Die Regierung Aquino zwischen Militärputsch und kommunistischer Rebellion
Rolf Hanisch
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Zusammenfassung
Im Februar 1986 brach unter weltweiter Anteilnahme das autoritäre Marcos-Regime auf den Philippinen zusammen. Damit war der Weg frei für die Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen, die Sicherung der Bürger-und Menschenrechte und einen neuen Anlauf zur Überwindung der drückenden Probleme des Landes: der kommunistischen und moslemischen Guerillabewegungen sowie der Wirtschafts-und Sozial-krise. Es konnte wohl nicht überraschen, daß die Hypotheken der Marcos-Zeit nicht ohne weiteres abzutragen sein würden und die bunte Anti-Marcos-Koalition zunächst einmal erhebliche Schwierigkeiten mit sich selbst haben würde. Die Rückkehr zu demokratisch-parlamentarischen Einrichtungen gelang dennoch — mit einigen Verzögerungen — innerhalb von zwei Jahren. Es sieht bisher jedoch nicht so aus, als ob demokratische Verhältnisse sich damit wieder fest und unwiderruflich etabliert hätten. Die junge Demokratie wird bedroht durch die Militanz von rechts und links. Es gibt eine breite demokratische Strömung in der Mitte, die sich jedoch bislang nicht in Massenparteien zu organisieren und zu institutionalisieren vermochte. Dieser langwierige Prozeß der Re-Demokratisierung, die Abwehr tatsächlicher und potentieller Militärrebellionen und Putsche, die Diskussion um einen Ausgleich mit und/oder eine effizientere Bekämpfung der kommunistischen Guerilla haben die Energien des Aquino-Regimes ebenso gebunden, wie Flügelkämpfe der es tragenden Kräfte und die Führungsschwäche der unerfahrenen Präsidentin. Die Problemlösungskapazitäten des Regimes im wirtschaftlichen und sozialen Bereich blieben daher bisher eher bescheiden. Das Militär hat — in einem indirekten Zusammenspiel zwischen putschistischen und regimeloyalen Teilen — die Aquino-Regierung „rechts“ angebunden und schließlich auf eine militantere Bekämpfung der kommunistischen Guerilla festgelegt. Dieser Krieg kann jedoch weder von der Regierung, noch von der Guerilla gewonnen werden. Eine politische Lösung ist gleichfalls nicht in Sicht. Hingegen steigen die humanen und materiellen Kosten wie auch die Belastung für die junge Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte.
I. Der Prozeß der Re-Demokratisierung
1. Von der Revolutions-zu einer neuen demokratischen Verfassung Die Flucht von Ferdinand Marcos und die Anerkennung der Wahl von Cory Aquino hatten den Philippinen noch nicht demokratische Verhältnisse gebracht 1). Den Institutionen der Verfassung von 1973 sollten keine neuen Inhalte gegeben werden, da sie von Marcos-Anhängern weiterhin dominiert und kontrolliert wurden. Cory Aquino verfügte daher die Aufhebung der alten Verfassung und nahm, unter einer selbst erlassenen „Freiheits-Verfassung“, Diktaturvollmachten in Anspruch. Das 1984 gewählte Parlament — mit einer Mehrheit von Marcos-Loyalisten — wurde aufgelöst. Die 1981 gewählten Gouverneure, Bürgermeister, Dorfschulzen, fast alle Mitglieder der Marcos-Partei (KBL) und deren feste Stütze in den letzten Wahlen, wurden entlassen und durch ernannte Amtsverwalter ersetzt. Entlassen wurden auch fast alle Minister, Staatssekretäre und die meisten der höheren Beamten. Viele Generäle wurden in die längst fällige Pension geschickt. Die Marcos-Partei KBL wurde jedoch nicht verboten.
Der Prozeß der Re-Demokratisierung wurde bald nach dem Umsturz eingeleitet. Der erste Schritt war die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung. Diese wurde — anders als die beiden letzten verfassungsgebenden Versammlungen von 1934 und 1971 — nicht gewählt. Aus politisehen und finanziellen Gründen vereinfachte man das Verfahren: Die Öffentlichkeit wurde aufgefordert, Delegierte zu „nominieren“. 1 000 Vorschläge wurden gemacht, unter denen Cory Aquino 48 auswählte und ernannte. Ein Querschnitt durch alle gesellschaftlichen Schichten und politischen Richtungen war dies jedoch nicht. Es dominierten Vertreter der gesellschaftlichen und beruflichen Gruppen, die gemeinhin (und nicht nur in den Philippinen) die Wahlämter besetzt halten: Von den 42 „Verfassungsvätern" und (natürlich nur) sechs „Verfassungsmüttern" waren (mit Mehrfachnennung) 33 Juristen, zwölf Landbesitzer, elf Unternehmer, fünf Rechtsanwälte und Berater Transnationaler Konzerne im Lande, elf Professoren und Universitätsadministratoren, zwei Journalisten, fünf Kirchenvertreter. Es gab ferner einen pensionierten Offizier, einen ehemaligen Botschafter und je einen Studenten-, Bauern-und Gewerkschaftsfunktionär. „Marcos-Leute“ waren nur vier vertreten. Die nationalistische Linke war kaum wesentlich stärker. Die meisten der Delegierten kamen aus Manila. Fast die Hälfte gab als Herkunftsregion Metro-Manila und das angrenzende Südliche Tagalong an (gemeint war damit offenbar der Geburtsort bzw. die Lokalisierung der geschäftlichen Interessen). Ihren (Dauer-) Wohnsitz hatten 46 der 48 Delegierten in Manila. Die verfassungsgebende Versammlung stand unter enormem Zeitdruck. Am 2. Juni 1986 trat sie zusammen. Am 30. September sollte sie ihren Entwurf vorlegen. Am 12. Oktober 1986 wurde das Dokument tatsächlich nahezu einstimmig (44: 2) angenommen. In diesen viereinhalb Monaten wurde in etwa 20 Ausschüssen und drei Lesungen im Plenum beraten; etwa 90 Anhörungen wurden in den Provinzen durchgeführt.
Die Grundentscheidung standjedoch sehr bald fest: Man kehrte vom (schein-) parlamentarischen zum präsidialen Regierungssystem zurück, also im wesentlichen zu der Verfassung von 1935, die sich bekanntlich an das amerikanische Vorbild stark angelehnt hatte. Es gab jedoch eine Reihe von Modifikationen und Ergänzungen, mit denen man die jüngeren Erfahrungen zu verarbeiten suchte. Die Amtszeit des Präsidenten wurde beispielsweise auf eine sechsjährige Wahlperiode beschränkt. Cory Aquino wurde in ihrem Mandat bis 1992 bestätigt. Alle noch zu wählenden Mandatsträger sollten gleichfalls bis 1992 ein Mandat erhalten, danach sollten die 24 Senatoren für sechs, die 200 Abgeordneten des Repräsentantenhauses für drei Jahre gewählt werden.
Der linke und nationalistische Minderheitenflügel versuchte vergeblich, die Probleme des Landes und ihre Ursachen zu diskutieren und entsprechend in der Verfassung zu verankern. Er konnte sich damit nicht durchsetzen, erzwang hingegen den Verfassungsauftrag für eine umfassende Landreform. Wesentliche Bestimmungen — Höchstgrenzen des Eigenlandes, Entschädigungsfrage — wurden jedoch der zukünftigen Gesetzgebung überlassen 2). Kaum erfolgreicher war die Linke in der Frage der US-Militärbasen. Ihre Existenz wurde bis zum Auslaufen der Verträge 1991 erst einmal bestätigt. Für deren mögliche Verlängerung wurde dann allerdings — abweichend von der bisherigen Praxis — der Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages vorgeschrieben, der vom Senat, vielleicht auch durch eine Volksabstimmung, ratifiziert werden muß. Immerhin wurden die Philippinen zu einer atomwaffenfreien Zone erklärt — was immer das in der praktischen Politik gegenüber den US-Basen bedeuten mag. Schließlich vermochten die Nationalisten in der Frage der Transnationalen Konzerne (für sie unbefriedigende) Teilerfolge zu erzielen. Die Entwicklung einer „autozentrierten und unabhängigen nationalen Ökonomie, die effektiv von Filipinos kontrolliert wird“, wurde zwar zum Staats-ziel erklärt. Eine volle Kontrolle wurde jedoch nur für die Massenmedien, immerhin noch 70 Prozent in der WerbeWirtschaft, nur 60 Prozent in öffentlichen Versorgungsunternehmen vorgeschrieben, während weitergehende Einschränkungen ausländischer Investitionen dem Gesetzgeber vorbehalten wurden 3).
Die Kampagne zur Ratifizierung des Verfassungsentwurfs wurde auf nahezu drei Monate ausgedehnt. Jetzt konnte es natürl
Die Kampagne zur Ratifizierung des Verfassungsentwurfs wurde auf nahezu drei Monate ausgedehnt. Jetzt konnte es natürlich nur noch darum gehen, den Entwurf als Ganzes abzulehnen oder ihm zuzustimmen. Die Regierung Aquino galt damals als durch Putsche und Putschversuche sowie den Ausschluß von Verteidigungsminister Enrile aus dem Kabinett so geschwächt, daß sie eine Ablehnung der Verfassung kaum überlebt hätte. Cory Aquino setzte sich daher massiv für die Annahme des Verfassungsentwurfs ein und bediente sich dabei auch eines alten Marcos-Instrumentes für ihre Kampagnen in den Provinzen: Sie gab öffentliche Ausgaben für Infrastruktur-und Sozialprojekte werbewirksam bekannt.
Die radikale Linke und viele ihrer Frontorganisationen lehnten die Verfassungjedoch — ebenso wie die Marcos-Anhänger und die extreme Rechte — ab. Vize-Präsident Laurel fand sich erst nach einigern Zögern zur Unterstützung des Verfassungsentwurfs bereit. Viele gemäßigte Linke und Liberale stimmten zu, da sie keine Alternative zu der auch von ihnen mit gemischten Gefühlen betrachteten Verfassung sahen. Bei einer Wahlbeteiligung von 75 Prozent wurde die Verfassung schließlich mit einer überzeugenden Mehrheit (76 Prozent zu 22 Prozent) angenommen. Eine Mehrheit von „Nein“ -Stimmen gab es nur im „Marcos“ -und „Enrile“ -Land, in den beiden Nordregionen Ilocos (51 Prozent „Nein“) und Cagayan (56 Prozent „Nein“). Es mußte jedoch mit Aufmerksamkeit registriert werden, daß die Militärangehörigen nur mit einer deutlich unterdurchschnittlichen Mehrheit der neuen Verfassung zustimmten. Sie lautete 60 Prozent „Ja" zu 40 Prozent „Nein“ 2. Wahlerr und Parteiensystem Der nächste Schritt war die Wahl des neuen Kongresses, die am 11. Mai 1987 erfolgte. Gewählt wurden landesweit 24 Senatoren sowie 200 Abgeordnete des Repräsentantenhauses in Einmannwahlkreisen nach dem Mehrheitswahlrecht. In den Wahlen standen sich drei lose Gruppierungen gegenüber. Vereinfacht könnte man sie als die (überwiegend) Marcos-Rechte, die Aquino-Koälition und die Linke bezeichnen. Während die Präsidentin die 24 Kandidaten ihrer Koalition für den Senat weitgehend selbst bestimmte, wurde die Kandidatenaufstellung für das Repräsentantenhaus weitgehend den (lokalen) Parteibossen überlassen. Das Ergebnis waren meist mehrere Kandidaten der Parteien, darüberhinaus die Kandidatur von Unabhängigen der Aquino-Koalition. Auch die oppositionelle Rechte konnte sich meist nicht auf einen Einheitskandidaten einigen. In den 19 Wahlkreisen in Metro-Manila traten 275 Kandidaten, d. h. im Durchschnitt 14 je Wahlkreis, an. In den Provinzen waren es erheblich weniger, meist jedoch auch vier bis acht.
Der Wahlkampf und die Wahlen verliefen nicht unblutig und nicht ganz ohne Betrügereien. Diese waren jedoch nicht vergleichbar mit den Unregelmäßigkeiten unter Marcos. Die Präsidentin konnte es sich natürlich nicht versagen, auf Wahlgeschenke ganz zu verzichten. Der Innenminister wies alle von der Zentralregierung eingesetzten kommunalen Amtsverwalter an, die Regierungskandidaten zu unterstützen. Obwohl die neu besetzte Wahlbehörde COMELEC technisch mit ihren Aufgaben __________ N nicht gerade effizient fertig wurde und die Stimmenauszählung in einigen Fällen verdächtig lange dauerte, kam ein für philippinische Verhältnisse glaubwürdiges Wahlergebnis zustande. Es war ein Erdrutschsieg für die Aquino-Koalition. Bei einer Wahlbeteiligung von 85 Prozent vermochte sie 22 der 24 Senatoren und circa 170 der 200 Repräsentanten durchzusetzen. Die rechte Opposition war für den Senat nur durch den ehemaligen Schauspieler Joseph Estrada (an 14. Stelle gewählt) sowie den ehemaligen Verteidigungsminister Juan Ponce Enrile (ganz knapp als 24. gewählt) erfolgreich.
Cory Aquino konnte sich durch die Wahlen bestätigt fühlen, was ihre labile Stellung zunächst kurzfristig stärkte. Ihre Mehrheit bestand jedoch aus einem Konglomerat von Parteiungen, das keine sicheren Mehrheiten garantieren konnte und in dem ideosynkratische Motive der Abgeordneten und Parteiführer, darunter zahlreiche Präsidentschaftsanwärter (für 1992), vor sachlich-politischen Anforderungen der nationalen Politik dominierten. Möglicherweise bedeutet dies eine Rückkehr zum Parlamentarismus der Zeit vor der Marcos-Diktatur Im ersten halben Jahr wurden zahlreiche wichtige und meist umstrittene Gesetzesinitiativen eingebracht, unzählige Ausschüsse gegründet (im Senat zum Beispiel 43 für die 24 Senatoren), kaum eine Handvoll Gesetzejedoch tatsächlich verabschiedet. Darunter war die Umbenennung des Flughafens von Manila in „Ninoy Aquino International Airport“. Die Legislative wird nicht nur durch unkoordinierten Arbeitseifer, Bürokratisierung oder Filibustertum einiger Oppositionsabgeordneter — die vielleicht ganz bewußt durch eine Flut von Gesetzesanträgen die Arbeit lahmzulegen versuchen —, sondern auch durch die Macht-und Positionskämpfe in der Koalition weitgehend gelähmt. Dieses traurige Erscheinungsbild in dieser kritischen Zeit kommt dem Land finanziell sehr teuer. Die Abgeordneten haben sich finanziell recht opulent ausgestattet: Jeder Abgeordnete erhält ein monatliches Grundgehalt von 17 000 Peso, eine Aufwandsentschädigung über 73 000 Peso im Monat sowie 200 000 Peso für ein Wahlkreisbüro im Jahr. Dies entspricht den Gehältern der Minister. Eine Sekretärin im öffentlichen Dienst erhält hingegen zwischen 718— 1 405 Peso/Monat. Der Mindest-* lohn lag von 1984— 1987 (bis zur Erhöhung um 10 Peso im Oktober) in Manila bei 56 Peso/Tag.
Die Parteien in den Philippinen sind in keiner Weise mit den europäischen Massenparteien zu vergleichen. Es handelt sich hier um Honoratiorenparteien, die in ihrem Kem große Familienklane sind, deren organisatorische Struktur durch die Klientel-netze der einzelnen Bosse bestimmt wird, die also personalisiert und kaum institutionalisiert sind. Anders als in der Zeit vor dem Kriegsrecht (1972), als der politische Wettbewerb im wesentlichen unter dem Dach von zwei Parteien, den Nacionalistas und den Liberalen, ausgetragen wurde, hat sich dieses Parteiensystem bisher nicht einmal in diesem Sinne verfestigen können. Die Regierungskoalition ist durch sieben Parteien direkt oder indirekt im Kongreß vertreten, die Opposition durch vier. Nur 95 Abgeordnete zogen „für“ eine Partei ins Repräsentantenhaus ein, 83 hatten sich die Unterstützung von zwei oder mehr Parteien gesichert. 22 waren als Unabhängige erfolgreich.
Nicht die Parteien scheinen im Augenblick wichtig, um ins Parlament zu kommen, sondern — neben dem „Segen“ der Präsidentin — die persönliche Ausstrahlung der Kandidaten und die persönlichen und von ihnen mobilisierbaren Ressourcen, mit denen sie ihre Klientelnetze unterhalten und im Wahlkampf mobilisieren können. Anders als selbst in den USA, die auch bekannt sind für die materiell aufwendigen Wahlkämpfe der einzelnen Kandidaten, die praktisch keine materielle Unterstützung durch die Parteien erhalten, gibt es in den Philippinen keine Grenzen des Einsatzes persönlicher Gelder bzw.der Höhe von Wahlkampfspenden. Ohne persönliches Vermögen, reiche Gönner oder einen Klan hat ein Kandidat kaum Aussicht auf Erfolg. Insofern konnte es nicht überraschen, daß viele alte Gesichter oder doch Familien im neuen Parlament wieder auftauchten. Unter den 200 Abgeordneten hat man 130 gezählt, die als Mitglieder traditionaler Klane vor 1986 politisch aktiv waren, sowie 39 Familienangehörige, die selbst politisch noch nicht in Erscheinung getreten sind. Bei 67 soll es sich um Marcos-Anhänger und deren Verwandte gehandelt haben Besonders auffällig ist der Wiederaufstieg der verschiedenen Zweige der Präsidentenfamilie. Die Zahl der politisch aktiven Aquinos. Cojuangcos oder Sumulongs ist so auffällig, daß nicht zuletzt deshalb die „Dynastie-Frage“ zunehmend in der Politik thematisiert wird und mit ihr, im negativen Sinne. Wahlkampf gemacht werden kann.
Für die Institutionalisierung der Demokratie ist die schwache Repräsentation der rechten und linken Opposition im Kongreß sicher kein optimales Ergebnis, zumal die personalisierte Politik im Zentrum der Regierung Aquino nicht notwendigerweise sichere Mehrheiten und eine eindeutige Politik garantiert. Da dies durch nicht immer ganz saubere Methoden geschah, mögen die Extremisten in der rechten und linken Opposition, die sich ohnehin nicht Wahlen und parlamentarischen Verfahren unterwerfen wollen, Rückenwind bekommen haben. Die Integration der verschiedenen politischen Strömungen in das demokratische System ist so nicht befriedigend gelungen. Eine Opposition als Alternative zur Regierung kann sich kaum im Kongreß darstellen. Allerdings findet ein Differenzierungsprozeß im Regierungslager statt. Senatspräsident Salonga versteht es offenbar, den von ihm kontrollierten Flügel der Liberalen Partei von den — durch den Aquino-Cojuangco-Klan dominierten — Regierungsparteien abzusetzen und als zukünftige Opposition und Plattform für seine Präsidentschaftsambitionen aufzubauen. Wie erfolgreich er dabei sein wird, bleibt abzuwarten. Damit wird aber noch nicht der Klanpolitik und dem Elitenfraktionalismus an sich der Kampf angesagt (obwohl Salonga diese Frage in den Kommunalwahlen relativ erfolgreich thematisierte).
Der formale Redemokratisierungsprozeß wurde vorerst mit den Kommunalwahlen vom 18. Januar 1988, die in einigen Provinzen wegen der unsicheren Sicherheitslage im Februar 1988 nachgeholt werden mußten, abgeschlossen. Hier trat ein weiteres Mal die fehlende Institutionalisierung des Parteiensystems zutage. Nicht weniger als 103 Parteien suchten um ihre Zulassung nach. Zahlreiche Unabhängige traten ohne Parteibindung an. Insgesamt bewarben sich 155 000 Kandidaten um die 16 400 Wahlämter der Gouverneure, Bürgermeister, Stadt-und Provinzräte. Der Wahlkampf und die Wahlen verliefen wieder nicht unblutig. 124 Tote und 104 Verletzte waren zu beklagen, 41 Personen wurden gekidnappt. Die Wahlbeteiligung lag bei 80 Prozent, und es gab einige überraschende Ergebnisse: Niederlagen von Angehörigen einiger politischer Dynastien fanden sich neben vielen Wahl-siegen wohlbekannter Familiennamen. Alles in allem konnte die Aquino-Koalition sich bestätigt fühlen, wobei die Liberalen Salongas ihren Einfluß am stärksten ausbauen konnten.
II. Das Militär zwischen Stabilisierung und Destabilisierung der demokratischen Ordnung
Die Fortschritte bei der Redemokratisierung wurden begleitet von Militärrebellionen und Putschgerüchten, die drohten, das Rad der Geschichte wieder zurückzudrehen und eine vergleichsweise liberale, verfassungsmäßige Ordnung durch ein autoritäres Regime zu ersetzen. Die neue Verfassung verbietet zwar die Einmischung des Militärs in die Politik, was machtbewußte und politisierte Militärs jedoch bisher selten an dem Versuch gehindert hat, auch eine demokratische Ordnung samt der sie regelnden Verfassung umzustürzen.
1. Das Selbstverständnis des Militärs unter Aquino
Die Saat dieser Gewalt hatte noch Marcos gelegt.
Durch sein Kriegsrechtsregime (1972— 1981) zog er das Militär — als Juniorpartner seines Regimes — mit in die Politik hinein. Das Militär entwickelte ein bisher nicht dagewesenes politisches Selbstverständnis. Die Mannschaftsstärke und die Budgetal'lokationen wurden zunächst zwar erheblich ausgeweitet, dann jedoch praktisch eingefroren und gingen real erheblich zurück. Mannschaften wie Offiziere erlebten einen erheblichen realen Einkommensverfall. Dieser kontrastierte mit dem offensichtlichen Wohlleben der kleinen Gruppe der Kumpanei-Offiziere, die Zugang zu den Trögen des Regimes fanden und sich extra-legal zu bereichern verstanden, und ging einher mit der zunehmenden Unfähigkeit, die Ausbreitung der kommunistischen Guerilla zu stoppen. Jüngere Offiziere, Absolventen der Militärakademie, meist mit Kampferfahrung und dem 1983 teilweise entmachteten Verteidigungsminister Enrile nahestehend, gründeten 1983 die „Reform AFP-Movement" (RAM). RAM, Enrile und Ramos waren schließlich maßgeblich am Sturz von Marcos beteiligt.
Der Sturz von Marcos beseitigte nicht die Politisierung des Militärs, überwand nicht einmal die politische Fraktionierung; diese wurde im Gegenteil weiter vertieft. Die von Marcos geförderten und begünstigten Offiziere waren zum großen Teil noch auf ihren Posten. Aquino schwächte diese Fraktion zwar durch Vornahme der längst überfälligen Pensionierungen, ganz ausschalten konnte sie diese sich selbst als „Loyalisten“ bezeichnende Gruppierung jedoch nicht. Die RAM und der von ihr favorisierte, ehrgeizige Enrile trugen zwar zunächst das Regime mit; als Aquino jedoch deutlich machte, daß sie ihr Mandat bis ans Ende der ursprünglich vorgesehenen Amtszeit auszuüben gedenke (1992) und es vorher keine Neuwahlen geben werde, ging Enrile zunehmend auf Konfrontationskurs. Schließlich gibt es den Teil des Militärs, der die neue (wie vielleicht schon die alte) Ordnung nicht hinterfragt, sondern sich an seinen (nun geleisteten) neuen Eid gebunden fühlt und in seiner Verfassungstreue vielleicht von der Popularität und dem Charisma Cory Aquinos auf der einen, den Einflüsterungen der Amerikaner auf der anderen Seite bestärkt wird. Ihr sichtbarer Exponent wurde der neue Generalstabschef Fidel Ramos. Es ist schwer zu sagen, in welchem Kräfteverhältnis diese drei Fraktionen sich gegenüberstehen.
Aufschlußreich für die Politisierung des Militärs ist eine Befragung, die Miranda im April/Mai 1987 unter 452 Offizieren durchgeführt hat: 84 Prozent der Befragten sahen die Aufgabe des Militärs darin, die Regierung gegen jede Bedrohung zu schützen, nur 50 Prozent wollten jedoch diejenigen Militärs, die die Regierung zu destabilisieren versuchen, bestraft wissen. Die These, daß das Militär versuchen müsse, ein „unfähiges Staatsoberhaupt“ mit Gewalt abzusetzen, wurde zu gleichen Teilen bejaht (34 Prozent) wie abgelehnt (33 Prozent). Bei einer drohenden Übernahme der Regierung durch die Kommunisten bejahten sogar 43 Prozent eine „temporäre Machtübernahme“ des Militärs. 50 Prozent der Befragten wollten in vielen Regierungsmitgliedern linke und kommunistische Sympathisanten entdeckt haben
Das Verhältnis zwischen weiten Teilen der Aquino-Regierung und dem Militär war zunächst von gegenseitigem Mißtrauen bestimmt: Die Letzteren sahen das Regime durch Kommunisten und ihre Sympathisanten unterwandert, die Ersteren erinnerten sich an die Mißhandlungen, die sie durch das Militär als Instrument des Marcos-Regimes erlitten hatten. Es war vor allem die Philippine Constabulary (PC), die bisher durch Disziplinlosigkeiten und Menschenrechtsverletzungen am meisten gefürchtet war. Kommandeur der PC war zwölf Jahre lang General Ramos. Die Freilassung der (kommunistischen) Gefangenen, die Friedensverhandlungen (an denen das Militär nicht beteiligt wurde) und der Waffenstillstand wurden von vielen Militärs — über die Fraktionsgrenzen hinaus — mit Mißtrauen beobachtet. Der Übergang zwischen den Fraktionen ist sicher fließend. Es gibt einen gemeinsamen Corpsgeist, gemeinsam empfundene korporative Interessen sowie den alle Militärs verbindenden Antikommunismus.
Auf der Basis der Berücksichtigung dieser Interessen und Vorstellungen kann eine Integration des Militärs in die zivile Verfassungsordnung durchaus mit Aussicht auf Erfolg angestrebt werden. Sie bedeutet jedoch, daß das Militär als stiller Teilhaber und Träger dieser Ordnung mitregiert — nicht unbedingt offen und sichtbar, aber im Hintergrund in den für es wesentlichen Fragen. Die demokratische Verfassungsordnung wird damit rechts angebunden und läuft immer Gefahr, von ihren militärischen Trägem gestürzt zu werden, wenn linke Themen oder linke Politiker sich durchzusetzen drohen. Die Entwicklung in den Philippinen scheint im Augenblick in diese Richtung zu tendieren. Die beiden ersten Jahre des Aquino-Regimes wurden jedenfalls geprägt durch Aktionen zur Restauration des Einflusses von Marcos sowie zur Machtausweitung Enriles.
2. Operettenputsche und Putschgerüchte
Der erste Putsch erfolgte durch die Marcos-Loyalisten. Mit einigen hundert Mann besetzten sie im Juli 1986 ein großes Hotel in Manila und riefen den Vizepräsidentschaftskandidaten vom Februar 1986, Arturo Tolentino, zum zeitweiligen Präsidenten aus. Die Rebellen fanden jedoch keine Unterstützung in der Armee und der Bevölkerung und gaben nach 38 Stunden — ohne daß ein Schuß abgefeuert worden wäre — auf. Die Putschisten gingen straflos aus. Es gab keine Anklage wegen Hochverrats. Die aktiven Soldaten wurden zu 30 Liegestützen verurteilt. Es fiel auf, daß Verteidigungsminister Enrile den Eintritt in das „Kabinett“ Tolentinos zwar ablehnte, die Putschisten aber dennoch hofierte und mit ihnen Arm in Arm vor den Kameras posierte. Der nächste Putsch bestand genaugenommen nur aus Putschgerüchten über Bestrebungen von Militärs und Enriles, Aquino zu entmachten und allenfalls als Titular-Präsidentin im Amt zu belassen. Diese Affäre ist bis heute nicht aufgeklärt. Sie endete am 23. November 1986 mit der Entlassung Enriles als Verteidigungsminister. Während der Krise soll Generalstabschef Ramos der Präsidentin eine Liste mit „Empfehlungen“ übergeben haben, mit der um die Ablösung bestimmter Kabinetts-mitglieder gebeten wurde, die „keine angemessenen Leistungen erbracht hätten“. Es kam zur Entlassung zweier weiterer Minister, nicht jedoch des Exekutivsekretärs (entspricht unserem Kanzleramtsminister) Joker Arroyo, der rechten Hand Aquinos. Diesem wurde Linkslastigkeit vorgeworfen. Außerdem scheint er kein übertrieben guter Administrator gewesen zu sein.
Wenige Tage nach der Entmachtung Enriles wurde zunächst ein auf zwei Monate befristetes Waffenstillstandsabkommen mit den Nationaldemokraten (NDF) unterzeichnet. Damit sollten die Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und der NDF sowie die Volksabstimmung über die neue Verfassung und die diese vorbereitende Diskussion in einer ruhigen Atmosphäre durchgeführt werden können. Dieses Ziel wurde jedoch verfehlt. Aus Sicht des Militärs waren die Verhandlungen linkslastig und auch in der NDF gab es große Vorbehalte. Es kam zwar zu einer Reduzierung der Kampfhandlungen, aber dennoch zu zahlreichen Übergriffen und Waffenstillstandsverletzungen auf beiden Seiten, offenbar durch Extremisten, denen die ganze Richtung nicht paßte. Noch vor Ablauf der Waffenstillstandsfrist hatte man sich in der NDF entschieden, auf einen militanten Konfrontationskurs zu setzen und den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen, da das Regime Aquino immer weiter nach rechts gerückt sei. Militante Militärs halfen nach. Am 22. Januar 1987 wurde ein vom Bauernverband (KMT), der den Nationaldemokraten nahesteht, organisierter Demonstrationszug — für eine unverfälschte Landreform! — vor dem Präsidentenpalast auf der Mendiola-Brücke völlig unverhältnismäßig durch Schußwaffengebrauch gestoppt. Auf der Strecke blieben mindestens fünfzehn Tote und 90 Verletzte. Die Regierung versuchte einige versöhnliche Gesten, der Vorwand war jedoch gegeben, die Friedensverhandlungen endgültig abzubrechen.
Wenige Tage später, am 27. Januar 1987, kam es zu einem erneuten Putschversuch Marcos-treuer Kräfte, die nun, nach der Zwangspensionierung der „loyalistischen" Generäle, unter dem Kommando von Obristen standen. Die Putschisten versuchten vergeblich, einige Militäreinrichtungen zu besetzen und verschanzten sich schließlich in einem Fernsehsender. Dieses Mal gab es Tote und Verwundete. Eine Offiziersgruppe um Oberst Honasan drängte schließlich General Ramos, den Putsch durch Verhandlungen' beizulegen, was auch gelang. Die Putschisten wurden aber dieses Mal verhaftet. Die Volksabstimmung über die neue Verfassung konnte daraufhin unbehelligt am 2. Februar 1987 stattfinden. 3. Der Honasan-Putsch und die Folgen Der bisher ernsthafteste Versuch, die Regierung zu stürzen, wurde ein halbes Jahr später von Oberst Gringo Honasan ausgeführt. Mit zusammen mehr als 2 000 Mann griff er den Präsidentenpalast (erfolglos) und mehrere TV-Stationen und Militäreinrichtungen, darunter Camp Aguinaldo, an, die er besetzte. Obwohl offenbar bewußt in die Luft geschossen wurde, gab es erstmals eine beträchtliche Zahl von Toten (53) und Verwundeten (300), darunter viele unbeteiligte Zivilisten. Der Putsch dauerte kaum mehr als einen Tag und endete mit der Flucht von Honasan. Es konnte nur ein Teil der Putschisten festgesetzt werden. Von den Flüchtigen ging weiter eine permanente Bedrohung aus, zumal deutlich wurde, daß die Putschisten für ihre Sache breite Sympathien in den Streitkräften genießen. Der Putsch war nicht nur auf Manila beschränkt. In der zweitgrößten Stadt, Cebu, unterstützten die Militärs den Putsch und setzten die zivilen Autoritäten vorübergehend fest. Die Kadetten der Militärakademie solidarisierten sich. Offiziere im ganzen Land bekundeten ihre verbale Unterstützung.
Obwohl auf den Kopf von Honasan eine hohe Belohnung ausgesetzt wurde, konnte er erst dreieinhalb Monate später in Manila gefangengenommen werden. In der Zwischenzeit hatte er zahlreiche Interviews gegeben und — wie auch der ebenfalls flüchtige Marcos-Loyalist Capt. Cabauatan — durch wiederholte Putschankündigungen die Öffentlichkeit und die Regierung in Atem gehalten. Es war offensichtlich, daß insbesondere Honasan von vielen Militärs gedeckt wurde und wird. Im März 1988 gelang ihm — samt seiner Wachmannschaft! — die Flucht aus dem Gefängnis.
Was sind die Ziele Honasans? In seinen Interviews blieb er merkwürdig unbestimmt. Man gewinnt den Eindruck, daß die kritische Haltung zur Regierungspolitik in den Streitkräften so weit verbreitet ist, daß eine detaillierte Ausformulierung und Publizierung den Putschisten gar nicht mehr nötig erschien. Honasan behauptete, er strebe weder Ermordung noch Absetzung der Präsidentin an, sondern nur eine „gute Regierung“ ohne Korruption, an der die rechte Opposition beteiligt werden solle, um eine konsequente Politik gegen die Kommunisten und die Moslemrebellen betreiben zu können.
Er bezeichnete sich als „Sprachrohr“ einer größeren Gruppe, nicht nur von Militärs, sondern auch von Politikern und Geschäftsleuten, und behauptete, er habe den Auftrag für den Putsch von „einer Person“, die er nicht nennen wolle, bekommen. Seinen Mentor Enrile versuchte er allerdings ausdrücklich herauszuhalten, wie auch dieser sich während der Krise auffallend bedeckt hielt, eine eindeutige Verurteilung des Coups aber vermied
Das Denken dieser Militärs wird vielleicht durch ein Interview deutlich, das drei Scout Ranger in Davao gaben, die ganz offen mit dem Honasan-Putsch sympathisierten und nur wegen Unabkömmlichkeit im Kampf gegen die Kommunisten an ihm nicht direkt teilnehmen konnten: „Cory sagt, es ist Krieg mit der NPA. Aber was ist die NPA? Das sind junge Bauern. Wir haben keine Angst vor der NPA. Es ist leicht, sie zu töten. Es sind deren legale politische Führer, die uns einschüchtem. Diejenigen, die nicht angerührt werden können, die aber die Befehle geben! Diese Mitgliedsausweise tragenden Parteimitglieder, die niemals sich im Schlamm wälzen und Waffen tragen. Diese Ärzte, Krankenschwestern, Nonnen: Jose Maria Sison, Bernabye Buscayno; Bayan, welche alle ihre Aktivitäten auf legaler Ebene koordiniert; und die drei oder vier zum harten Kem gehörigen Mitglieder in jeder Frontorganisation, der Kilusan Mayo Uno, Gabriela und andere ... Ist es so schwer für die Regierung. diese Kommunisten zu bestrafen? Wir können diese Parteimitglieder liquidieren. Aber diese Regierung hat nichts anderes zu tun, als eine Menschenrechtskommission einzusetzen . . . Die Regierung hat sich zu entscheiden, auf welcher Seite sie steht. Sie kann sich nicht mit den Feinden der Verfassung vergnügen. Sie kann sich nicht mit ihnen zusammensetzen. Tut sie es, untergräbt sie die Verfassung.“
Im Oktober 1987 erschien in den Tageszeitungen eine Anzeige, in der die Forderungen der Rebellen noch einmal zusammengefaßt wurden:
— Trotz ihrer offensichtlichen Ernsthaftigkeit und ihres Engagements fehle es der Präsidentin an Kompetenz und Durchsetzungswillen, die Nation zu führen;
— Bestechlichkeit und Korruption seien weiterhin in der Bürokratie weit verbreitet; Nepotismus, Bildung politischer Dynastien und Neo-Kumpanei seien in der Regierung immer noch augenfällig;
— Die „trial and error“ -Methode des Umgangs mit den verschiedenen Bedrohungen der nationalen Sicherheit, oft unter vollständiger Mißachtung der Ratschläge des Militärs, habe zu einer Konsolidierung und Expansion der kommunistischen Guerilla, der Wiederauferstehung der sezessionistischen Bewegung im Süden und der Entstehung anderer bewaffneter Gruppen geführt;
— Die Regierung habe kein umfassendes Counter-Insurgency-Programm entwickelt, das alle Regierungsbehörden involviere und alle Möglichkeiten ausschöpfe; sie habe ihren Agenten die notwendigen legalen Möglichkeiten genommen und eine Politik betrieben, die die Guerilla mehr bevorzuge als das Militär;
— Es werde zuviel Politik gemacht. Die grundlegenden politischen, sozialen und ökonomischen Probleme des Landes würden dagegen nicht angegangen.
Diese Anzeige erschien unter der Überschrift „Offener Brief des Dankes“; erwähnt wurden dann Maßnahmen und Ankündigungen der Regierung, die auf der Linie der Putschistenforderungen lagen. Der Aufruf schloß: „Für all dies sind wir dankbar. Aber, wem sollen wir dankbar sein? Der Präsidentin? Wem sollen wir wirklich dankbar sein?“ — Offenbar Honasan und den Putschisten! u). Präsidentin Aquino sah sich nun gezwungen, eine Reihe von Maßnahmen zur positiven Integration der Streitkräfte zu ergreifen. Ihr Kabinett trat nach dem Putsch geschlossen zurück. Ihr enger Vertrauter, Exekutivsekretär Joker Arroyo, und einige weitere Linke wurden nicht wieder ernannt. Es schied ferner der eher rechte Finanzminister Jaime Ongpin aus, der wegen seiner Verhandlungsergebnisse bei den Umschuldungen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten war und dem außerdem Verquickung von öffentlichem Amt und privaten Geschäften vorgeworfen worden war, sowie Vizepräsident Laurel als Außenminister.
Der Sold wurde für die Generäle um 35 Prozent, die Obristen um 47 Prozent, für rangniedere Offiziere um 60 Prozent und die Unteroffiziere und Mannschaften um 54— 60 Prozent angehoben Damit wurden die realen Einkommensverluste der letzten Marcos-Jahre wieder wettgemacht. Das Militärbudget wurde ebenso deutlich erhöht, wie amerikanische Waffenlieferungen pressewirksam zur Schau gestellt wurden. Cory Aquino besuchte de-monstrativ Truppengarnisonen in den Provinzen — deren Mannschaften zuvor allerdings entwaffnet wurden! Sie erklärte alle Spekulationen über eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit der NDF für nicht autorisiert und forderte stattdessen Zivilisten und Militärs auf, den Krieg gemeinsam gegen die Kommunisten zu führen. Selbst ein Ausgleich oder ein Arrangement mit Ferdinand Marcos scheint nun nicht mehr ganz ausgeschlossen zu werden
Es kann kein Zweifel bestehen, daß der Druck der Militärs auf der einen, die Intensivierung der Guerilla und des Terrorismus auf der anderen Seite den Schwerpunkt des Aquino-Regimes verschoben haben. Das Militär regiert praktisch mit, auch wenn es sich nicht mit allen seinen Forderungen durchsetzen kann. Unter den das Regime tragenden Kräften besteht offenbar keine einheitliche Auffassung über die Art und Weise der Intensivierung des Krieges gegen die kommunistische Guerilla. Über ein härteres Vorgehen gegen sie scheint man sich jedoch einig zu sein.
III. Der Guerillakrieg — kein Ende in Sicht
Wie steht es überhaupt mit dem Guerillakrieg? Konkret gibt es zwei oder sogar drei kriegerische Auseinandersetzungen: Den Guerillakrieg der Kommunistischen Partei (CPP) als Kernorganisation der „Nationaldemokraten“ (CPP/NDF) durch deren militärischen Arm, die New People’s Army (NPA); die Sezessionsbewegung der Moslems in Mindanao und Sulu durch die Moro National Liberation Front (MNLF), die allerdings inzwischen in drei, zum Teil sich untereinander bekämpfende Fraktionen gespalten ist; schließlich die Autonomiebewegung der (altmalaiischen) Stammesvölker in den Bergen Nord-Luzons (CPLA), die teilweise mit der NPA kooperierten, sich jedoch großteils wieder von dieser gelöst haben. Die für das Ge-samtsystem im Augenblick wichtigste und bei weitem militärisch aktivste Guerilla ist ohne Zweifel die NPA, auf die allein daher hier eingegangen werden soll. 1. Die Guerilla wächst und wächst — und kann nicht gewinnen Die NPA gilt als die einzige kommunistische Guerilla in Asien, die ihre Operationsgebiete und ihre Anhängerschaft auszubauen vermag. Die Zahl ihrer Kämpfer hat sich seit ihrer Gründung (1969: 60), nach einem vorübergehenden Rückschlag (1973/76), ständig erhöht. Das Militär schätzte sie 1972 noch auf 1 320 Kämpfer (und Kämpferinnen). Bis 1978 hat diese Zahl sich verdoppelt und wuchs dann rasch an. Beim Sturz von Marcos sollen es circa 16 000 gewesen sein, 1987 rechnete man mit 23 000. In einem ähnlichen Umfang nahmen die gewaltsamen Auseinandersetzungen zu. 1973 waren es noch weniger als 300, 1981 1 100— 1 200, 1985 schließlich sogar 3 900. In den beiden ersten Aquino-Jahren nahmen die gewaltsamen Auseinandersetzungen nur geringfügig auf unter 3 000 ab. Nach amtlicher Zählung verloren dabei fast 8 000 Bewaffnete der Regierung (Armee, Polizei, Bürgerwehr), 7 000 zivile Regierungsbeamte und regierungsnahe Zivilisten und über 10 000 NPA-Kämpfer/innen ihr Leben. 1987 hat es 3 000 Tote in diesem Krieg gegeben
Ein militärisches Ende ist jedoch nicht in Sicht. Die NPA steht nicht vor dem militärischen Durchbruch, wie sie es selbst Glauben machen will und wie es von politischen Beamten der USA — aus vordergründigen Interessen gegenüber ihrer Legislative — gelegentlich behauptet wird Die NPA sieht ihren Weg an die Macht in fünf Etappen: Strategische Defensive, strategisches Patt, strategische Offensive, Eroberung der politischen Macht und Durchführung der sozialistischen Revolution. In einem etwas älteren Dokument hoffte man offenbar, das zweite Stadium schon 1987, das dritte 1988 und die Eroberung der politischen Macht 1990 erreichen zu können Davon ist man heute allerdings noch weit entfernt. Man befindet sich immer noch im ersten Stadium: dem Aufbau der Massenbasis, kleineren Überfällen, terroristischen Anschlägen.
Die NPA operierte zunächst in den peripheren Regionen, vor allem auf dem Lande. Sie ist zwar in der Lage, mit Einheiten bis zu 200, ja gelegentlich 500 Kämpfern anzutreten und auch Kleinstädte zu überfallen und zu besetzen. Sie kann diese aber kaum länger als einige Stunden halten. Größere Verbände kann sie längere Zeit nicht führen, da sie diese kaum verpflegen kann. Außerdem wäre sie dann zu verwundbar gegenüber Militärangriffen. In einer regelrechten Schlacht vermag die NPA dem Militär nicht standzuhalten. Sie kann nur mit einer „hit and run“ -Taktik operieren, mit zeitweise zusammengezogenen überlegenen Kräften, die aus dem Hinterhalt kleinere Militär-, vor allem aber Polizei-und Milizeinheiten angreifen und überrennen. Daran wird sich auch in absehbarer Zukunft nichts ändern.
Die Stärke der NPA, die ihr bisheriges Wachstum mit ermöglichte und weiter ermöglichen wird, ist letztlich auch ihre Schwäche: Es handelt sich um eine autonome Bewegung. Sie hat sich zwar inzwischen (in den westlichen Ländern) ein Solidaritätsnetzwerk aufgebaut, aus dem sie auch materielle solidarische Unterstützung erhält. Sie vermochte sicher zudem einen Teil der kirchlichen und internationalen Entwicklungs-und Katastrophenhilfegelder in ihre Infrastruktur zu leiten. Ihre eigenen Steuereinnahmen sind jedoch ihr materielles Fundament. Diese erhebt sie von Arm und Reich und offenbar nicht nur in den Gebieten, in denen sie militärisch stark vertreten ist. Damit ermöglicht sie ihren Kämpfern ein mageres Auskommen.
Allerdings ist die NPA schlecht und unzureichend bewaffnet. Die meisten ihrer Überfälle haben das Ziel, sich Waffen zu beschaffen. Die Erkenntnisse des Militärs weichen zwar von den Eigenangaben der NPA bezüglich der Zahl der Kämpfer und ihrer Waffen ab, man stimmt jedoch darin überein, daß nur etwa die Hälfte der Kämpfer mit Waffen ausgerüstet ist. Bei diesen handelt es sich ausschließlich um (zum Teil automatische) Handfeuerwaffen, die den Regierungstruppen oder den Dorfmilizen (diesen oft ohne Abgabe eines Schusses) abgenommen oder abgekauft wurden bzw. die auf dem Schwarzmarkt im Lande erworben worden sind. Über einen nennenswerten Waffenimport ist nichts bekannt geworden. Aufgrund der Insellage ist dieser (für Großgeräte) auch schwer durchzuführen. Es wird der NPA schwerfallen, von der Guerillataktik auf eine konventionelle Kriegsführung umzuschalten.
Die NPA modifizierte daher ihre Taktik. Bisher ging ihren Mordanschlägen gegen einzelne Dorfschulzen, Dorfräte, Bürgermeister, Polizisten und Militärs sowie Privatpersonen ein konkretes Fehlverhalten der Opfer — was auch von der örtlichen Bevölkerung als solches empfunden oder gar erlitten wurde — voraus, oder es handelte sich bei diesen um vermutete oder tatsächliche Regierungsagenten und Informanten. Die Opfer sollen vorher sogar gewarnt und verwarnt worden sein und eine Chance zur Änderung ihres Verhaltens bekommen haben.
In den frühen achtziger Jahren vermochte die NPA erstmals Teile einer Großstadt, Davao im Süden Mindanaos, unter ihre (verdeckte) Kontrolle zu bringen. Durch Plazierung von Regierungsagenten in ihren Reihen, durch umfassende mörderische Säuberungen, denen wohl nicht nur Agenten zum Opfer fielen, und mittels der Organisation von privaten anti-kommunistischen Todesschwadronen („vigilantes") durch das Militär wurden sie dort wieder vertrieben — mit beträchtlichen Opfern von Beteiligten und Unbeteiligten. Seit 1987 operieren auch in Manila Todeskommandos der NPA („Sparrow units“: Sperlingseinheiten), die am hellichten Tage gegen Polizisten und Militärs Mordanschläge 'verüben. Sabotageakte wurden bisher vorwiegend verübt, um revolutionäre Steuern einzutreiben und um wirtschaftliche Counter-Insurgency-Programme zu behindern. Nun begann man in Bikol, Brücken und Stromleitungen (für die Versorgung Manilas) in die Luft zu sprengen. Die NPA hoffte, dadurch die Handlungsunfähigkeit der Regierung vorzuführen und durch ein Klima von Instabilität und Unsicherheit die Regierung, die Sicherheitskräfte und die Bevölkerung zu demoralisieren. Im Oktober 1987 wurden erstmals drei US-Soldaten außerhalb von Clark-Air-Base ermordet. Damit wollte man vermutlich ein Eingreifen der USA provozieren und die Etablierung eines autoritären Regimes in Manila erzwingen. Die NPA vermag damit möglicherweise den Militarisierungstendenzen des Regimes einen kräftigen Schub zu geben. Ob ihr dadurch mehr Anhänger zuwachsen werden, ist durchaus nicht sicher. 2. Die Guerilla kann nicht besiegt werden Kann die NPA besiegt werden? Das Marcos-Regime war darin offensichtlich nicht sehr erfolgreich. Seither sind einige Reformen durchgeführt worden, die die AFP professioneller und effizienter machen sollen, die diese jedoch nicht notwendigerweise entscheidend kampfkräftiger machen. Dazu gehört die Auswechslung überalteter Kumpanei-Offiziere, die Anhebung des Soldes, die Reduzierung der Präsidentengarde zugunsten einer Verstärkung der Kampfbataillone. Die große Korruption und die Fehlverwendung von Ressourcen in den Streitkräften ist möglicherweise reduziert worden; dennoch ist sie immer noch nicht ganz ausgerottet worden. Die Regierung verfügt offenbar nicht mehr über einen einsetzbaren und von ihr kontrollierten Geheimdienst. Das haben ihre unzureichenden Kenntnisse und Vorbereitungen gegenüber den putschbereiten Militärs gezeigt. Dies dürfte gegenüber der Guerilla nicht anders sein. Unter Marcos wurde der unter dem Kommando des Generals Ver stehende militärische Geheimdienst zunehmend zur Bespitzelung und Ausspähung jeglicher Opposition mißbraucht und von seinen eigentlichen Aufgaben abgehalten. Der politische Umsturz und die dann notwendige Säuberung, Auflösung und Neugründung des militärischen Geheimdienstes haben offenbar auch dessen personelle Infrastruktur an der Basis nicht unberührt gelassen. Im parlamentarischen Bereich steht er zudem im Verdacht, die ihm zugewiesenen Mittel, die nicht von außen kontrolliert werden können, nicht immer zieladäquat einzusetzen, und es gibt Überlegungen, den militärischen Geheimdienst ganz aufzulösen und die Aufgaben der Kriminalpolizei zu übertragen.
Die drastischen Soldanhebungen haben die wirtschaftliche Not der Mannschaften und (ehrlichen) Offiziere erheblich vermindert und dadurch vielleicht auch die Moral der Truppe gehoben. Die persönliche Kampfausstattung sowie die medizinische Versorgung der Soldaten bleiben jedoch nach wie vor dürftig. Die militärische Ausrüstung für einen Guerillakrieg gilt weiterhin als unzureichend und verfehlt. Mit den begrenzten Mitteln der US-Militärhilfe, die zum Teil nur auf Kreditbasis gegeben wird, und mit der praktisch ausschließlich die Waffenbeschaffung finanziert wird, wurden in der Vergangenheit teure und hochentwickelte Geräte angeschafft, die dann nicht bedient und eingesetzt werden konnten und wegen Ersatzteilmangels unbenutzt blieben. Es fehlt hingegen an ausreichenden Transportkapazitäten — Lastwagen, einsatzbare Kampf-und Transporthubschrauber — und an einer adäquaten Bewaffnung. General Ramos hat diese Beschaffungspolitik schon seit 1985 zu ändern begonnen. Die Fehler der Vergangenheit sind jedoch nicht von heute auf morgen aufzuheben Inzwischen scheint sich hier ein so gewaltiger Nachholbedarf angesammelt zu haben, daß dieser selbst durch eine wesentlich großzügigere Militärhilfe der USA kaum in absehbarer Zukunft gedeckt werden kann.
Das Militär ist jedoch nicht nur unzureichend ausgestattet und ausgerüstet. Es ist zahlenmäßig zu schwach, um der Ausbreitung der dezentralisiert operierenden Guerilla — mittlerweile in 62 von 73 Provinzen — in den peripheren Gebieten Einhalt gebieten zu können. Tatsächlich bringt das Militär — bei einer Gesamttruppenstärke von circa 156 000 Mann — nur 40 000— 50 000 Mann Kampftruppen ins Feld Diese werden unterstützt durch die para-militärische Polizei, die Philippine Constabulary (PC) mit etwa 42 000 Mann. Berücksichtigt man den Umstand, daß ein Teil der Kampftruppen durch die militante Moslembewegung gebunden wird, so ist das aus der Sicht der Counter-Insurgency-Erfordemisse eher ein ungünstiges Verhältnis zwischen Guerillas und bewaffneten Regierungskräften. Schon Marcos hat daher 1976 versucht, lokale Sicherungsaufgaben auf eine Dorfmiliz, die Civilian Home Defence Force (CHDF), zu übertragen. Die Stärke dieser Miliz beläuft sich gegenwärtig auf etwa 45 000 Mann Ihr militärischer Wert gilt als sehr begrenzt.
Es war daher gerade diese Miliz, die Zielscheibe der Angriffe der NPA wurde und ihnen dann meist wenig entgegenzusetzen hatte. Auf ihr Konto gehen dafür zahlreiche brutale Ausschreitungen und Menschenrechtsverletzungen gegen Unbeteiligte. Unter der Aquino-Regierung sollte diese Dorfmiliz daher eigentlich aufgelöst werden. Das Militär hat das bisher zu verhindern gewußt.
Marcos hatte mit der Verhängung des Kriegsrechts weitgehend erfolgreich versucht, die Privatarmeen aufzulösen und zu entwaffnen, um die legale militärische Macht in der Hand der zentralstaatlichen Organe zu vereinigen. Mit der Aufhebung des Kriegsrechts (1981) und der Zunahme der Guerilla in den achtziger Jahren wurde die Bildung von Privatarmeen — insbesondere von Marcos-Anhängern — wieder toleriert und zum Teil aktiv unterstützt. Gegen Ende der Marcos-Zeit, wohl zuerst in Davao, bildeten sich darüber hinaus militant anti-kommunistische private Sicherheitsdienste („vigilantes“), die sich unter dem Aquino-Regime, insbesondere seit 1987, im ganzen Land sprunghaft ausbreiten. Gegründet wurden diese Gruppen durch örtliche Militärkommandanten, Bürgermeister, einzelne Bürger. In Mindanao rekrutierten sie sich aus militant anti-kommunistischen Sekten. Häufig rekrutierten sie NPA-Überläufer, dörfliche Milizionäre, Arbeitslose, Kriminelle. Die Vigilantes können gewisse Erfolge vorweisen, da sie sich bei ihrer Kommunistenhatz noch weniger an Recht und Ordnung zu halten brauchen, als die staatlichen Ordnungskräfte. Vielleicht hängt ihre Entstehung — bei den veränderten politischen Bedingungen unter Aquino — auch gerade damit zusammen, daß das Militär verunsichert war, ob es sich die bisher praktizierten Menschenrechtsverletzungen so noch weiter leisten konnte, und diese daher lieber an private Gruppen „delegierte“. Opfer dieses hysterischen Anti-Kommunismus sind nicht nur Guerillas und Kommunisten, sondern potentiell alle Linken und Liberalen
Diese Vigilantes fanden ihre Förderer in dem zeitweiligen Minister für die LokalVerwaltung, Jaime Ferrer, sowie natürlich bei den Militärs: Ramos, Ueto usw. Die Militarisierung schreitet damit weiter voran, wenn auch zunächst nur in martialischen Erklärungen: Verunsichert durch die putschenden Militärs auf der einen, die wachsende kommunistische Guerilla auf der anderen Seite erklärten die 180 Abgeordneten der Regierungsfraktionen unter Führung des Sprechers Ramon Mitra, daß sie ihre Anhänger in den Wahlkreisen bewaffnen wollten, „um sich selbst und die Aquino-Regierung gegen Linke, Rechte, und andere Rebellen zu verteidigen“. Von einer Bürgerbewaffnung nach Schweizer Vorbild ist die Rede -Das ließ nun wiederum die Marcos-Loyalisten nicht ruhen, nun ihrerseits Vigilantes zu organisieren. Mit diesen wollen sie „nicht die militärischen Rebellen, sondern die Kommunisten“ bekämpfen, wie ein notorisch bekannter War-lord, der ohnehin mit seinen Privatarmeen schon viel Unheil angerichtet hatte, erklärte. Im Februar 1988 kündigte schließlich der linke Gewerkschaftsdachverband (KMU) die Bildung von „Selbstverteidigungskräften“ an, mit denen er sich gegen die „repressiven Akte des Militärs und des Managements“ zur Wehr setzen wolle. Schließlich können nun auch die Landbesitzer, selbst ihre Abgeordneten im Parlament, damit drohen, „ihr Land“ mit Waffengewalt gegen eine mögliche Landreform der Regierung zu verteidigen.
All dies zeigt, daß der Staat sein legales Gewaltmonopol nicht ohne gravierende Folgen für den Rechtsstaat, die Demokratie und den Parlamentarismus aufgeben kann. Der Schutz der Menschen-und Bürgerrechte wird unter diesen Umständen immer mehr zu einer Leerformel. Betroffene Linke und Liberale versuchten noch gegen diesen Strom anzukämpfen und gründeten eine „National Movement to Disband Vigilantes“ (NMDV).
Cory Aquino verhielt sich gegenüber dieser Entwicklung zunächst unschlüssig. Aufgrund ihrer eigenen persönlichen Erfahrungen kann man sich ihre Vorbehalte durchaus ausmalen. Damit wurden die Verhältnisse jedoch eher noch verschlimmert. Es gab eine Förderung dieser Bewegung durch staatliche Organe, aber keine staatliche Politik. Offenbar unter dem Druck der Militärs entschloß sie sich schließlich doch zu einer halbherzigen Anerkennung der privaten Sicherheitsdienste und zu deren Regulierung durch amtliche Richtlinien Kern dieser Richtlinien ist es, daß die Vigilantes offenbar überwiegend unbewaffnet sein sollen. Kaum bewaffnete Vigilantes würden allerdings „weniger als nutzlos“ sein. Sie könnten sich gegen die NPA-Guerilla kaum selbst verteidigen und würden ihre wenigen Waffen auch noch an die Kommunisten verlieren. Es ist daher mehr als zweifelhaft, ob die Vigilantes tatsächlich kontrolliert werden können. Heute weiß man noch nicht einmal amtlicherseits, wie viele Gruppen mit welchen Mitgliedern es überhaupt gibt. Wenige Tage nach Unterzeichnung der Richtlinien wurde deren Philosophie auch schon durch einen Polizeigeneral von Manila konterkariert, der die Bildung von 12 „bewaffneten“ Vigilantengruppen in Manila ankün-digte, die „Kriminelle, Terroristen, Rebellen und andere Unruhestifter“ bekämpfen und auch Verhaftungen vornehmen können sollten. Eine rechtlich einwandfreie Verstärkung der Kampfkraft ist nur durch eine Erhöhung der Mannschaftsstärke der AFP möglich. Selbst wenn die operative Kampfkraft erheblich verbessert werden könnte, würden die AFP sich einer wahren Sisyphusarbeit gegenübersehen: Die NPA hat nicht nur erheblich mehr Kämpfer als Waffen, kann also Verluste umgehend ersetzen; sie hat auch eine breite zivile Massenbasis, aus der sie weitere Kämpfer rekrutieren kann.
Diese Basis liegt in den von ihr kontrollierten, verdeckten und legalen Massenorganisationen in den Städten wie in den von ihr kontrollierten bzw. infiltrierten Dörfern. Von den 41 630 Dörfern galten, Mitte 1987, 3 066 (oder 7 %) als von der CPP/NPA in dem Sinne „beeinflußt“, daß mehr als 50% der Bevölkerung sich ihnen zugehörig fühlten und Parteiorganisationen, quasi eine revolutionäre Gegen-verwaltung, aufgebaut worden sind. Weitere 4 993 Dörfer (12%) galten als „infiltriert“. Es existieren schon lokale Zellen mit einem gewissen lokalen Anhang von mehr als 10% der Dorfbevölkerung Unterstellt man, daß Opposition und Indifferenz zur CPP/NPA in den Dörfern kaum noch möglich ist, wo diese ihre revolutionären Strukturen voll ausgebildet hat, so könnte man schätzen, daß sie eine ländliche Massenbasis von circa zwei Millionen Menschen in den von ihr kontrollierten Dörfern, vielleicht eine weitere dreiviertel Million in den übrigen Dörfern hat.
Wie die revolutionären Strukturen in den Dörfern aussehen, wissen wir eigentlich nicht genau. Die NPA hat hier, meist nach sorgfältiger Vorbereitung und auf etwaige persönliche Beziehungen aufbauend, eine Gegenverwaltung aufgebaut, die Steuern erhebt, „Recht und Ordnung“ (gegen kleine Kriminelle) durchsetzt, Serviceleistungen anbietet. Diese Dörfer liegen oft in peripheren, schwer zugänglichen Gebieten, nicht selten wohl ohne Straßenanschluß. Staatliche Dienstleistungen wurden daher hier vermutlich meist ebenso wenig gesehen wie die staatlichen Ordnungskräfte, die mit ihrer geringen Mannschaftsstärke nicht in allen Dörfern präsent sein können. Um „befreite Gebiete“ im Sinne der maoistischen Guerillastrategie handelt es sich deshalb wohl noch nicht, da diese Dörfer noch keine sicheren Rückzugsgebiete für die Guerilla darstel-len, die sie im Zweifelsfall erfolgreich verteidigen könnte. Der Zutritt einzelner Polizisten, Politiker und Wahlkämpfer, Staatsbeamter oder Fremder ist jedoch gleichfalls nicht möglich. Die ländliche Massenloyalität gegenüber der NPA gründet auf einem insgesamt kaum zu durchschauenden Konglomerat aus der Anerkennung nachweisbarer „staatlicher“ Leistungen der NPA politischer Überzeugung, Abenteurertum und bäuerlichem Protestverhalten sowie von sozialem und physischem Zwang.
In den Dörfern mit einer revolutionären Gegenverwaltung rekrutiert die NPA eine (zunächst) unbewaffnete Miliz, angeblich mindestens zehn (junge) Männer oder Frauen pro Dorf. Diese erfüllen zunächst Späher-, Sicherungs-und Zuträgeraufgaben (für die NPA). Aus dieser Miliz wird der Nachwuchs für die NPA-Kämpfer rekrutiert. Darüber hinaus hat die NPA eine breite, zahlenmäßig schwer zu bestimmende Massenbasis in den Städten, aus der sie ihre militärischen und politischen Führungskader bezieht.
Selbst eine wesentliche Steigerung der „Abschußrate“ von NPAs — um dieses brutale Wort zu benutzen — würde kaum einen wesentlichen Einfluß auf die Guerilla haben, die ja schon bisher nicht unbeträchtliche Verluste ersetzen und sogar ergänzen konnte. Wie steht es mit der Vertreibung der Guerilla aus den Basen, aus denen sie ihren humanen und materiellen Nachschub bezieht? Die Bildung von Vigilantes und vereinzelt von Todes-schwadronen der Militärs kann als Versuch gewertet werden, die städtische Infrastruktur der Guerilla zu „bereinigen“. Damit könnten noch am ehesten Erfolge erzielt werden, allerdings zu einem sehr hohen Preis.
Seit 1981 gibt es ein integriertes Counter-Insurgency-Programm, das durch eine Kombination von militärischen Operationen und wirtschaftlichen Dienstleistungen die NPA aus den von ihnen kontrollierten Dörfern wieder vertreiben und die Dorfbewohner für den Staat gewinnen will. Kernpunkt der Strategie ist die Überlegung, daß die NPA-Dörfer bisher kaum in den Genuß der staatlichen Leistungsverwaltung gekommen sind und daher relativ leicht die Beute der NPA geworden seien. Die Strategie erfolgt in vier Phasen, die mit den Schlagworten „säubern, halten, konsolidieren, entwikkeln" umschrieben werden. Die unter Marcos entwickelte Strategie („Oplan Katagatan") wird unter Aquino — unter veränderter Bezeichnung: „Oplan Mamayan“ — praktisch fortgesetzt
Die militärischen Operationen in NPA-kontrollierten Gebieten erwiesen sich alles andere als einfach. Die Dorfbevölkerung ist meist nicht besonders kooperationsbereit, die Identifizierung und Isolierung kommunistischer Kader ist daher schwierig. Häufig wußte man sich nicht anders als mit erzwungenen Umsiedlungen ganzer Dörfer, Haus zu Haus-Durchsuchungen und intensiven Befragungen („zoning“) zu helfen. Diese Operationen wurden mit einiger Intensität und Brutalität durchgeführt, was kaum geeignet ist, die Dorfbevölkerung für die Regierung zu gewinnen, allenfalls sie einzuschüchtern. Schon 1981 hatte Marcos durch die Einrichtung von zivil-militärischen „Peace and Order Councils“ auf allen Ebenen der Regierung die zivile Verwaltung in die Counter-Insurgency-Maßnahmen zu integrieren versucht. Diese Maßnahmen funktionierten aber gerade in den Guerillagebieten nicht und schliefen in den letzten Jahren wieder ein. Aquino versuchte sie im November 1987 zu reorganisieren und wiederzubeleben.
Bisher zeigte sich die zivile Leistungsverwaltung aber nicht eben begeistert, in den Guerillagebieten aktiv zu werden, und viele Militärkommandanten waren zudem nicht sonderlich von der zivilen Counter-Insurgency überzeugt oder an ihr interessiert. Dennoch hat die Strategie Oplan Katagatan offenbar einige Erfolge in dem Sinne aufzuweisen, daß zuvor von der NPA kontrollierte Gebiete von dieser „gesäubert“ werden konnten. Da diese Operationen einen erheblichen Einsatz von Menschen und Material erfordern, können sie jedoch nur punktuell durchgeführt werden. Es kann damit nicht verhindert werden, daß die örtlich operierende NPA sich in andere, ruhigere Gebiete zurückzieht, den Schwerpunkt ihres Kampfes einfach verlagert und später vielleicht sogar wieder zurück-sickert Die Motivation der Armee, sich in kaum erschlossenen, unwirtlichen Berggebieten lange aufzuhalten, ist nicht sehr groß. Für sie ist es schon eine Zumutung, oft mehr als fünf Jahre in einer Provinzgarnison auszuharren, da keine Ersatztruppen zur Rotation zur Verfügung stehen. „In den Kleinstädten ist es aber immer noch komfortabler als das harte Leben in den verarmten Dörfern.“
Dennoch bemüht sich General Ramos in letzter Zeit verstärkt, einen möglichst großen Teil der Armee in den vorgeschobenen Linien dauerhaft zu stationieren und die Überbesetzung militärbürokratischer Wasserköpfe in der Etappe auszudünnen. Wie erfolgreich er dabei ist, ist noch nicht abzusehen. 3. Eine friedliche Überwindung des Krieges ist nicht in Sicht Da die militärischen Auseinandersetzungen den Blutzoll des Krieges allenfalls weiter anheben, kaum aber eine Entscheidung in die eine oder andere Richtung bringen können, stellt sich die Frage, ob es wirklich keine politische Lösung zu seiner Überwindung gibt. Ein Verhandlungsfriede scheint im Augenblick nicht möglich zu sein. Kurz vor dem Honasan-Putsch im August 1987 richtete Cory Aquino zwar noch ein „Office of the Peace Commissioner" ein, das die Verhandlungen mit den bewaffneten Gruppen (NDF/NPA, MNLF, CPLA) koordinieren und integrieren sollte, seit dem Putsch wird ein Verhandlungsfriede jedoch kategorisch ausgeschlossen. Ein Kompromißfrieden welcher Art auch immer, der über eine Amnestie der kommunistischen Rebellen hinausgeht, wird von wesentlichen Teilen der Armee und vom größten Teil des politischen Establishments nicht akzeptiert oder toleriert. Die Friedensverhandlungen mit der NDF litten, wie erwähnt, unter zahlreichen Provokationen von Extremisten beider Seiten, die schließlich den Vorwand für den Abbruch lieferten. Die Forderungen der NDF, an der Regierung beteiligt zu werden und die neue Verfassung zur Disposition zu stellen, waren für die Regierung ebenso unannehmbar, wie die Vorstellung, daß — nach einem Friedensschluß — die NPA im Besitz ihrer Waffen bleiben sollte (obwohl man die Entwaffnung der NPA gerechterweise an die Entwaffnung anderer privater Banden von Warlords, Vigilantes usw. hätte binden können). Das Verbleiben der US-Basen im Lande ist zwar auch in der Regierungskoalition umstritten, es zeichnet sich aber doch eine deutliche und militante Mehrheit für ihr Verbleiben ab. Diese zentrale Forderung der Linken — nicht nur der NDF, sondern auch der demokratischen Linken — ist kaum konsensfähig. Da nicht zuletzt die USA ihre Philippinen-Politik ganz wesentlich unter dem Gesichtspunkt der Sicherung ihrer Basen sehen und durchaus nicht zimperlich bei ihren Einwirkungsversuchen sind, kann eine schwache Aquino-Regierung — selbst wenn sie es wollte — es sich kaum leisten, die Pachtverträge auslaufen zu lassen
Die Unterhändler der Regierung brachten noch andere Verhandlungspunkte ein, die aber keine weitere Rolle gespielt haben: 1. Mitwirkung bei einem schnellen wirtschaftlichen Gesundungsprogramm, medizinische Versorgung verwundeter NPA’s und deren Rehabilitierung; 2. Sozialprogramme, inklusive Mitwirkungin Landreformprojekten und Genossenschaften; 3. Wirtschaftsreformen im Rahmen der Verfassung, die in bestimmten Bereichen eine Veränderung der Kapitalbeteiligung und des gesellschaftlichen Besitzes an den Produktionsmitteln einschließt; 4. ehrenhafte Amnestie für die NPA’s.
Trotz oder gerade wegen des Scheiterns der Verhandlungen war die Aquino-Regierung natürlich frei, durch Wirtschafts-und Sozialreformen die Bedingungen zu überwinden, die die Ausbreitung der Guerilla offensichtlich mit ermöglichten, wenn nicht sogar rechtfertigten.
Bisher bemühte sie sich im wesentlichen allerdings nur darum, den aufgabebereiten NPA’s Brücken zu bauen, „unter das Gesetz“ (wie es amtlich so schön heißt) zurückzukehren, um damit die Guerilla auf ihren harten Kem zu reduzieren. Amnestieangebote hatte verschiedentlich schon Marcos — zuletzt im August 1985 — mit wechselndem Erfolg ausgesprochen. Während die Moslem-Separatisten der MNLF erheblich geschwächt werden konnten, war man gegenüber der NPA weit weniger erfolgreich. Von 1983— 1986 (also inklusive dem ersten Aquino-Jahr) gaben zusammen nur 1 109 NPA-Kämpfer, 2 590 Aktivisten und 53 927 Anhänger („mass base“) auf. Im gleichen Zeitraum wurden 2 147 NPA’s und 1 792 Aktivisten gefangengenommen
Cory Aquino proklamierte noch während der Verhandlungen mit der NDF am 24. Dezember 1986 ein „National Reconciliation and Development Program“ (NRDP) und gewährte Ende Februar 1987 allen Überläufern ein zunächst auf ein halbes Jahr befristetes Amnestieangebot, das dann um ein weiteres halbes Jahr verlängert wurde. Das Programm sollte zwei Komponenten haben: 1. „Entwicklung des ländlichen Raumes“: Durchführung der notwendigen sozialen, politischen und ökonomischen Reformen insbesondere in den Notstands- und den vernachlässigten Gebieten des Landes; 2. „Nationale Versöhnung“: Integration der Über-läufer in ein „produktives Gemeinschaftsleben“.
Das Programm war nicht eben üppig ausgestattet und reduzierte sich bis zum November 1987 auf die Überläuferkomponente. Man hoffte, 1987 5 000 NPA’s zur Aufgabe bewegen zu können. Nach einem halben Jahr hatten — nach ihrer eigenen Bezeichnung — 2 559 NPA-Kämpfer, 2 497 Aktivisten, 1 170 Verwandte derselben und 6 447 Anhänger sich bei den dafür eingerichteten Sammelstellen gemeldet. Die Überläufer wurden einem dreitägigen Umerziehungsworkshop unterzogen und mit dem Notwendigsten versorgt (etwa Geld. Medikamente, Beratung), einige erhielten eine Fachausbildung, anderen wurde eine Arbeit vermittelt, viele sollen eigene Parzellen zur Landbewirtschaftung bekommen. Ob tatsächlich alle Überläufer eine Dauerexistenz bekommen, war im November 1987 noch nicht abzusehen. Obwohl das materielle Angebot ortsüblich bescheiden ausfiel, mochte mancher Guerillakämpfer es attraktiv genug finden, sich in den dafür eingerichteten Bayanihan-Zentren zu melden. Ob das alles wirklich NPA’s und ihre Anhänger waren, ist schwer zu sagen. Obwohl für jede abgelieferte Waffe zu deren Marktwert ein zinsloses Darlehen (das ist praktisch ein Geschenk), zur Hälfte in bar, zur Hälfte in Betriebsmitteln, ausgezahlt werden sollte, brachte kaum mehr als jeder zehnte NPA-Kämpfer eine Waffe mit. darunter nicht wenige Weltkriegsflinten. Für die 335 Waffen wurden im Durchschnitt 2 100 Peso ausgezahlt. Für die Überläufer, die sich nun um ihre Sicherheit sorgten, kann praktisch auch nichts anderes getan werden, als ihnen zu empfehlen, sich den antikommunistischen Vigilantes anzuschließen
So scheint es, daß sich die Philippinen in einem Krieg ohne absehbares Ende befinden. Sie wären nicht das einzige Land in der Dritten Welt. Die humanen Kosten dieses Krieges steigen. Die gerade erst geschaffene liberale, demokratische Ordnung droht durch den Krieg ausgehöhlt, wenn nicht sogar ganz beseitigt zu werden. Die materiellen Kosten, gemessen an den durch die Kriegshandlungen gebundenen sowie den zerstörten Ressourcen, waren bisher nicht so hoch, daß sie die nationale wirtschaftliche und soziale Entwicklung ernsthaft behindert hätten. Das mag sich in der Zukunft ändern. Auch die Unternehmer werden zunehmend unruhiger und fordern eine Verschärfung der Counter-Insurgency. Wenn eine erfolgreiche Wirtschafts-und Sozialpolitik, die einem größtmöglichen Teil der Bevölkerung produktive Arbeit ermöglicht und ihn an der Wohlstandsentwicklung teilnehmen läßt, ein nicht-militärisches Instrument ist, um die Ausbreitung der Guerilla einzuschränken, so sind die Maßnahmen der Aquino-Regierung bisher sehr bescheiden geblieben.
Die labile politische Gesamtlage, der Machtwechsel, die Militärputsche und Rebellionen, die häufigen Ministerwechsel, die Wahlen und die Mittel-kürzungen (im operativen Bereich) haben in den letzten zwei oder drei Jahren (wenn man das letzte Marcos-Jahr noch einbezieht) in vielen Bereichen der Verwaltung praktisch zu einem Stillstand geführt. Politische Reformprogramme, über die Auflösung der Kumpanei-Wirtschaft von Marcos hinaus, wurden praktisch kaum formuliert und erlassen, geschweige denn implementiert. Das Trauerspiel um das „Umfassende Agrarreformprogramm“ (CARP), das die begrenzte Reform von Marcos weit in den Schatten stellen sollte, bisher aber immer noch nicht verabschiedet wurde, ist ein Zeugnis dafür. Um überhaupt auf diesem Gebiet etwas zu machen, hat man vorerst die Reform von Marcos fortgeführt. Die Regierung Aquino muß mit der „Erblast“ der Marcos-Schulden leben; diese vermochte man zum Teil umzuschulden und damit noch weiter zu erhöhen. Eine Lösung für die Philippinen ist damit ebensowenig in Sicht, wie für die meisten anderen Staaten der Dritten Welt. Die aktuelle Belastung für den wirtschaftlichen Wiederaufbau sollte jedoch nicht überbewertet werden. Es 'gibt einen Verwendungsstau für Entwicklungshilfe-gelder, d. h. es gibt mehr Hilfszusagen, als die Bürokratie in Manila tatsächlich verwenden kann
Die Philippinen erlebten 1987, nach Jahren der Stagnation und des wirtschaftlichen Rückgangs, erstmals wieder ein nicht unbeachtliches wirtschaftliches Wachstum (5 Prozent), das auch nennenswert über dem Bevölkerungswachstum liegt (2, 7 Prozent). Ein guter Teil dieses Wachstums erfolgte jedoch durch Auslastung vorhandener Kapazitäten, gutes Wetter und günstigere Weltmarktpreise in der Landwirtschaft. Dennoch: Eine Umfrage der Zentralbank ergab, daß 42 Prozent der in Metro-Manila befragten Industriebetriebe für die erste Hälfte 1988 Expansionspläne hatten Das ist sicher ein Lichtblick. Die breite Massenarbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung — fast jeder zweite Arbeitssuchende hat keine oder nicht genug Arbeit — wird sich jedoch selbst durch eine erfolgreiche wirtschaftliche Wachstumspolitik kaum überwinden lassen.
Rolf Hanisch, Dr. rer. pol., geb. 1942; Dozent und Privatdozent für Politische Wissenschaft an der Universität Hamburg.
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