von 1, 5— 2, 5 Milliarden Kubikmeter jährlich mit einer Laufzeit bis zum Jahre 2000; Klöckner-Humboldt-Deutz und Vertreter der Sowjetunion einigten sich über die Produktion von Schwerlastkraftwagen im Wert von einer Milliarde DM. So erfreulich diese Entwicklung in der ersten Hälfte der siebziger Jahre auch gewesen sein mag sowie die Tatsache, daß in 1976. den darauffolgenden Jahren, wenn auch in abgeschwächter Form, weitere Abkommen zwischen deutschen Betrieben und Vertretern der Sowjetunion zustande kamen — der Umfang hielt sich gleichwohl in engen Grenzen

Nach sowjetischen Angaben waren im Laufe der siebziger Jahre 1 500 Firmen, darunter 1 200 mittlere und kleinere, an der Wirtschaftskooperation beteiligt; Mitte der achtziger Jahre bereits 1 700. Der bilaterale Warenverkehr verdoppelte sich von 1975 bis 1982. Dies war auch auf die Ölpreissteigerungen, die wachsende sowjetische Deviseneinnahmen erbrachten, zurückzuführen. Seit 1982 gingen die Wachstumsraten jedoch wieder zurück, zugleich sank der Anteil der Sowjetunion am deutschen Außenhandelsvolumen auf rd. 2— 1. 5% (zweite Hälfte 1987). Hierzu mögen die drastischen Verschlechterungen der Terms ofTrade (infolge gesunkener Energiepreise und des gefallenen Dollarkurses). aber auch Verunsicherungen über den wirtschaftspolitischen Kurs der Sowjetunion (auf deutscher Seite) beigetragen haben (s. Tabelle 3). Immerhin hat die Bundesrepublik Deutschland nach wie vor ihre Stellung als wichtigster westlicher Handelspartner der Sowjetunion behaupten können (mit z. Zt. rd. 4% des sowjetischen Gesamtaußen-handels). Desgleichen ist die Bundesrepublik mit einem Anteil von ca. 40 % der bedeutendste Ost-handelspartner. Während die deutschen Einfuhren aus der Sowjetunion zu drei Vierteln aus Erdgas, Erdöl und Erdölprodukten bestehen, handelt es sich bei den deutschen Ausfuhren meist um Fertigwaren (darunter Maschinen, chemische Fertigwaren, Eisen-und Stahlwaren sowie elektronische Erzeugnisse) (s. Tabelle 4). Die in jüngster Zeit diskutierten neuen Formen der Wirtschaftskooperation (Joint Ventures) dürften allerdings vorerst noch nicht ins Gewicht fallen.

Mit Recht ist verschiedentlich immer wieder betont worden, daß trotz verbesserter wirtschaftlicher Zusammenarbeit der Gesamtumfang so gering geblieben sei. daß de facto weder von der Gefahr möglicher Abhängigkeit noch von der einer Erpressung gesprochen werden könne. Z. B.deckten die so-41 wjetischen Energielieferungen 1986 nicht einmal 10 % des gesamten Energieverbrauches in der Bundesrepublik Deutschland (allerdings rd. 30% der Erdgasversorgung). Zu bedenken ist ferner, daß die sowjetische Seite an stabilen Wirtschaftsbeziehungen interessiert ist und kein Interesse daran haben dürfte, ihre Reputation als verläßlicher Handelspartner aufs Spiel zu setzen. Zweifellos haben beide Seiten vom Handel miteinander profitiert. Die Sowjetunion hat eingesehen, daß eine ökonomische Konsolidierung ihres Landes angesichts der Wachstums-und Innovationsschwächen ohne Unterstützung des westlichen Auslandes nur schwer zu verwirklichen sein wird. Die Bundesrepublik hat dadurch Arbeitsplätze sichern können, — insbesondere bestimmte Branchen in der Wirtschaft —, mögen auch die Angaben über die Zahl der davon betroffenen Erwerbstätigen (120 000?) — gesamtwirtschaftlich wird für 1982 0, 5% angenommen — schwanken. Im übrigen hat sich im Laufe der Jahre auf deutscher Seite die Erkenntnis durchgesetzt, daß durch wirtschaftliche Boykottmaßnahmen kein sowjetisches politisches Wohlverhalten erzwungen werden kann, zumal der Handel kein Garant für politische Stabilität ist. wohl aber ein nicht unbedeutendes Mittel, das die bilateralen Beziehungen und die Vertrauensbildung zu fördern vermag.

VII. Zusammenarbeit: Kultur — Technik — Wissenschaft

Auch im Bereich von Kultur. Technik und Wissenschaft vollzog sich erst langsam ein Wandel in den bilateralen Beziehungen. Das lag einmal in bestimmten historischen Erfahrungen, der geographischen Lage und der kulturellen Westbindung der Bundesrepublik Deutschland begründet, aber ebenso in den Systemgrenzen, deren sichtbarster Ausdruck in der Zeit des „Kalten Krieges“ Abgrenzung. unterschiedliche Organisationsstrukturen auswärtiger Kulturpolitik beider Staaten und die deutsch-deutsche Konkurrenz im Ausland waren. Nach langer Anlaufzeit wurde am 30. Mai 1959 eine deutsch-sowjetische Vereinbarung über den kulturellen und technisch-wissenschaftlichen Austausch unterzeichnet, die aber nicht zu wirklich völkerverbindenden Maßnahmen, zu selbständiger Kulturarbeit der diplomatischen Vertretungen oder nennenswerten transnationalen Aktivitäten führte. Angesichts der Weigerung Moskaus, deutsche Staatsbürger mit ständigem Wohnsitz in West-Berlin in das Abkommen einzubeziehen. lehnte es Bonn 1961 ab.den Vertrag zu verlängern

Nachdem im Moskauer Vertrag vom 7. August 1970 der Wunsch nach Verbesserung der kulturellen Kontakte angedeutet worden war. kam am 19. Mai 1973 ein auf fünf Jahre befristetes zweites Kulturabkommen zustande. Zwar sollte entsprechend der Viermächtevereinbarung vom September 1971 das Abkommen „in Übereinstimmung mit den festgelegten Verfahren auf Berlin-West“ ausgedehnt werden (sogenannte Frank-Falin-Formel). aber bei der Diskussion um das Zweijahresprogramm konnte das Berlin-Problem für beide Seiten nicht befriedigend gelöst werden Dennoch nahmen die kulturellen Beziehungen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland seit Mitte der siebziger Jahre einen beachtlichen Aufschwung, wenn auch im Zeichen einer recht „mühsamen Normalität“. Hierzu haben vor allem die größere Durchlässigkeit der Grenzen, die KSZE-Schlußakte von Helsinki und verschiedenartige Impulse von gesellschaftlichen Gruppen. Vereinigungen und Persönlichkeiten aus Kunst. Literatur. Wissenschaft sowie Medienvertreter beigetragen. Daß dabei stets von neuem Schwierigkeiten auftreten, ist nicht verwunderlich, denn nach wie vor erweisen sich Abschottungsmaßnahmen und ideologische Vorbehalte auf sowjetischer Seite sowie Probleme der Reziprozität als unverkennbare Hindernisse. Die antagonistische Kooperation fördert eben nicht nur friedensrelevante Strukturen, sondern verursacht zugleich auch neue Konflikte

Eine kurze Bilanz läßt erkennen, in welchen Teilbereichen Fortschritte erzielt worden sind. So hat z. B. die Sowjetunion in den Jahren von 1975 bis 1985 423 Werke westdeutscher Autoren in einer Auflagenhöhe von über 13 Millionen Exemplaren (darunter einige in 20 Sprachen der Völker der UdSSR) veröffentlicht; gleichzeitig hat sie zusammen mit Repräsentanten der Bundesrepublik mehrere Buchausstellungen organisiert. Auch im Buch-wesen hat sich somit die Bundesrepublik Deutschland als einer der bedeutendsten Partner der Sowjetunion in Westeuropa erwiesen. Von 1971 bis 1983 wurden ca. 700 Werke russischer Autoren in verschiedenen Verlagen der Bundesrepublik herausgebracht. Ausstellungen aller Art. Musikfestspiele. Kulturtage. Sportveranstaltungen (1971: 39; 1981: 106). wachsender Tourismus (im Verhältnis etwa 3 : 1 West-Ost-Reisen) und Ansätze für einen Jugendaustausch verdeutlichen die ernsthaften Bemühungen. das gegenseitige Verständnis zu fördern und um Vertrauen zu werben. Besondere Verdienste erwarben sich dabei verschiedene Organisationen. darunter die Rheinisch-Westfälische Auslandsgesellschaft in Dortmund, die Freundschaftsgesellschaften „UdSSR—Bundesrepublik Deutschland“ und die Städtepartnerschaften, von denen es bereits 15 gibt. Letztere verfolgen das Ziel, einen kommunalen Beitrag zu Frieden und Verständigung unter den Bürgern zu leisten. Der Umfang des Austausches von Wissenschaftlern und Studenten zwischen beiden Staaten hat sich zwar eher in bescheidenem Rahmen gehalten, doch hat auch er seine Wirkungen nicht verfehlt. Zuwachsraten sind zudem im humanitären Bereich (Familienzusammenführung) erzielt worden. Während Mitte der siebziger Jahre (1976) nur etwa 9 700 sowjetische Bürger deutscher Nationalität ausreisen konnten. betrug die Zahl im Jahre 1987 (bis November) über 12 000

Zur gleichen Zeit entwickelte sich die technisch-wissenschaftliche Zusammenarbeit für beide Länder vorteilhaft. Eingeleitet wurden u. a. Erfahrungsaustausch. Expertentreffen. Ausstellungen sowie betriebliche Aus-und Weiterbildung, von denen deutsche Firmen wie ihre sowjetischen Partner profitieren. Mitte der achtziger Jahre beteiligten sich nach sowjetischen Angaben bereits über 250 Spezialisten an dieser Kooperation. Die Frage, ob westliches technisches Know-how auf diese Weise auch der sowjetischen Rüstungsindustrie zugute gekommen ist, kann nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Aber auszuschließen ist dies nicht. Bedeutsamer indessen bleibt die Einsicht, daß derartige Bemühungen im beiderseitigen Interesse als eine zusätzliche vertrauensbildende Maßnahme bewertet werden können

Was nach wie vor zu wünschen übrig läßt, sind nicht allein die Quantität aller Maßnahmen, sondern die Regelmäßigkeit und wachsende Konstanz der Begegnungen, um den anderen in seiner Welt, mit seinen Wünschen und Nöten besser verstehen zu können. Es geht um nichts Geringeres, als das Bild des Nachbarn in seinen Realitäten zu erfassen. Diese Aufgabe ist eine der Voraussetzungen dafür, Vorurteile abbauen und Gemeinsamkeiten erkennen zu können. Sicherlich ist die Feststellung zutreffend, daß, je mehr sich zwischengesellschaftliche Begegnungen und Kommunikation entwickeln, desto schneller die Chancen zur Entwicklung friedlicher Beziehungen wachsen. Aber nach wie vor sind es die vorhandenen Asymmetrien, alte Klischees auf beiden Seiten und die mannigfachen Restriktionen bürokratischer Art (auf sowjetischer Seite), die die Barrieren für den notwendigen Prozeß der Zusammenarbeit im Geiste echter Versöhnung zwischen den Völkern bilden.

VIII. Wandel durch „Neues Denken“?

Seit 1970 hat es immer wieder in den bilateralen Beziehungen Ereignisse gegeben — so u. a.den Abschluß der Ostverträge —, die führende Politiker und Kommentatoren mit dem Hinweis interpretiert haben, damit sei ein „neues Kapitel“ aufgeschlagen oder ein Wendepunkt erreicht worden, der zu großen Hoffnungen auf wesentliche Verbesserungen im Klima und in der Zusammenarbeit berechtige. Das gleiche traf für bestimmte multilaterale Entscheidungen zu. Ohne Frage sind die Unterzeichnung der Schlußakte von Helsinki (1975) und des INF-Vertrages zwischen Moskau und Washington (1987) solche Zäsuren. Aber auch sie haben den grundlegenden Dissens nicht aufheben können. So werden Phasen von Stagnation und von gewissen Rückschlägen (wie z. B. in der zweiten Hälfte der siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre) wohl auch in Zukunft kaum auszuschließen sein, zumal sich im Verlaufe zunehmender Verdichtung von Kooperation. Kontakten und Kommunikation neue, systembedingte Konflikte (Verunsicherungen, Destabilitäten) ergeben können — gehört es doch zum Wesen des Ost-West-Konfliktes, daß sich dabei stets kooperative und konfrontative Elemente wechselseitig durchdringen

Heute stellt sich allerdings die Frage, ob das „Neue (außenpolitische) Denken“, so wie es seit 1985 Generalsekretär M. Gorbatschow — unterstützt von einer Reihe enger Mitarbeiter. Vertreter der Medien und der Intelligenz —. propagiert, einen wirklich grundlegenden Wandel in den Ost-West-Bezie hungen (und damit auch für die der beiden Staaten) bewirken kann. Gewiß ist es verfrüht, darauf schon heute eine dezidierte Antwort zu geben. Es gibt nach wie vor zuviel Unwägbarkeiten und Ungewißheiten. Vor allem müssen wir abwarten, ob das ebenso umfassende wie komplizierte Experiment (Perestrojka als „neue Revolution“), das von den Völkern der Sowjetunion und deren Eliten große Einsicht. Tatkraft und Verzicht auf alte Gewohnheiten bzw. Privilegien verlangt, soviel Unterstützung im Lande erhält, daß es erfolgreich verläuft. Dieses ist ein in der Geschichte der Sowjetunion wohl beispiellos zu nennender, ernsthafter Versuch, den „wahren Sozialismus“ als Wegweiser zu einer humaneren Weltgesellschaft zu revitalisieren

In diesem Zusammenhang haben führende Repräsentanten der Sowjetunion — allerdings nicht unwidersprochen — neue Akzente auch in der Außenpolitik gesetzt, die zumindest aufhorchen lassen. • Von diesen ist auch das Prinzip der „friedlichen Koexistenz“ zwischen unterschiedlichen Gesellschaftssystemen betroffen, das jetzt flexibler und weniger dogmatisch interpretiert wird. Im Selbstverständnis der kommunistischen Führer hieß das früher (zumindest seit Mitte der fünfziger Jahre unter Berücksichtigung des qualitativ veränderten Kriegsbildes): Verzicht auf Anwendung und Androhung von Gewalt, gleichberechtigte Kooperation auf allen Gebieten, aber verstärkter ideologischer Klassenkampf (gewissermaßen als neue Kraftquelle für den Sieg des Kommunismus im Weltmaßstab) sowie Unterstützung der nationalen und revolutionären Befreiungsbewegungen in den Ländern der Dritten Welt

Eine Analyse der jüngsten Erklärungen. Reden, Programme und Interviews läßt kaum einen Zweifel aufkommen: Die kommunistische Führung ist nach wie vor davon überzeugt, daß dem Sozialismus als der neuen „sozialen Alternative“ die Zukunft gehört (Parteiprogramm 1986) und der Sieg des Kommunismus „unvermeidlich“ ist. Das Ziel ist nicht aufgegeben worden, eine Welt ohne Ausbeutung und nationale Unterdrückung — d. h. im Endergebnis eine gewaltfreie Welt — aufbauen zu wollen. Oder mit den Worten A. Jakowlews formuliert: „Wir sind uns der Richtigkeit unserer historischen Wahl sicher!“ Jedoch solle in der Auseinandersetzung zwischen den antagonistischen Systemen die Form des friedlichen Wettbewerbs dominieren. Ausgehend von der „Ganzheit der Welt“ und der wachsenden Interdependenz habe das Überleben Vorrang vor den Klasseninteressen. Zudem gibt es Äußerungen, die den früher deklarierten Determinismus der historischen Entwicklung relativieren. Gorbatschow hat mehrmals davon gesprochen. daß die Weltgeschichte offen sei; auch die Sowjetunion besitze kein Wahrheitsmonopol. Was im übrigen das Schicksal der deutschen Nation betreffe und die Frage, welches System seinem Anspruch gerechter geworden sei. so würde darüber in hundert Jahren die Geschichte entscheiden Gegenwärtig sei von der Tatsache zweier unabhängiger deutscher Staaten auszugehen. Und obgleich Kriege aus der „Natur des Imperialismus“ resultierten — so die marxistisch-leninistischer Auffassung — könne es vielleicht gelingen, „die Kräfte abzuriegeln, die von den Ursachen zu den Folgen“ (nämlich zu denen einer Kriegführung) führen -Es scheint sich in der Sowjetunion die Ansicht zu verbreiten, daß der Frieden trotz des „Vorhandenseins des Imperialismus“ auf dem Erdball gewahrt werden könne, denn weder der Kapitalismus noch der Sozialismus könnten ihre Interessen mittels Krieg realisieren; Teile des imperialistischen Lagers seien durch die „Kraft des Sozialismus" friedfertiger geworden (z. B. die Bundesrepublik Deutschland und Japan). Mit derartigen Thesen könnte in Zukunft auch der Abbau überlieferter Feindbilder verbunden sein

So zurückhaltend solche Erklärungen und Deutungen vorerst auch interpretiert werden müssen, und es abzuwarten gilt, ob den Worten überzeugende Taten folgen — Skeptiker in diesen Fragen gibt es auf beiden Seiten (allerdings mit unterschiedlichen Motiven!) —. sie könnten mittelfristig das Zeichen für eine effektivere Wende in den multilateralen und bilateralen Beziehungen bedeuten, durch die der friedliche Wettbewerb unter Wahrung der eigenen Identität, die gegenseitige Achtung, das Suchen „nach einem gemeinsamen Nenner“ — insbesondere in der Sicherheitspolitik — und damit das Vertrauen als Grundlage menschlichen Zusammenlebens gestärkt werden könnten. Das würde von deutscher Seite mehr Einfühlungsvermögen erfordern, was die Schwierigkeiten und die Interessenlage des Gegenüber anbetrifft, zugleich mehr Unterstützung der Sowjetunion, wo immer dies möglich und wünschenswert erscheint (ohne als Einmischung in die inneren Angelegenheiten ausgelegt werden zu können). Für die sowjetische Seite hieße das: weniger Selbstgerechtigkeit, verbunden mit dem Verzicht auf einseitige Schuldzuweisungen, mehr echte „glasnost" und Beweise für eine Politik des friedlichen Interessenausgleichs, bei der zugleich das Selbstbestimmungsrecht der Völker anerkannt wird, und zwar nicht nur in Europa, sondern auch in anderen Teilen der Welt.

Daß Krieg zwischen beiden Staaten zur Durchsetzung politischer Ziele ein absolut untaugliches Mittel bleiben muß, versteht sich dabei von selbst. Aber erst dann, wenn diese sich als Partner und Konkurrenten im Wettstreit um eine humanere Gesellschaft der Zukunft und um eine echte Verständigung unter den Völkern begreifen und dies auch durch konkrete Schritte beweisen, würden sie ihre Beziehungen im Interesse einer europäischen Friedensordnung auf einer höheren Stufe der Glaubwürdigkeit weiter entwickeln können. Und erst dann wird mit Fug und Recht von einer „neuen Ära“ in den Ost-West-Beziehungen und einem Sieg des „neuen politischen Denkens“ in der UdSSR gesprochen werden können, bei dem „politische Positionen“ wirklich frei sind „von ideologischer Intoleranz“ Aber dazu bedarf es der Geduld, der Stetigkeit und der Treue zu überzeugenden politisch-ethischen Prinzipien.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. allgemein: Karl Kaiser/Hans-Peter Schwarz (Hrsg.). Weltpolitik. Strukturen-Akteure-Perspektiven. Bonn 1987* 2; Lawrence T. Caldwell/William Diebold Jr.. Soviet-American Relations in the 1980s. New York 1981; Ernst-Otto Czempiel/Carl-Christoph Schweitzer. Weltpolitik der USA nach 1945. Einführung und Dokumente. Bonn 19872; Moskau-Bonn. Die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland 1955— 1973. Dokumentation. hrsg. und eingeleitet von Boris Meissner. Köln 1975; Sovetsko-amerikanskije otnoschenija v sovremennom mire. Redakteur: G. A. Trofimenko und P. T. Podlenskij. Moskau 1987.

  2. Grundlegend für die deutsch-sowjetischen Beziehungen: Dietrich Geyer (Hrsg.). Sowjetunion. Außenpolitik 19171955 (Osteuropa-Handbuch). Bd. I. Köln-Wien 1972. Bd. II. Köln-Wien 1976; Boris Meissner. Außenpolitik und Völkerrecht der Sowjetunion. Ausgewählte Beiträge. Köln 1987; Sowjetunion 1973 bis 1986/87. herausgegeben vom Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien (Köln). München 1974— 1987 (insgesamt 9 Bde.) — siehe dort vor allem die Beiträge von Gerhard Wettig. Fred Oldenburg und Christian Meier; William Griffith. Die Ost-politik der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart 1981; Angela Stent. Wandel durch Handel? Die politisch-wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion. Köln 1983; Gerhard Wettig. Die Sowjetunion, die DDR und die Deutschland-Frage 1965— 1976. Stuttgart 1976.

  3. Vgl. hierzu den Beitrag von D. Geyer (Anm. 2), Bd. I. S. 4 ff.

  4. Vgl. Michail Gorbatschow. Perestroika. Die zweite russische Revolution. München 1987. S. 171 ff.

  5. Vgl. Werner Link. Der Ost-Westkonflikt. Die Organisation der internationalen Beziehungen im 20. Jahrhundert. Stuttgart 1980.

  6. Vgl. außerdem zur Struktur meinen Beitrag: Mißtrauische Nachbarn, in: Manfred Funke/Hans-Adolf Jacobsen/Hans-Helmuth Knütter/Hans-Peter Schwarz (Hrsg.). Demokratie und Diktatur. Geist und Gestalt politischer Herrschaft in Deutschland und Europa. Düsseldorf 1987. S. 424 ff.

  7. Vgl. Hermann Weber. Kleine Geschichte der DDR. Köln 1980.

  8. Vgl. Hans-Peter Schwarz. Vom Reich zur Bundesrepublik. Neuwied-Berlin 1966; Christoph Kießmann. Die doppelte Staatsgründung. Deutsche Geschichte 1945— 1955. Bonn 1982.

  9. Vgl. Hans-Peter Schwarz. Die Ära Adenauer. Gründer-jahre der Republik 1949-1957. Stuttgart 1981.

  10. Vgl. H. Weber (Anm. 7).

  11. Vgl. K. v. Beyme (Anm. 2). 12)

  12. Vgl. H. -P. Schwarz (Anm. 9).

  13. Vgl. Wilhelm G. Grewe. Rückblenden 1976— 1951. Aufzeichnungen eines Augenzeugen deutscher Außenpolitik von Adenauer bis Schmidt. Frankfurt 1979.

  14. Vgl. Hans Edgar Jahn. Die deutsche Frage von 1945 bis heute. Der Weg der Parteien und Regierungen. Mainz 1985; Karin Schmidt. Die deutsche Frage im Staats-und Völker-recht. Baden-Baden 1980; Renata Fritsch-Bournazel. Die Sowjetunion und die deutsche Teilung. Die sowjetische Deutschlandpolitik 1945— 1979. Opladen 1979.

  15. Vgl. Manfred Görtemaker. Die unheilige Allianz. Die Geschichte der Entspannungspolitik 1943— 1979. München 1979. S. 42 ff.

  16. Vgl. allgemein: Gebhard Schweigler. Grundlagen der außenpolitischen Orientierung der Bundesrepublik Deutschland. Rahmenbedingungen. Motive. Einstellungen. Baden-Baden 1985.

  17. Vgl. Günther Schmid. Entscheidung in Bonn. Die Entstehung der Ost-und Deutschlandpolitik 1969/1970. Köln 1979.

  18. Vgl. Hans-Adolf Jacobsen/Wolfgang Mallmann/Chri-Stian Meier (Hrsg.). Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Analyse und Dokumentation. Bd. I. Köln 1973. Bd. II. Köln 1978.

  19. Vgl. DGFK-Jahrbuch 1979/80. Zur Entspannungspolitik in Europa. Baden-Baden 1980; Heinrich Vogel. Die sowjetische Intervention in Afghanistan. Entstehung und Hintergründe einer weltpolitischen Krise. Baden-Baden 1980.

  20. Aufzeichnungen von der Konferenz im 1MEMO mit dem Forschungsinstitut der DGAP vom 16. bis 19. November 1987 (im Besitz des Verf.).

  21. Vgl. Lew Kopelew. Worte werden Brücken. Aufsätze, Vorträge, Gespräche 1980— 1985, Hamburg 1985. S. 6.

  22. Vgl. DGFK-Jahrbuch (Anm. 19); Entspannung am Ende? Chancen und Risiken einer Politik des Modus vivendi, hrsg. von Josef Füllenbach und Eberhard Schulz, München 1980.

  23. Vgl. u. a.: Reinhold Bergler. Vorurteile erkennen, verstehen. korrigieren. Köln 1976; Norbert Ropers. Tourismus zwischen West und Ost: Ein Beitrag für den Frieden?, Frankfurt-New York 1986. S. 115 ff.

  24. N. Ropers, ebd.

  25. Vgl. Arnold Sywottek. Die Sowjetunion aus westdeutscher Sicht seit 1945. in: Gotthard Niedhart (Hrsg.). Der Westen und die Sowjetunion. Paderborn 1983.

  26. Vgl. Kleines Politisches Wörterbuch. Berlin (O) 19834. S. 816 f.

  27. Vgl. G. A. Trofimenko/P. T. Podlenskij (Anm. 1).

  28. Vgl. H. -P. Schwarz (Anm. 9).

  29. Aus der Fülle der kontroversen Literatur: Helga Haften-dom. Sicherheit und Entspannung. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. 1955— 1982. Baden-Baden 1983; Uwe Nerlich/James A. Thomson (Hrsg.). Das Verhältnis zur Sowjetunion: Zur politischen Strategie der Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland. Baden-Baden 1986; Alfred Mechtersheimer/Peter Barth. Militärmacht Sowjetunion. Politik. Waffen und Strategien. Darmstadt 1985; Hannes Adomeit/Hans-Hermann Höhmann/Günther Wagenlehner (Hrsg.). Die Sowjetunion als Militärmacht. Stuttgart 1987; Wolfgang Heisenberg/Dieter S. Lutz (Hrsg.). Sicherheitspolitik kontrovers. Auf dem Weg in die neunziger Jahre. Bonn 1987; Andreas von Bülow. Die eingebildete Unterlegenheit. Das Kräfteverhältnis West—Ost. wie es wirklich ist. München 1985; Hartmut Bühl (Hrsg.), Strategiediskussion. NATO-Strategie im Wandel. Alternative Sicherheitskonzepte. Strategische Defensive. Herford-

  30. Carl von Clausewitz, Vom Kriege, hrsg. von Wolfgang Pickert und Wilhelm Ritter von Schramm. München 1963, S. 13 ff. S. 23 ff.

  31. Vgl. u. a. die Hinweise bei: Hans Wassmund. Grundzüge der Weltpolitik. Daten und Tendenzen von 1945 bis zur Gegenwart. München 1982; siehe vor allem die Literatur in Anm. 2.

  32. Vgl. Anm. 19.

  33. Vgl. Verteidigung im Bündnis. Planung. Aufbau und Bewährung der Bundeswehr 1950— 1972. hrsg. vom Militär-geschichtlichen Forschungsamt. München 1975; Hans-Adolf Jacobsen. Von der Strategie der Gewalt zur Politik der Friedenssichcrung. Beiträge zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert. Düsseldorf 1977. S. 9 ff.. S. 222 ff.

  34. Vgl. H. -P. Schwarz (Anm. 9).

  35. Ebd.; Ist der „Antikommunismus“ überholt? hrsg. von der Akademie für politische Bildung (Tutzing). November 1983 (mit Beiträgen von Richard Löwenthal. Karl Dietrich Bracher und Karl-Heinz Ruffmann).

  36. Vgl. Richard von Weizsäcker. Ansprache vom 27. Oktober 1987 im Aspen Institut (Berlin), in: Bulletin vom 29. Oktober 1987. hrsg. vom Presse-und Informationsamt der Bundesregierung.

  37. Siehe Paul Noack. Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Stutgart 19812; Helga Haftendorn/Lothar Wilker/Claudia Wörmann. Die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Berlin 1982; Raymond Poidevin, Die unruhige Großmacht. Deutschland und die Welt im 20. Jahrhundert. Würzburg 1985.

  38. Siehe W. Heisenberg, u. a. (Anm. 31).

  39. Vgl. u. a. Curt Gasteyger. Die beiden deutschen Staaten in der Weltpolitik. München 1976.

  40. Vgl. Internationale Energieversorgung und politische Zukunftssicherung. Das europäische Energiesystem nach der Jahrtausendwende: Außenpolitik. Wirtschaft. Ökologie, hrsg. vom Forschungsinstitut der DGAP. München 1987.

  41. Zur deutschen Frage: Werner Weidenfeld. Die Frage nach der Einheit der Deutschen Nation. München-Wien 1981; Karl-Ernst Jeismann (Hrsg.). Einheit — Freiheit — Selbstbestimmung. Die deutsche Frage im historisch-politischen Bewußtsein. Frankfurt 1987; Renata Fritsch-Bournazel. Das Land in der Mitte. Die Deutschen im europäischen Kräftefeld. München 1986; Rudolf Horst Brocke. Deutschlandpolitische Positionen der Bundestagsparteien. Synopse. Erlangen-Nürnberg 1985; Dieter Blumenwitz. Was ist Deutschland? Staats-und völkerrechtliche Grundsätze zur deutschen Frage und ihre Konsequenzen für die deutsche 'Ostpolitik. Bonn 1982; Die deutsche Frage aus der heutigen Sicht des Auslandes, hrsg. von Hannelore Hom und Sieglfried Mampel, Berlin 1987. Eberhard Schulz. Die deutsche Nation in Europa. Internationale und historische Dimensioinen. Bonn 1982; Die beiden deutschen Staaten im Ost-West-Verhältnis. 15. Tagung zum Stand der DDR-Forschung in «der Bundesrepublik Deutschland 1. — 4. Juli 1982. Köln 1982; Eberhard Schulz/Peter Danylow. Bewegung in der «deutschen Frage?. Bonn 19852. Vgl. auch: Bibliographie zur iDeutschlandpolitik 1975— 1982. bearbeitet, von Karsten «Schröder. Frankfurt 1983.

  42. W. Weidenfeld (Anm. 43).

  43. Vgl. B. Meissner (Anm. 1). S. 1124ff.

  44. Vgl. Radio Moskau vom 21. Dezember 1987 (Kommentar zum 15. Jahrestag der Unterzeichnung des Grundlagen-vertrages); Fred Oldenburg. „Neues Denken“ in der sowjetischen Deutschlandpolitik?, in: Deutschland Archiv. 11 (1987). S. 1154ff.

  45. Vgl. DGFK-Jahrbuch (Anm. 19). H. -A. Jacobsen (Anm. 18).

  46. Vgl. F. I. Novik (Anm. 2). S. 63ff.

  47. Vgl. Willy Brandt. Begegnungen und Einsichten. Die Jahre 1960-1975. Hamburg 1976. S. 428ff.

  48. Vgl. Helmut Schmidt. Menschen und Mächte. Berlin 1987. S. 18ff.

  49. Ebd.

  50. Vgl. Hans-Dietrich Genscher. Deutsche Außenpolitik. Ausgewählte Reden und Aufsätze 1974— 1985. Bonn 1985. S. XI ff.

  51. Ebd.. S. XIX.

  52. Vgl. Deutschlandfunk vom 12. Juli 1987 (Deutschland und die Welt). Bundespräsident Richard von Weizsäcker zu seinem Besuch in der Sowjetunion.

  53. Vgl. Generalanzeiger (Bonn) vom 31. Dezember 1987.

  54. Vgl. die Sondernummer von Sowjetunion heute (Dezember 1987): Dokumente vom Gipfeltreffen in Washington; Times vom 4. Januar 1988 (Man of the Year).

  55. Zu den Wirtschaftsbeziehungen allgemein: Ost-WestHandel am Scheideweg. Wirtschaftsbeziehungen mit der Sowjetunion und Osteuropa. Ein Sonderbericht für die trilaterale Kommission. Hamburg 1983; DGFK-Jahrbuch 1982/83. Zur Lage Europas im globalen Spannungsfeld. hrsg. von der Deutschen Gesellschaft für Friedens-und Konfliktforschung. Baden-Baden 1983 (siehe hier den Beitrag von Jan Stankowsky. Ost-West-Handel und Entspannungspolitik. S. 211 ff.); Jochen Bethkenhagen. Eine Wiederbelebung des Osthandels liegt in beiderseitigem Interesse, in: Beiträge zur Konfliktforschung. 4 (1987). S. 99ff.; ders.. Soviet-West German Economic Relations. The West German Perspective. Konferenzpapier. Washington 1984; Heinrich Machowski. Soviet-West German Economic Relations. The Soviel Perspective. Konferenzpapier, Washington 1984; Christian Meier, Deutsche-sowjetische Wirtschaftsbeziehungen (Sachstand: November 1987), Bundesinstitut für Ostwissenschaftliche und Internationale Studien, Köln 1987 (unveröffentlicht). Aus sowjetischer Sicht: Vgl. F. I. Novik (Anm. 2), S. 147 ff. (mit weiteren Literaturhinweisen auf S. 232). Ferner: J. M. Krasnov. Ot konfrontatsi k sotrudniestvy: problemi ekonomiöeskovo i nauino-techniceskovo sotrudnicestva kapitalistiCeskich i socialistiCeskich stran Evropi. Moskau

  56. Vgl. J. Bethkenhagen (Anm. 57).

  57. Vgl. F. I. Novik (Anm. 2). S. 147 ff.

  58. Ebd.; siehe auch J. Bethkenhagen (Anm. 57).

  59. Allgemein zu den bilateralen Kulturbeziehungen: Barbara Lippert. Die Auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der UdSSR 1969— 1982. Magisterarbeit Bonn 1987 (unveröffentlicht); Norbert Ropers. Tourismus zwischen West und Ost. Ein Beitrag zum Frieden?. Frankfurt 1986; vgl. auch F. I. Novik (Anm. 2). S. 190 ff.

  60. Vgl. jetzt: Dokumente zur Berlin-Frage 1967— 1986. hrsg. von Hans-Heinrich Mahnke. München 1987. S. 338 u. ö.; Gerhard Wettig. Das Viermächte-Abkommen in der Bewährungsprobe. Berlin 1981.

  61. Vgl. DGFK-Jahrbuch 1979/80 (Anm. 19).

  62. Vgl. Helmut Schäfer. Chancen für die Verbesserung des West-Ost-Verhältnisses, in: Bulletin vom 18. Dezember 1987. hrsg. vom Presse-und Informationsdienst der Bundesregierung.

  63. Vgl. F. I. Novik (Anm. 2). S. 190ff.

  64. Vgl. W. Link (Anm. 5).

  65. Vgl. M. Gorbatschow (Anm. 4); ferner seine Reden vom 27. Januar 1987. 17. September 1987 sowie aus Anlaß des 70. Jahrestages der Oktoberrevolution vom 2. und 4. November 1987. Während des Gipfeltreffens in Washington vgl. die entsprechenden Äußerungen in: Sowjetunion heute. Sondernummer Dezember 1987.

  66. Vgl. Christoph Royen. Die sowjetische Koexistenzpolitik gegenüber Westeuropa, Baden-Baden 1978.

  67. Vgl. Boris Meissner, Das Aktionsprogramm Gorbatschows. Die Neufassung des dritten Parteiprogramms der KPdSU, Köln 1987; Wadim Sagladin, Historisch unvermeidlich. in: Sowjetunion heute. (1987) 11. S. 12 ff.

  68. Ygl. M. Gorbatschow (Anm. 4). S. 193 u. ö. Vgl. auch die Äußerung von F. J. Strauß gegenüber Gorbatschow, geschichtliche Ereignisse könnten nur durch die „geschichtliche Entwicklung auf dem Wege der Evolution geändert werden — nie mehr durch das Schwert“ (dpa vom 30. Dezember 1987).

  69. Vgl.den Dialog Falin-Bowin, in: Sowjetunion heute, (1987) 12.

  70. Vgl. Lew Tolkunow, Zum 70. Jahrestag der russischen Oktoberrevolution, in: DASPARLAMENT vom 7. November 1987; Nikolai Portugalow. Der CDU fehlt das ostpolitische Bad Godesberg (ein Gespräch), in: Blätter für deutsche und internationale Politik. (1987) 11. S. 1396.

  71. Vgl. M. Gorbatschow (Anm. 4). S. 182; siehe auch Fred Oldenburg. „Neues Denken“ in der sowjetischen Deutschlandpolitik?, in: Deutschland Archiv. (1987) 11. S. 1154 ff. F. J. Strauß stellte bei seinem Moskau-Besuch Ende Dezember 1987 als besonders bemerkenswert heraus, „daß ihm Gorbatschow auf die Feststellung, die Bundesrepublik halte an einer Nation in zwei deutschen Staaten fest, nicht widersprochen habe“ (dpa vom 30. Dezember 1987).

Weitere Inhalte

Hans-AdolfJacobsen, Dr. phil., geb. 1925; o. Prof, und Direktor des Seminars für Politische Wissenschaft an der Universität Bonn. Veröffentlichungen u. a.: Mißtrauische Nachbarn. Deutsche Ostpolitik 1919— 1970. 1970; Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. 2 Bde.. 1973/78; Von der Strategie der Gewalt zur Politik der Friedenssicherung. 1977; Der Weg zur Teilung der Welt. Politik und Strategie 1939— 1945, 1978; Karl Haushofer. Leben und Werk, 2 Bde., 1979; (Mithrsg.) Bundesrepublik Deutschland und Volksrepublik Polen. Bilanz der Beziehungen, 1979; (Mithrsg.) Nationalsozialistische Diktatur 1933— 1945. Eine Bilanz 1983; Spiegelbild einer Verschwörung, 2 Bde. 1984; (Mithrsg.) Contemporary Germany, Boulder 1984; (Mithrsg.) Demokratie und Diktatur, 1987; (Mithrsg.) Die Weimarer Republik. 1987.