Wahlverhalten der „neuen Mittelschicht“ in der Bundesrepublik Deutschland
Heinz Ulrich Brinkmann
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Zusammenfassung
Der vorliegende Aufsatz leistet einen Beitrag zur Untersuchung des Wahlverhaltens der sogenannten „neuen Mittelschicht“. Über ihr Wahlverhalten besteht in der wissenschaftlichen Forschung und in den Parteien große Unsicherheit. Ebenso fehlt es bisher an einer allgemeingültigen Definition der „neuen Mittelschicht“. Diese Schicht gewinnt allein schon durch ihre quantitative Zunahme an Bedeutung. Unter „neuer Mittelschicht“ werden im folgenden alle Angestellten und Beamten in gehobenen/höheren Positionen zusammengefaßt sowie alle Angestellten/Beamten mit einem überdurchschnittlich hohen Schulabschluß. Es wird eine Kombination aus überdurchschnittlicher beruflicher Position und überdurchschnittlicher Bildung zugrunde gelegt, die sich auf identische Interessenlagen und identische Sozialisationserfahrungen bezieht. Innerhalb der Angestellten-und Beamtenschaft wird mit steigender Berufsposition tendenziell noch immer für eher konservative Parteien (insbesondere CDU/CSU) gestimmt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der beträchtliche Unterschied im Wahlverhalten zwischen den bis 1945 und den seit 1946 Geborenen. Soziodemographische Faktoren wie beruflicher Status, Bildung, Geschlecht, Kirchgangsfrequenz und Gewerkschaftsnähe verlieren vor allem unter den seit 1946 Geborenen ihre traditionelle Funktion, die in der festen Einbindung in parteipolitische Wahlkoalitionen bestand. Die Faktoren „Geschlecht“ und „höhere Bildung“ kehren ihre alten Wirkungen geradezu um. Die Veränderungen sind in der „neuen Mittelschicht“ am stärksten ausgeprägt. Die in den sechziger Jahren einsetzenden Veränderungen in der Wirtschafts-und Sozialstruktur haben offensichtlich zu Auswirkungen auf das politische Verhalten insbesondere bei den jüngeren Wählergruppen geführt. Als Folge nehmen die Unterschiede zwischen den einzelnen Angestellten-ZBeamten-Kategorien ab, wie auch die Parteianteile nicht mehr mit der sozialen Hierarchie durchgehend übereinstimmen. Im Vergleich dazu hat sich die Differenz zwischen den Generationen vergrößert. Veränderungen von einer Wahl zur anderen verlaufen jedoch in allen Berufsgruppen relativ gleichmäßig.
I. Neue Tendenzen im Wählerverhalten?
Unter den Parteien in der Bundesrepublik Deutschland verbreitet sich zunehmend Unsicherheit über die Prognostizierbarkeit des Wählerverhaltens Ähnliche Phänomene lassen sich auch in Frankreich, Großbritannien und den USA beobachten. In demokratisch verfaßten Industriegesellschaften zeigt sich durchgehend die Tendenz, daß das Wahl-verhalten heute weniger von soziodemographischen Faktoren geprägt wird, als dies noch vor 20 Jahren der Fall war.
Die Zahl der Wechselwähler ist in jüngster Zeit beträchtlich gestiegen; so wird ihr Anteil an der Gesamtwählerschaft auf 20 bis 40 Prozent geschätzt Diese Entwicklung wurde von der Politik und der Politikwissenschaft der neuen Mittelschicht aus Angestellten und Beamten bzw.den in ihr ablaufenden sozialen Prozessen zugeschrieben, mit Hinweisen auf die Zunahme der neuen Mittel-schicht und ihre geringe Einbindung in überkommene politische Milieus.
Die Prägekraft soziodemographischer Faktoren (vor allem Beruf und Religion) für das Wahlverhalten wurde über lange Zeit als bestimmend für die von den Parteien geschmiedeten Wahlkoalitionen sozialer Gruppen angesehen. Noch 1967 konnte unwidersprochen festgestellt werden, daß die nationalen Parteiensysteme größtenteils die gesellschaftlichen Konflikte („cleavage structures") der zwanziger Jahre widerspiegelten
Soziodemographische Bestimmungsfaktoren von Wahlverhalten wie Beruf und Religion wirken durch die Einbindung von Individuen in diese sozialen Gruppen, welche intern zur Homogenität hinsichtlich politischer und sozialer Einstellungen und Verhaltensweisen tendieren. Ihre Parteiorientierungen erweisen sich als langfristig stabil. Kurzfristige Abweichungen von langfristigen Orientierungen entstehen durch sachpolitische Kontroversen oder Sympathien für bestimmte Politiker. Eine eminente Bedeutung wurde der Wirtschaftspolitik und den damit verbundenen Kompetenzzuweisungen an Politiker und Parteien zugewiesen
Von den soziodemographischen Faktoren haben der soziale Status (vor allem die berufliche Position) und die Konfessionszugehörigkeit (in Verbindung mit der Kirchgangsfrequenz) in der Geschichte der Bundesrepublik den größten Einfluß auf die Wahl einer bestimmten Partei ausgeübt. Angehörige höherer Sozialschichten stimmten hierbei für die wirtschafts-und sozialpolitisch konservativeren Parteien, während untere Sozialschichten Parteien mit stärkerem wohlfahrtsstaatlichem Engagement präferierten. Seit dem Bismarckschen Kulturkampf im 19. Jahrhundert spielt auch der Faktor Konfession eine relevante Rolle. Die katholische Kirche in Deutschland schuf sich aus ihrer Defensivposition heraus ein geschlossenes katholisches Milieu, das sich auch parteipolitisch geschlossen artikulierte. Die Tatsache, daß die CDU/CSU — im Unterschied zu konservativen Parteien in anderen modernen Industrieländern — zumindest bis 1965 die strukturelle Mehrheitspartei war, verdankte sie dem Umstand, eine konservative und zugleich überwiegend katholische Partei zu sein.
Die Wahlforschung stellte ein Wechselwählerverhalten (d. h. die Stimmabgabe für unterschiedliche Parteien in aufeinanderfolgenden Wahlen) vor allem unter den Wählern mit „cross-pressures" fest; hierbei handelte es sich um Wähler, deren Gruppenmerkmale sie für unterschiedliche politische Orientierungen bzw. Parteien prädisponierte (z. B. katholische Arbeiter). Bis in die sechziger Jahre wurde von einer einfachen Schulbildung und einem geringen politischen Interesse der Wechselwähler ausgegangen
Jüngere Wähler unterschieden sich — zumindest im Hinblick auf die Bevorzugung von CDU/CSU und SPD — nicht signifikant von Älteren bzw. von ihren Eltern -Die Parteipräferenzen wurden durch die familiäre Sozialisation an die Kinder weitergegeben. Auf diese Weise wurde eine langfristig stabile, psychologische Identifikation des Wählers mit einer Partei erzielt. Das ist ein wesentlicher Faktor zur Erklärung stabiler Parteisysteme. Die sekundäre Sozialisation (Schule, Freundeskreis) verstärkte eher die Wirkungen der primären (familiären) Sozialisation.
In einem System, in dem soziodemographische Faktoren das Wahlverhalten in so starkem Maße prägen, ist die Änderung von Mehrheitsverhältnissen bzw. Parteianteilen nur als zeitlich begrenzte Abweichung vom dauerhaft angelegten Wahlverhalten eines Individuums oder langfristig aufgrund gradueller Veränderungen der Gruppengrößen möglich. Veränderungen im Wahlverhalten, die sich mit diesen beiden Ursachen nicht erklären lassen — vor allem ein partieller Wandel in schichtenspezifischen Parteipräferenzen und ein Anstieg an Wechselwählern — machen eine Überprüfung der bisherigen Erklärungsmuster für Parteipräferenzen erforderlich. Offensichtlich ist es die neue Mittelschicht, deren Wahlverhalten mit den bislang gängigen Erklärungen nicht mehr übereinstimmt. Bisher beruhen entsprechende Aussagen weitgehend auf Analysen, die die Gruppe der Angestellten/Beamten in ihrer Gesamtheit untersucht haben, d. h. schichtenspezifisch nicht ausdifferenzierten. Unbestreitbar ist die Gesamtgruppe der Angestellten/Beamten weniger auf eine bestimmte Partei festgelegt als Selbständige oder Arbeiter; sie hat ihr Wahlverhalten seit den sechziger Jahren geändert und zeigt auch heute noch relevante Abweichungen von einer Wahl zur anderen. Darüber hinaus steigt der Anteil aller Angestellten/Beamten wie auch der Anteil gehobener Arbeitnehmerpositionen an der Erwerbsbevölkerung. Der hier vorgelegte Artikel versteht sich als ein erster Schritt zur Erforschung des Wahlverhaltens der neuen Mittelschicht. Voraussetzung dafür ist es, die „neue Mittelschicht der Angestellten und Beamten“ schichtenspezifisch zu deuten.
II. Überlegungen zur „neuen Mittelschicht“
Abbildung 11
Tabelle 2: Wahlentscheidung 1987, ab 1946 Geborene
Tabelle 2: Wahlentscheidung 1987, ab 1946 Geborene
1. Operationalisierung des Begriffs „neue Mittel-schicht“ Die vorliegenden Definitionen des Begriffs „neue Mittelschicht“ erscheinen wenig praktikabel. Die in der Literatur oft vorgenommene Gleichsetzung von „neuer Mittelschicht“ mit der globalen Kategorie „Angestellte/Beamte“ hat den Nachteil, daß diese Kategorie in sich sozial zu heterogen ist; so umfaßt sie auch Angehörige unterer Sozialschichten (z. B. Verkäuferinnen).
Problematisch ist außerdem die in einigen Untersuchungen vorgenommene Gleichsetzung von „neue Mittelschicht“ mit „sozialen Aufsteigern“. Als soziale Aufsteiger werden — ohne weitere Aufteilung — Angestellte. Beamte und Selbständige bezeichnet, sofern sie selbst zu Beginn ihres beruflichen Werdeganges Arbeiter waren oder einen Arbeiter zum Vater hatten (Inter-oder Intragenera-tionenmobilität) Für diese Definition spricht, daß die politischen Einstellungen sozialer Aufsteiger aufgrund ihrer (derzeitigen) quantitativen Bedeutung eine wichtige Einflußgröße auf Wahlergebnisse darstellen. Das Wahlverhalten von Angehörigen dieser Gruppen resultiert primär aus ihrem sozialen Aufstieg, da sie weder durch ein internalisiertes Normensystem noch durchlangfristige gruppen-spezifische Orientierungen (letzteres vor allem bei Ängestellten und Beamten) einem traditionellen Wählerbereich eingefügt werden. Die Definition von „neue Mittelschicht“ als „soziale Aufsteiger“ erscheint jedoch unzulänglich. Zunächst einmal ist die Einbeziehung von Selbständigen problematisch. Der selbständig tätige „alte Mittelstand“ hat seit langem einen festen Platz in der Wirtschaftsund Sozialstruktur. Für die meisten Selbständigen-Berufszweige spielte Vermögen bzw. Besitz eine wichtigere Rolle als das Ausbildungsniveau. Die ökonomische Interessenlage führte von Anfang an zu einer festen Anbindung an ein politisches Lager. Schwerer wiegt aber, daß angesichts eines nur lang-fristig abnehmenden Arbeiteranteils und des Fort-bestands eines zahlenmäßig bereits recht großen Standes von Angestellten und Beamten die Selbstrekrutierung dieser Schicht ansteigt — und unter Umständen kollektive Abstiegsprozesse auftreten können. Ähnliche Überlegungen können über das Fortbestehen des „alten Mittelstandes“ angestellt werden. Soziale Aufsteiger und ihr politisches Verhalten sind somit nicht der einzige Bestandteil der neuen Mittelschicht. Außerdem wird die so definierte neue Mittelschicht statusmäßig nicht weiter aufgegliedert.
Die Erarbeitung einer neuen Definition des Begriffs „neue Mittelschicht“ ist deshalb notwendig. Das Hauptcharakteristikum der neuen Mittel-schicht wie auch ihrer Vorläufer ist die weit überdurchschnittliche Bildung bzw. Ausbildung der Gruppenmitglieder. Als Abgrenzungskriterium stellt heute der Faktor Ausbildung einen eindeutigeren Maßstab dar als der Faktor Einkommen. Durch die absolute wie prozentuale Ausweitung dieser Gruppierung höher Qualifizierter sah sich eine wachsende Anzahl von ihnen gezwungen, in rang-und einkommensmäßig „niedrigere“ Berufs-positionen zu gehen.
Quantitative und qualitative Veränderungen im Bildungssystem führten seit Mitte der sechziger Jahre zu einer Ausweitung mittlerer und höherer Bildungsabschlüsse. Bei den jüngeren Altersgruppen geht ein bestimmter Bildungsabschluß mit anderen Statuszuweisungsprozessen einher als bei älteren Generationen. Die Messung von Ausbildung und die Einordnung von Bildungsabschlüssen müssen daher unter generationsspezifischen Aspekten erfolgen. Die Zunahme höherer Bildungsabschlüsse ermöglichte allerdings erst das Entstehen der neuen Mittelschicht mit all ihren soziopolitischen Implikationen (z. B. soziale Mobilität, gebrochene politische Sozialisation, Wertwandel).
Veränderte Anforderungen durch die seit den vierziger Jahren stark gewandelte Wirtschafts-und Beschäftigungsstruktur machten die quantitativen Ausweitungen mittlerer und höherer Bildungsabschlüsse geradezu erforderlich. Ferner spielten „bildungsideologische“ Aspekte („Bildung ist Bürger-recht“, Sputnik-Schock u. ä.) eine Rolle, indem sie zu Mentalitätsänderungen beitrugen.
Aufgrund der sich verändernden Statuszuweisungsprozesse von Bildungsabschlüssen korrelieren bei den jüngeren Altersgruppen Einkommen, Beruf und Ausbildung nicht mehr so eng miteinander, wie dies in den sechziger Jahren noch der Fall war. Ein aus diesen drei Merkmalen zusammengesetzter Index für die Bestimmung des sozialen Status bzw.der Zugehörigkeit zur neuen Mittelschicht erweist sich als wenig brauchbar.
Bei allen Angestellten und Beamten stellt die subjektive Schichtzuordnung ein wichtiges Merkmal ihres schichtenspezifischen Selbstverständnisses dar. Das Bewußtsein, nach „oben“ und „unten“ abgegrenzt zu sein und einen „Block in der Mitte“ zu bilden, ist stark ausgeprägt. Diese Selbstperzeption stellt vor allem für die neue Mittelschicht die einigende Klammer dieser hinsichtlich Abstammung und Berufsposition heterogenen Gruppierung dar. Der „Neuartigkeit“ der neuen Mittel-schicht wie auch ihres Vorläufers, des „neuen Mittelstandes“ als starker Block in den zwanziger Jahren ist es zuzuschreiben, daß noch keine kohärente klassenspezifische Mentalität entwickelt wurde bzw. das Denken in Klassenkategorien allgemein abgelehnt wird. Die Heterogenität der sozialen Herkunft verhinderte die Anlehnung an eine der bereits existierenden sozialen Klassen („alignment“) in einem frühen Stadium der Entwicklung dieser neuen Schicht.
Angestellte und öffentlich Bedienstete bilden in den hochindustrialisierten Gesellschaften fast die Hälfte aller Erwerbstätigen. Höhere wie niedrigere nicht-manuelle Positionen nehmen prozentual und absolut zu. Obwohl die Einkommensgrenzen zwischen manuellen und nicht-manuellen Tätigkeiten auf vielen Ebenen kaum noch bestehen, sind die durch Status und Selbstperzeption bedingten Unterschiede erhalten geblieben
Die bereits Ende des 19. Jahrhunderts zu beobachtende Ausweitung des Angestelltenberufes führte dazu, daß diese Kategorie zunehmend sogenannte „Minderqualifizierte“ einschloß. In der Gruppe der öffentlich Bediensteten war das soziale Spektrum zu diesem Zeitpunkt schon recht breit angelegt. Die Berufsgruppen der Angestellten und Beamten differenzierten sich zunehmend aus, der Anteil der mit einfachen bzw. ausführenden Tätigkeiten Betrauten nahm zu. Höhere Bildungsabschlüsse und Dispositionsbefugnisse beschränkten sich damit auf einen kleinen Teil der Angestellten und Beamten.
Mit der zunehmenden Komplexität moderner Industriegesellschaften wohlfahrtsstaatlicher Prägung wuchs der Anteil derjenigen Angestellten und Beamten, die zur Erledigung ihrer Aufgaben höhere Bildungsabschlüsse benötigten und denen eine ei-genständige Entscheidungskompetenz zugestanden bzw. abverlangt wurde. Sie haben einen quantitativen Umfang erreicht, der sie zu einer zahlen-wie anteilsmäßig nicht mehr zu vernachlässigenden Größe gemacht hat. Die neue Mittelschicht ist primär ein Resultat der Ausweitung der Dienstleistungsbereiche einer Volkswirtschaft. Mit der Entwicklung der Umfrageforschung nach dem Zweiten Weltkrieg war es möglich, Einstellungen und Verhaltensweisen dieser Gruppierung auf der Individualebene zu untersuchen.
Gegenstand der Untersuchung sind die politischen Einstellungen der sozial relativ hoch einzustufenden Angestellten und Beamten, einer Gruppierung, die innerhalb der Schichtenpyramide ungefähr die Position einer oberen Mittelschicht einnimmt. 2. Daten und Methoden In den meisten Wahluntersuchungen ist eine Unterbewertung von CDU/CSU und eine Höherbewertung der SPD gegenüber dem amtlichen Endergebnis festzustellen. Das Erkenntnisinteresse dieses Artikels — die Unterschiede in der Wahlentscheidung zwischen den sozialen Gruppen — wird hiervon nicht berührt.
Die wünschbare Vergleichbarkeit der Ausdifferenzierung von Angestellten-und Beamtenpositionen zwischen 1953 und 1987 wird dadurch erschwert, daß 1953 die Kategorie der Beamten überhaupt nicht und die der Angestellten nur in leitende/nichtleitende unterteilt wurde, und 1961 sowie 1965 bei den Beamten der einfache und mittlere Dienst unter dem Begriff „untere Beamte“ zusammengefaßt wurden.
Die Zugehörigkeit zur neuen Mittelschicht wurde über die Berufsposition der Haushaltsvorstände und den Schulabschluß der Befragten ermittelt. Rentner und Arbeitslose wurden über ihre ehemalige Berufsposition (soweit vorhanden) erfaßt. Die Einordnung in eine bestimmte soziale Schicht durch die Berufspositionen der Haushaltsvorstände berücksichtigt auch nicht-berufstätige Ehefrauen etc. Darüber hinaus wird angenommen, daß die Berufs-position des Haushaltsvorstandes für die Einord-* nung aller Familienmitglieder in die soziale Hierarchie bestimmend ist.
Seit 1969 bestehen zwar erhebliche Altersunterschiede im Wahlverhalten, und seit 1970 ist Altersgruppe der 18 bis 20jährigen wahlberechtigt, aber dies hat keinen Einfluß auf die Erhebung der Stimmabgabe nach der Berufsposition des Haushaltsvorstandes: Zum einen erfolgt die Haushalts-gründung heute früher, d. h. die Kinder ziehen früher aus dem Elternhaus aus (die Zahl der Ein-Personen-Haushalte nimmt zu). Zum anderen ließen sich bei 5,6 Prozent der Befragten die Kind des Haushaltsvorstandes waren (also noch im Elternhaus wohnten), am Beispiel der Stimmabgabe 1983 keine systematischen Verzerrungen innerhalb der einzelnen Berufspositionen feststellen.
Die in den Wahlumfragen vorgegebenen Untergliederungen von Angestellten und Beamten wurden folgendermaßen zusammengefaßt. (Die Prozentwerte in den Klammern geben den Anteil derjeweiligen Gruppierung an den gültigen Stimmen in der Wahlumfrage 1987 an): — untere Angestellte und Beamte: ausführende Angestellte (z. B. Verkäufer, Kontorist), Beamte des einfachen Dienstes (13, 8 Prozent); — mittlere Angestellte und Beamte: qualifizierte Angestellte (z. B. Buchhalter), Beamte des mittleren Dienstes (21, 9 Prozent); — obere Angestellte und Beamte: wissenschaftliche und leitende Angestellte, Beamte des gehobenen und des höheren Dienstes (11, 1 Prozent).
Zum Vergleich wurden die Kategorien Landwirte (2 Prozent), Selbständige (10, 2 Prozent) und Arbeiter (41, 1 Prozent) herangezogen.
Die Schulabschlüsse wurden wie folgt gruppiert: — untere: weniger als Mittlere Reife (Hauptschule, Berufsschule, mit oder ohne Abschluß) (70, 5 Prozent); — mittlere: Mittlere Reife und gleichwertige Abschlüsse (z. B. Fachschule) (16, 7 Prozent);
Bei der Beurteilung dessen, was als überdurchschnittlicher Bildungsabschluß anzusehen ist, wurde die Bildungsexpansion in den jüngeren Jahrgängen berücksichtigt, und zwar mit folgender Aufteilung (nachfolgend als „neue Mittelschicht-Bildung“ bezeichnet):
— für die Geburtenjahrgänge bis 1945: mittlere und höhere Bildungsabschlüsse, d. h. ab Mittlerer Reife (19 Prozent); — für die Geburtenjahrgänge ab 1946: höhere Bildungsabschlüsse, d. h. zumindest Abitur oder Höhere Fachschule (20, 5 Prozent).
Die Berufspositionen der Angestellten und Beamten wurden folgendermaßen zur neuen Mittel-schicht (im engeren Sinne) (18 Prozent) zusammengefaßt: — alle oberen Angestellten und Beamten;
— ferner alle unteren und mittleren Angestellten und Beamten, die über einen „neue Mittelschicht-Bildungsabschluß“ verfügen
Da diese Gruppierung bei einer Aufteilung nach anderen soziodemographischen Kriterien (z. B. Konfession/Kirchgangsfrequenz, Altersgruppen) nur noch geringe Fallzahlen umfaßt, wurde eine neue Mittelschicht im weiteren Sinne (nMSw) (34, 4 Prozent) gebildet:
— alle oberen und mittleren Angestellten und Beamten; — ferner alle unteren Angestellten und Beamten mit „neue Mittelschicht-Bildungsabschluß“
Mit dem Einschluß von Angestellten/Beamten mit „neuem Mittelschicht-Bildungsabschluß“ aus den jeweils darunter liegenden Gruppierungen in die neue Mittelschicht im engeren oder weiteren Sinne soll der Tatsache Rechnung getragen werden, daß höhere Bildungsabschlüsse heute nicht mehr berufliche Positionen des oberen Bereiches garantieren. Außerdem sind berufliche Position und Einkommen bei jüngeren Altersgruppen (d. h. beschränkt auf diese Stufe im Lebenszyklus) zu allen Zeiten und in allen Ländern stets gering gewesen im Vergleich zum Ausbildungsabschluß; es kann aber ein späterer beruflicher Aufstieg erwartet werden so daß eine Integration dieser Personen unter diesem Aspekt ebenfalls gerechtfertigt ist. Der generelle Einschluß höherer Schulabschlüsse beruht auf der Annahme gleicher schulischer Sozialisation mit ihren Auswirkungen auf Einstellungen und Verhaltensweisen. Unter dieser Prämisse ist die — in der Wahlforschung übliche — Einbeziehung Arbeitsloser entsprechend ihrem Bildungsabschluß gerechtfertigt. Potentiell Betroffene und aktuell Arbeitslose unterscheiden sich in ihren politischen Einstellungen vermutlich nicht sehr voneinander, unabhängig davon, ob als Kriterium (höherer) Bildungsabschluß, Fächerausrichtung oder Arbeitsmarkt-segment genommen wird
Mit der zunehmenden Häufigkeit höherer Bildungsabschlüsse dominieren deren Inhaber zunehmend die zur neuen Mittelschicht zusammengefaßten oberen Berufspositionen. Unter den Jüngeren ist dies bereits weitgehend der Fall, das heißt, sie weisen eine ähnliche Schulbildung bzw. Sozialisation auf. Zum Vergleich mit den Kategorien „neue Mittelschicht im engeren und weiteren Sinne“ wurde daher eine Kategorie „neue Mittelschicht-Bildung bei Angestellten und Beamten (jeweils Haushaltsvorstand) und Arbeitslosen (Befragte)“ (1987: 13. 4 Prozent) gebildet. 3. Entwicklung und Struktur der neuen Mittel-schicht Nach der hier angewandten Operationalisierung verfügt die neue Mittelschicht über eine beachtliche Bandbreite an Bildungsabschlüssen und Berufspositionen. Eine weitere relevante soziodemographische Aufteilung erfolgt durch die Faktoren Alter, Konfession/Kirchgangsfrequenz und Beschäftigung im öffentlichen Sektor oder in der Privatwirtschaft. Diese Faktoren wirken sich auf die Einstellungsund Verhaltensweisen aus. Unterschiede, die politische Einstellungen mit einschließen, gibt es ebenfalls in anderen Schichten — sie sind kein Spezifikum der neuen Mittelschicht. Trotz innerer Heterogenität weist die neue Mittelschicht jedoch genügend Gemeinsamkeiten auf. um sie als eine Schicht bezeichnen zu können.
Zu diesen Gemeinsamkeiten zählt zunächst die überdurchschnittlich gute Berufsposition und/oder das überdurchschnittliche Ausbildungsniveau. Als abhängig Beschäftigte grenzt sich die neue Mittel-schicht nach „oben“ und „unten“ ab. Dadurch besitzt sie eine — in dieser Hinsicht kohärente — Schichtmentalität als „Block in der Mitte“, der ansonsten Klassendenken ablehnt. Eine gewisse Homogenität der neuen Mittelschicht besteht insofern, als sich die politischen Einstellungen innerhalb der gleichaltrigen Gruppen angleichen.
Die quantitative Ausweitung der neuen Mittel-schicht und der vermutete Zusammenhang mit dem steigenden Anteil der Wechselwähler machen diese Schicht zu einem interessanten Untersuchungsgegenstand. Beide Punkte sind bei einer Betrachtung der Entwicklung der gesamten Angestellten-und Beamtenschaft relevant.Seit Ende des 19. Jahrhunderts nimmt der Anteil der Arbeiter (wie auch der Selbständigen) an allen Erwerbstätigen ab. Jahrhunderts nimmt der Anteil der Arbeiter (wie auch der Selbständigen) an allen Erwerbstätigen ab. während der Anteil der Angestellten und Beamten zunimmt. Die vergleichsweise hohe Qualifikation unter den meisten Angestellten/Beamten führte bereits um 1930 zu ihrer Einordnung als „neuer Mittelstand“ 17). Selbst von den Minderqualifizierten fühlte sich ein Teil nicht zur Unterschicht gehörig. Auch die Einkommenshöhe erlaubt nur wenige Rückschlüsse auf objektive oder subjektive Schichtzuordnungen.
Beamte und freie Berufe nahmen bereits zu Zeiten der Ständegesellschaft eine mittlere soziale Position ein. Die Angestellten als „mittlere Position“ entstanden im 19. Jahrhundert; sie übernahmen Leitungsfunktionen im Dienstleistungsgewerbe und in der Industrie. Die moderne Wirtschaft mit ihrer Zunahme distributiver Funktionen benötigte immer mehr Angestellte für Positionen unterhalb der Leitungsebene — der Stand der Angestellten differenzierte sich nach unten aus. Sie verfügten nach wie vor über eine vergleichsweise hohe schulische und berufliche Qualifikation. Auch in ihrer eigenen Einschätzung hoben sie sich von den Arbeitern ab 18).
Von der Jahrhundertwende bis in die sechziger Jahre blieben die Bildungschancen weitgehend unverändert. Seit den fünfziger Jahren stieg der Anteil von Angestellten/Beamten an der Arbeitsbevölkerung stark an. Dies galt auch für die oberen Angestellten/Beamten mit mittleren und höheren Bildungsabschlüssen. da die moderne Industriegesellschaft immer höhere Anforderungen an die Qualifikation der Erwerbstätigen stellte, d. h. an deren allgemeine und berufliche Bildung 19). Der Anteil höherer Bildungsabschlüsse vervielfachte sich. Aber nur zum Teil kann der Anstieg der neuen Mittelschicht auf eine reine Bildungsexpansion zurückgeführt werden; im wesentlichen resultiert er aus dem Strukturwandel der Arbeitswelt.
Schul-und Berufsbildung bestimmen weitgehend die späteren Lebenslagen; sie führen über den beruflichen Status zur Position innerhalb der sozialen Schichtung. Mobilitätsprozesse vermindern in modernen Industriegesellschaften die Bedeutung traditioneller Bindungen, die ethnischen, regionalen, religiösen und sozialen Ursprungs sind. Lebensstile und Wertsysteme können sich damit zwischen Generationen und Altersgruppen ebenso unterscheiden wie zwischen Wirtschaftssektoren (z. B. Produktion, Dienstleistung). Durch die schulische Sozialisation beeinflußt die Ausbildung direkt Handlungsweisen, Werte und Einstellungen. Mit der Zunahme höherer Bildungsabschlüsse ist das Potential derer, die solchen Veränderungen ausgesetzt waren, gewachsen.
Steigen Individuen in bestimmte Berufsgruppen auf, so werden diese Gruppen heterogener, es können sogar Wandlungen im Selbstverständnis erfolgen Allein die quantitative Ausweitung der neuen Mittelschicht läßt auf eine geringe Eigenrekrutierungsquote schließen. Vor allem bei den oberen Angestellten besteht ähnlich wie bei der gesamten Angestelltenschaft eine heterogene Rekrutierung. Erhalten geblieben ist jedoch die soziale Distanz zur Arbeiterschaft im Selbstverständnis von Angestellten und Beamten. 4. Politische Bedeutung der neuen Mittelschicht Mit der absoluten und prozentualen Ausweitung des sogenannten „neuen Mittelstandes“ war die SPD bereits um 1900 — wollte sie die Mehrheit erringen — zu einer Politik gezwungen, die über die Reihen der Arbeiter hinausging und auch die Gruppe der Angestellten erfaßte Neben der Ablehnung von Klassendenken bot u. a. auch die Religionsfeindlichkeit der Arbeiterbewegung für die Angestellten einen weiteren Hinderungsgrund, ein solches Wahlbündnis einzugehen.
Die Veränderungen in der Berufsstruktur seit den fünfziger Jahren wiesen Angestellten und Beamten immer offensichtlicher eine zentrale Rolle in den Wahlen zu. Konfrontiert mit der strukturellen Mehrheitsposition der CDU/CSU (konservativ und zugleich katholisch), bedurfte die SPD eines erheblichen Zuwachses aus der Angestellten-und Beamtenschaft. Die veränderte Berufsstruktur führte zunächst durch die Verringerung des Arbeiteranteils zur Schmälerung der traditionellen SPD-Wählerbasis. Für die Partei boten sich die expandierenden Berufsgruppen der Angestellten und Beamten — neben ihrem Status als „Lohnabhängige“ — aufgrund der Vermutung an, daß diese heterogener Herkunft seien und somit (noch) nicht über eine ausgeprägte schichtenspezifische Identität verfügten Fragmentierungen lassen sich auch in der Arbeiterschaft beobachten, wo eine gewisse „Verbürgerlichung“ unter den besser Qualifizierten eingetreten ist
Die Heterogenität der neuen Mittelschicht, bezogen auf die soziale Herkunft und auf das Berufsfeld, macht sich unter anderem in den gravierenden Einstellungsunterschieden der politischen Orientierung bemerkbar. Der „neue Mittelstand“ bzw. die „neue Mittelschicht“ entstand aus gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen. Dies erklärt ihre ambivalente Haltung gegenüber den vorherrschenden Klassen-bzw. Schichtenstrukturen zur Zeit ihres Entstehens. Es erklärt auch, weshalb die neue Mittelschicht sozialen Prozessen neue Anstöße gab.
Als eine Gruppierung, die weder in den ökonomischen Interessen und Wertvorstellungen des selbständigen („alten“) Mittelstandes noch in den stark gewerkschaftlich beeinflußten der Arbeiterschaft verankert ist, kann sie in vielen Wahlen den Ausschlag geben. Ihr Stimmenanteil steigt weiter an. Mit der quantitativen Ausweitung höherer Bildungsabschlüsse erfahren immer mehr junge Menschen eine längere und intensivere politische Sozialisation außerhalb der Familie. Bei (späteren) sozialen Aufsteigern spielen sich diese Prozesse auch außerhalb ihres ursprünglichen Milieus ab. Steigendes Bildungsniveau vermindert die Notwendigkeit, zu einem einfacheren Verständnis sozialer und politischer Prozesse, auf eingeübte Verhaltensweisen oder gruppenspezifische Normen oder Verhaltensformen (z. B. Parteipräferenz, die sogenannten „voting cues“) zurückzugreifen. Von den Eltern abweichende Standpunkte und Wechselwählerverhalten sind bei besser Ausgebildeten eher zu erwarten.
III. Das Wahlverhalten sozialer Gruppen
1. Entwicklungslinien des Wahlverhaltens Von allen Berufsgruppen haben die Angestellten und Beamten ihr Wahlverhalten in der Geschichte der Bundesrepublik am meisten verändert: Von 1953 bis 1972 gingen CDU/CSU in dieser Gruppierung von ca. 50 auf unter 40 Prozent zurück, erreichten in den nachfolgenden Wahlen (Ausnahme: 1980) aber wieder Werte von über 45 Prozent. Die SPD stieg von 1953 bis 1972 von unter 26 auf knapp 47 Prozent, von 1976 bis 1983 schwankte sie zwischen circa 40 und 43 Prozent, um dann 1987 auf unter 37 Prozent zu sinken. Aus dieser Gruppierung zog die SPD in den Wahlen von 1969 und 1972 einen großen Teil ihres neuen Stimmenpotentials — die Basis für die Entstehung der „sozialliberalen Koalition“. Seit 1976 liegen CDU/CSU wieder mit leicht steigender Tendenz vor der SPD.
In den anderen Berufsgruppierungen sind die Schwankungen im Zeitverlauf nicht nur weniger ausgeprägt, hier sind die alten Zuordnungsschemata auch noch dominierend: Arbeiter deren Anteil an der Arbeitsbevölkerung inzwischen unter dem der Angestellten/Beamten liegt, haben seit 1976 zwischen circa 51 und 60 Prozent ihrer Stimmen der SPD gegeben. Landwirte stimmen mit über 60 bis über 80 Prozent, Selbständige („alter Mittelstand“) mit über 50 bis über 60 Prozent für CDU/CSU (der FDP-Anteil ging um über ein Drittel zurück).
Allein mit ihren traditionellen Stammwählergruppierungen können weder CDU/CSU noch SPD die Mehrheit bei Bundestagswahlen erringen; noch mehr fluktuiert die Wählerschaft von FDP und den GRÜNEN. Die SPD ist bereits seit Bestehen der Bundesrepublik in einer Minderheitenposition. Seit Ende der sechziger Jahre schrumpften auch die Stammwählergruppierungen der CDU/CSU soweit, daß ihr Stimmenpotential selbst zu Zeiten der SPD/FDP-Koalition für einen Sieg nicht mehr ausreichte.
Veränderungen in der Berufsstruktur schlugen sich bis 1965 durch die Abnahme des selbständigen („alten“) Mittelstandes und der Landwirte sowie die Zunahme der Arbeitnehmer zugunsten der SPD-Stimmenanteile nieder. 1969 begann sich das Wahl-verhalten tendenziell von statusmäßigen Aspekten zu lösen; politische Sachfragen traten verstärkt als Bestimmungsfaktoren auf. Zwar kam es in den meisten soziodemographischen Gruppen zu Verschiebungen in dieselbe Richtung, sie waren aber quantitativ weniger bedeutend als bei den Angestellten und den Beamten. Uneinheitliches Wahlverhalten dieser d. innerhalb Gruppierung, h. die Aufteilung auf die Parteien und Wechselwählerverhalten resultieren primär aus der Heterogenität der sozialen Herkunft ihrer Gruppenmitglieder. Es ist dieser Gruppierung noch nicht gelungen, eine umfassende eigenständige Schichtidentität und damit eine homogene Interessenanbindung an eine bestimmte Partei zu entwickeln; dazu ist der Prozeß der (quantitativen) Ausweitung dieser Gruppierung noch zu sehr im Fluß. Außerdem ist sie in sich sozial zu ausdifferenziert. Diese Entwicklung ist in den Dienstleistungszentren naturgemäß am weitesten fortgeschritten 2. Die neue Mittelschicht im Vergleich CDU/CSU lagen lediglich bei der Bundestagswahl 1969 mit ihren Angestellten-/Beamten-Werten unter ihrem Durchschnittsergebnis bei allen Befragten, 1976 und 1983 befanden sich beide Werte etwa auf gleicher Höhe, bei allen anderen Wahlen schnitten CDU/CSU bei Angestellten/Beamten geringfügig besser ab. Die SPD konnte nur bei der Bundestagswahl 1969 mit ihrem Anteil an den Angestellten/Beamten fast mit ihrem Gesamtergebnis gleichziehen und diesem auch noch 1976 und 1983 relativ nahe kommen. Zu bedenken ist hierbei die gewaltige Expansion von Angestellten-und Beamtenschaft sowie der seit den sechziger Jahren insgesamt recht hohe Anteil der SPD an dieser Gruppierung. Die FDP schneidet außer 1983 bei allen Angestellten/Beamten im Vergleich zu ihrem Gesamtergebnis besser ab. Die GRÜNEN beziehen 1980 und 1983 ihr Potential zum größten Teil von Angestellten/Beamten, dringen 1987 aber verstärkt in die Berufsgruppen der Selbständigen und der Arbeiter ein; unter den noch in Schul-/Hochschulausbildung Befindlichen stellen sie die größte Gruppe dar.
Ein Blick auf die Untergliederungen von Angestellten/Beamten und die „neue Mittelschicht-Kategorien“ verdeutlicht die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppierungen, sowohl was die Stimmabgabe bei einer Wahl als auch was die Verschiebungen zwischen den Wahlen angeht. Außer 1980 liegt der Anteil von SPD bzw. SPD und GRÜNEN bei den oberen Angestellten/Beamten unter ihrem Anteil bei den mittleren und unteren Angestellten und Beamten. Innerhalb der Angestellten/Beamten bestimmt — ähnlich wie bei der Gesamtwählerschaft — der Rang in der sozialen Hierarchie in einem gewissen Umfang die Parteipräferenz: Wird die Gruppe der oberen Angestellten und Beamten durch den Einschluß unterer und mittlerer Angestellten und Beamten mit „neuen Mittelschicht-Bildung“ zur neuen Mittelschicht (im engeren Sinne) erweitert, so ergibt sich gegenüber nur den oberen Angestellten und Beamten seit 1969 eine leichte Verschiebung von CDU/CSU bzw. CDU/CSU/FDP zur SPD bzw. SPD/FDP und zu den GRÜNEN. In den Wahlen 1983 und 1987 haben die bis 1945 geborenen unteren und mittleren Angestellten und Beamten mit „neue Mittelschicht-Bildungsabschlüssen“ überproportional der SPD ihre Stimme gegeben, während die ab 1946 Geborenen (mit diesen Merkmalen) überproportional zu den GRÜNEN neigten.
Von einem hohen Bildungsniveau abgeleitete, jedoch nicht erfüllte Statuserwartungen führen offenbar je nach Altersgruppe verstärkt zur Wahl von SPD bzw. GRÜNEN. Wirtschaftspolitik und die langfristigen Folgen der Bildungsexpansion werden in ihren Auswirkungen hierauf in Zukunft daher noch wichtiger. Daß die GRÜNEN unter den ab 1946 geborenen Selbständigen 28, 9 Prozent (CDU/CSU: 36. 8 Prozent; SPD: 15, 8 Prozent; FDP: 18. 4 Prozent) erreichen, haben sie primär den Inhabern höherer Bildungsabschlüsse bei den freien Berufen und vor allem den kleinen Selbständigen zu verdanken. Es ist zu vermuten, daß es sich hierbei um Personen handelt, die nur durch die Eröffnung von „Ein-Personen-Geschäften“ der Arbeitslosigkeit entfliehen oder in einen halbwegs befried 9 Prozent (CDU/CSU: 36. 8 Prozent; SPD: 15, 8 Prozent; FDP: 18. 4 Prozent) erreichen, haben sie primär den Inhabern höherer Bildungsabschlüsse bei den freien Berufen und vor allem den kleinen Selbständigen zu verdanken. Es ist zu vermuten, daß es sich hierbei um Personen handelt, die nur durch die Eröffnung von „Ein-Personen-Geschäften“ der Arbeitslosigkeit entfliehen oder in einen halbwegs befriedigenden Beruf gehen konnten 27).
Seit 1965 entscheidet sich circa ein Drittel der aus der neuen Mittelschicht stammenden Familien für SPD bzw. SPD/GRÜNE; 1983 lagen CDU/CSU/FDP und SPD/GRÜNE sogar fast gleichauf, differierten 1987 aber wieder um circa 26 Prozentpunkte zugunsten von CDU/CSU/FDP. Ihre geringen Verluste von 1983 auf 1987 (— 1. 6 Prozentpunkte bei allen Befragten) verdanken CDU/CSU lediglich ihrem leicht verbesserten Abschneiden bei Angestellten/Beamten 28) (+ 1. 4 Prozentpunkte), denn in den anderen Berufsgruppen hatten sie leichte Verluste zu verzeichnen. Aber auch in der Gesamtgruppe Angestellte/Beamte verlief dieser Trend nicht einheitlich. Von 1980 auf 1983 verlor die CDU/CSU bei den unteren Angestellten und Beamten geringfügig und bei den oberen Angestellten und Beamten einige Prozentpunkte, legte aber bei den mittleren Angestellten und Beamten fast zehn Prozentpunkte zu. Von 1983 auf 1987 verlor sie bei mittleren Angestellten und Beamten einige Prozentpunkte, gewann bei den oberen Angestellten und Beamten einige Prozentpunkte; bei den unteren Angestellten und Beamten erzielte sie Zuwächse über zehn Prozentpunkte, die sowohl aus dem Gesamtergebnis als auch im Vergleich zu den anderen (Unter-) Gruppen weit herausragen. Be der neuen Mittelschicht verzeichneten CDU/CSU von 1980 bis 1983 einen leichten und von 1983 bis 1987 einen beachtlichen Anstieg um über sechs Prozentpunkte. Der gewaltige Anstieg des SPD-Anteils in der neuen Mittelschicht erfolgte von 1961 bis 1965 parallel zum Anstieg in der Gesamtgruppe Angestellte/Beamte. Der Stimmenzuwachs der SPD 1969 war diese Gruppe kaum noch beteiligt. Nach 1972 jedoch, während SPD bzw. SPD/GRÜNE mit Ausnahme von 1983 bei unteren und mittleren Angestellten und Beamten verloren, blieben ihre Anteile in der neuen Mittelschicht bei über einem Drittel. Die GRÜNEN beziehen ihre Unterstützung von den überdurchschnittlich gut ausgebildeten Angestellten/Beamten und Selbständigen.
Im Vergleich zur Gesamtgruppe Angestellte/Beamte und zur Gesamtwählerschaft ist die Tendenz zu bürgerlichen Parteien in der neuen Mittelschicht deutlich ausgeprägt. Die neue Mittelschicht nähert sich stärker den Wahlergebnissen der Selbständigen an, als dies bei anderen Arbeitnehmer-Kategorien der Fall ist; ihre Distanz zu den Wahlergebnissen der Selbständigen ist auch im Durchschnitt der letzten Wahlen geringer gewesen als die zum Wahlergebnis der Arbeiter. Zu dieser vergleichsweise geringen Distanz zwischen neuer Mittelschicht und Selbständigen haben letztere allerdings zu einem beträchtlichen Teil selbst beigetragen, indem sie ihren SPD-Anteil nach 1969 erheblich steigerten und 1987 den GRÜNEN einen überdurchschnittlichen Anteil zukommen ließen. Neue Mittelschicht und Selbständige weisen demnach gewisse Überein-stimmungen auf. Bei beiden Gruppen sozial Höher-stehender besitzen SPD bzw. SPD/GRÜNE ein beträchtliches Wählerpotential, wenngleich ihr Anteil an der neuen Mittelschicht im Durchschnitt der letzten Wahlen erheblich höher liegt. Der Anteil der neuen Mittelschicht an der Erwerbsbevölkerung ist nicht nur höher als der der Selbständigen, er dürfte auch weiterhin zunehmen.
Die Untersuchung des Wahlverhaltens der neuen Mittelschicht führt zu Ergebnissen, die — insgesamt betrachtet — mit dem sozialstrukturellen Ansatz der Wahlforschung in Übereinstimmung stehen. Angesichts des heterogenen Wahlverhaltens nicht nur der Gesamtgruppe Angestellte/Beamte, sondern auch der neuen Mittelschicht muß in einem weiteren Schritt untersucht werden, welche sozialen Prozesse diese Heterogenität bewirken. Hierzu wird auf die Faktoren Alter, Geschlecht, Schulbildung. Konfession/Kirchgangsfrequenz und Nähe zur Gewerkschaft rekurriert. 3. Zur Rolle des Alters und der Schulbildung Seit 1969 differiert das Wahlverhalten von Jüngeren und Älteren besonders stark. Im Verlauf der Untersuchungen erwiesen sich die Geburtsjahre 1945/46 als eine statistisch und theoretisch aussagekräftige Scheidelinie. Theoretisch deshalb, weil die ab 1946 Geborenen eine erweiterte schulische Sozialisation erfuhren und die politischen Geschehnisse ab Mitte der sechziger Jahre in einer für ihre persönliche Entwicklung wichtigen Phase erlebten — was sich im Wahlverhalten ausdrückt. Seit der Bundestagswahl 1972 verfügen die Wahluntersuchungen über eine genügend große Gruppe der ab 1946 Geborenen (seit 1976 auch in allen Untergruppen), um für beide Altersgruppen gültige Aussagen machen zu können.
In allen Berufsgruppen und Bildungsabschlüssen liegen CDU/CSU insgesamt betrachtet bei den ab 1946 Geborenen in ihren Werten unter den bis 1945 Geborenen Die Auswirkungen der Bildungsabschlüsse kehren sich sogar geradezu um: Ist hei den bis 1945 Geborenen ein höherer Bildungsabschluß mit einer Präferenz für bürgerliche Parteien gleichzusetzen, so geht er bei den ab 1946 Geborenen mit einer tendenziell stärkeren Präferenz für die SPD einher, bis 1987 die GRÜNEN unter den Jüngeren die eindeutig stärkste Partei werden. Eine ähnliche Tendenz findet sich bei Angestellten/Beamten/Arbeitslosen mit „neuen Mittelschicht-Bildungsabschlüssen“.
Arbeiter und die kleine Gruppe der Landwirte weisen hinsichtlich der beiden Altersgruppen vergleichsweise geringe Unterschiede von durchschnittlich nur wenigen Prozentpunkten auf. Bei den Selbständigen zeigt sich erstmals 1987 eine nennenswerte Differenz: Beträgt der Vorsprung von CDU/CSU/FDP gegenüber SPD/GRÜNEN bei den Älteren 41. 4 Prozentpunkte, so sinkt er bei den Jüngeren auf 10, 1 Prozentpunkte ab — ein Unterschied von über 30 Prozentpunkten. Unterschiede von zehn bis über 20 Prozentpunkten sind bei den Angestellten-und Beamten-Kategorien dagegen die Regel.
In der Gruppe der Angestellten/Beamten findet sich bei den bis 1945 Geborenen eine eindeutige Tendenz: Je höher die Untergruppe in der sozialen Hierarchie angesiedelt ist.desto geringer fällt der SPD-Anteil aus; der Anteil der GRÜNEN verzeichnet einen leichten Anstieg. Weniger einheitlich als der Stimmenverlust der SPD fällt der Anstieg der CDU/CSU und der FDP parallel zum sozialen Status der Befragten aus.
In der Altersgruppe der ab 1946 geborenen Angestellten/Beamten finden sich diese Verläufe nicht. Die Unterschiede sind allerdings auch nicht so diametral entgegengesetzt wie bei den unterschiedlichen Auswirkungen des Schulabschlusses. Der Anteil von SPD bzw. SPD/GRÜNEN zeigt insgesamt gesehen keinen Bezug zur sozialen Position; diese Parteien erstrecken sich ziemlich gleichmäßig auf alle Untergruppen. Gleiches gilt für CDU/CSU/FDP auf einem niedrigeren Niveau. Lediglich die unteren Angestellten/Beamten verhalten sich im Sinne des wahlsoziologischen Erklärungsansatzes, indem CDU/CSU/FDP hier schwächer vertreten sind als in den höheren (Angestellten-und Beamten-) Kategorien, SPD/GRÜNEN dagegen stärker.
1987 jedoch finden sich erstmals durchgängig bei der Aufteilung auf die Parteien (außer der FDP)
Abstufungen nach dem sozialen Status.
In den letzten Wahlen konnten CDU/CSU/FDP ihre Position unter den ab 1946 geborenen Angestellten/Beamten/Arbeitslosen mit höherer Bildung wieder soweit verbessern, daß sie 1987 in dieser Gruppe die Mehrheit errangen — ihre Werte lagen um fast 5 Prozent höher als bei Angehörigen des alten Mittelstandes mit höheren Bildungsabschlüssen. Die Werte liegen jedoch 19 Prozent unter denen der bis 1945 Geborenen. Es sind die noch in der Hoch-/Schulausbildung befindlichen jüngeren Wähler, bei denen CDU/CSU/FDP 1987 auf insgesamt nur noch 20 Prozent kamen. Die SPD hat bei diesen Gruppierungen in den letzten Wahlen nichts mehr dazugewonnen, sie verliert zunehmend Stimmen an die GRÜNEN.
Im Verhältnis zur älteren Jahrgangsgruppe haben SPD bzw. SPD/GRÜNE bei den jüngeren Angestellten und Beamten (d. h. unabhängig vom Bildungsabschluß) mit höherem Sozialstatus mehr zugelegt als bei den Jüngeren mit unterem oder mittlerem Status. Diese Tendenz besteht bei den ab 1946 Geborenen auch noch im Jahre 1987, ein „Alterungseffekt“ läßt sich aber nicht feststellen. Die Stimmenschwankungen in den einzelnen Untergruppen von einer Wahl zur anderen folgen, insgesamt gesehen, denen der älteren Gruppe, ohne systematische Abweichungen in den Äusschlägen nach oben oder unten zu zeigen. Eindeutig ist jedoch der Einbruch der GRÜNEN in die ehemaligen „Wachstumszonen“ der SPD.
Setzt sich dieses Muster fort, müssen sowohl CDU/CSU als auch SPD (letztere beeinträchtigt durch die GRÜNEN) ihre Politik darauf einstellen, Wählerwanderungen hervorzurufen, die tendenziell identisch sind zwischen den Alters-und zwi29 sehen den Berufsgruppen. Geändert haben sich in den letzten zwanzig Jahren vor allem die Parteipräferenzen der Altersgruppen sowie unter den ab 1946 Geborenen die Parteipräferenzen der einzelnen Berufs(unter) gruppen.
Mit aller gebotenen Vorsicht angesichts der kleinen Fallzahlen sollen nachfolgend die Altersgruppen weiter unterteilt werden. Basis ist die Wahluntersuchung von 1987.
Nachdem die Stimmanteile für CDU/CSU zunächst bei den jeweils jüngeren Jahrgängen immer geringer ausfallen, stabilisieren sie sich unter den in den sechziger Jahren Geborenen auf einem wieder etwas höheren Niveau von circa 35 Prozent. Die Stimmanteile der SPD hingegen zeigen uneinheitliche Bewegungen unter den seit Mitte der vierziger Jahre Geborenen; sie verliert stark unter den in den sechziger Jahren Geborenen und liegt in den jüngsten Jahrgängen (1966— 1968) bei 24 Prozent. Parallel zum Niedergang der SPD verläuft der Aufstieg der GRÜNEN durch Stimmenhäufung bei den seit den fünfziger Jahren Geborenen, die bis auf circa Prozent unter den Jüngsten zunimmt.
Bei den ab 1946 Geborenen mit höherer Bildung verlieren CDU/CSU immer stärker von Geburtsjahr zu Geburtsjahr. Hiervon profitieren die GRÜNEN, die darüber hinaus auch der SPD Stimmen entziehen; die Stimmabgabe für die GRÜNEN statt für die SPD ist besonders in den Jahrgängen ab 1956 sehr hoch.
Tendenziell analog zu der Verteilung der Wählerstimmen, aufgeschlüsselt nach Bildungsniveau, verläuft die Verteilung bei den Angehörigen der neuen Mittelschicht (im engeren Sinne) über die Geburtenjahrgänge hinweg, bis auch hier bei den Jüngeren die GRÜNEN die SPD überrundet haben. Werden zur Erzeugung höherer Fallzahlen alle mittleren Angestellten/Beamten in die Gruppe der neuen Mittelschicht im weiteren Sinne einbezogen, bessert sich das Verhältnis um einige Prozentpunkte jeweils zugunsten der SPD und zu Lasten der GRÜNEN. 4. Geschlecht, Kirche und Gewerkschaft — neue Zuordnungen? Geschlecht Vom einstmals hohen Frauenüberschuß der CDU/CSU und Frauendefizit der SPD 30) sind 1987 nur noch geringfügig höhere Werte unter den Frauen (im Vergleich zu den Werten unter den Männern) für die CDU/CSU (+ 1, 7 Prozent-* punkte) und leicht niedrigere Werte für die SPD (-1,9 Prozentpunkte) geblieben. Eine weitgehende Angleichung von männlichen und weiblichem Verhalten hatte sich erstmals 1980 gezeigt. Auch bei den Frauen machen sich generationsspezifische Unterschiede bemerkbar. Während die bis 1945 Geborenen das bekannte Muster der Verteilung zugunsten von CDU/CSU und zu Lasten der SPD zeigen, hat sich diese Tendenz bei den ab 1946 Geborenen umgekehrt, und zwar mit sechs bis sieben Prozentpunkten unterschied in derParteianteilen bei Männern und Frauen; die GRÜNEN sind von den Frauen sogar um 2, 6 Prozentpunkte stärker bevorzugt. Aber selbst bei den bis 1945 Geborenen haben CDU/CSU nur aufgrund der höheren Präferenzen der inhaberinnen unterer
Bildungsabschlüsse noch eine stärkere Verankerung unter den Frauen, während sie bei den Inhaberinnen höherer Bildungsabschlüsse vor allem an die FDP abgeben.
Die — im Verhältnis zu den Männern — überdurchschnittlich hohe Stimmabgabe für die GRÜNEN findet sich vor allem bei den Frauen aus Angestellten-und Beamten-Haushalten, tendenziell sogar in der Gruppe der bis 1945 Geborenen. Jüngere Frauen wählen in fast allen Berufskategorien weniger CDU/CSU und mehr SPD als die Männer. Die größten Unterschiede finden sich in der Gruppe der jüngeren oberen Angestellten/Beamten; werden die Inhaber höherer Bildungsabschlüsse unter den mittleren und unteren Angestellten/Beamten miteinbezogen, verringern sich die geschlechtsspezifischen Unterschiede in dieser neuen Mittelschicht (im engeren Sinne), liegen aber immer noch über denen der anderen Berufsgruppen. Bei der FDP läßt sich kein einheitliches Bild erkennen, da die Fallzahlen zu gering sind. Wird statt des Berufes vom Haushaltsvorstand der Beruf des/der Befragten zugrunde gelegt, sieht man wiederum, daß Berufstätigkeit und Sozialisationsbedingungen von Männern und Frauen sich zunehmend annähem. Bei den ab 1946 Geborenen vergrößern sich unter den (befragten) oberen Angestellten/Beamten bzw. in der neuen Mittelschicht aber nochmals die Unterschiede zwischen den Anteilen, die Frauen und Männer der CDU/CSU zukommen lassen. Innerhalb der Gruppe der Angestellten/Beamten/Arbeitslosen mit „neuer Mittelschicht-Bildung“ finden sich dieselben erheblichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wiederum unter den ab 1946 Geborenen am stärksten ausgeprägt.
Aus dem Frauenüberschuß der CDU/CSU ist in den letzten Wahlen in steigendem Maße ein Defizit geworden, das mit höherer beruflicher Position im Angestellten-/Beamten-Bereich und mit höherer Bildung steigt. Ein Abbau der Unterschiede im geB schlechtsspezifischen Wahlverhalten war angesichts der Einbindung der Frauen in Berufstätigkeit und des Durchlaufens identischer Sozialisationsinstitutionen (d. h. höhere Bildung) zu erwarten. Wenn jüngere Frauen höherer Berufspositionen und höherer Bildung jedoch heute CDU/CSU um 10 bis 20 Prozentpunkten weniger wählen als die jüngeren Männer (deren Werte bereits niedriger sind als die der älteren Männer) und SPD sowie GRÜNE deutlich bevorzugen, muß es dafür auch Gründe geben, die in der „politischen Sphäre“ zu suchen sind.
Konfession und Kirchgangsfrequenz Anhand der Daten aus der Wahlumfrage 1987 soll die Verteilung in der soziodemographischen „Kerngruppe“ der CDU/CSU.den Katholiken, beschrieben werden. Auch hier ist angesichts der kleinen Fallzahlen Vorsicht geboten.
Unter den ab 1951 Geborenen nimmt die Kirchgangsfrequenz stark ab, unter den Jahrgängen nach 1955 gehen circa 40 Prozent seltener als einmal pro Jahr in die Kirche, unter denen nach 1960 nur noch maximal 10 Prozent (fast) jeden Sonntag. Bei den Inhabern höherer Bildungsabschlüsse ist die Abnahme noch gravierender.
Zwar behalten auch die ab 1946 Geborenen den aus der Wahlforschung bekannten Zusammenhang von relativ hoher Kirchgangsfrequenz und Wahlentscheidung zugunsten von CDU/CSU insgesamt betrachtet bei, während die GRÜNEN mit abnehmender Kirchgangsfrequenz stärker mit der SPD konkurrieren. Ab 1946 Geborene mit „neuer Mittelschicht-Bildung“ gehen aber nicht nur weniger in die Kirche als bis 1945 Geborene mit dieser Bildung, sondern auch innerhalb der Gruppe mit derselben Kirchgangsfrequenz wählen sie weniger CDU/CSU, mehr SPD und GRÜNE. Sie gehen seltener in die Kirche als der Durchschnitt aller ab 1946 Geborenen, sie wählen jeweils zehn Prozentpunkte weniger CDU/CSU und SPD als diese Gesamtheit, aber mehr als doppelt so häufig die GRÜNEN. Diese Tendenz zeigt sich durch alle Kirchgangsgruppen. Das Kernmilieu der CDU/CSU löst sich auf. Wenn diese Entwicklung der CDU/CSU bisher nicht geschadet hat, ist dies auf den Anstieg der Unions-Präferenz in den einzelnen Gruppen der Kirchgangsfrequenz (ohne Aufteilung nach Al-ter, Bildung) von 1953 bis heute zurückzuführen Die Unterschiede im Wahlverhalten von Katholiken und Protestanten sind etwa gleich geblieben, Verschiebungen zwischen den Parteien von einer Wahl zur anderen erfolgten in beiden Konfessionen relativ gleichmäßig.
Bei den jüngeren und besser ausgebildeten Katholiken sind die stärksten Anzeichen zur Milieu-Auflösung festzustellen. Außerdem unterscheidet sich das Wahlverhalten zwischen den Generationen unabhängig von der Kirchgangsfrequenz. Jüngere Katholiken mit höheren Bildungsabschlüssen weisen geringere Unterschiede zu ihrem protestantischen Pendant auf als bis 1945 Geborene mit „neuer Mittelschicht-Bildung“ oder als die Gesamtheit aller jüngeren Katholiken; diese Unterschiede betragen nur einige Prozentpunkte. Zumindest in dieser Gruppe ist langfristig eine starke Annäherung zum protestantischen Pendant im Wahlverhalten aufgetreten — ein weiteres Anzeichen dafür, daß sich Wahlverhalten bzw. Verschiebungen von einer Wahl zur anderen von Milieus bzw. sozialen Merkmalen zu lösen begonnen haben.
Nähe zur Gewerkschaft Als Pendant zur Bedeutung der Katholiken für die CDU/CSU wird nachfolgend die Entwicklung in der soziodemographischen „Kerngruppe“ der SPD, Personen mit Nähe zur Gewerkschaft, untersucht. Indikator hierfür ist, ob ein Gewerkschaftsmitglied im Haushalt wohnt (der/die Befragte oder ein anderes Familienmitglied). Unabhängig von den weiteren Ausführungen bleibt festzuhalten, daß mit dem Schrumpfen der Arbeiterschaft das sozialdemokratische (Ur-) Wählerpotential geringer geworden ist.
Eigene Gewerkschaftsmitgliedschaft bzw. das Zusammenleben mit einem Gewerkschaftsmitglied nehmen unter den ab 1946 Geborenen mit dem Lebensalter ab. Unter den Inhabern höherer Bildungsabschlüsse ist die Gewerkschaftsfeme bei allen Altersgruppen besonders stark ausgeprägt. Insbesondere von den seit Mitte der fünfziger Jahre Geborenen mit höheren Bildungsabschlüssen sind sehr viel weniger Gewerkschaftsmitglieder als von den Befragten aus anderen Bildungsgruppen — wenngleich oder obwohl sie mit einem Gewerkschaftsmitglied überproportional oft in einem Haushalt leben.
Gewerkschaftsnähe wirkt sich in fast allen Arbeitnehmergruppierungen eindeutig zugunsten der SPD und zu Lasten von CDU/CSU aus. In Kombi-nation mit „neuer Mittelschicht-Bildung“ profitieren von Gewerkschaftsnähe die GRÜNEN auf Kosten der SPD; Gewerkschaftsferne und „neue Mittelschicht-Bildung“ verstärken die Tendenz zu CDU/CSU und FDP primär zu Lasten der SPD.
insbesondere unter den oberen Angestellten/Beamten aber auch zu Ungunsten der GRÜNEN. (Die Auswirkungen der Zugehörigkeit zur neuen Mittel-schicht sind weitgehend identisch mit denen der Bildung.) Bei der Betrachtung der ab 1946 Geborenen (alle Berufsgruppen) mit höherer Bildung erweist sich, daß der Einfluß des Faktors Bildung auf die jeweilige Wahlpräferenz stärker ist als die Nähe oder Ferne zur Gewerkschaft — und zwar zugunsten der GRÜNEN. Die Anteile von CDU/CSU und FDP in gewerkschaftsfemen Haushalten sinken geringfügig. die der SPD sogar sehr bedeutend, währen sich der Anteil der GRÜNEN verdoppelt.
Angesichts der kleinen Fallzahlen ist Vorsicht geboten, dennoch lassen Werte aus gewerkschaftsnahen Haushalten folgenden Schluß zu: Jüngere Wähler mit öherer Bildung (aus allen Berufsgruppen) in deren Haushalt ein Gewerkschaftsmitglied lebt, sind offensichtlich nicht mehr zugunsten der SPE eingestellt bzw. politisch sozialisiert worden — sie präferieren die GRÜNEN. In der neuen Mittelschicht zeigen sich die selben Tendenzen wie bei oben genannten beruflich tätigen Inhabern höherer Bildungsabschlüse, ohne jedoch so eindeutig für die GRÜNEN auszuschlagen.
IV. Die neue Mittelschicht — ein vorläufiges Ergebnis
Die bisherigen Ausführungen konnten erste Hinweise auf das Wahlverhalten der sogenannten neuen Mittelschicht geben. Die Erarbeitung einer Definition des Terminus „neue Mittelschicht“ war dazu eine unabdingbare Voraussetzung. Nach Darstellung der wachsenden politischen Bedeutung der neuen Mittelschicht wurden erste Tendenzen in ihrem Wahlverhalten 1953 bis 1987 aufgezeigt und hinsichtlich der Rolle einiger soziodemographischer Faktoren untersucht.
Um das Wahlverhalten der neuen Mittelschicht umfassend zu erforschen, müssen noch andere Faktoren ausführlich erörtert werden, z. B. Wechselwählerverhalten. soziale Mobilität, öffentlicher Dienst/privater Sektor. Bedeutung der Wirtschaftspolitik, subjektive Schichteinordnungen. Wohngegend, Post-Materialismus-Einstellungen. Das Gewicht der Faktoren müßte einer multivariaten Analyse unterzogen werden.
Wünschenswert wäre der Vergleich mit anderen westlichen Industrieländern, um Abweichungen oder Übereinstimmungen im Wahlverhalten zwischen den neuen Mittelschichten der zu untersuchenden Länder sowie innerhalb der zu untersuchenden Länder jeweils zwischen der neuen Mittel-schichtund den anderen Schichten zu untersuchen und die dahinter stehenden Faktoren zu analysieren. Die Ausführungen über die Bundesrepublik haben gezeigt, daß weitere Forschungen notwendig und lohnend sind. Dadurch, daß sich die Angestellten/Beamten in den sechziger Jahren von den alten Wahlkoalitionen mit bürgerlichen Parteien gelöst hatten, trugen sie zu den sinkenden Werten schichtenspezifischen Wahlverhaltens bei. Die neue Mittelschicht war an dieser Entwicklung beteiligt.
Schichtenspezifische Unterschiede sind zwar noch vorhanden, verlieren aber unter den besser ausgebildeten jüngeren Wählern ebenso an Bedeutung wie die Stamm-Milieus der Parteien und die anderen soziodemographischen Faktoren. Da die Veränderungen im Abstimmungsverhalten von einer Wahl zur anderen in den soziodemographischen (Unter-) Gruppen tendenziell parallel verlaufen, wird dieser Trend zur Auflösung der Wahltraditionen für sich alleine nicht zu einschneidenden Veränderungen in den nächsten Wahlen führen. Die Untersuchung der Einflüsse von Sachproblemen und politischen Werten muß der weiteren Forschung vorbehalten bleiben.
Heinz Ulrich Brinkmann, Dr. rer. pol., geb. 1946; Studium der Volkswirtschaftslehre, Politischen Wissenschaft und Soziologie an der Universität zu Köln sowie an ausländischen Universitäten; Lehrbeauftragter am Institut für Politische Wissenschaft der Universität Erlangen-Nürnberg. Veröffentlichungen u. a.: Public Interest Groups im politischen System der USA, Opladen 1984; Nominierungswahlkämpfe in den USA, in: Zeitschrift für Politik, 31 (1984) 2.