Ökonomische Reformen in der DDR: Geschichte — Probleme — Perspektiven
Klaus Leciejewski
/ 38 Minuten zu lesen
Link kopieren
Zusammenfassung
Die ökonomische Entwicklung der DDR verlief nicht ohne Diskontinuitäten und tiefe Einschnitte. Die Übernahme der sowjetischen Planungsmethoden erfolgte gleichzeitig mit weitgehenden Veränderungen der Eigentumsverhältnisse, die mit der Kollektivierung der Landwirtschaft im Frühjahr 1960 im wesentlichen abgeschlossen wurden. Als das Ziel der ökonomischen Überlegenheit gegenüber der Bundesrepublik nicht erreicht werden konnte, erfolgten in den sechziger Jahren weitreichende Versuche einer Reformierung der Wirtschaft durch Gewährung von mehr ökonomischer Selbständigkeit für die Wirtschaftseinheiten. Nach dem Scheitern dieses Versuchs und verschiedenen Bemühungen, durch kontinuierliche Verbesserung der Organisationsstrukturen sowie durch Verfeinerungen des Planungssystems die Effektivität der Wirtschaft nachhaltig zu steigern, befindet sich die DDR seit Mitte der achtziger Jahre vor ökonomischen Problemen, die sie nicht mehr in der althergebrachten Weise lösen kann. Nach dem Führungswechsel an der Spitze der KPdSU steht die Sowjetunion unter Michail Gorbatschow mitten in einem Versuch, durch Einbau marktwirtschaftlicher Elemente bei gleichzeitigen Ansätzen für politische Lockerungen die Produktivität ihrer Wirtschaft grundlegend zu erhöhen. Obwohl dieser Versuch sehr widersprüchlich ist, wird auch die DDR-Führung gezwungen sein, ähnliche Wege zu beschreiten. Eigenständige Innovationsfähigkeit der DDR-Wirtschaft hängt von einem vielfältigen Komplex aufeinander einwirkender Faktoren ab. Die Zulassung privater wirtschaftlicher Initiative, Preis-und Lohnveränderungen. rechtliche Unabhängigkeit und politische Bewegungsfreiheiten sind die wichtigsten Felder, die der DDR-Führung dabei zur Verfügung stehen. Die wirtschaftlichen Beziehungen der Bundesrepublik zur DDR sollten auch unter dem Gesichtspunkt gestaltet werden, derartige Veränderungen zu fördern.
I. Einleitung
Folgt man den Verlautbarungen von Spitzenpolitikern der DDR, so deutet nichts darauf hin. daß in der DDR ähnliche ökonomische Veränderungen wie in der Sowjetunion oder in anderen osteuropäischen Staaten zu erwarten sind. Die Geschichte der DDR vermittelt jedoch eine andere Erfahrung: Je stärker die Politiker in Ost-Berlin in der Öffentlichkeit aufeinem Standpunkt beharrten, desto größere Schwierigkeiten hatten sie, diesen aufrechtzuerhalten.
Die Resultate der DDR-Wirtschaft im ersten Halbjahr 1987 bieten der SED-Führung durchaus Anlaß zur Sorge. Das angestrebte Ziel der Erhöhung des Nationaleinkommens von 4, 5 Prozent im ganzen Jahr 1987 wurde im ersten Halbjahr anteilig nur zu 3 Prozent erfüllt. Die Nettoproduktion im Bereich der Industrieministerien stieg statt der anvisierten 9 Prozent nur um 6, 4 Prozent, und der Außenhandel erhöhte sich nicht um die erwarteten 6 Prozent, sondern verringerte sich um 4, 2 Prozent
Auf der Dezembertagung des Zentralkomitees der SED wurden dann auch Töne angeschlagen, die die DDR-Bevölkerung lange nicht gehört hatte. Erstmalig seit 1971 mußte eine deutliche Nichterfüllung des Planes eingestanden werden. Als Lösungsweg sollen die Investitionen im neuen Jahr erheblich erhöht werden. Derartige Investitionen wirken sich für die Versorgung der Bevölkerung jedoch nur mittel-und langfristig aus.
Wachstumsschwächen wies die DDR in der Vergangenheit schon wiederholt auf, aber heute verfügt sie nicht mehr über solche wachstumsfördernden Faktoren wie die Ausdehnung des Außenhandels oder die Ausnutzung eigener Reserven (Ersatz von Erdöl durch Braunkohle).
Auf der Tagung der Ministerpräsidenten der Mitgliedstaaten des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) am 13. und 14. Oktober 1987 in Mos-käu plädierte der sowjetische Ministerpräsident Ryschkow energisch für eine höhere Effektivität des RGW und brachte erneut die Forderung nach einer konvertiblen Währung vor Die freie Konvertibilität der Währungen widerspricht den bisherigen Vorstellungen der DDR-Führung. Noch ein Jahr zuvor hatte Erich Honecker gemeinsam mit anderen Führern osteuropäischer Staaten derartige sowjetische Forderungen abgelehnt
Die Öffentlichkeit der DDR wird über sowjetische und andere osteuropäische Reformdiskussionen nicht näher informiert. Erst seit einigen Monaten hat sich die Führung der DDR dazu durchgerungen. wenigstens die Reden von Michail Gorbatschow ungekürzt abzudrucken. Die führende ökonomische Zeitschrift der DDR, „Wirtschaftswissenschaft“. hat erst anläßlich des 70. Jahrestages der Oktoberrevolution einen Artikel des sowjetischen Ökonomen R. A. Beloussow veröffentlicht, in dem dieser das Gorbatschowsche Reformkonzept näher erläuterte. Sie verzichtete allerdings auf jeden Kommentar
Abbildung 2
Entwicklung der industriellen Bruttoproduktion (1950 = 100). Jährlicher Zuwachs in Prozent 1963 1969 6. 2 6. 2 6. 2 6. 3 5. 8 1965 1971 5. 9 5. 7 5. 3 Quelle: Materialien zum Bericht zur Lage der Nation. Bonn 1974. S. 343. Tabelle 2 1966 4. 2 1964 1967 1970 1968
Entwicklung der industriellen Bruttoproduktion (1950 = 100). Jährlicher Zuwachs in Prozent 1963 1969 6. 2 6. 2 6. 2 6. 3 5. 8 1965 1971 5. 9 5. 7 5. 3 Quelle: Materialien zum Bericht zur Lage der Nation. Bonn 1974. S. 343. Tabelle 2 1966 4. 2 1964 1967 1970 1968
Dies sind Gründe genug, über Möglichkeiten wirtschaftlicher Veränderungen in der DDR nachzudenken. Zukünftige ökonomische Bewegungen sind nicht vom Kontext der bisherigen wirtschaftlichen Entwicklung zu trennen. Gemäß der Devise historischer Forschungen „Blick zurück in die Zukunft“ bietet es sich an, die Grundlinien der Wirtschaftsgeschichte der DDR nachzuvollziehen, um Möglichkeitsfelder zukünftiger Entwicklungen bestimmen zu können.
II. Die ökonomische Entwicklung der DDR von 1945 bis zum Beginn der sechziger Jahre
Abbildung 3
Wachstumsraten des Nationaleinkommens von 1963 bis 1971 in Prozent 4, 6 5, 0 1964 1967 4. 7 5, 0 5, 2 1965 1968 1971 Quelle: Materialien zum Bericht zur Lage der Nation, Bonn 1974, S. 342. 4, 5 4. 3 Tabelle 3 1963 1966 1969 3. 5 1970 6, 1
Wachstumsraten des Nationaleinkommens von 1963 bis 1971 in Prozent 4, 6 5, 0 1964 1967 4. 7 5, 0 5, 2 1965 1968 1971 Quelle: Materialien zum Bericht zur Lage der Nation, Bonn 1974, S. 342. 4, 5 4. 3 Tabelle 3 1963 1966 1969 3. 5 1970 6, 1
Die ökonomische Entwicklung der DDR verlief nicht ohne Diskontinuitäten und tiefe Einschnitte. Ihre Wirtschaftsgeschichte ist nicht ohne weiteres mit der Wirtschaftsgeschichte westlicher Staaten — und was liegt näher als die Bundesrepublik — zu vergleichen.
Bereits 1945 wurde Kurs auf die Veränderung der Eigentumsordnung und der politischen Strukturen genommen. Auch wenn es immer noch Spekulationen über die konkreten politischen Absichten gibt, die Stalin im Hinblick auf die Zukunft des sowjetisch besetzten Teiles Deutschlands hatte, war die sowjetische Wirtschaftspolitik von Anfang an eindeutig. Die Bodenreform (September 1945) und die Volksabstimmung in Sachsen über die Enteignung der Betriebe von „Kriegs-und Naziverbrechern“ (Juni 1946) sowie die Bildung der Volkseigenen Betriebe (VEB) wären ohne die sowjetische Besatzungsmacht nicht möglich gewesen, auch wenn eine antikapitalistische Stimmung in einem erheblichen Teil der Bevölkerung vorhanden war. Im Rahmen ihrer Reparationsforderungen wandelte die Sowjetunion etwa 200 wichtige Industrie-betriebe in 25 Sowjetische Aktiengesellschaften (SAG) um. 1948 kamen aus den SAG und VEB schon zwei Drittel der Industrieproduktion Weitere Enteignungen auf indirektem Wege über Steuererhöhungen und andere ökonomische Regelungen folgten. Wurden in privaten Betrieben der Industrie und des produzierenden Handwerks (ohne Bauhandwerk) 1950 immerhin noch 31, 8 Prozent vom gesamten Nettoprodukt dieses Bereiches hergestellt. so war dieser Anteil 1982 auf nur noch 2. 2 Prozent gesunken Im Juni 1947 veranlaßten die sowjetischen Besatzungsbehörden die Gründung der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK), um der SED einen stärkeren wirtschaftsorganisatorischen Einfluß zu ermöglichen. Ein Jahr später wurde von dieser Kommission der erste Zweijahrplan (1949 bis 1950) verabschiedet. Nach der Gründung der DDR im Oktober 1949 entstand aus der DWK das Ministerium für Planung, das den ersten Fünfjahrplan (1951 — 1955) erarbeitete Dabei wurden weitgehend Struktur und Methoden der sowjetischen Planung übernommen, obwohl sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten der DDR von denen der Sowjetunion erheblich unterschieden. Durch die deutsche Teilung waren jahrhundertelang gewachsene, arbeitsteilig hochorganisierte Strukturen auseinandergerissen worden. Während die Wirtschaft der DDR zu einem eigenständigen Organismus gestaltet werden mußte, stand man gleichzeitig vor dem Problem, Erfahrungen mit der konkreten Leitung dieser Wirtschaftsform erst noch erwerben zu müssen. Ein häufiges Auf und Ab in den Organisationsstrukturen der Wirtschaftsleitung und den gesamten ökonomischen Regelungen war die Folge Die systemeigenen ökonomischen Probleme einer sozialistischen Planwirtschaft waren auch in der DDR von Anfang an vorhanden. Die Intensität, mit der sie hervortraten, nahm mit dem Ausbau der gesamtstaatlichen Planung zu. Im wesentlichen bestehen diese Probleme in der Ausschaltung jeglicher ökonomischer Selbständigkeit und eigenständiger wirtschaftlicher Verantwortung der Unternehmen bzw.des einzelnen; daraus folgen: fehlende ökonomische Konkurrenz, mangelnde Rentabilitätsorientierung und ein verzerrtes Preissystem. Der Sozialismus ist deshalb nicht in der Lage, eine eigene ökonomische Dynamik hervorzubringen.
Auf dem Hintergrund der deutschen Teilung orientierte sich die Wirtschaftspolitik der DDR am Niveau der Bundesrepublik, vor allem am dortigen Stand der Arbeitsproduktivität und der Konsumgüterproduktion. Die Existenz der DDR wird durch ihre Führung mit der Behauptung legitimiert, über bessere politische und wirtschaftliche Voraussetzungen zur Entwicklung eines jeden Bürgers zu verfügen als die Bundesrepublik. Damit ergab sich schon frühzeitig die Notwendigkeit eines ökonomischen Vergleichs und Wettbewerbs mit der Bundesrepublik. Als sich während des zweiten Fünfjahrplans (1956— 1960) zeigte, daß sich die hochgesteckten Ziele, die Bundesrepublik zu überholen, nicht realisieren ließen, wurde versucht, durch eine längerfristige Planung auf das bundesdeutsche ökonomische Entwicklungsniveau zu gelangen Die SED-Führung hoffte, am Ende einer Siebenjahrplanperiode (1959— 1965) in der Konsumgüterversorgung die bundesdeutsche Pro-Kopf-Produktion zu erreichen. Ausgehend von diesem Ziel wurden für die einzelnen Jahre die erforderlichen wirtschaftlichen Steigerungsraten festgelegt. Einzelne Wirtschaftsbereiche, von denen man die entscheidenden Wachstumsimpulse erwartete, wie z. B. die chemische Industrie, wurden besonders stark aus-gebaut. Die gesamte Wirtschaftsorganisation und auch das Planungssystem wurden aber im wesentlichen unverändert beibehalten. Zwar erfolgten auch während dieses Siebenjahrplans, wie bereits zuvor im zweiten Fünfjahrplan, einzelne Modifikationen der Organisationsstruktur, es wurde auch versucht, das Plansystem zu verbessern, doch das alles bewegte sich im Rahmen der bisherigen direkten, zentralen Abhängigkeitshierarchie und der traditionellen Mengenplanung Die Verlängerung der Planperiode und damit eine exakte zeitliche Auf-gliederung der Planziele konnten an den inneren Problemen der Planung nichts verändern.
Seit dem Ende der fünfziger Jahre konnten die Wachstumsraten nicht mehr gesteigert werden und gingen Anfang der sechziger Jahre deutlich zurück.
Obwohl die Investitionen von 1956 bis 1962 ständig zugenommen hatten, konnte damit kein entsprechendes Wachstum erzielt werden Ein steigender Teil der Investitionen floß in die Lagerhaltung, und der Materialverbrauch pro Produkt nahm zu 13). Einige Mitglieder der Parteiführung erkannten jetzt, daß die bisherigen Planungsmethoden und Organisationsstrukturen eine weitere Steigerung der ökonomischen Effektivität behinderten.
III. Die Wirtschaftsreformen der sechziger Jahre
Abbildung 4
Jahr 1975 G 128 156 160 Jahr 1982 1984 1985 G 211 221, 2 E Quelle: Wirtschaftswissenschaft, (1987) 3. S. 365 und S. 368. Tabelle 4 Geldfonds (G) und Einzelhandelsumsatz (E) 1970 bis 1985 in Prozent 1970 1980 1981 100 141, 9 186, 1 192, 1 E 100 1983 200, 4 231, 9 162 163 170 177
Jahr 1975 G 128 156 160 Jahr 1982 1984 1985 G 211 221, 2 E Quelle: Wirtschaftswissenschaft, (1987) 3. S. 365 und S. 368. Tabelle 4 Geldfonds (G) und Einzelhandelsumsatz (E) 1970 bis 1985 in Prozent 1970 1980 1981 100 141, 9 186, 1 192, 1 E 100 1983 200, 4 231, 9 162 163 170 177
Mit dem Bau der Berliner Mauer am August 1961 wurde die Abwanderung von Arbeitskräften gewaltsam unterbunden und so eines der größten ökonomischen Probleme beseitigt. Die damit verbundenen politischen Turbulenzen verebbten bis Anfang 1963. Mit neugewonnener politischer Stabilität und ökonomischer Bewegungsfreiheit hoffte die SED-Führung, durch weitreichende Veränderungen in den wirtschaftlichen Strukturen die ökonomische Überlegenheit des Sozialismus unter Beweis stellen zu können.
Nachdem bereits 1961 begrenzte organisatorische Veränderungen auf der obersten Planungsebene und einige Preiskorrekturen eingeleitet worden waren. die ohne ökonomisch relevante Resultate blieben. konnten die bisherigen Methoden nicht mehr beibehalten werden. Das starre sowjetische System der Mengenplanung, in dem die Wertkategorien Rentabilität und Gewinn nur eine periphere Bedeutung besaßen, hatte seine Ineffektivität bewiesen. Ohne es offen auszusprechen, hatte man den grundlegenden Mangel jeder zentralstaatlichen Planung erkannt: die ungenügende Motivation der individuellen Verantwortung und Leistungsbereitschaft. Es lag daher nahe, bei dem der starren Zentralplanung entgegengesetzten Wirtschaftssystem, der Marktwirtschaft, Anleihen aufzunehmen, also Elemente der Konkurrenz in das eigene System einzubauen. Ideologische Hilfestellung leisteten dabei sowjetische Diskussionen über den Zusammenhang von Plan und Wertkategorien Die Führung der DDR leitete 1963 verschiedene Reformmaßnahmen zur Dezentralisierung des ökonomischen Systems ein. Ein „Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft“ (NÖS) sollte die ökonomische Überlegenheit des Sozialismus auf deutschem Boden definitiv beweisen. Wie schon bei dem 1962 endgültig abgebrochenen Siebenjahrplan wurde mit dem NÖS ein überdurchschnittlicher Zuwachs des Nationaleinkommens angestrebt. Von den sowjetischen Diskussionen ausgehend, bestand der Grundgedanke der Wirtschaftsreform in der DDR darin, durch Gewährung größerer ökonomischer Selbständigkeit und Verantwortung der Wirtschaftseinheiten ein höheres Wachstum zu erreichen. Die ökonomische Hauptaufgabe lag jetzt in der Steigerung der Arbeitsproduktivität auf das Niveau der Bundesrepublik
Die größte Schwierigkeit, vor der die Staatsplaner immer gestanden hatten, war die exakte Einschätzung der Rentabilität der Produktion im Vergleich der einzelnen Betriebe und Unternehmen. Zur Messung dieser Effektivität verfügte man über kei-
nen Maßstab, der an alle Einheiten gleichermaßen anzulegen war. Vor Einführung des NÖS gab die zentrale Planung den Betrieben verschiedene Produktionsziele vor, die sowohl naturale Größen (z. B. eine bestimmte Menge von Produkten in bestimmter Qualität) als auch Geldeinheiten (z. B. eine bestimmte Lohnsumme oder Preise der Produkte) beinhalteten. Beide können aber ganz entgegengesetzte ökonomische Effekte hervorrufen. Daher legte das NÖS den erzielten Gewinn als Maßstab der Effektivität der Betriebe fest. Innerhalb der Planung wurden den Betrieben nur noch wenige zentrale Kennziffern vorgegeben, um so die eigene Entscheidungsfähigkeit zu vergrößern Die bisher schon bestehenden Vereinigungen Volkseigener Betriebe (WB) sollten durch ihre finanzielle Selbständigkeit zu „sozialistischen Konzernen“ umgestaltet werden. Die wirtschaftliche Kompetenz sollte von der zentralen Ebene der Ministerien und der obersten Planungsbehörde (StaatUche Plankommission) auf eine mittlere Ebene verlagert werden. Die Unternehmen sollten die zur Planerfüllung erforderlichen finanziellen Mittel selbständig erwirtschaften.
Die verschiedenen monetären Reformmaßnahmen bezeichnete man als „ökonomische Hebel“. Im Mittelpunkt des Systems der ökonomischen Hebel sollte der Gewinn stehen. In der Richtlinie für das NÖS vom 15. Juli 1963 heißt es dazu: „Der Gewinn dient als Finanzierungsquelle für die erweiterte Reproduktion. In dieser Funktion soll er im Industriezweig voll zur Wirkung kommen. Der Gewinn soll vollständig zur Finanzierung der planmäßigen Aufgaben des Zweiges und seiner Betriebe eingesetzt werden. Soweit die planmäßigen Investitionen und Erhöhungen der eigenen Umlaufmittel geringer als der realisierte Gewinn sind, ist der Teil des überschießenden Gewinnes an den Staatshaushalt abzuführen.“ Es war offensichtlich, daß sich das ganze System marktwirtschaftlicher Kriterien bediente. Das verleitete westliche Beobachter zu der Annahme, die DDR wolle kapitalistische Rationalitätskriterien einführen. Sie sehen dabei eine zentrale Naturalplanung als sozialistisch und Geldwirtschaft als kapitalistisch an. Eine Entgegensetzung der Wirtschaftssysteme aufdieser abstrakten Ebene trägt jedoch zum Verständnis der ökonomischen Bewegung beider Gesellschaften nur wenig bei — auch die DDR könnte ohne Geldwirtschaft nicht existieren. Die Reformmaßnahmen hatten zu einem Anstieg der Produktion in wichtigen Bereichen und zur Verbesserung anderer ökonomischer Indikatoren geführt. Das wurde als Bestätigung des eingeschlagenen Reformweges verstanden. Andererseitswar die Verbesserung aber nicht groß genug, um die ehrgeizigen Produktionsziele zu erreichen. Die industrielle Bruttoproduktion ging nach den ersten Jahren sogar leicht zurück.
Für die Parteiführung unter dem maßgeblichen Einfluß Walter Ulbrichts bzw.seiner Berater bestanden die Wachstumsschwierigkeiten in der noch unzureichenden Stringenz der Reform. Gleichzeitig dokumentierten deren Erfolge für die politische Führung der DDR aber auch das Erreichen einer neuen Etappe der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung im Sozialismus. Es war klar, daß das Ziel einer kommunistischen Gesellschaft in weiter Feme lag — die Notwendigkeit weiterer ökonomischer Reformen wurde daher mit einer ideologischen Neuorientierung verbunden. Auf dem VII. Parteitag der SED im April 1967 verkündete Ulbricht die neue Sprachregelung. Der Sozialismus in der DDR wurde als eine „relativ selbständige Gesellschaftsformation“ verstanden, womit die Orientierung an der Perspektive des Kommunismus in den Hintergrund rückte. Das Ziel sei jetzt, ein „entwickeltes gesellschaftliches System des Sozialismus" zu schaffen Wirtschaftspolitisch fungierte die neue Etappe unter der Bezeichnung „Ökonomisches System des Sozialismus“ (ÖSS). die das NÖS ablöste
Die Maßnahmen waren jedoch in sich sehr widersprüchlich. Durch verstärkte Förderung der soge-nannten „strukturbestimmenden Bereiche“ (Maschinen-und Fahrzeugbau, chemische Industrie. Elektrotechnik/Elektronik/Gerätebau) sollte die volkswirtschaftliche Entwicklung eine neue Qualität und ein höheres Wachstumstempo erreichen. Den strukturbestimmenden Bereichen wurden die Produktionsziele und die Verwendung der Investitionsmittel zentral vorgeschrieben. Andererseits wurde das finanzielle Instrumentarium weiter ausgebaut. um die indirekten Steuerungselemente über Preis. Zins und Kredit besser wirksam werden
zu lassen. Erneute Umstellungen in der Organisationsstruktur der obersten Planungsbehörde und des Bankwesens waren darin eingeschlossen Die Industriepreise wurden zwischen 1964 und 1967 in drei Etappen neu festgesetzt. Die Betriebe und Unternehmen sollten ihre Preisbildung nach den eigenen Kosten richten, wozu auch die stärker am Ertrag orientierte Kreditvergabe und die Berücksichtigung der Zinshöhe gehörten. Ein System steuerähnlicher Abgaben sollte zur besseren Kalkulation und betrieblichen Effektivität führen. Grundlegend war dabei die Vorstellung, daß sich ökonomische Effektivität automatisch ergeben würde, wenn nur das Gesamtsystem der Regelungen in sich schlüssig sei. So wurde von der Wirtschaft verlangt, die Industriepreise auf der Basis der sogenannten Fonds zu bilden. Das heißt, sämtliche Aufwendungen der Betriebe sollten exakt erfaßt werden, um dann mit Hilfe einer mathematischen Formel den „ökonomisch gerechtfertigten Preis“ zu ermitteln -Diese Fondspreisbildung bestand freilich nur in den Köpfen der Planungs-und Preistheoretiker. Sie ließ sich niemals praktisch durchführen, weil jeder Betrieb bestrebt war, zum eigenen Vorteil einen Höchstpreis zu erzielen. Die Fondspreise sollten exakte Kosten-Nutzen-Relationen zwischen den Produkten wiedergeben. Diese sind in der Realität aber stets schwankend, weil sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage ändert. Eine Konkurrenz war jedoch nicht vorhanden. Die Betriebe mußten die Preise durch eine zentrale Instanz, das Amt für Preise, bestätigen lassen, so daß ein funktionierendes ökonomisches System der Preisbildung nicht entstehen konnte. In der Tendenz führte die angestrebte Fondspreisbildung lediglich zu (ökonomisch nicht gerechtfertigten) Preissteigerungen Die ökonomischen Reformen sollten Bestandteil einer gesamtgesellschaftlichen Veränderung sein. Man war tatsächlich der Überzeugung, daß es möglich sei, ein neues System zu schaffen, das durch eine Koppelung von Markt und Plan eine eigenständige Dynamik hervorbringen sollte. Nach ersten Erfolgen einer Konsolidierung der Wirtschaft zeigte sich am Ende des Jahrzehnts, daß die mit der Reform angestrebte stabile, gleichmäßige proportionale Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung nicht erreicht worden war Die Kapitalintensität der gesamten Wirtschaft war in der Bundesrepublik von 1960 bis 1970 um 73, 5 Prozent gestiegen, in der DDR nur um 39, 4 Prozent Das eigentlich angestrebte Wirtschaftsziel, den Standard der Bundesrepublik zu erreichen, war in weite Feme gerückt.
Als die Wirtschaftseinheiten begannen, ihren größeren Entwicklungsspielraum auszunutzen, verfolgten sie unwillkürlich andere Ziele als die zentrale Wirtschaftsplanung. „Statt einer durch schnelle Effizienzsteigerung bewirkten Entlastung des Marktes und Verminderung der Lieferengpässe war die Folge des Aufeinanderprallens der autonomen Bestrebungen der Produktionseinheiten (VEB, Kombinate. WB) zur Maximierung ihrer Gewinne mit dem Ziel hoher Prämieneinkommen auf der einen und den staatlichen Bestrebungen zur Durchsetzung strukturpolitischer Produktionsschwerpunkte auf der anderen Seite eine zunehmende Konkurrenz zentraler und dezentraler Stellen um die immer knapper werdenden Ressourcen.“ Die Strukturpolitik hatte die Zulieferindustrien vernachlässigt. Die Hoffnung, daß dort auf Grund der gewachsenen Selbständigkeit ein Produktivitätsschub eintreten würde, erwies sich als Illusion. Weder in der erforderlichen Anzahl noch in der notwendigen Sortierung standen Halbfabrikate zur Verfügung. Dasselbe traf auf die Konsumgüterindustrie zu. Die Bankguthaben der DDR-Bürger betrugen 1960 ungefähr 39 Prozent des Wertes der vom Einzelhandel verkauften Waren. 1970 hatte sich dieser Betrag auf 81 Prozent mehr als verdoppelt Auch die hohen Investitionen in den strukturbestimmenden Zweigen erbrachten nicht die erwarteten Resultate. Der Ausbau der Energiewirtschaft hielt mit dem steigenden Bedarf nicht mehr Schritt.
Für weitergehende Reformmaßnahmen waren die politischen Bedingungen nicht vorhanden. Die Erinnerung an die Entwicklung in der Tschechoslowakei 1968 war noch sehr wach. Die DDR war dabei.
auf dem Weg zu ihrer internationalen Anerkennung neues außenpolitisches Terrain zu gewinnen. Die Risiken der Reformpolitik wurden nun höher bewertet als die Notwendigkeit, den Reformprozeß zu intensivieren. Gleichzeitig hatten die Erfahrungen bei der Planung mit finanziellen Instrumentarien gezeigt, daß eine noch bessere Feinabstimmung möglich war. Vor allem aufgrund erheblicher Mängel in der Versorgung der Bevölkerung und von Disparitäten in der Entwicklung verschiedener Wirtschaftszweige, zog die DDR-Führung Ende 1970 die Notbremse und schränkte den Spielraum der Betriebe erneut ein. Die zentralen Vorgaben überwogen nun wieder ganz erheblich. Der Gewinn verlor seine erstrangige Bedeutung und wurde neben andere wichtige Kennziffern (z. B.den Materialverbrauch) gestellt. Planung und ökonomische Organisation folgten Rezentralisierungstendenzen Die bisher am intensivsten diskutierte und beachtete Periode in der wirtschaftlichen Entwicklung der DDR war beendet. Waren für das Scheitern der Reform des NÖS und ÖSS ihre Inkonsequenzen verantwortlich? Kann eine Verbindung von zentraler staatlicher Planung und Eigenverantwortung der Betriebe zu größerer ökonomischer Effektivität führen? Sind die Bedingungen dafür, daß das Gewinnstreben der Unternehmen die gesamtgesellschaftlich erwünschten Resultate erbringt, überhaupt vorhanden? Stößt die Verstärkung marktwirtschaftlicher Elemente nicht ständig an die Grenzen der politischen Grundlagen dieses Systems, oder vermag sie gerade diese Grenzen weiter hinauszuschieben? Diese Fragen lassen sich an jede sozialistische Wirtschaftsreform richten. Sie sind symptomatischer Natur. Kein einziger sozialistischer Staat konnte bisher selbständig ökonomische Dynamik hervorbringen. Die politischen Grundlagen des Systems, welche für seine ökonomischen Strukturen verantwortlich sind, ermöglichen dies nicht. Gleichzeitig hat die Entwicklung in einigen sozialistischen Staaten gezeigt, daß ihr Gesellschaftssystem unter bestimmten gesellschaftlichen und politischen Bedingungen durchaus zu einer nachholenden Industrialisierung fähig ist. dies jedoch immer nur in Korrelation zur Entwicklung der hochindustrialisierten Marktwirtschaften. Der ökonomischen Dezentralisierung in der DDR stand nicht gleichermaßen eine politische Liberalisierung zur Seite. Das Gegenteil war der Fall. Als der Wissenschaftler Robert Havemann, der Lieder-macher Wolf Biermann und der Schriftsteller Stefan Heym Kritik an einzelnen Erscheinungsformen des sozialistischen Systems übten, wurden sie durch die SED-Führung in einer ZK-Sitzung am 14. Dezember 1965 scharf angegriffen Die erweiterte ökonomische Selbständigkeit blieb aber ohne ein größeres Maß an politischer Liberalisierung auf Dauer wirkungslos. Man kehrte jedoch auch nicht zum Stand von 1963 zurück, da die Wirtschaftsreform gezeigt hatte, daß für eine effiziente Wirtschaftsorganisation und eine detaillierte zentrale Planung noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft waren.
IV. Die Wirtschaft der DDR seit den siebziger Jahren
Seit 1971 wurde eine so umfassende Wirtschaftsreform wie in den sechziger Jahren nicht wieder in Angriff genommen, ja die DDR vermied in ihrer Selbstdarstellung überhaupt die Verwendung des Begriffs „Reform“, obgleich auch später verschiedene Änderungen des Planungssystems erfolgten
Die Reform hatte auch Veränderungen mit sich gebracht, die nicht wieder zurückgenommen wurden, beispielsweise betraf dies die differenzierte Anwendung des gesamten finanziellen Instrumentariums. Nach dem Abbruch der Reform wurde der
Versuch unternommen, die Planungstechniken zu verbessern. So wurden in den Jahren nach 1971 zahlreiche organisatorische Veränderungen und Modifizierungen des Planungssystems vorgenommen. Das veranlaßte einige Autoren, von einer „Reform in kleinen Schritten“ zu sprechen, die sich im Wirtschaftssystem der DDR vollzogen habe und in den achtziger Jahren weiterhin andauere Dabei darf aber nicht verkannt werden, daß Dimension und Zielrichtung der Reform von 1963 bis 1970 weder angestrebt noch erreicht worden sind Die Planungszentrale versuchte, moderne Erkenntnisse der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in ihre Planungsmethoden aufzunehmen. Das führte zu einer breitgefächerten Bilanzierung der einzelnen
Planteile und Kennziffern. Außerdem sollten durch stärkere Gewichtung einzelner Kennziffern Leistungsanreize geschaffen werden. Dieses Ziel wurde durch eine kontinuierlich ausgebaute Sozialpolitik, die den Wohnungsbau förderte, Urlaubsregelungen und Freistellungszeiten ausdehnte. Rentenerhöhte und qualitativ bessere Konsumgüter zur Verfügung stellte, angestrebt. Seit dem VIII. Parteitag der SED (Juni 1971) soll die ökonomische Entwicklung durch die „Einheit von Wirtschaftsund Sozialpolitik“ gekennzeichnet sein. Damit verband sich vor allem eine ideologische Offensive, die auf Herausbildung eines eigenen DDR-Selbstbewußtseins ausgerichtet war, das u. a. durch eine stärkere Konsumorientierung geprägt wird Eine sehr variable Preispolitik wurde mit einer teilweise sehr rigiden Mengensteuerung gekoppelt. Kontinuierlich wurden die Industrie-, Großhandels-und Konsumgüterpreise verändert, um Produktionsverbrauch und Konsumtion beeinflussen zu können. Durch Quotenregelungen, die beispielsweise nach dem zweiten Ölpreisschock von 1979 den Energie-und Kraftstoffverbrauch der Wirt-schaftsuntemehmen und staatlichen Institutionen drastisch begrenzten, wurden diese Maßnahmen ergänzt.
Die Vielfalt dieser Detailregelungen und ihre häufigen Veränderungen ließen sie außerhalb der DDR wenig spektakulär erscheinen. Ganz anders verhielt es sich demgegenüber mit der grundsätzlichen Umwandlung der Unternehmensstruktur. 1978 wurde die bereits seit einigen Jahren veranlaßte Auflösung der WB und die Bildung von großen Kombinaten konsequent durchgeführt. Sowohl ökonomische Gigantomanie (aus dem Sozialismusverständnis resultierend) als auch eine effektivere Produktion (einheitliche Leitungsstruktur) spielten dabei eine Rolle. Zweifelsohne halfen diese Strukturveränderungen in Verbindung mit den erwähnten Verfeinerungen der Planung der DDR, die negativen Auswirkungen ihrer inneren ökonomischen Probleme für einige Zeit hinauszuzögem. 1986 existierten 127 zentralgeleitete Kombinate in der Industrie, 21 im Bauwesen, 3 im Verkehr, 12 in der Land-, Forst-und Nahrungsgüterwirtschaft und 8 in anderen Bereichen. 143 Kombinate wurden regional geleitet Die Grenzen einer derartigen Konzentration zeigten sich sehr deutlich in der Landwirtschaft. Der
Versuch, durch Riesenbetriebe, sogenannte Agrar-Industrie-Vereinigungen. die Agrarproduktion zu steigern, scheiterte. 1981 wurden diese Vereinigungen wieder entflochten, und die SED-Führung begann verstärkt die bäuerliche Privatproduktion, beispielsweise durch Preisanreize, zu fördern
Die seit 1971 erfolgten Modifikationen des Planungssystems und der Organisationsstruktur vermochten nicht, die DDR an den Stand der technischen Entwicklung der Bundesrepublik bzw.der hochindustrialisierten westlichen Staaten heranzuführen. Die Entwicklung der Arbeitsproduktivität ist dafür ein sicherer Indikator. Die Arbeitsproduktivität der DDR-Industrie erreichte 1970 48 Prozent des Niveaus der Bundesrepublik. Nach einem Rückgang Mitte der siebziger Jahre lag die Arbeitsproduktivität in der DDR 1983 im Vergleich zur Bundesrepublik bei 47 Prozent Der Wettbewerb mit der Bundesrepublik erfolgte in der Selbstdarstellung der DDR immer weniger auf ökonomischem Gebiet. Er wurde vor allem ideologisch geführt. indem die Verhältnisse in der DDR einseitig beschönigt dargestellt wurden und in der Berichterstattung über die Bundesrepublik allein Krisen-merkmale herausgestellt wurden. Durch aus dem Gesamtzusammenhang gerissene Preisvergleiche einzelner Konsumgüter soll eine angeblich bessere Sozialordnung der DDR bewiesen werden
Anfang der achtziger Jahre sollte durch eine erneute Modifikation des Planungssystems eine Senkung des ökonomischen Aufwands sowie eine bessere nationale und internationale Marktorientierung der Kombinate erreicht werden. Seit 1984 wird die Produktion der Betriebe vor allem an vier staatlich vorgegebenen Zielen orientiert: der Nettoproduktion.dem Nettogewinn, den Erzeugnissen und Leistungen für die Bevölkerung und dem Export. Mit diesen vier Kennziffern soll ein besserer Effektivitätsvergleich der Betriebe untereinander ermöglicht werden. Da ein einziges Kriterium, eine integrierte Kennziffer, nicht möglich ist, aber auch eine Vielzahl verschiedener Parameter die Betriebe nicht zu größerer Produktivität veranlaßt, hofft man, durch Konzentration auf die wichtigsten Kennziffern einen tragfähigen Kompromiß gefunden zu haben Konnte die DDR-Führung seit 1971 mit ihrer Wirtschaftspolitik größere wirtschaftliche Ungleichheiten vermeiden, so hat sich das Bild heute geändert. Damals unterstützten etliche begleitende Faktoren diese Entwicklung ganz erheblich: — Geldleistungen aus der Bundesrepublik ohne entsprechende Warenlieferungen, — internationale Kredite.
— zusätzliche Konsumanreize auf ausgewählten Gebieten, — sinkende Bevölkerungszahlen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände war die Wirtschaftspolitik der Parteiführung in begrenztem Rahmen für die Systemstabilisierung erfolgreich. Heute weisen verschiedene Sachverhalte darauf hin. daß diese Periode zu Ende geht. Die DDR befindet sich gegenüber der Sowjetunion und den anderen Ostblockstaaten nicht in einer Situation der „splendid isolation“. Einige großangelegte Programme zur Überwindung des Produktivitätsrückstandes. beispielsweise in der Mikroelektronik oder in der Biotechnologie, sind hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die mit der Konzentration der Planungsvorgaben auf vier Kennziffern verbundenen Hoffnungen, den ökonomischen Anreiz zu erhöhen und über eine bessere Vergleichbarkeit der Kombinate exaktere Informationen zur Planung zu erhalten, haben sich nicht erfüllt. In einer Studie wird dazu festgestellt: „Unzureichende Leistungen der Forschungspotentiale, technologische Rückstände gegenüber dem Weltmarkt, eine innovationsfeindliche Wirtschaftspraxis in den Betrieben und Kombinaten geben Anlaß zu der Vermutung, daß dem realexistierenden Sozialismus der DDR eine neue hausgemachte Krise bevorsteht: die Innovationskrise.“ Die DDR hat zunehmend Schwierigkeiten, dem rasanten internationalen technischen Fortschritt der letzten Jahre in der ganzen Breite ihres Produktionsspektrums zu folgen Sie konkurriert auf den internationalen Märkten nicht mehr mit den industriell entwickelten Nationen, sondern mit den Schwellenländern Einen erheblichen Anteil ihres Exporterlöses der letzten Jahre erzielte sie aus der Verarbeitung importierten Rohöls und dem Reexport der Erdölprodukte Ihre Nettoverschuldung nahm wieder zu Auch auf anderen Gebieten zeigen sich die erhebUchen Rückstände der DDR gegenüber industriell entwickelten Staaten, vor allem der Bundesrepublik. Während 1982 in der Bundesrepublik etwa 10 Prozent aUer Schüler und Studenten eine Hoch-—die Anfang der siebziger Jahre erfolgte Westöffnung, besuchten, waren es in der DDR nur 4 Prozent Einige der Probleme lassen sich statistisch gar nicht erfassen, oder es wird versucht, diese zu kaschieren. So weiß der Verfasser aus eigener langjähriger Erfahrung im Hochschulbetrieb der DDR, daß es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden ist, jedem Hochschulabsolventen einen seiner Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen. In der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung soll jetzt versucht werden, dieses Dilemma durch eine praxisnähere Ausbildung zu vermeiden, was aber die wissenschaftliche Qualität beeinträchtigen dürfte Die DDR kann ihr „Humankapital“ in immer größerem Umfang nicht mehr ökonomisch einsetzen. Als die DDR-Führung Mitte der siebziger Jahre eine umfangreiche Differenzierung des Konsumgüterangebots einleitete, führte das größere Angebot sogenannter hochwertiger Konsumgüter zweifelsohne auch zu einer Verstärkung der Leistungsanreize. Da es aber nicht möglich war, diesen Kurs weiterzuentwickeln, gingen diese Effekte erheblich zurück. Die Geldfonds der Bevölkerung wuchsen erheblich schneller als der Einzelhandelsumsatz:
In einer Analyse der voraussichtlichen Entwicklung der DDR-Wirtschaft von 1986 bis 1990 schrieb das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung: „Die Bevölkerung wird es im allgemeinen auch begrüßen, wenn hochwertige Waren überhaupt in größerem Umfang angeboten werden. Diese Preispolitik ist aber differenziert zu beurteilen: Für untere Einkommensklassen, denen die billigen hochsubventionierten Güter zugute kommen sollen, sind die höherwertigen Waren wegen der sehr hohen Preise häufig unerreichbar. Die mittleren und höheren Einkommensschichten dagegen profitieren ohne Notwendigkeit von den niedrigen Preisen im Grundbedarf. Diese Subventionierung führt allgemein zur Verschwendung.“ Dazu ist aber zu ergänzen, daß die mittleren und höheren Einkommensklassen nach dem in der Bundesrepublik übli-chen Verständnis von Einkommensunterschieden außerordentlich klein sind.
Die Preis-und Konsumgüterpolitik weist auf ein anderes Merkmal der aktuellen Situation hin. Die ideologische Legitimierung der Existenz der DDR war und ist für ihre Führung ein entscheidender Faktor der Systemstabilisierung. Aus verschiedenen Gründen verringert sich die Wirksamkeit ideologischer Propaganda. Die Desillusionierung auf dem Konsumgütersektor wird vertieft durch die Erfahrungen, die ein wachsender Teil von DDR-Bürgern bei Reisen in die Bundesrepublik gewinnen kann. Das Zurückbleiben der Wirtschaftsentwicklung hinter den angekündigten hochgesteckten Zielen wirkt ernüchternd auf die mittlere und ältere Generation, aus denen sich die jetzt noch staatstragenden Schichten rekrutieren. Für die jüngere Generation läßt sich der wirtschaftliche Erfolg der DDR nicht durch Vergleiche mit anderen sozialistischen Staaten plausibel vermitteln. Hier zählt nur der Vergleich mit der Bundesrepublik, der jedoch bei Aufrechterhaltung der bisherigen ökonomischen Mechanismen immer mehr zuungunsten der DDR ausfällt. Die fast vierzigjährige Existenz der DDR hat „zu einem Verlust an gesellschaftlicher Perspektive“ geführt. „Nicht zu erkennen ist bislang, wie das wachsende Defizit an identitätsstiftender konkreter Utopie auszugleichen sein wird. Und nicht zu erkennen ist deshalb auch, mit welcher ideologisch-politischen Motivation die Parteiführung Partei und DDR-Gesellschaft künftig auszurüsten gedenkt.“ Die Auswirkungen des Verlustes an ideologischer Glaubwürdigkeit auf ökonomische Leistungsanreize lassen sich allerdings statistisch nicht nachweisen.
V. Möglichkeitsfelder wirtschaftspolitischen Handelns
1. Initiator Sowjetunion Seitdem Michail Gorbatschow im März 1985 zum Generalsekretär der KPdSU gewählt worden ist, versucht er in einem die ganze Welt überraschenden Tempo, verlorenes Terrain für die Sowjetunion zurückzugewinnen. Der Schwerpunkt innenpolitischer Veränderungen liegt aufwirtschaftlichem Gebiet. Seit dem 1. Januar 1988 gelten in weiten Bereichen der sowjetischen Wirtschaft neue gesetzliche Bestimmungen. Nachdem Gorbatschow bereits auf dem XXVII. Parteitag der KPdSU Ende Februar 1986 nachdrücklich eine weitgehende Umgestaltung der sowjetischen Wirtschaft gefordert hatte, wurde am 3. Februar 1987 der Entwurf eines neuen Untemehmensgesetzes veröffentlicht. Nach einigen Monaten öffentlicher Diskussion stimmte der Oberste Sowjet, das sowjetische Parlament, am 30. Juni 1987 dem in einigen Punkten noch veränderten Gesetz auch formal zu. Für die sowjetische Wirtschaft ergeben sich gegenüber dem vorherigen Zustand folgende Veränderungen — zwischen den einzelnen Unternehmen und den übergeordneten Ministerien sollen keine weiteren Zwischenorganisationen mehr existieren; 49
— die Betriebe sollen unabhängig von staatlichen Subventionen arbeiten und sich selbständig finanzieren können, d. h. für alle Betriebe soll das Prinzip der „wirtschaftlichen Rechnungsführung“ gelten; — allein der Gewinn soll der Maßstab dafür sein, ob ein Unternehmen wirtschaftlich gearbeitet hat und wie groß seine Effektivität im Vergleich zu anderen Betrieben ist; — die Monopolstellung von Unternehmen auf einzelnen Gebieten soll begrenzt werden, die Unternehmen sollen statt dessen in einem bestimmten Umfang miteinander konkurrieren; — es soll eine bessere Auslastung der Produktionsanlagen, in der Regel im Zweischichtbetrieb, erreicht werden; — der Zuwachs der Lohnsumme im Betrieb soll sich am Zuwachs des Produktionswertes orientieren und diesen keinesfalls überschreiten; — die Vorgesetzten sollen in den Betrieben und Unternehmen vom Direktor bis zur niedrigsten Leitungsebene gewählt werden; — der Großhandel soll eigenständig wirtschaften, die Zuteilung der Rohstoffe. Halbfabrikate u. a. durch Ministerien wird entfallen; — das staatliche Plankomitee (Gosplan) soll sich auf eine Rahmenplanung konzentrieren, die Unternehmen sollen Detailplanungen eigenverantwortlich durchführen können; — die Unternehmen sollen durch eigene Außen-handelsorganisationen u. a. stärkeren Einfluß auf ihren Außenhandel erlangen.
Dieses „Gesetz über das staatliche Unternehmen“ ist nicht die einzige ökonomische Reformmaßnahme. Die Aufnahme privater gewerblicher Tätigkeit wurde — allerdings in engen Grenzen — erleichtert, ebenso die Kreditaufnahme kooperativ arbeitender Betriebe. Außerdem wurden auch die Möglichkeiten des freien Verkaufs landwirtschaftlicher Erzeugnisse ausgedehnt. In der Diskussion bzw. in der Phase der Ausarbeitung befinden sich neue gesetzliche Bestimmungen zur Veränderung des Preis-und Lohnsystems sowie des Finanz-und Bankwesens Auf allen Gebieten wird deutlich, daß durch den Einbau marktwirtschaftlicher Elemente eine wirtschaftliche Belebung erzielt werden soll. Im Hinblick auf die Durchsetzung der Reform sind zahlreiche Probleme absehbar: Der Gegensatz von zentralstaatlicher Planung und angestrebter Eigenverantwortung der Unternehmen läßt neue Konflikte erwarten. Die ungarischen und jugoslawischen Reformen liefern dafür entsprechend negative Erfahrungen. Die stufenweise Einführung des Gesetzes bis 1990 bringt ein gespaltenes Planungssystem und divergierende Preisbildungsmethoden mit sich, so daß eine Verwässerung des ursprünglichen Konzepts nicht auszuschließen ist. Im neuen Unternehmensgesetz bleibt dem Ministerrat der UdSSR ausdrücklich das Recht vorbehalten, die Anwendung des Gesetzes in nicht näher spezifizierten Fällen einzuschränken. Der bestehende Einfluß der Partei in den Wirtschaftseinheiten wird besonders hervorgehoben. Damit bleibt der Dualismus von Partei und Staat in der Wirtschaftslenkung erhalten. Die große internationale Aufmerksamkeit, die dieser Versuch einer grundlegenden Wirtschaftsreform hervorgerufen hat. resultiert jedoch nur zu einem Teil aus den verabschiedeten oder projektierten Maßnahmen. Vielmehr wird diese Reform als ein wichtiger Bestandteil der Politik einer tiefer-gehenden Umgestaltung (Perestrojka) betrachtet, die mit großem Propagandaaufwand verkündet wird. Wenngleich die Versuche zur Auflockerung des Wahlverfahrens oder die Ansätze für eine Verbesserung der Rechtsstellung des Bürgers sich im Rahmen der sowjetischen Herrschaftsstrukturen bewegen, sollten diese nicht als belanglos angesehen werden, denn sie könnten Ausgangspunkte für weitere Veränderungen sein Gorbatschow ist der erste sowjetische Parteiführer, der erkannt hat, daß ökonomische Reformen ohne politische Veränderungen wirkungslos bleiben werden. Inwieweit die politischen Veränderungen nur plakativ verkündet und lediglich als Motivationsschub benötigt werden oder ob sie Bewegungen hervorrufen können. die einen grundlegenden Wandel des Systems herbeiführen, bleibt abzuwarten. Ohne Zweifel sind die anderen osteuropäischen Staaten vom Schwung und vom Ausmaß der sowjetischen Perestrojka-Politik überrascht worden. So stießen Gorbatschow und seine Abgesandten bei Besuchen in Prag, Warschau oder Sofia noch bis Anfang 1987 auf erhebliche Zurückhaltung. Im Laufe des Jahres zeigten dann jedoch verschiedene osteuropäische Staaten positive Reaktionen. In der SSR wurde Anfang Juli 1987 der Entwurf eines neuen Gesetzes über die Funktionsweise der Unternehmen veröffentlicht, der in seinen Bestimmungen dem sowjetischen Gesetz sehr ähnelt. Seine Grundgedanken sind auch auf eine erweiterte Förderung der Privatinitiative bei stärkerer Dezentralisierung ausgerichtet Nach dem überraschenden Rücktritt des General-sekretärs der Kommunistischen Partei der SSR (KP), Gustäv Husäk, hat das Zentralkomitee der KP am 18. Dezember 1987 ein Reformpaket beschlossen, das bis zum Januar 1991 eine „komplexe Reform der Wirtschaft und Gesellschaft auf der Basis der sozialistischen Demokratie“ verwirklichen soll. Wie aus ersten Erklärungen des neuen Generalsekretärs Milo Jake zu schließen ist. wird sich diese Reform zumindest im politischen Bereich eher in konservativen Bahnen bewegen. Diese Befürchtungen werden offenbar von Gorbatschow geteilt, der nach dem Amtswechsel in der Führung der KP eine energische Politik der Umgestaltung schon in seinem Glückwunschschreiben angemahnt hat. Im August 1987 wurde in Bulgarien das Bankensystem dezentralisiert. Die Abschaffung der Industrieministerien und die Einführung einzelner Marktelemente sowie Joint Ventures (gemischte Kapitalgesellschaften) mit dem Westen sind geplant. Die Parteiführung spricht von einem „stabilen bulgarischen Weg“ sowie von einer „Demokratisierung“ als dessen Voraussetzung -In Ungarn fühlte sich die Parteiführung durch den sowjetischen Kurs in ihrer eigenen Wirtschaftspolitik bestätigt. Die beabsichtigten Reformen in Polen (weitere Erleichterungen privater wirtschaftlicher Tätigkeit, kommunale finanzielle Selbstverwaltung, wesentli-
eher Rückzug des Staates aus anderen Wirtschaftsbereichen) erhielten im Referendum am 30. November 1987 nicht die Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung. Die polnische Regierung hatte schon vorher eine mit der Reform verbundene Konsequenz angekündigt, die auch für alle anderen Reformen in Osteuropa, einschließlich der Sowjetunion, unausweichlich ist: massive Konsumgüterpreiserhöhungen Die polnische Partei-und Staatsführung hat erklärt, daß sie an den angekündigten Reformen festhält, doch wird sie die damit verbundenen Preiserhöhungen nach dem negativen Ausgang des Referendums zunächst in einem reduzierten Ausmaß vornehmen. Auch in Jugoslawien werden Diskussionen über Wirtschaftsreformen geführt, die aber noch kein konkretes Stadium erreicht haben. Sie würden aufgrund der Besonderheit des jugoslawischen Wirtschaftssystems auch anders aussehen als in der UdSSR In Rumänien wird über eine Wirtschaftsreform nicht diskutiert. Es bleibt abzuwarten. wie lange die Masse der Bevölkerung oder Teile der Parteiführung noch bereit sind, den rigorosen, auf drastischen Abbau der Westverschuldung gerichteten Wirtschaftskurs Ceausescus mitzutragen Der albanische Staat ist gegenüber äußeren Einflüssen immer noch sehr stark abgeschlossen. Während des Besuchs von Bundesaußenminister Genscher im Oktober 1987 wurden aber auch hier partielle Wünsche eines stärkeren Kontakts mit dem Westen geäußert
2. Die Situation in der DDR Im Unterschied zu Ungarn, der SSR, Polen und Bulgarien hat die DDR auf die sowjetische Politik der Umgestaltung insgesamt sehr zurückhaltend reagiert. Sie erklärt ihre Wirtschaftspolitik als erfolgreich und bewährt, daher hält sie Reformen nach sowjetischem Muster für nicht erforderlich. Zwar wird auch von noch nicht gelösten Problemen in der Wirtschaft gesprochen, doch diese beträfen entweder nur Teilfragen, wie beispielsweise die Automatisierung der Produktion, oder der Weg zu ihrer Lösung sei bereits eingeschlagen Beobachter der DDR-Wirtschaft sind sich allerdings weitgehend einig, daß auch die DDR der Entwicklung in den anderen osteuropäischen Staaten folgen muß. Häufig wird in der DDR betont, daß einzelne Elemente der sowjetischen Wirtschaftsreform bereits vor langer Zeit eingeführt worden sind. Schon seit Jahren bemüht sich die Führung um eine stärkere Entwicklung des privaten Handwerks, des Kleingewerbes und des Dienstleistungsbereiches. Der Gewinn nimmt im Kennziffernsystem eine wichtige Stellung ein. Forderungen nach einer Abhängigkeit des Wachstums von Lohn und Produktivität sowie nach Eigenerwirtschaftung der Mittel sind nicht neu. Insgesamt ist die Produktivität der DDR-Wirtschaft höher als die der Sowjetunion. Vorsichtige, aber kontinuierliche Preiserhöhungen waren in den letzten zehn Jahren an der Tagesordnung
Anderen sowjetischen Maßnahmen, beispielsweise der Wählbarkeit der Leiter, wird die DDR sehr skeptisch gegenüberstehen, weil ihre wirtschaftliche Effektivität ausgesprochen zweifelhaft ist und die SED zudem die damit verbundenen politischen Risiken fürchtet. Man könnte auch meinen, daß die Wirtschaftspolitik der DDR im Vergleich zur Sowjetunion erfolgreich sei und daß die SED-Führung sich der Risiken der sowjetischen Politik, die zuerst weitere Entbehrungen für die Bevölkerung mit sich bringen wird, wohl bewußt ist. Die Risiken einer tiefgehenden Reform könnten daher gefährlicher erscheinen als die Weiterführung des bisherigen Kurses. Diese Auffassung verkennt, daß die SED-Führung die Erfolge ihrer Wirtschaftspolitik an der Bundesrepublik mißt und daher eine Erhöhung des Wirtschaftswachstums aus ökonomischen und politischen Gründen unerläßlich ist. Doch geht einer tiefgreifenden Reform eine Entscheidung der politischen Führung voraus — wie das Beispiel des entschlossen auftretenden sowjetischen Generalsekretärs Gorbatschow gezeigt hat.
Man könnte versuchen, die Konturen einer umfassenden Wirtschaftsreform in der DDR zu entwerfen. Allein die Tatsache, daß eine derartige Reform eine Verknüpfung von politischen und ökonomischen Veränderungen beinhalten muß, läßt jedoch ein derartiges Szenario leicht zur Spekulation geraten. Was die Wissenschaft leisten kann, ist die Kennzeichnung der Gebiete, auf denen Veränderungen möglich sind. Dies ist auch aus deutschland-politischen Gründen wünschenswert. Es kann der politischen Öffentlichkeit der Bundesrepublik nicht daran gelegen sein, daß in der DDR politische Instabilitäten und ökonomische Krisen herrschen. Es kann ihr aber auch nicht daran gelegen sein, durch Finanzierung einer zeitweiligen ökonomischen Scheinsicherheit, die bestehenden politischen Verhältnisse zu stützen und damit den erforderlichen Wandel zu verzögern.
Wenn man sich die Frage stellt, welche wirtschaftspolitischen Möglichkeiten der Partei-und Staats-führung der DDR für ein höheres Wirtschaftswachstum und die Beschleunigung der technologischen Innovationen zur Verfügung stehen, dann ist davon auszugehen, daß derartige Veränderungen auf der Basis der bisherigen politischen Strukturen vorgenommen werden. Die Parteispitze wird keine Maßnahmen einleiten, von denen sie annimmt, daß sie ihre Machtgrundlagen direkt berühren. Dies ist auch in der Sowjetunion nicht der Fall. Das staatliche Eigentumsmonopol (das genossenschaftliche Eigentum eingeschlossen) wird nicht angetastet werden, und die Kontrolle der Parteiführung über die ökonomische Entwicklung wird erhalten bleiben.
Ganz allgemein ist darin auch die Beibehaltung der zentralen staatlichen Planung einbezogen. Es wäre denkbar, daß zunächst versucht wird, durch weitere Veränderungen des Kennziffemsystems neue Wachstumsimpulse hervorzurufen. Das würde bedeuten.den alten Pfad lediglich mit neuen Schuhen zu beschreiten. Es ist nicht auszuschließen, daß weitere Bemühungen auf diesem Weg erfolgen, z. B. indem man versucht, über eine stärkere Verknüpfung von Gewinn und technologischer Innovation zusätzliche Anreize zu schaffen In der westlichen Literatur wird die Auffassung vertreten, daß die DDR mit den für 1988 vorgesehenen Maßnahmen diesen Weg bereits eingeschlagen hat. So heißt es: „Die eigentliche Neuerung besteht darin, daß das Kombinat bei einer Überbietung bzw. Übererfüllung des geplanten Nettogewinns dazu berechtigt ist, noch im laufenden Jahr über den Plan hinausgehende Investitionen zu tätigen, soweit es dafür die erforderlichen materiellen und technischen Reserven aufbringt, und in diesem Zusammenhang auch Bankkredite aufzunehmen . . . Das Ziel dieser Neuerung besteht offensichtlich darin, die Kombinate und Betriebe verstärkt an Kostensenkung zu interessieren, die zu einer Erhöhung des Nettogewinns führen und verbesserte Dispositionsmöglichkeiten im Investitionsbereich vermitteln.“
All diese Maßnahmen haben allerdings auch schon in der Vergangenheit nicht die erhofften Effekte gebracht. Es hat sich immer wieder erwiesen, daß ein einfaches Umstellen der zentral vorgegebenen Kennziffern nur zu einer Verschiebung der Probleme führte. Die Führungskräfte in den einzelnen Wirtschaftseinheiten konnten damit nicht in ausreichendem Maße zu rationellem Umgang mit den Ressourcen und zur erforderlichen Modernisierung der Produktionstechnologien veranlaßt werden. „Eine kurzfristige Versorgung mit Ressourcen aller Art scheitert häufig an der geringen Reaktionsfähigkeit der Wirtschaft. Gerade diese Inflexibilität wird zu einem gravierenden Hemmschuh für den durch Unbestimmtheit und Komplexität gekennzeichneten Innovationsprozeß.“
Die DDR wird daher versuchen müssen, neue Wege einzuschlagen, die in anderen osteuropäischen Staaten teilweise schon erprobt werden. Ökonomische Selbständigkeit und eigenverantwortliche wirtschaftliche Entscheidung sind nur durch Zurückdrängung des Staates aus der Wirtschaft zu erreichen. „Markt“ heißt überall das vielbeschworene Zauberwort beim Aufbruch aus den selbstverschuldeten Dogmen des Sozialismus.
Die Erfahrungen mit der relativen Selbständigkeit der Betriebe aus den Reformbestrebungen der sechziger Jahre haben die SED-Führung bisher stets sehr vorsichtig mit derartigen Experimenten sein lassen. Ansätze, die bei Beginn der Kombinats-bildung in diese Richtung wiesen, wurden sehr schnell wieder zurückgenommen, bevor sie richtig wirksam werden konnten. Deshalb sollte man Vermutungen westlicher Beobachter, daß sich die DDR mit den Modifikationen ihres Kennziffernsystems schon auf dem Weg einer Reform befindet, mit Vorsicht genießen. „Solange keine überzeugenden Erfolge aus den anderen RGW-Ländern vorliegen. wird die Wirtschaftsführung der DDR vermutlich auch keinen Anlaß zu grundlegenden Reformen sehen.“ Ohnehin würde unter den Bedingungen einer hohen Konzentration, wie sie die DDR-Kombinate darstellen, mehr operative Eigenständigkeit andere Wirkungen hervorrufen als im übrigen Osteuropa. Zusätzliche Freiräume für die staatlichen Unternehmen können nur ein Schritt sein. Da diese Unternehmen weiterhin sehr stark vom Staat und der Planungsbehörde abhängig bleiben, müssen weitere Maßnahmen erfolgen, um die gewünschten Erfolge erreichen zu können. Ein erstes Feld wäre die umfangreiche Zulassung privatwirtschaftlicher Initiative. Die bis 1972 noch vorhandenen halbstaatlichen und privaten Unternehmen gehörten damals zu den exportintensivsten Betrieben der DDR. Private Klein-und Mittelbetriebe könnten den teilweise überdimensionierten Kombinaten erfolgreich Konkurrenz machen und auch diese zu stärkerer Innovationstätigkeit veranlassen. Die Gründung solcher Unternehmen wäre von zwei Bedingungen abhängig: ihrer vertragsrechtlichen Absicherung und einer Bereitstellung von Krediten für notwendige Investitionen. In diesem Zusammenhang bietet sich die Einrichtung von Joint Ventures an. Sie stellen eine effektive Form des Technologietransfers dar und könnten der gesamten DDR-Wirtschaft wichtige Entwicklungsimpulse vermitteln, weil sie zur Orientierung am vielzitierten „Weltniveau“ führen würden. Die DDR verfügt dafür über zwei Voraussetzungen. Zum einen kooperiert sie bereits mit einigen westlichen Unternehmen auf dritten Märkten. Zum anderen konnte sie bereits im Rahmen der soge-nannten Gestattungsproduktion (auf der Grundlage westlicher Lizenzen) Erfahrungen sammeln. Gerade letzteres hat allerdings auch bewiesen, daß die bloße Übernahme von „know how“ nicht ausreicht, denn die technische Eigenentwicklung wird damit nicht gefördert. Joint Ventures wären ein Weg zur Abhilfe — auf der Basis von Unternehmen, die mit weitgehender operativer Selbständigkeit am effektivsten arbeiten könnten. Voraussetzungen für exakte Kalkulationen wären Preisregulierungen und eine Reform des Preissystems. worauf auch westliche Beobachter verweisen. „Zwar hat die DDR seit 1976 fast ständig Veränderungen in der Preisbildung vorgenommen. Die Preise werden jedoch immer noch überwiegend administrativ festgesetzt. Die auf großen Kombinaten beruhende Wirtschaftsstruktur läßt auf dem Binnenmarkt auch keine andere Lösung zu. weil die Kombinate für ihre Produkte fast durchweg ein Angebotsmonopol haben. Bei dieser Struktur ist eine Preisbildung im Wettbewerb zwischen den verschiedenen Unternehmen ausgeschlossen. Der am Markt gebildete Preis steht damit als Steuerungsinformation für die Volkswirtschaft nicht zur Verfügung. Auch die Anreizfunktion des Wettbewerbs fehlt.“ Industrie-und Konsumgüterpreise müssen in Relation zu Angebot und Nachfrage stehen. Preisaufschläge und Preissubventionen bei Konsumgütem weisen ein sehr hohes Gesamtvolumen auf. In der Haushaltsrechnung der DDR für 1986 werden die Einnahmen aus der produktgebundenen Abgabe (das sind staatliche Preisaufschläge) mit 43, 7 Mrd. Mark und die Preisstützungen für Lebensmittel sowie Industriewaren des Bevölkerungsbedarfs mit 42, 0 Mrd. Mark. d. h. fast in gleicher Höhe, ausgewiesen Diese Relation besteht schon seit vielen Jahren und ergibt ökonomisch keinen Sinn, sie kann lediglich als Form der gesellschaftlichen Umverteilung angesehen werden, weil hochwertige, knappe Güter mit einer entsprechenden Umsatzsteuer belegt werden, die dann zur Subventionierung der Preise für Güter des Grundbedarfs verwendet wird. Damit die Preise als ökonomische Knappheitsindikatoren wirksam werden könnten, müßten saisonale und konjunkturelle Schwankungen zugelassen werden. Boden und Naturressourcen müßten preislich entsprechend bewertet werden, um einen rationelleren Umgang mit diesen Gütern zu bewirken.
Jede Preisveränderung stellt im Sozialismus ein Politikum dar. Deshalb hat die Führung der DDR seit über zehn Jahren behutsame, aber kontinuierliche Konsumpreisveränderungen vorgenommen, davon aber einige Bereiche wie Verkehrstarife oder die Energieversorgung ausgenommen. Auch im Bereich der Nahrungsmittel sollte die Grundversorgung preisstabil bleiben. Durch Einführung neuer Produkte oder eine etwas veränderte Qualität und neue Verpackung wurde die propagandistisch immer wieder behauptete Preisstabilität allerdings weitgehend umgangen. Gleichzeitig erfolgten jedoch auch ständige Lohnveränderungen, wie der Anstieg der Lohnsumme ausweist, um die soziale Brisanz der (verdeckten) Preiserhöhungen aufzufangen Die Annäherung der Preise an das tatsächliche Verhältnis von Angebot und Nachfrage wäre ohne entsprechende Lohnerhöhungen nicht möglich gewesen. Das Leistungsprinzip wird in der DDR — entgegen propagandistischen Behauptungen — jedoch nicht ausreichend berücksichtigt. Die Differenzierungen zwischen Löhnen und Gehältern sind bei weitem zu gering und deshalb ökonomisch fast wirkungslos. Qualifikation und Verantwortung haben auf die Lohnfestsetzung einen zu geringen Einfluß. Versuche in diese Richtung sind immer wieder an den Bedingungen der starren zentralen Planung und den Eingriffen oberster Parteiorgane in die Produktion gescheitert.
Lohndifferenzierungen sind sicherlich nur sinnvoll, wenn ein Unternehmen über die Möglichkeit verfügt. Mitarbeiter auszuwählen und auch zu entlassen. Beide Möglichkeiten sind in der DDR praktisch nicht gegeben. Die Planungszentrale hatte gehofft. daß durch die Einführung einer siebzigprozentigen Lohnsummensteuer bei neuen Produkten und bei planmäßigen Preisveränderungen ab 1984 die Lohngesamtsumme gesenkt werden könnte Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt; ein weiterer Beleg dafür, daß Veränderungen im Kennziffernsystem kaum noch effektiv sind. Nur durch stärkere Lohndifferenzierungen und Möglichkeiten der Auswahl qualifizierter Mitarbeiter kann der Lohn zu einem ökonomisch wirksamen Kostenfaktor werden.
Die Veränderungen in den drei bisher angesprochenen Bereichen könnten zu mehr Konkurrenz und mehr Transparenz der Wirtschaft führen. Sie schließen jedoch weitere notwendige Veränderungen ein, ohne die sie letztlich wieder wirkungslos bleiben würden. Für Privatbetriebe waren bereits günstigere steuerliche Regelungen erwähnt worden, deren positive Wirkung auf Reformen in der Literatur hervorgehoben wird Die Bereitstellung staatlicher Investitionsmittel für einen sicher begrenzten Privatsektor sollte mit der Gewährung von Krediten aus dem Westen verbunden werden. In anderen osteuropäischen Ländern hat sich gezeigt, daß gerade die Mikroelektronik dafür günstige Voraussetzungen bietet, die im Hinblick auf das hohe techno-
logische Niveau von Wirtschaft und Ausbildung in der DDR besondere Entwicklungschancen eröffnet. In diesem Bereich müßte sich die Staatsplanung auf Orientierungsvorgaben beschränken, die Firmen müßten selbständige Verträge mit dem Großhandel abschließen können. Eine freie Preisbildung würde die Entwicklung eines leistungsfähigen Großhandels fördern. Die fehlende Arbeitslosigkeit ist für die DDR-Führung einer der Eckpfeiler ihrer ideologischen Legitimation. Die Existenz einer indirekten (durch unrentable Überbeschäftigung) in den Betrieben versteckten Arbeitslosigkeit, ist jedoch weitgehend bekannt Um die Arbeitsproduktivität zu erhöhen, bedarf es auch in diesem Bereich neuer Maßnahmen. Ein wichtiges Problem der staatlichen Planwirtschaft besteht in der fehlenden Konkurrenz zwischen den Betrieben und Kombinaten. Sie kann aber durchaus entwickelt werden, da schon jetzt in einigen Kombinaten, die in unterschiedlichen Regionen angesiedelt sind, dieselben Konsumgüter produziert werden. Dies gilt in beschränktem Umfang auch für einige Produktionsgüter. Gerade die Forderung der staatlichen Planung, notwendige Rationalisierungsmittel in den Kombinaten selbst herzustellen. könnte die Konkurrenz fördern. Eine derartige Konkurrenz würde auch eine gewisse Überproduktion mit sich bringen, die eine andere Form der Planung fordert. Schon hier zeigt sich, daß die Einführung erster Konkurrenzelemente im bisherigen Planungssystem weitreichende Konsequenzen hat. die die Konsistenz des gesamten Systems in Frage stellen.
Bisher kontrollierte die Staatsbank der DDR jede ökonomische Bewegung. Diese Bankenorganisation ist überzentralisiert und kann die wirtschaftliche Entwicklung nicht mehr effektiv fördern. Variable Kreditvergabe. Zinsschwankungen, die Entwicklung neuer Anleihemöglichkeiten sind unter den bestehenden Bedingungen nicht durchführbar; Korrekturen im Geld-und Kreditsystem nach dem Beispiel Ungarns wären erforderlich
Die hier skizzierten Veränderungen innerhalb der vorhandenen Möglichkeitsfelder gehen von einem Grundverständnis aus: Ohne die Ausweitung der individuellen wirtschaftlichen Selbständigkeit und Entscheidungsfreiheit kann es keinen ökonomischen Aufschwung geben, da das zentralstaatliche Planungssystem keine eigenen Innovationsimpulse
enthält 69). Es wäre jedoch eine Illusion anzunehmen, daß in der DDR — die industriell höher entwickelt ist als andere sozialistische Staaten — eine derartige Entwicklung ohne soziale Belastungen und daraus folgende politische Spannungen vor sich gehen könnte. Unwahrscheinlich ist auch, daß damit automatisch ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum — letztlich Wohlstand für alle — die Folge wäre. Preis-und Lohnveränderungen, vorerst nur mit der Hoffnung auf eine spätere Verbesserung der Lebensbedingungen, werden kaum auf allgemeine Zustimmung stoßen. Ganz besonders in der DDR würde eine weitergehende Differenzierung des Lebensstandards, d. h. die Vergrößerung der sozialen Ungleichheit, die Legitimität des Systems unmittelbar berühren. In allen sozialistischen Ländern, in denen Wirtschaftsreformen durchgeführt wurden bzw. werden. erwies sich das ausschließlich staatliche Eigentum an Produktionsmitteln als einschneidendes Hindernis für die konsequente und effektive Ausnutzung der den Betrieben gewährten Selbständigkeit Es ist jedoch keinesfalls davon auszugehen, daß in diesen Staaten in vollem Umfang marktwirtschaftliche Verhältnisse entstehen werden. Dem steht nicht nur die Machtverteilung entgegen; man muß auch berücksichtigen, daß die Kenntnis von Marktmechanismen und entsprechende praktische Erfahrungen in sozialistischen Wirtschaftssystemen nur eingeschränkt vorhanden sind und im breiten Maß erst noch angeeignet werden müssen. Man könnte deshalb zu dem Schluß gelangen, daß jegliche Reformansätze zum Scheitern verurteilt sind. Andererseits könnte man folgern, daß aufgrund der politischen Machtsicherungsinteressen der herrschenden kommunistischen Parteien nur Reformen in kleinen Schritten möglich sind. Beide Positionen werden in der Literatur vertreten Wie in jeder wissenschaftlichen Diskussion kann die Lösung eines derartigen Problems nicht in einem Mittelweg zwischen zwei konträren Positionen bestehen. Die reale ökonomische Entwicklung orientiert sich nicht an einer mittleren Linie, im Sinne einer politischen Kompromißlösung, sondern vollzieht sich unter den Rahmenbedingungen einer globalen politischen Konstellation. Die Annahme, daß es zu einem automatischen ökonomischen Zusammenbruch der zentralen Plan-wirtschaften und der vollständigen Übernahme marktwirtschaftlicher Strukturen in der Sowjetunion und in anderen-osteuropäischen Ländern oder auch in der DDR kommen wird, erscheint unrealistisch. Einem solchen naiven Wunschdenken steht die Tatsache entgegen, daß das sozialistische Wirtschaftssystem in den meisten Staaten ei-nen Wandel durchgemacht hat. Es hat sich bisher immer als fähig erwiesen, durch eigene Umorganisation und Übernahme neuer Elemente eine technische Entwicklung nachzuholen. Diese Fähigkeit reicht jedoch zur Stabilisierung des Systems künftig nicht mehr aus. Deshalb würde eine Reform in kleinen Schritten heute ohne Wirkung bleiben. Es müssen ökonomische Veränderungen erfolgen, die zwar die politischen Strukturen noch nicht unmittelbar berühren, die aber ohne gleichzeitige politische Lockerungen nicht effektiv sein werden. Nur wenn beispielsweise allen Wissenschaftlern und Technikern der Zugang zum internationalen Informationsaustausch offensteht, kann sich Kreativität entfalten. Damit wird aber am Meinungsmonopol der Partei gerüttelt. Eine Erweiterung ökonomischer Selbständigkeit durch Förderung von Privatinitiative wird auch politische Handlungsspielräume erweitern. Der bisherige Zwang für jeden einzelnen Menschen, sich uneingeschränkt mit dem Staat zu identifizieren, würde hinfällig werden. Das konkrete Zusammenwirken von ökonomischen und politischen Entwicklungen läßt sich heute noch nicht erkennen. Sicherlich werden dabei Strukturen entstehen, die wir gegenwärtig noch nicht absehen können.
Ihre Meinung zählt: Wie nutzen und beurteilen Sie die Angebote der bpb? Das Marktforschungsinstitut Info GmbH führt im Auftrag der bpb eine Umfrage zur Qualität unserer Produkte durch – natürlich vollkommen anonym (Befragungsdauer ca. 20-25 Minuten).