Ansätze zur Neuordnung des internationalen W ährungssystems
Rolf H. Hasse
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Zusammenfassung
Das Floating stand vor und steht seit seiner Einführung unter Kritik. Die großen Dollarkursschwankungen und realen Auf-und Abwertungen haben die Diskussionen und politischen Aktivitäten verstärkt, nach Möglichkeiten zu suchen, die Wechselkursentwicklung zu stabilisieren. Ausgangspunkte der Analyse sind die Kritik am Floating, die Strukturmerkmale des existierenden Weltwährungssystems und die Implikationen, die mit den Optionen von Festkurssystemen verbunden sind. Im Mittelpunkt der Analyse stehen drei Vorschläge: die Steuerung der „Weltgeldmenge“, die Einrichtung von Zielzonen für Wechselkurse und die Indikatoren-Lösung. Alle Alternativen greifen die Notwendigkeit auf, die internationalen Wirtschaftspolitiken zu koordinieren, ihre Vorstellungen über das „Wie“ der Koordinierung weichen aber stark voneinander ab. Allen gemeinsam ist, daß sie überoptimistisch sind, die Koordinierung wäre politisch zu realisieren. Auch gehen sie davon aus, daß es möglich sei, ihre Referenz-größe — international reale Gleichgewichtswechselkurse — zu berechnen oder auf dem Verhandlungswege zu erreichen. Darüber hinaus werfen die Variante der „harten“ Zielzonen und einige Formen der Indikatoren-Lösung so fundamentale theoretische und ordnungspolitische Probleme auf. daß sie als unvereinbar mit einer liberalen Weltwährungsordnung, mit dem Stand der ökonomischen Theorie und als unvereinbar mit der politischen Realität einzuordnen sind. Der Nachweis, daß mit diesen Vorschlägen bei stabilen Wechselkursen eine bessere Kombination zwischen den Zielen der Geldwertstabilität und einem marktwirtschaftlichen Zahlungsbilanzausgleich möglich ist als bei flexiblen Wechselkursen, ist nur sehr begrenzt zu erkennen.
I. Politische Reformaktivitäten
Die großen Dollarkurssteigerungen von 1980 bis Anfang 1985 und der entgegengesetzte Dollarkurs-fall seit Februar 1985 mit den realen Aufwertungen (Überbewertungen) und realen Abwertungen (Unterbewertungen) haben die Diskussion über eine Neuordnung des internationalen Währungssystems und damit über den Fortbestand des Floating intensiviert. Bekräftigt worden ist sie durch zahlreiche Initiativen, die darauf abzielten, mit Hilfe einer internationalen Währungskooperation zur Wechselkursstabilisierung beizutragen: -Die amerikanische Administration änderte im März 1985 ihre Devisenmarktpolitik. Sie gab die Politik eines passiven „Laissez-faire" ohne Devisenmarkteingriffe zugunsten eines aktiven Interventionismus auf — aus Sorge um den zu starken, überbewerteten Dollar, das bedrohlich anwachsende Handels-und Leistungsbilanzdefizit und aus Angst vor einer Explosion protektionistischer Maßnahmen. — Innerhalb verschiedener Gremien kam es international zwischen den Finanzministem zu Wechselkursabsprachen, zu koordinierten massiven Interventionen auf den Devisenmärkten und auch zu Abstimmungen der Geld-und Fiskalpolitik: in der Fünfergruppe (G-5: Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, USA) am 2. September 1985 2 zum „Plaza-Agreement“, mit dem der Dollarkursfall beschleunigt wurde; in der Siebenergruppe (G-7 = G-5 plus Italien und Kanada) am 22. Februar 1987 zum „Louvre-Abkommen“ (ohne Italien); zwischen den USA und Japan am 31. Oktober 1986 zu einem „Statement on Economic Cooperation“, in dem Wechselkurszielzonen und komplementäre Maßnahmen der Geldpolitik (Diskontsatz) und Fiskalpolitik (Deficitspending) vereinbart wurden. — Auf der Gipfelkonferenz von Tokio (4. -6. Mai 1986) wurden die Finanzminister und Zentralbank-präsidenten der Länder der G-7 aufgefordert, zu-sammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf der Grundlage zahlreicher Indikatoren die Koordinierung der Wirts -6. Mai 1986) wurden die Finanzminister und Zentralbank-präsidenten der Länder der G-7 aufgefordert, zu-sammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) auf der Grundlage zahlreicher Indikatoren die Koordinierung der Wirtschaftspolitiken zu verstärken, um die Wechselkurse zu stabilisieren. — Parallel dazu haben die Gruppe der Zehn (G-10 = G-7 plus Belgien, Niederlande, Schweiz) im Juni 1985 und die Gruppe der 24 (Vertretung der Entwicklungsländer im IWF) im August 19852) Diagnosen und Reformvorschläge für das internationale Währungssystem skizziert 3). — Und auch der amerikanische Präsident heizte in seinem Bericht zur Lage der Nation im Februar 1986 die Spekulationen um die Reformbedürftigkeit des internationalen Währungssystems an: “ We’ve begun coordinating economic and monetary policy among our major trading partners. But there’s more to do, and tonight I am directing Treasury Secretary Jim Baker to determine if the nations of the world should convene to discuss the role and relationship of our currencies."
Am 11. Dezember 1986 verkündete der amerikanische Finanzminister, daß kein Bedarf für die Neuauflage einer „Bretton Woods Konferenz“ bestehe. Dennoch sollte ein Versuch unternommen werden “. . . to ‘refine’ the international economic policycoordinating machinery that they agreed upon at the Tokyo economic summit . . Auf der anderen Seite konstatierte er auch nüchtern, daß . . (the) finance ministers still hadn’t agreed on what they might want in any new monetary System” 4). Die internationale Währungsordnung blieb auf der Tagesordnung der wissenschaftlichen und politischen Diskussionen; unverändert prallen aber auch die divergierenden Ansichten über die Reformbedürf-tigkeit des Floating-Systems und über die Wege zur Stabilisierung der Wechselkurse aufeinander.
II. Die Kritik am Floating als Reformansatz
Abbildung 4
Tabelle 1: Nachrichtlich Entwicklung der Weltdevisenreserven und ihre regionale Verteilung 1971 bis 1986 in Mrd. US-Dollar : Quelle: IMF, International Financial Statistics, Supplement Series No. 14, Washington D. C. 1987; Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht für das Jahr 1987, S. 51.
Tabelle 1: Nachrichtlich Entwicklung der Weltdevisenreserven und ihre regionale Verteilung 1971 bis 1986 in Mrd. US-Dollar : Quelle: IMF, International Financial Statistics, Supplement Series No. 14, Washington D. C. 1987; Deutsche Bundesbank, Geschäftsbericht für das Jahr 1987, S. 51.
Ausgangspunkt der Forderung nach einer Neuordnung der internationalen Währungsordnung ist die massive Kritik am Floating (freie Wechselkurse). Befürworter des Floating räumen ein, daß sich ihre optimistischen Erwartungen (Annäherung des Wechselkurses an den langfristigen Gleichgewichts-wert, stabilisierende Spekulation, Vermeidung von Fehlallokationen durch rechtzeitige Anpassung, Abschirmungseffekte für eine nationale Stabilitätspolitik) nur zum Teil erfüllt haben. Als zentrale Stärken dieses Systems heben sie aber hervor, daß die größere Flexibilität der Wechselkurse 1. eine größere Symmetrie in der Anpassung an Zahlungsbilanzungleichgewichte bewirkt habe;
2. eine unabhängigere Geldpolitik ermöglicht habe, die es stabilitätsorientierten Ländern besser als in der Ära von Bretton Woods (fester Wechselkurse) erlaubt habe ihren Geldwert zu sichern;
3. eine raschere Anpassung der realen Wechselkurse an veränderte Angebots-und Nachfragebedingungen sowie an Verschiebungen der internationalen Arbeitsproduktivitäten erlaubt habe;
4. die im Bretton Woods-System bestehende Inkompatibilität zwischen festen Wechselkursen und Kapitalmobilität aufgehoben habe. Kapitalverkehrskontrollen hätten an Bedeutung verloren, die Globalisierung der internationalen Finanzbeziehungen habe sich entwickeln können.
5. Trotz der Fluktuationen der Wechselkurse sei es zu keinem Einbruch bei der Entwicklung des Welthandels und der Direktinvestitionen gekommen 6).
Die Kritiker sind dagegen sehr rigoros in ihrer Ablehnung. Ihre Thesen vom Versagen des Floating und auch ihre Schuldzuweisungen bei negativen Entwicklungen (Leistungsbilanzsalden, Protektionismus) lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: 1. Die kurzfristigen Schwankungen der Wechselkurse (Volatilität) seien extrem hoch (sechsmal größer als im Bretton Woods-System) Die Wechselkursänderungen würden nicht über die Terminkurse angezeigt. Sie träten unerwartet auf und erzeugten „Seifenblasen“ und destabilisierende, sich selbst erfüllende Spekulationen, weil ein mittelfristiger „Anker“ für die Erwartungsbildung fehle. Bereits diese Schwankungen behinderten den Handel und den langfristigen Kapitaltransfer. 2. Das Floating habe zu großen und anhaltenden Fehlanpassungen der realen Wechselkurse geführt.
Diese Abweichungen der nominalen Wechselkurse von der Kaufkraftparität und die damit verbundenen Aufwertungen bzw. Abwertungen der realen Wechselkurse (vgl. Abbildung 1) hätten die Allokation in mehrfacher Hinsicht verzerrt. Sie hätten den Abbau der Leistungsbilanzsalden verhindert und sogar das Entstehen großer Leistungs-und Kapitalbilanzsalden verursacht. Ferner habe das Floating nicht vermocht, die Märkte für Waren-
und Dienstleistungen offen zu halten. Die realen Auf-und Abwertungen hätten in Form einer doppelten Asymmetrie den Protektionismus gefördert:
Bei Überbewertungen würden Importbarrieren gegen diese künstliche Verschlechterung der Wettbewerbssituation aufgebaut, die bei einem Umschwung der Wechselkurse nicht wieder aufgehoben würden. Bei Unterbewertungen mit ihren künstlichen Preisanreizen zugunsten des Exportes und der Importersatzgüterindustrie würde die Handelsstruktur so verzerrt, daß nach dem Verschwinden der „Falschbewertung“ Exportsubventionen, steuerliche Vergünstigungen und nichttarifäre Importhemmnisse gefordert würden. Die Fähigkeit zur zweiseitigen Anpassung an Preis-und Mengenänderungen gehe verloren.
Ein zweiter Allokationseffekt der realen Wechsel-kursschwankungen seien die Beschäftigungswirkungen, die in Sektoren mit substitutiven Produk-ten ein beachtliches Ausmaß annehmen können In den USA sprach man in der Phase der realen Dollaraufwertung (1981 — 1985) von einer Deindustrialisierung
3. Das Floating habe keine disziplinierende Wirkung. Es erzeuge vor allem bei großen Ländern keinen Druck, die internationalen Rückwirkungen ihrer nationalen Wirtschaftspolitik zu berücksichtigen. Die Mängel seien auf ein Defizit an wirtschafts-und währungspolitischer Disziplin und an internationaler Koordinierung der makroökonomisehen Politiken zurückzuführen.
Die internationale Liberalisierung des Kapitalverkehrs habe die nationalen Finanzmärkte fusioniert. so daß die Substituierbarkeit der international gehandelten Finanzaktiva sprunghaft zugenommen habe. Bei diesen Bedingungen führe der durch das Floating gewonnene Autonomiespielraum der nationalen Wirtschaftspolitik zu größerer Wechselkursinstabilität, weil die Geld-und Fiskalpolitik zu größerer Variabilität neige. Diese Unstetigkeit erschwere eine stabile Erwartungsbildung am Devisenmarkt und fördere Über-reaktionen, die im Ursprungsland und in anderen Ländern wirtschaftspolitische Gegenreaktionen auslösten. Eine internationale Abstimmung der Wirtschafts-und Währungspolitik solle verhindern, daß derartige destabilisierenden Wirkungen entstehen
III. Optionen einer liberalen internationalen Geld-und Währungsordnung
Abbildung 5
Tabelle 2: Zusammensetzung der offiziellen Devisenreserven aller IWF-Mitglieder und der Schweiz, untergliedert nach Währungen (in Prozent).
Quelle: IMF, International Financial Statistics, Supplement Series, No. 6. Washington D. C. 1983, S. 118; dto. No. 14, 1987;
Tabelle 2: Zusammensetzung der offiziellen Devisenreserven aller IWF-Mitglieder und der Schweiz, untergliedert nach Währungen (in Prozent).
Quelle: IMF, International Financial Statistics, Supplement Series, No. 6. Washington D. C. 1983, S. 118; dto. No. 14, 1987;
Alle Ansätze für eine internationale Geld-und Währungsordnung laufen auf Forderungen hinaus, eine größere Stabilität der Wechselkurse durch verbesserte Formen der internationalen Währungskooperation zu erreichen. Die Kritik am Floating erinnert aber auch an die Währungsdiskussion vor 1973. Der Übergang zum Floating ist keine freie Entscheidung der Politiker gewesen. Sie haben es vielfach bis heute weder akzeptiert, noch haben sie die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen für ihre präferierte Alternative stabiler Wechselkurse geschaffen. Das System von Bretton Woods ist an den abweichenden Zielpräferenzen der Wirtschaftspolitiken gescheitert, also an einer Ursache, die man heute positiv zur Eingrenzung des Floating fordert — an der fehlenden internationalen Wirtschafts- und Währungskooperation. Aus diesem Grunde ist es zweckmäßig, einmal die Optionen einer internationalen Geld-und Währungsordnung und ihre Erfordernisse zu betrachten. Sie können als Referenzmaß verwendet werden, um die Vorschläge im Rahmen der bestehenden Strukturen der Weltwährungsordnung zu beurteilen. Prinzipiell kann man drei alternative Formen von Währungsordnungen unterscheiden: 1. die Systeme flexibler Wechselkurse, 2. die Systeme fester Wechselkurse und 3. Systeme der Devisenbewirtschaftung. Grenzt man die Betrachtung auf liberale Währungsordnungen ein, verbleiben die ersten beiden. Geht man von einem Ansatz aus, der Wechselkursschwankungen primär aus den international unterschiedlichen Expansionspfaden der Geldmengen erklärt, kann man in Anlehnung an K. Brunner folgende Lösungen einer internationalen Geld-und Währungsordnung unterscheiden:
1. Die Konkurrenzlösung zwischen den Währungen und den Geldordnungen. Es besteht keine internationale Koordinierung der nationalen Geldangebote (unkoordinierte Lösung der Geldpolitiken). Dieser Lösung entspricht das reine System flexibler Wechselkurse, das jedem Land formal alle Freiheitsgrade in der Steuerung der Geldmenge beläßt. 2. Der Festkursstandard, der zwei Varianten hat, die nach der Art und dem Umfang unterschieden werden, in denen dem Staat bzw.der Währungsbehörde die Freiheitsgrade in der Steuerung und Manipulation des Geldangebots beschnitten werden. Gleichzeitig wird damit umrissen, ob eine internationale Koordinierung regelgebunden ist oder aufgrund diskretionärer 11“) nationaler Geldpolitiken im Rahmen besonderer institutionalisierter Verfahren erfolgen muß. a) Ein Festkursstandard mit Warenwährung: Er kann als Gold-oder Silberstandard, als „Commodity-Standard“ und auch als Devisenstandard konstruiert sein. In der Goldwährung, die vor 1914 international existierte, wurde die Geldmengen-steuerung durch den Preis des Goldes und durch die verfügbare Menge des Metalls bestimmt. Die Aufgabe der Notenbank bei der Steuerung des Geldangebots wird beschränkt auf die Sicherung der Wert-relation und damit auf den Wechselkurs und den Ausgleich der Zahlungsbilanz. Staatlichen Instanzen wird dadurch im Prinzip kein Spielraum für eine Manipulation der Geldmenge eingeräumt. Die Teilsimulation dieses Standards im System von Bretton Woods ist daran gescheitert, daß die Vereinigten Staaten den Fixierungspunkt der Wertrelation (Gold-Dollar-Preis) durch eine exzessive Ausdehnung der Dollarmenge aushöhlten. Der Gold-Dollar-Standard wurde durch die schrittweise Ab-koppelung vom Gold (1961 Goldpool, 1968 Teilung des Goldmarktes, 1971 Aufhebung der Goldbindung des Dollar) zu einem Dollarstandard, der 1973 endgültig als Festkurssystem zusammenbrach. b) Ein Festkursstandard mit Geldmengenkontrolle: Ein anderer Ansatz besteht darin, die Steuerung des Geldangebots Regeln zu unterwerfen. In nationalen Geldordnungen existieren sie in Form der Regel des konstanten Geldmengenwachstums (Chicago-Regel) und als Strategie der potentialorientierten Geldangebotsausweitung, wobei sehr verschiedene Steuerungsgrößen gewählt werden können. Für die internationale Koordinierung des Geldmengenwachstums können grundsätzlich zwei Wege gewählt werden: die indirekte und die direkte Koordinierung. Im Rahmen der indirekten Koordinierung erfolgt der Koordinierungsprozeß über Interventions-und Saldenausgleichsregeln. Die Freiheitsgrade für das nationale Geldangebot in diesen Regelsystemen können sehr unterschiedlich sein, wie am Beispiel der Diskussion über die Schaffung, die Wirkungen und die „Stärkung“ des EWS dargestellt werden kann. Die Regeln können so konstru-iert werden, daß die Koordinierung der nationalen Geldangebote zu einer Anpassungssymmetrie, zu einer stabilitätsorientierten Asymmetrie oder zu einer inflatorischen Asymmetrie führt Je nach Gestaltung der Regeln bestehen formal größere und kleinere Spielräume für eine nationale Zins-und Geldpolitik. Alle Festkurssysteme dieser Art haben aber immer nur überlebt, wenn sie eine Leitwährung als „monetären Anker“ besaßen. Die Zentralbank des Leitwährungslandes bestimmte die Geldmengen-und Zinspolitik und damit den Stabilitätsstandard (Pfund Sterling vor 1914, US-Dollar 1945— 1971/73; DM im Europäischen Währungssystem). Die Leitwährungslösung ist eine offene hierarchische Lösung, der man sich nur durch Wechselkursänderungen entziehen kann.
Die direkte Koordinierung in einem solchen „Geldmengenwachstumsstandard“ zielt darauf ab, die Freiheitsgrade der nationalen Geldpolitik unmittelbarer, diskretionär einzuengen. Dabei wird die schwächste Form einer nichtinstitutionalisierten, freiwilligen Koordinierung als unzureichend abgelehnt. Es werden Verfahren einer konsensualen Abstimmung vorgeschlagen, die unterschiedlich verbindlich und hierarchisch sind: institutionelle Koordinierung ohne Verbindlichkeit (Empfehlungen), Koordinierungsorgane mit Überwachungsund eventuell auch Sanktionskompetenzen.
Die Kritiker des Floating lehnen die „Konkurrenzlösung“ wegen der fehlenden Koordinierung ab. Vergleicht man die beiden anderen Alternativen, dann entdeckt man, daß der Vorteil des Geldmengenwachstumsstandards darin zu sehen ist, daß er besser in der Lage ist, das Ziel der Geldwertsicherung zu realisieren. Der Festkursstandard mit Warenwährung „objektiviert“ den geldpolitischen Handlungsspielraum des Staates und der Währungsinstitution zwar im Grenzfall bis auf Null (100 Prozent-Deckung, „goldene Bremse an der Geldmaschine“). Dieser Standard ist aber abhängig und anfällig gegenüber Preisänderungen der Standardgüter, die eine Sicherung des internen Geldwertes unmöglich machen. Der Geldmengenwachstumsstandard kann dagegen unmittelbar an die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Produktion angelehnt sowie auf die Kaufkraftsicherung und damit international auf die Wechselkursstabilisierung ausgerichtet werden.
Die Reichweite der Reformvorstellungen ist ferner nur zu erfassen, wenn man ihnen die Strukturmerkmale der bestehenden Weltwährungsordnung gegenüberstellt: 1. Das internationale Währungssystem hat den eindeutigen Wertbezug des Wechselkurssystems aufgegeben: durch die schrittweise Freigabe des Goldpreises, die Aufhebung der Goldkonvertierbarkeit des Dollar am 15. August 1971, durch das Zurückdrängen der Rolle des „Ersatzgoldes“ der Sonderziehungsrechte und durch die Zweite Änderung der IWF-Charta. Seit 1976 steht es jedem Land frei, ein Wechselkurssystem eigener Wahl anzuwenden (Art. IV, Abschnitt 2). Trotz des Übergangs zu Wechselkurssystemen mit größerer Kursflexibilität, die theoretisch den Nettobedarf an Währungsreserven für den Anpassungsprozeß an Zahlungsbilanzungleichgewichte verringert, sind aber die Bestände an dieser internationalen Liquidität drastisch ange-stiegen — allerdings lange Zeit weniger bei den Industrieländern als vielmehr bei den (nichterdölexportierenden) Entwicklungsländern (vgl. Tabelle 1). 2. Das Währungssystem ist multipolarer geworden, es ist ein System multipler Devisenreserven entstanden Neben dem Dollar hat der Markt vor allem der DM und dem Yen Funktionen einer Leitwährung zugemessen (vgl. Tabelle 2). Das Angebot an Devisenreserven hat sich diversifiziert. Die neuen Reservewährungsländer erhielten eine neue Möglichkeit, Zahlungsbilanzungleichgewichte auch ohne Wechselkursänderung zu finanzieren. Ihr außenwirtschaftliches Liquiditätsproblem entspannte sich, ihre Nachfrage nach (traditioneller) internationaler Liquidität konnte sich ändern — erste Ab-koppelung vom Entstehungsmechanismus von Devisenreserven. 3. Eine zweite Abkoppelung ist durch die Entwicklung der internationalen Finanzmärkte entstanden. Die Liberalisierung und Globalisierung der finanziellen Transaktionen und Dienstleistungen hat die Abhängigkeit von Währungsreserven im alten Sinne aufgehoben. Für alle Formen von Festkurssystemen sind dadurch neue Rahmenbedingungen entstanden. Kreditwürdigen Ländern steht in diesen Märkten ein sehr flexibles System zur Verfügung, um ihre Nachfrage nach Devisenreserven auszuüben — in akuten Fällen von drohenden Zah-lungsbilanzdefiziten können sie durch die Herstellung von Zinstreppen auf das internationale Sparkapital als Fonds zurückgreifen. Ferner können Länder sich durch offizielle Kreditaufnahme auf internationalen Finanzmärkten „Reserven auf Kredit“ beschaffen. Die Kreditwürdigkeit ist zu einer zentralen Determinante der außenwirtschaftlichen Anpassung geworden. 4. Die wohl entscheidendste Veränderung ist der internationale wirtschaftspolitische Paradigma-wechsel — von der nachfrageorientierten, makro-ökonomischen Geld-und Fiskalpolitik des Keynesianismus zur angebotsorientierten Wirtschaftspolitik, in derem Mittelpunkt die Herstellung und Sicherung der mikroökonomischen Dynamik des Wettbewerbs auf den Märkten steht. Dieser Wechsel prägt auch die internationale Währungspolitik. Der elitäre Ansatz für eine internationale Bürokratie, die eine internationale Globalsteuerung übernehmen sollte (wollte), zerbrach. Der IWF wurde geplant als Weltzentralbank, als Schaltzentrale der internationalen Liquidität über das Sonderziehungsrecht als Hauptreservemedium und als Institut zur Überwachung der Wechselkurse. Mit der Ablehnung des Substitutionskontos 1980 mußten diese Pläne einer zentralisierten kollektiven Währungspolitik aufgegeben werden weil sie weder politisch durchsetzbar waren noch eine Garantie boten, die drei Funktionen einer internationalen Währungsordnung zu sichern: Vermeidung von Inflation und Deflation als Folge exzessiver Schaffung oder eines Mangels an internationaler Liquidität; Schaffung und Erhaltung der Freiheit des Zahlungsund Kapitalverkehrs sowie die Verbesserung der währungspolitischen Kooperation und der Anpassung an Zahlungsbilanzungleichgewichte Der IWF ist — mindestens gegenüber den Industrieländern — auf die engeren Ziele reduziert worden, die im Art. I Abs. formuliert werden: . . die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Währungspolitik durch eine ständige Einrichtung zu fördern, die als Apparat zur Konsultation und Zusammenarbeit bei internationalen Währungsproblemen zur Verfügung steht.“
Eine Gegenüberstellung des Ziels einer größeren Stabilität der Wechselkurse und der Strukturmerkmale der bestehenden Weltwährungsordnung führten zu folgenden Erkenntnissen: Es ist ein größeres Maß an internationaler Währungskooperation erforderlich als in der Ära von Bretton Woods. Denn es fehlt ein zentraler monetärer Anker. Die Leitwährungsfunktion ist diversifiziert, und damit ist das Ergebnis des Währungssystems vor allem bei stabileren Wechselkursen unbestimmter geworden. Darüber hinaus haben auch alle anderen kreditwürdigen Länder einen potentiell größeren Spielraum für eine nationale Währungspolitik, indem sie den Zahlungsbilanzausgleich über die internationalen Kapitalmärkte finanzieren. Mit dieser Diagnose ist die Frage verbunden, wie die Währungskooperation gelöst werden kann.
Inwieweit sind die Vorstellungen für eine Neuordnung des Weltwährungssystems mehr als eine Reaktivierung keynesianischen Gedankengutes und damit eines Ansatzes, der bereits einmal scheiterte?
IV. Pläne für eine Neuordnung bzw, Verbesserung der Währungskooperation
Abbildung 6
Tabelle 3: Die Weltwirtschaftsgipfel von 1975 bis 1988. Quellen: Kommuniques abgedruckt in: Europa-Archiv, Dokumentation
Tabelle 3: Die Weltwirtschaftsgipfel von 1975 bis 1988. Quellen: Kommuniques abgedruckt in: Europa-Archiv, Dokumentation
Im Mittelpunkt der Reformdiskussion stehen — neben den Bemühungen, die Flexibilität der Wechselkurse mit ihrem mikroökonomischen Koordinierungspotential zu erhalten — Vorschläge, eine größere Stabilität der Wechselkurse zu erreichen durch eine koordinierte Steuerung der Weltgeldmenge, durch Systeme von Ziel-zonen für Wechselkurse und durch eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf der Grundlage von Indikatoren. Alle diese Ansätze haben als Ziel, einen „Anker“ für die mittelfristige Erwartungs-und Wechselkursbildung zu schaffen und eine größere Regelgebundenheit und Automatik in die internationale Koordinierung der Makropolitiken zu bringen. Die Einschätzung reicht vielfach auch so weit, daß man mit dem Währungssystem wieder einen Disziplinierungsdruck erzeugen möchte wie mit dem Goldstandard. Aufgrund der Wechselkursorientierung überschneiden sich alle Vorschläge an mehreren Stellen, die Unterschiede liegen in den wirtschafts-und währungspolitischen Schwerpunkten und Instrumenten. Daneben werden Alternativen erwogen, partiell oder global das Währungssystem umzugestalten. 1. Pläne zur globalen und partiellen Umgestaltung des Währungssystems Eine Option, die immer wieder vorgetragen wird, ist die Rückkehr zum Goldstandard oder zu einem System fester, aber anpassungsfähiger Paritäten. Die Nicht-Wiederholbarkeit des Goldstandards ist erschöpfend in den sechziger Jahren diskutiert worden (Probleme des Goldangebots, der Goldverteilung und bei Goldpreisänderungen) Er wird jedoch in einer sehr problematischen Form als Referenzsystem verwendet, um die positive Disziplinierung der Makropolitik durch eine Währungsordnung darzustellen. Es wird dabei zu wenig beachtet, daß diese Disziplin nicht im System, sondern in der allseitigen Anerkennung von vier Bedingungen zu sehen ist, die die Geld-und Fiskalpolitik zu einer abhängigen Variablen des Goldpreises und des festen Wechselkurses machten: vollständige Freiheit des Handels-und Kapitalverkehrs — Verzicht auf eine protektionistische Außenwirtschaftspolitik; Verzicht auf eine autonome Konjunkturpolitik; ausreichende Flexibilität der Preise; Vertrauen in die Funktionsweise dieser Währungsordnung Ein reiner Goldstandard garantiert feste Wechselkurse, aber keine Preisniveaustabilität. Die Wiederherstellung eines weltweiten Paritäten-systems wie zur Zeit von Bretton Woods oder auch in Form des Europäischen Währungssystems (EWS) wird von nahezu allen offiziellen Gruppierungen abgelehnt. Man sieht keine Basis, daß der innere Widerspruch zwischen festen Paritäten und den international divergierenden Zielvorstellungen über die Priorität des Geldwertzieles überwunden werden könnte. Deshalb wäre ein solches System zu anfällig gegenüber destabilisierenden Spekulationen, da Währungen, die unter Druck geraten. immer nur in eine Richtung die Parität verändern können. Anregungen, das EWS als ein Modell für das Weltwährungssystem anzusehen, stoßen auf zwei Barrieren. Die Gründer des Systems unterstellten, daß die Teilnahme am EWS-Wechselkurs-und Interventionssystem europäischen Ländern „mit besonders engen wirtschaftlichen und finanziellen Bindungen zu den Europäischen Gemeinschaften“ Vorbehalten sei. Die relative Funktionsfähigkeit des EWS beruht gerade auf der regionalen Begrenzung, der engen wirtschaftlichen Verflechtung und der Dominanz der DM als monetärem Anker. Diese Faktoren würden auf weltweiter Ebene nicht mehr gelten. Trotz der offiziellen Ablehnung dieser Festkurssysteme muß beachtet werden, daß die Zielzonenkonzeption sich ihnen stark annähert.
Ein Vorschlag zur Teilreform besitzt viel Faszinationskraft. J. Tobin sieht in der „zu großen“ Kapitalmobilität die Hauptursache für die kurzfristig großen Schwankungen der Wechselkurse und beabsichtigt, diese isoliert zu beseitigen. Er schlägt eine einprozentige Steuer auf alle Devisentransaktionen des Handels-, Dienstleistungs-und Kapitalverkehrs vor, mit der er beabsichtigt, „Sand in das Getriebe“ zu streuen. Da diese Devisensteuer unabhängig von der Laufzeit der Kontrakte sein soll, würde sie vor allem kurzfristige Kapitalbewegungen und damit insbesondere die Zinsarbitrage und spekulative Transaktionen verteuern. So faszinierend eine preisliche Kontrolle im Vergleich zu Verboten erscheint, es wird dabei übersehen, daß auch sie eine Kontrollbehörde und eine Kontrollintensität benötigt, die eher größer sind als bei herkömmlichen Kapitalverkehrskontrollen. Eine „Devisensteuer“ würde wie ein trojanisches Pferd in einer liberalen internationalen Währungsordnung wirken. 2. Wechselkursstabilisierung durch koordinierte Steuerung der Weltgeldmenge Einen Vorschlag, die Weltgeldmenge zu steuern und an den Wechselkursen auszurichten, hat R. McKinnon entwickelt. Seine Konzeption baut auf dem monetären Ansatz auf, wonach der Wechselkurs der relative Preis zweier Währungen ist; er bildet sich nicht aus den monetären Strom-größen der Leistungsbilanz, sondern aus dem Bestandsangebot und der Bestandsnachfrage auf dem nationalen Finanzmarkt in Relation zu den internationalen Finanzmärkten. Die Entwicklung der Bestandsgrößen auf den Finanzmärkten hängt von der Geldpolitik ab, so daß eine Stabilisierung der Wechselkurse über eine international koordinierte und wechselkursorientierte Geldmengensteuerung erreicht werden kann. Da überraschende Geldangebotsveränderungen auch als der wichtigste Destabilisator der Konjunktur angesehen werden, strebt McKinnon mit seinem Vorschlag, die Expansion der Weltgeldmenge zu steuern, zwei Ziele an: die Stabilisierung der Erwartungen auf den Devisenmärkten und damit der 1 Wechselkurse sowie eine Verstetigung des Weltkonjunkturverlaufs. Unerwünschte Wechselkursbewegungen werden durch eine gegensteuernde Geldmengenpolitik korrigiert.
McKinnon plädiert für die „Kernlösung". Er geht von der existierenden multipolaren Währungsstruktur des derzeitigen Weltwährungssystems aus. Das Wachstum der Weltgeldmenge soll über die Koordinierung der Geldmengenexpansion in den USA, in Japan und in der Bundesrepublik Deutschland gesteuert werden. Die drei Länder werden gewählt (G-3) aufgrund der Größe ihrer Volkswirtschaften, ihres Anteils am Welthandel, ihrer entwickelten nationalen Finanzmärkte, der Konvertibilität ihrer Währungen und aufgrund der Tatsache, daß ihre Währungen als Faktura-und Finanzwährungen international verwendet werden.
Mit seinem Vorschlag gibt McKinnon ebenso wie die Vertreter der Zielzonen und der Indikatorenlösung die Idee einer Weltwährungsordnung mit einheitlichen Regeln explizit auf. Es wird zwischen einer Peripherie und einem währungspolitischen Zentrum unterschieden, das multipolar ist (Oligopol) und die wichtigsten Industrieländer umfaßt.
Zwei Probleme sind im Ansatz von McKinnon zu lösen: 1. Die Definition der „Weltgeldmenge“ und deren Expansionspfad und 2. die Festlegung eines Wechselkursniveaus, an das die Geldmengenentwicklung ausgerichtet werden soll. Die „Weltgeldmenge“ definiert er als die gewichtete Summe der nationalen Geldbestände der USA, der Bundesrepublik Deutschland und Japans in Form des Geld-volumens Ml wie folgt:
Gw = 0, 45 Gus+ 0, 35 GD+ 0, 20 Gj.
Indem er die „Weltgeldmenge“ in Wachstumsraten definiert, umgeht er das Problem, einen einheitlichen Wertstandard zu bestimmen, um sie addieren zu können. Die drei beteiligten Zentralbanken verabreden, die nationalen Geldmengen mittelfristig so auszudehnen, daß bei einem konstanten Wechselkursniveau die Preisstabilität der international gehandelten Güter zu Großhandelspreisen erreicht wird. Diese Ziele werden veröffentlicht. Die Wachstumsraten der nationalen Geldexpansion können aufgrund struktureller Unterschiede der Volkswirtschaften voneinander abweichen Wenn diese Abstimmung erreicht ist, können Abweichungen von einem „Gleichgewichtskurs“ nur aufgrund von Verlagerungen der Nachfragepräferenzen entstehen, so daß das Geld-und Währungsangebot der stärker nachgefragten Währung ausgeweitet und das der weniger nachgefragten Währung verringert werden kann und muß. Indem die Änderungen gegenläufig und entsprechend der Gewichtung in der Definitionsgleichung vorgenommen werden, soll einmal eine Abweichung vom Expansionspfad der „Weltgeldmenge“ verhindert und ferner eine Rückkehr zu den „Gleichgewichtswechselkursrelationen“ ermöglicht werden. Der „Gleichgewichtswechselkurs“ ist die außenwirtschaftliche Orientierung. McKinnon definiert ihn als Kaufkraftparität. Diese errechnet er nicht mit einem Preisindex, sondern mit dem Index der Lohnstückkostenentwicklung, den er um die Effekte bereinigt, die Beschäftigungsschwankungen auf die Arbeitsproduktivität haben. Für 1985 ermittelt er so, auf der Basis 1975, Gleichgewichtsrelationen von 2, 20 DM/US-Dollar und 210 Y/US-Dollar.
In einer ersten Stufe sollen die Zentralbanken durch Über-und Unterschreitungen der mittelfristigen Geldmengenziele (über Offenmarktpolitik, nicht-steriiisierte Devisenmarktinterventionen) ihre Wechselkurse den Gleichgewichtsrelationen annähem, um sie innerhalb von Schwankungsbreiten von ± 10 Prozent zu stabilisieren. Erst bei Wechselkursschwankungen, die diese Marge überschreiten, sollen in dieser Stufe gegenläufige Geldmengenanpassungen (abwertende Währungen — Geldmengenverringerung, aufwertende Währungen — Geldmengenexpansion) vorgenommen werden. Erst wenn die koordinierte Steuerung der Weltgeldmenge über einen längeren Zeitraum ein stabiles Preisniveau der Außenhandelsgüter und stabile Wechselkursrelaticnen realisiert hat, soll ein System fester Wechselkurse mit engen Bandbreiten zwischen den drei Ländern verabredet werden. 3. Zielzonen für Wechselkurse Als Zielzone wird eine von den Währungsbehörden der beteiligten Länder definierte Bandbreite um einen anpassungsfähigen Satz von Wechselkursrelationen verstanden, die konsistent sein sollen mit einem abgestimmten Gleichgewicht der Zahlungsbilanzsalden. Ebenso wie beim Vorschlag von McKinnon wird eine „Kernlösung" bevorzugt innerhalb der größten Industrieländer (G-5, G-7); ebenfalls besteht das Problem, Gleichgewichts-wechselkurse zu definieren. Der Unterschied liegt in den Vorstellungen, wie die Zielzonen festgelegt und durch welche Konsultations-und Koordinierungsverfahren die Wechselkurse innerhalb der Zielzonen stabilisiert werden sollen. Von Zielzonen werden folgende Vorteile gegenüber dem Floating erwartet: 1. Eine Verbesserung der internationalen Konsistenz der Wirtschaftspolitiken. Das Aushandeln von Zielzonen und Wechselkursrelationen und die Orientierung der Geld-und Fiskalpolitik an den Wechselkurs würde zu einer indirekten Koordinierung der Makropolitiken führen. 2. Die Folge dieser Ausrichtung wäre eine Verbesserung der Disziplin der Makropolitiken, wenn die Zielzonen eingehalten werden. Konsultations-oder Erklärungsverpflichtungen bei einem Verlassen der Zielzonen oder bei der Einführung von Kapitalverkehrskontrollen zur Stabilisierung der Wechselkurse können diesen Prozeß verstärken. 3. Zielzonen und die gegenseitige Verpflichtung der Länder, sie einzuhalten, können dem Wechselkurs-system einen Anker für die mittelfristigen Wechselkurserwartungen geben. 4. Die Beschränkung auf die wichtigsten Industrieländer hätte den Vorteil, die Zielzonen organisatorisch bewältigen zu können und dennoch das Welt-währungssystem zu dominieren. Der IWF könnte in diesem System sowohl die realen Gleichgewichts-wechselkurse berechnen als auch überwachen.
Die Schwierigkeiten, gleichgewichtige Wechselkurse zu bestimmen, werden anerkannt, aber als lösbar angesehen. Die Probleme der Wahl der Ausgangsperiode und des Preisindexes, um den realen Wechselkurs zu berechnen, meint J. Williamson durch sein Konzept der „Fundamental Equilibrium Exchange Rate“ (FEER) lösen zu können. Der FEER ist ein realer Wechselkurs, der das interne und das externe Gleichgewicht gleichzeitig gewährleisten soll. Internes Gleichgewicht definiert er als hohe Auslastung der Ressourcen ohne Inflation und externes Gleichgewicht als einen Leistungsbilanzsaldo, der dem gewünschten Kapitalstrom entspricht, der der inländischen Spar-und Investitionsneigung wiederum entspricht, ohne daß der Staat in diesen Prozeß eingreift. Er plädiert gleichzeitig für eine Bandbreite von ± 10 Prozent und für Veränderungen der Zielzonen in Form einer „CrawlingZone“ um folgende Aspekte zu berücksichtigen außenwirtschaftliche Orientierung der Geldpolitik), das eher dem manipulierten Floating, den „Plaza-“ und „Louvre-Abkommen“ sowie den Überwachungsregeln des IWF von 1977 entspricht. Problematisch ist die „harte“ Variante. Einmal kann bezweifelt werden, daß bei dieser Form die Rigiditäten und die Spekulationsanfälligkeit eines Festkurssystems vermieden werden können. Ferner dürfen die ordnungspolitischen Probleme nicht übersehen werden, die in dem Anspruch liegen. „Gleichgewichtswechselkurse“ international aushandeln zu können, an die sich die Makropolitiken orientieren sollen. Die Koordinierung soll innerhalb dieses Vorschlags in erster Linie über die Geldpolitik erfolgen. Der Fiskalpolitik wird eher im Rahmen einer policy-mix-Strategie eine Funktion zugewiesen, weil ihre Wirkung auf den Wechselkurs umstritten und weil es ein sehr schwerfälliges Instrument ist. 4. Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf der Grundlage ökonomischer Indikatoren Die internationale Koordinierung der Wirtschaftspolitiken mit Hilfe von Indikatoren ist der tiefgreifendste und problematischste Ansatz, stabilere Wechselkurse zu erreichen. Gleichzeitig ist er der 1. die Unsicherheiten bei der Schätzung der Gleichgewichtswechselkurse, Ansatz mit dem größten politischen Gewicht, nachdem 1986 der amerikanische Finanzminister für eine solche Strategie plädierte und auf der Gipfelkonferenz 2. die größere politische Konsensfähigkeit bei von Tokio im Mai 1986 die Finanzminister einem Flexibilitätsbereich, aufgefordert worden sind, eine größere Stabilität 3. einen größeren Dispositionsspielraum für eine der Wechselkurse anzustreben, indem sie die nationale Expansions-bzw. Stabilitätspolitik, nationalen Wirtschaftspolitiken unter Berücksichtigung von zehn Indikatoren abstimmen Dieser 4. die Möglichkeit, die Liquiditätswirkungen von Ansatz wurde auf der Gipfelkonferenz von Toronto Interventionen bei spekulativen Kapitalbewegungen 1988 erweitert, indem Rohstoffindikatoren hinzugefügt zu sterilisieren, und worden sind
5. die Möglichkeit, innerhalb dieser Flexibilitätsbereiche Die Indikatoren-Lösung soll — so ihre Vertreter - die politischen Widerstände gegen eine folgende Probleme überwinden helfen: 1. Es wird wechselkursorientierte Koordinierung der Wirtschaftspolitiken die Hauptursache der Wechselkursinstabilität aufgegriffen besser zu überwinden.
— die Inkonsistenz der Wirtschaftspolitiken. Man unterscheidet zwei Typen von Zielzonen-Systemen: 2. Es werden Konsultations-und Verhandlungsverfahren das „harte“ (enge Bandbreiten, seltene Anpassungen geschaffen, die dazu beitragen sollen, der Wechselkurse, öffentlich bekanntgegebene die Anpassungslethargie zu überwinden. 3. Es Kursmargen und direkte Ausrichtung der soll der Blick für die externen Effekte geschärft Geldpolitik auf den Wechselkurs), das dem Paritätensystem werden, die durch nationale Makropolitiken bei nahekommt, und das „sanfte“ Zielzonensystem (weite Bandbreiten, häufige Wechselkurs-anpassungen, vertrauliche Kursmargen, begrenzte Inflation»-und Desinflationsmaßnahmen entstehen. 4. Indikatoren(-bündel) können Hilfen bieten für die Bestimmung von Wechselkursrelationen. Abweichungen sind Signale, um Anpassungsmaßnahmen einzuleiten. Abweichungen von Indikatoren können unterschiedlich verbindliche wirtschaftspolitische Reaktionen auslösen. Williamson unterscheidet vier Formen
1. Die Aufnahme von Beratungen zwischen den beteiligten Ländern. Dies entspricht der Regelung der Abweichungsschwelle im EWS, wo auch lediglich eine „Vermutung“ ausgelöst wird, daß geeignete Maßnahmen ergriffen werden.
2. Die Beratung über den erforderlichen Einsatz bestimmter Maßnahmen: Eine Regelung, die dem des Ausschusses für Wirtschaftspolitik in der EWG entspricht — institutionalisierte Konsultation ohne Verpflichtungselemente.
3. Die Übernahme einer Verpflichtung, Anpassungsmaßnahmen zu ergreifen: Eine regelgebundene Anpassungspolitik, die jedoch diskretionär bleibt.
4. Sanktionsmechanismen bei Nichtanpassung. Als Indikatoren werden Endzielvariablen (Wachstumsrate des BSP, Beschäftigungsgrad, Inflationsrate, Spar-und Investitionsneigung, Leistungsbilanzsalden) und Politikindikatoren (Geldmengen-und Zinspolitik, Haushaltssalden), Zwischenziele (u. a.der Wechselkurs) sowie Residualvariablen (u. a. Währungsreserven) betrachtet. Im Zentrum der internationalen Koordinierung stehen die Endzielvariablen, für die international konsistente Werte verabredet werden sollen.
Anhänger des Indikatoren-Ansatzes gehen davon aus, daß die ökonometrischen Modelle für die Länder der G-5 bzw. G-7 ausreichend aussagekräftig und robust seien, um reale Gleichgewichtskurse zu berechnen und die Wirkungen verschiedener Kombinationen des Einsatzes der Geld-und Fiskalpolitik zu schätzen. Dennoch empfiehlt man, die Zahl der Indikatoren zu beschränken, um das System überschaubar und operational zu halten. Williamson schlägt aus diesen Erwägungen einen Zwei-Ziele-und Zwei-Instrumenten-Ansatz vor. Als Endzielvariablen wählt er das nominale Bruttosozialprodukt und die Leistungsbilanz. Bei den Instrumenten empfiehlt er, die Geldpolitik primär zur Sicherung des außenwirtschaftlichen und die Fiskalpolitik zur Stabilisierung des internen Gleichgewichts einzusetzen. Darüber hinaus werden Wechselkurse mit Bandbreiten für erforderlich gehalten, da die Daten für die Leistungsbilanz nur mit Verzögerungen zur Verfügung stehen und deshalb auch wirtschaftspolitische Reaktionen nur mit zeitlichen Verzögerungen ergriffen werden könnten. Damit nähert sich die Indikatoren-Lösung dem Zielzonenvorschlag
V. Anmerkungen zu den Vorschlägen einer internationalen Währungskooperation
Alle Ansätze gehen von einer „Kern-Lösung“ aus, indem sie die Währungskooperation auf die wichtigsten drei, fünf oder sieben Industrieländer begrenzen wollen. Damit wird berücksichtigt, daß das Weltwährungssystem multipolar geworden ist und daß für diese Gruppen informelle Koordinierungsgremien bestehen: regelmäßige Weltgipfeltreffen und Treffen der Finanzminister der G-5 und G-7 (vgl. Tabelle 3). Alle Vorschläge sind eine Mischung aus regelgebundener und diskretionärer Wirtschafts-und Währungspolitik und damit Systeme mit direkter und indirekter Koordinierung. Allen gemeinsam ist, daß sie für Bandbreiten bei den Wechselkursen plädieren; der Wechselkurs soll damit generell oder in einer Übergangsphase als Anpassungsinstrument in nicht-diskretionärer Form zum Ausgleich der Zahlungsbilanz beitragen. Alle Ansätze zielen darauf ab, die mittelfristige Erwartungs-und Wechselkursbildung zu stabilisieren und eine größere Regelgebundenheit und einen größeren Disziplinierungsdruck in die internationale Koordinierung der Makropolitik zu bringen. Alle Ansätze geben vor, sie seien in der Lage, multilateral reale Gleichgewichtswechselkursrelationen zu berechnen oder auf dem Verhandlungswege zu ermitteln.
Die Notwendigkeit einer internationalen Koordinierung der Makropolitik ist fürjede Form des Festkurssystems theoretisch unumstritten. Bei flexiblen Wechselkursen gibt es Meinungsverschiedenheiten über das „Ob“ und noch mehr über das „Wie“. Sie wird bei interdependenten Volkswirtschaften mit Hilfe der Theorie externer Effekte (hier der nationalen Makropolitik) und des öffentlichen Gutes (internationale Währungsstabilität) begründet. Wenn man die Koordinierung als erforderlich und hilfreich akzeptiert, ist damit das praktische und viel schwierigere Problem der Form und der Durchführbarkeit (außer in Fällen akufer Währungskrisen) noch gar nicht angesprochen. Koordinierung darf nicht mit Harmonie, Altruismus oder gar der Erfüllung „kompatibler“ ökonometrischer Modelle verwechselt werden. Im Zweifel vertritt eine große Volkswirtschaft ihre Interessen und Präferenzen, so daß man immer eine antagonistische Kooperation unterstellen sollte. Die implizite Annahme, durch eine Koordinierung eine Erhöhung der Wohlfahrt zu erreichen, konnte deshalb bisher theoretisch und empirisch kaum nachgewiesen werden
Der McKinnon-Ansatz fasziniert durch seine dreifache Zielsetzung: Stabilität des Preisniveaus der Außenwirtschaftsgüter, Verstetigung der Weltkonjunktur und Stabilisierung der Wechselkurse. Auch löst er das Problem der n-ten Währung, indem er sie durch den Dreier-Währungsverbund ersetzt. Der Vorschlag ist aber aufgrund seines radikalen monetaristischen Ansatzes anfällig für fiskalpolitische Destabilisierungen und reale Datenänderungen. Da gegen beide Ursachen keine Korrekturmechanismen vorgesehen sind, können sie Kapitalbewegungen auslösen. Aufgrund der geforderten nicht-sterilisierten Devisenmarktinterventionen können sie große Schwankungen der inländischen Geldmengen verursachen, die anschließende Nachfrage-, Zins-und Produktionseffekte, auslösen. Das System wird destabilisiert.
Im „sanften“ Zielzonensystem fehlt die Verbindlichkeit der Koordinierung, um ein Festkurssystem zu garantieren. Aber bereits dieses System ist problematisch, weil das politische Aushandeln von weltweiten Währungsrelationen politische Krisen und Konflikte verursachen kann. Die Erfahrungen vom Dezember 1971, von Januar bis März 1973, im Europäischen Währungsverbund, im EWS und des Louvre-Abkommens vermitteln einen Vorgeschmack. In der „harten“ Variante, die vielfach mit dem Indikatoren-Ansatz gekoppelt wird, wird eine Automatik eingebaut, die weder ökonomisch gerechtfertigt ist noch politisch durchsetzbar sein wird. Man diskutiert zwar über die geeigneten Indikatoren (Ziel-, Instrumenten-, Zwischenzielindikatoren), vermittelt aber ansonsten den Eindruck, ein theoretisch und empirisch robustes ökonometrisches Fundament zu haben; dieses existiert nicht. Kein einziges Modell enthält eine plausible politische Ziel-und Präferenzfunktion! Eine strenge Ankoppelung wäre somit keine Regel, sondern ein zweifelhafter „Indikatorengehorsam“ für die Makropolitiken. Diese Elemente eines „rationalistischen Konstruktivismus“ sind in einem Vorschlag von C. Fred Bergsten versammelt Bergsten fordert eine Übereinkunft über die Höhe der Leistungsbilanzsalden der G-7-Länder, eine Entscheidung über die dazu erforderlichen Wechsel-kursrelationen und eine Bandbreite von fünf bis zehn Prozent. Die Wechselkurse sollen durch Interventionen und/oder geldpolitische Maßnahmen verteidigt werden. Die internen Rückwirkungen sollen durch eine kompensatorische Fiskalpolitik ausgeglichen werden. Dafür müßten einige Länder, vor allem die USA und die Bundesrepublik, durch interne Reformen ihre Fiskalpolitik, die Steuersysteme und den Haushaltsvollzug flexibler gestalten. So einfach sollen legislative und exekutive Ordnungssysteme einer angeblich gleichgewichtigen Orientierungsgröße — dem Wechselkurs — unterstellt werden. Dies sind Vorstellungen, die die empirischen und theoretischen Erkenntnisse der Wirkungsweisen der Geld-und Fiskalpolitik großzügig mißachten!
Wenn man eine liberale internationale Währungsordnung bevorzugt, sollte man deren Determinanten auch akzeptieren: Wahlfreiheit, Anerkennung unterschiedlicher Präferenzen in bezug auf die Geldwertstabilität und Marktkoordination. International bestehen fortdauernde Divergenzen in den Zielen der Makropolitik. Durch Indikatoren und Zielzonen allein sind sie nicht zu überwinden. Sie ähneln Versuchen, den Überdruck im Kessel durch Manipulationen am Manometer zu regeln. Koordinierung der Makropolitik ist ökonomisch und politisch bei flexiblen Wechselkursen möglich. Der Wechselkurs muß im kybernetischen System der internationalen Währungsbeziehungen seine Ventil-und Anpassungsfunktion behalten. Das „Overund Undershooting“ ist wesentlich rationaler und wirksamer gewesen, als die Kritik vermuten läßt
Internationale Währungskoordination ist ein richtiger Ansatz, der aber nur im Rahmen der Erkenntnisse der positiven Ökonomik und des politischen Willens zur Angleichung der Zielpräferenzen erfolgreich sein kann. Solange hier Zweifel bestehen, sind flexible Wechselkurse die ökonomisch und polizisch bessere Alternative. Das vorsichtige Agieren innerhalb der G-5-und G 47-Länder trägt dieser Einsicht bisher Rechnung. Die Aufforderung an die Finanzminister, eine Koordinierung der Wirtschaftspolitiken auf der Grundlage von mehr als zehn Indikatoren zu versuchen, kann auch als salvatorische Klausel verstanden werden. Es wird den Befürwortern der Indikatoren-Lösung ein Angebot gemacht, das gleichzeitig aber so offen ist, daß ausreichend Spielraum für die nationalen Zielpräferenzen und die Wechselkursanpassung verbleibt.