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Risikogesellschaft als Grenzerfahrung der Moderne Für eine post-moderne Kultur | APuZ 36/1989 | bpb.de

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APuZ 36/1989 Artikel 1 Risikogesellschaft Überlebensfragen, Sozialstruktur und ökologische Aufklärung Risikogesellschaft als Grenzerfahrung der Moderne Für eine post-moderne Kultur Von der Wohlstandsgesellschaft zur Risikogesellschaft Die gesellschaftliche Bewertung industriewirtschaftlicher Risiken Politische Bildung in der Risikogesellschaft Ein politologischer und fachdidaktischer Problemaufriß

Risikogesellschaft als Grenzerfahrung der Moderne Für eine post-moderne Kultur

Peter Koslowski

/ 47 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die Industriegesellschaft erzeugt Risiken, die aus der expansionistischen Grundrichtung der modernen Wirtschaft und Kultur entstehen. Die neue Wahrnehmung der Industriegesellschaft als „Risikogesellschaft“ entsteht aus der mit der Moderne einhergehenden Entgrenzung der Macht des Menschen über sich selbst und über die Natur. Da die ethischen und kulturellen Lebensdeutungen der Moderne mit der ökonomischen und technischen Machtausdehnung nicht Schritt halten, wird die Risikogesellschaft zu einer Grenzerfahrung der expansionistischen Moderne in den Bereichen Wirtschaftswachstum, Naturbeherrschung und Kultur. Die postmoderne Alternative entwirft einen neuen Begriff von organischem Wirtschaftswachstum als Sichausgleichen-von Expansion und Kontraktion. Organisches Wachstum erfordert eine Neubestimmung der kulturellen Problematik der Kernenergie und der wirtschaftlichen Knappheit. Knapp sind nicht nur materielle Ressourcen, sondern auch Ordnungsstrukturen der Natur. Deren Schutz erfordert die Einrichtung einer vom Markt und vom Parlament unabhängigen Institution nach Art des Bundesverfassungsgerichts oder der Bundesbank. Diese neue unabhängige Umweltschutzinstitution muß als „Bundesumweltbank“ eingerichtet werden. Die Krise der modernen Naturbeherrschung macht sich an den Grenzen der genetischen Manipulation der Natur und an den Grenzen der autonomen Verfügung über die Zeugung des Menschen bemerklich. In der Moderne beansprucht der einzelne vollständige Autonomie und fordert zugleich „Identität“ ein. Die Unvereinbarkeit von Autonomie und Identität verursacht eine Krise der kulturellen Vereinigung der Gesellschaft. Das Leitbild der „multikulturellen Gesellschaft“ ist einer scharfen Kritik zu unterziehen, weil es den Anspruch auf kulturelle Vereinigung und Einheit bereits im Programm aufgibt. „Kultur der Selbst-gestaltung“ statt Autonomie muß zum Leitbild der postmodernen Kulturgesellschaft in einer Situation werden, die durch Ethisierung, Kulturorientiertheit und das Ende der Ideologien gekennzeichnet ist.

Risiko ist eine Gefahr oder Gefährdung, die ein Handelnder selbst durch sein Handeln erzeugt Da der Mensch das handelnde Wesen schlechthin ist und handeln muß, schafft er immer Gefahren, setzt er sich immer Risiken aus. Leben als handelndes Sich-mit-der-Umwelt-Auseinandersetzen ist immer riskant und gefährdet. Daß die Existenz des Menschen riskant ist, stellt daher keine neue Situation oder Erfahrung dar. Auch der steinzeitliche Jäger und Sammler lebte in Gefahren und setzte sich durch sein Handeln Risiken aus.

Der Begriff der Risikogesellschaft bezeichnet nicht die triviale Einsicht in den riskanten Charakter menschlichen Handelns, sondern die Einsicht, daß das Risiko in den modernen Gesellschaften einen neuen Charakter angenommen hat. Die These des folgenden Beitrags ist, daß die Ausdehnung des „Risikos“ durch die Entgrenzung der Macht des Menschen über die Natur und sich selbst entstanden ist und daß die Expansion des Risikos mit dem expansionistischen Weltbild und Wirtschafts-sowie Lebensstil der Moderne zusammenhängt. Die „Risikogesellschaft“ enthält sowohl Risiken, die unvermeidlich sind, als auch Risiken, die reduzierbar sind. Der eigentümliche Charakter der Risikogesellschaft liegt in ihrem Expansionismus und nicht primär, wie Ulrich Beck annimmt, in ihrer Selbstvernichtungsmöglichkeit. Ulrich Beck nennt Risikogesellschaften „Gesellschaften, die zunächst verdeckt, dann immer offensichtlicher mit den Herausforderungen der selbstgeschaffenen Selbstvernichtungsmöglichkeit allen Lebens auf dieser Erde konfrontiert sind“

Beck definiert „Risikogesellschaft“ sehr eng durch eine sehr spezifische Eigenschaft — durch diejenige der selbstgeschaffenen Selbstvernichtungsmöglichkeit. Diese Definition ist zu eng und trifft nicht das eigentliche Wesen der Risikogesellschaft der Moderne. Die Selbstvernichtungsmöglichkeit hat der Mensch immer besessen, und auch archaische Kleingruppengesellschaften konnten sich als ganze durch Fehler selbst vernichten. Die Definition durch die Möglichkeit zur Selbstvernichtung allen Lebens auf der Erde ist wiederum zu voraussetzungsreich, um zutreffend zu sein. Ob alles Leben bei einem Atomkrieg oder anderen ähnlichen chemischen Katastrophen tatsächlich zerstört würde, ist zweifelhaft und in gewisser Weise für den Alltag industrieller Gesellschaften unerheblich. Die neue Qualität des Risikos in der modernen Industriegesellschaft kann weder durch die Selbstvemichtungsmöglichkeit noch durch den Atomkrieg, sondern nur durch die neue Ausdehnung menschlicher Macht und die Gefährdungen der kulturellen Lebensordnung im industriellen Alltag der Wachstumsgesellschaft bestimmt werden.

Die Bedrohung durch den Atomkrieg ist eine reale Bedrohung, aber sie bezeichnet den totalen Ausnahmezustand, der für die sozialphilosophische Analyse der Industriegesellschaften nicht im Mittelpunkt stehen kann. Zwischen Kriegs-und Alltags-risiken ist zu unterscheiden. Letztere sind die soziologisch und sozialphilosophisch interessanteren, weil sie den Normalzustand der Gesellschaft beschreiben. Über Kriegsführung und Kriegsvermeidung ist nachzudenken, und dieses Nachdenken legt vielleicht das Ergebnis nahe, daß die Strategie des unbegrenzten atomaren Rückschlages ethisch nicht vertretbar ist. Für die Industriegesellschaften sind jedoch nicht Kriegsrisiken, sondern die Alltagsrisiken entscheidend.

Die Erkenntnis, in einer Risikogesellschaft zu leben, die erhebliche Risiken in sich birgt und ihren Mitgliedern auferlegt, ist eine allgemein bewußtseinsbestimmende Erfahrung geworden. Sie überschreitet die Grenzen der Partei-und Konfessionszugehörigkeit. In dem Begriff der Risikogesellschaft drückt sich eine Grenzerfahrung der Moderne aus, die Erfahrung, an die Grenzen der Aus-dehnbarkeit der menschlichen Macht mit Hilfe von Technik und Wissenschaft geraten zu sein und die kulturellen und ethischen Voraussetzungen solchen Machtgebrauches nicht schaffen und erhalten zu können. Die Wahrnehmung der eigenen Gesellschaft als Risikogesellschaft entsteht aus dem Gefühl, die eigene Macht und den Machtzuwachs der Moderne nicht mehr beherrschen zu können. Die Krise der modernen entwickelten Industriegesellschaft der wissenschaftlich-technischen Zivilisation ist eine Krise der Entgrenzung, so wie die Krise der sich industrialisierenden Gesellschaften des 19. Jahrhunderts mit ihrem enormen Bevölkerungswachstum eine Begrenzungskrise war und in den Ländern der Dritten Welt noch ist. Die Entgrenzungskrise und die Gefährdung der Risikogesellschaften erwachsen aus der irrigen Annahme, daß die Naturbeherrschung unbegrenzt ausgedehnt werden, die Wirtschaft grenzenlos expandieren könne und die Natur in der Moderne keine Grenze menschlichen Handelns mehr bilde. Dem Problem der Risikogesellschaft als Grenzerfahrung der Moderne wird im folgenden in vier Abschnitten nachgegangen. Der erste untersucht die Probleme, die aus dem Expansionismus und dem Wachstums-druck der Moderne entstehen Der zweite Ab-schnitt geht der Krise der Naturbeherrschung und den Verführungen der Machbarkeit nach, die von der Gentechnik und den Techniken der künstlichen Fortpflanzung ausgehen Der dritte Abschnitt untersucht die kulturellen Änderungen, die nötig sind, um die Krise der Risikogesellschaft der Moderne durch eine „Kultur der Selbstgestaltung“ zu überwinden. Dieser Abschnitt zeichnet Umrisse einer nachmodemen Kultur, die postmodern nicht im Sinne von supermodern, sondern von nachmodem ist Der vierte und Schlußabschnitt faßt die postmoderne Situation unter den Begriffen „Ethisierung“, „Kulturorientiertheit“, „Ende der Ideologien“ zusammen.

I. Der Expansionismus der Moderne und die Wachstumsproblematik

Die Prüfung unseres Zeitalters ist eine Prüfung der erfüllten Wünsche, eine Prüfung der durch die Machtsteigerung des Menschen erfüllbaren Wünsche. In der Gentechnik, Atomenergie-und Wachstumsproblematik geht es um die Bewältigung der Entgrenzung der menschlichen Macht über die Natur. Die Bewährungsprobe, der der moderne Mensch unterworfen ist, ist diejenige des Faust. Wie in der Geschichte von Dr. Faustus steht in der Risikogesellschaft der moderne Mensch vor der Bewährung seiner neu gewonnenen Macht, weil seine Machtwünsche erfüllt und seine Imaginationen machbar geworden sind. Wie Faust mit Hilfe des Teufelspaktes, so vermag der moderne Mensch durch die wissenschaftliche Naturbeherrschung scheinbar alles zu verwirklichen, was er will. Es scheinen ihm unbeschränkte finanzielle und natürliche Ressourcen zur Verfügung zu stehen, und er vermag die Naturgesetze zu seinem Nutzen scheinbar unbegrenzt einzusetzen.

In der Gegenwart zeichnet sichjedoch eine Umkehrung der modernen faustischen Situation unbegrenzter Ressourcen zu einer postmodernen nachfaustischen Situation begrenzter Ressourcen ab, die verursacht ist durch die Enttäuschung einer im tiefsten Grund alchemistischen Hoffnung: durch die Widerlegung der Hoffnung auf verlustlose und nebenwirkungsfreie Konversion von Stoffen und Energieformen. Der Übergang von der Moderne zur Postmoderne wird durch den kurzen physikalisehen Satz begründet, daß Energie nicht ohne Nebenwirkungen auf die Umwelt in andere Energie-formen umgewandelt werden kann Damit ist das alchemistische und energiewirtschaftliche Perpetuum mobile ausgeschlossen. Der Stoff kann nicht ohne Energiezufuhr oder -Verlust verwandelt werden, Energie kann nicht ohne Nebenwirkungen umgewandelt werden.

Die Auffassung, daß die Energieressourcen unerschöpfbar seien, weicht dem Bewußtsein, daß die physikalischen Energien erschöpfbar sind, und in diesem Wandel liegt die eigentliche Ursache für den Übergang vom modernen zum postmodernen Weltbild. Dem unendlichen Weltall der Moderne steht heute, wie zuletzt der Erfolg der neuen Kontraktionskosmologie von Stephen Hawking zeigt, das endliche und sich erschöpfende Weltall der Postmoderne gegenüber. 1. Ontologische Grundlagen: expansionistisches Weltbild versus Schöpfungsontologie Es stellt sich die Frage, welches Weltbild den Menschen größeren Prüfungen unterwirft, welches beängstigender und welches dem Menschen angemessener ist — das Bild des endlichen oder das Bild des unendlichen Alls. Die Moderne sieht, seitdem das Bild des Alls als einer endlichen Schöpfung abgelöst wurde, die Welt als einen unendlichen, wenn auch nicht anfangslosen Prozeß an. Hier ist zu fragen, wie ein unendlicher Prozeß als ein Prozeß gedacht werden kann, der einen Anfang hat. Die Urknall-Hypothese, der Evolutionismus, der Dialektische Materialismus nehmen alle Anfänge von Prozessen an, die kein Ende haben. Es beginnen absolute Prozesse in nicht-absoluter Weise, dauern aber absolut. Diesen Weltbildern liegt die Vorstellung eines unbegrenzten Progresses zugrunde: Aus einem endlichen Anfang folgt ein unendlicher Prozeß.

Bemerkenswert ist jedoch, daß dieser Anfang des Alls zugleich seine Urkatastrophe ist. Der Anfang, der Urknall, ist die Katastrophe, berechtigt aber für die weitere Entwicklung zu den schönsten Hoffnungen. Diese Hoffnungen sind freilich ziemlich unbegründet, sie beruhen auf Zweckoptimismus. Denn warum soll ein Prozeß sich zum Besseren wenden, der mit einer Katastrophe begonnen hat? Die einzige — psychologische — Begründung für diesen metaphysischen Optimismus ist, daß, wenn etwas schon mit einer Katastrophe begonnen hat, es eigentlich nur besser werden kann. Ebenso kann jedoch postuliert werden, daß ein Urknall auch einen Endknall erfordert oder zumindest plausibel macht; dieser Prozeß also gerade nicht zu den schönsten Hoffnungen Anlaß gibt.

Betrachten wir das Gegenmodell zu dieser Urkatastrophen-Zukunftseuphorie-Theorie des Universums oder der Gesamtwirklichkeit, nämlich die Schöpfungstheorie, wie sie in den drei großen monotheistischen Religionen vertreten wird. Die Sicht der Welt als Schöpfung beinhaltet einen freigewollten Anfang der Welt im Willen zum Guten, eine Störung der Weltordnung durch den Sündenfall und eine Vollendung des Alls in der Verklärung, wobei Störung und mögliche Verklärung auch für das Individuum gelten. So wie das Individuum und die Welt frei geschaffen sind, werden sie auch frei zur Ewigkeit verklärt werden. Die Schöpfungstheorie geht von einem endlichen Weltall aus, das aus einem freien und unendlichen Urgrund frei herausgesetzt wurde. „Schöpfung“ beinhaltet Endlichkeit der Ressourcen, weil die Schöpfung nicht gleichen Wesens mit ihrem Schöpfer, nicht unendlich sein kann. Das Werk ist Verendlichung des Schaffenden. Die Welt und der Mensch können erst durch einen zweiten Akt des Schöpfers in den Stand der Unendlichkeit und Unwandelbarkeit gehoben werden, durch einen Akt der Verklärung, den wir freiüch nicht alchemistisch in der Stoffumwandlung vorwegnehmen, sondern nur erhoffen oder glauben können.

Schöpferisches Handeln bedeutet, ein endliches Werk als Verleiblichung, d. h. Gestaltwerdung der eigenen Idee aus sich herauszusetzen, so daß das Werk eine Existenz gewinnt, die partiell unabhängig von ihrem Erschäffer ist. Bereits am menschlichen Schaffen ist erkennbar, daß der schöpferischen Expansion, dem Heraussetzen des Werkes, eine innere Sammlung der geistigen und körperlichen Kräfte, eine innere Intensivierung oder Kontraktion vorausgehen muß. Das menschliche Selbst muß sich erst sammeln, um expandieren zu können. 2. Die postmoderne Alternative: organisches Wachstum als Sichausgleichen von Expansion und Kontraktion Aus dem Schöpfungsgedanken ist zweierlei erkennbar: zum einen, daß die Idee eines unendlich expandierenden Prozesses eigentlich ein Unbegriff ist, welcher der Selbsterfahrung des endlichen Menschen und jeder Beobachtung organischer Prozesse in der Natur widerspricht. Weder der Mensch noch irgend etwas anderes in der Natur wächst oder expandiert unbegrenzt. Zum anderen folgt aus dem Gedanken des Schöpferischen, daß das menschliche Selbst nicht ein unbegrenzt expandierendes und unbeschränkt begrenzte Ressourcen verzehrendes Gebilde ist, sondern daß es auf einem fragilen Ausgleichungsprozeß zweier Tendenzen oder Bewegungen beruht: der Bewegung zur Expansion und derjenigen zur Kontraktion.

Die Prüfung der Moderne ist die Prüfung des entgrenzten Selbst. Vermag es der faustische Mensch der Moderne, dem fast unbeschränkte Ressourcen zur Expansion seines Selbst zur Verfügung stehen, sich frei zur Gestaltwerdung und zur mit sich identischen Persönlichkeit zusammenzunehmen? Es gibt eine Prüfung der Begrenzung, wenn dem Selbst zu wenig Ressourcen zur Verfügung stehen, und es gibt eine Prüfung der Entgrenzung, wenn dem Selbst alles zur Verfügung steht. Letztere Prüfung ist die schwierigere. Sie ist vielleicht nicht die leidensvollere, aber die schwerer zu bestehende. Die freie Kontraktion stellt größere Anforderungen an das Selbst als die Expansion, weil sie ein Moment des freiwilligen Opfers enthält.

Diese Einsicht in die expansiv-kontraktive Natur des organischen Wachstumsprozesses ist zentral für die Problemlage der Risikogesellschaft. Die Industriegesellschaft gründet auf der Wachstumserwartung, auf der Erwartung einer stetigen Expansion menschlicher Macht und Optionen. Die organische Wachstumstheorie expansiv-kontraktiver Prozesse zeigt dagegen, daß entgrenzte Expansion nicht die Gestalt des Organismus zu verwirklichen vermag und daher nicht Normalität beanspruchen kann. Normalität kann nur dem organischen Wachstum, nicht aber der bloßen Expansion zugeschrieben werden. Damit erscheint auch die Frage nach den Grenzen des Wachstums, des menschlichen und wirtschaftlichen Wachstums, in einem anderen Licht. Es gibt nicht nur äußere Grenzen, sondern auch innere Gestalten des Wachstums, Grenzen, die daher nicht nur als äußere Restriktionen auf die an sich expansive Grundrichtung des Selbst und der Gesellschaft wirken. Es gibt außerdem nicht nur ein Wachstum nach außen, sondern auch ein Wachstum nach innen. Das ganzheitliche, expansiv-kontraktive Wachsen des Menschen ist nicht vollständig von äußeren Ressourcen abhängig. Daraus folgt die befreiende Einsicht, daß gesellschaftliche und individuelle Entwicklung auch unter Bedingungen begrenzter Ressourcen möglich ist; die Einsicht, daß an dem Satz von Leibniz „Non progredi est retrogredi" („Nicht Voranschreiten ist Zurückschreiten“) festgehalten werden kann, wenn unter Voranschreiten nicht lineare Expansion, sondern ein sich verinnerlichendes und vertiefendes Wachstum verstanden wird. Ein Leben ohne Voranschreiten wäre ein Leben ohne Hoffnung, ein Leben ohne Zukunftsperspektive. Was nicht wächst, so sagt man, stirbt ab. Wenn — weil unsere Ressourcen begrenzt sind — Wachstum unmöglich wäre, wäre eine Zukunft ohne Wachstum eine traurige, weil sterbende Zukunft. Wenn aber das Wachstum in sich selbst nicht nur den Aspekt der Expansion, sondern auch den der Kontraktion aufweist und in deren Ausgleichung besteht, ist echtes Wachstum auch unter Bedingungen begrenzter Ressourcen möglich.

So ist auch die Forderung der Maximierung des gesamtwirtschaftlichen Wachstums verfehlt, weil sie nicht die Einbettung des Wachstumszieles in andere Ziele der Gesellschaft, vor allem Stabilitätsziele wie Erhaltung der Umwelt, der Kultur und der wirtschaftlichen Stabilität, berücksichtigt. Für die Zukunft der Demokratie ist es eine lebenswichtige Frage, ob die Konkurrenzdemokratie herkömmlichen Zuschnitts in der Lage ist, die Güterabwägung zwischen der Vermehrung der materiellen Gütermenge durch äußeres Wirtschaftswachstum und dem Verzicht auf Wachstum von materiellen Gütern zugunsten immaterieller Güter und der Erhaltung gewachsener natürlicher und sozialer Strukturen vorzunehmen.

Eine Gesellschaft sollte nicht, wie es die national-ökonomische Theorie fordert, immer an der Produktionsmöglichkeitengrenze produzieren, d. h. so viel produzieren wie irgend möglich. Daß der Kapazitätsauslastungsgrad ständig 100 Prozent betragen sollte, mag für begrenzte technische Zusammenhänge angehen. Daß diese Forderung für die Gesamtgesellschaft sinnvoll ist, muß bestritten werden. Ständig an der Kapazitätsgrenze und der Grenze der Leistungsfähigkeit zu leben, führt zu Angestrengtheit und ist für die Gesellschaft ebenso ungesund wie für den einzelnen. Beide haben dann im Sinne von Parkinsons Gesetz die Stufe zu ihrer Inkompetenz bereits überschritten. Es müssen immer einige Möglichkeiten latent und Potentiale ungenutzt bleiben. Ein Zustand mit Latenzen und Potenzen der Weiterentwicklung ist dem Optimum näher als ein Zustand restloser Ausschöpfung des Potentials. Nach Simmel liegt hier ein Gegensatz zwischen männlicher und weiblicher Kultur vor:

Männliche Kultur zielt auf Ausschöpfung des Potentials bis an die Grenze der Produktionsmöglichkeiten; weibliche Kultur zielt auf ein Optimum, bei dem einige Potentiale latent und unausgeschöpft bleiben Die Angestrengtheit der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland ist das Resultat der Nichtbeachtung des „Prinzips der Latenz von Entwicklungsmöglichkeiten“. 3. Kernenergie als Problem einer expansionistischen Wirtschaftskultur Ausdruck des expansionistischen Grundzuges unserer Wirtschaftskultur ist die staatliche Forcierung der Kernenergie. Die Förderung der Energiegewinnung aus Kernspaltung mit staatlichen Geldern ist neben dem Argument, daß der Staat die Autarkie der nationalen Energieversorgung zu sichern und einer übermäßigen Abhängigkeit von Energieimporten entgegenzusteuern habe, vor allem durch das Argument begründet worden, der Staat müsse die Bedingungen quantitativen Wirtschaftswachstums sichern. Dieser Zweck kann nicht die Allgemeinheit nachweisen, die er behauptet. Wir können nicht, um unser Reichtumsniveau zu erhöhen, künftigen Generationen Umweltbelastungen durch Atommüll und Reaktorruinen hinterlassen, die einen solchen Umfang haben und irreversibel sind Auch schon bei der Berücksichtigung der Belastungen für die gegenwärtige Generation erweist sich das Wachstumsargument zur Rechtfertigung der massiven Förderung der Kernenergie durch den Staat als unzutreffend.

Wieviel Energie wir brauchen, ist keine technisch festgelegte Größe. Der Energieverbrauch ist nicht nur in der Produktion technisch variabel und durch Intelligenz bei gleichem Output verringerbar, er ist auch im Konsum keine technisch gegebene, sondern eine kulturell variierbare Größe. Es gibt unterschiedliche Kulturen des Energiekonsums. Der Energieverbrauch ist eine Frage der Lebensführung. Große Energieverbraucher sind im allgemeinen hedonistisch; Energieverbrauch ist Teil ihres Lebensgenusses, was nicht heißen muß, daß alle Energiesparer Puritaner sind. Untersuchungen zeigen, daß Energie eine Droge sein kann, an deren Gebrauch man sich gewöhnt. Kultureller Sinn wird durch energieintensive äußerliche Aktivismen ersetzt. Der Energieinput für verschiedene Freizeitaktivitäten ist höchst unterschiedlich; die Befriedigung muß nicht mit dem Produkt aus Aktivismus mal Verbrauch nichterneuerbarer Energieressourcen linear ansteigen. Kultur hingegen ist in ihrem Verbrauch nichterneuerbarer natürlicher Ressourcen bescheiden. Kulturförderung ist ressourcen-freundliche Politik, Kultivierung des Lebens ist auch ein Beitrag zur Lösung des Energieproblems.

Wenn die sozialen und kulturellen Kosten des durch Kernenergie ermöglichten Wachstums so groß sind, wie sie sich heute darstellen, wird man auf das durch Kernenergie induzierte quantitative Wachstum verzichten müssen. Kosten an Risiko, Angst, kulturellem Kontextverlust und sozialer Unruhe müssen als reale Kosten, auch wenn sie schwer zu bewerten sind, in die Wirtschaftlichkeitsrechnung von Energieoptionen miteinbezogen werden. Atomstrom kann nur dann privatwirtschaftlich annähernd rentabel sein, wenn die Haftung des Produzenten für die sozialen Kosten vom Staat eingeschränkt und die erwarteten Folgekosten nicht in die Rechnung mit einbezogen werden Ein in betriebswirtschaftlich üblicher Weise kalkulierendes Unternehmen, das gezwungen wäre, sich gegen die Risiken eines Kernkraftunfalls zu versichern und für die Folgekosten der Atommüllbeseitigung Rückstellungen zu bilden, könnte niemals rentabel Atomenergie produzieren. Das gesellschaftliche Entscheidungssystem Markt würde daher die Produktion von Atomstrom als unwirtschaftliche Alternative ausscheiden.

Der Ausschluß von Haftung für Risiken aus Industrieproduktion hat eine wirtschaftliche wie eine ethische Dimension. Wirtschaftlich widerspricht die gesetzliche Begrenzung der Haftungssumme für einen Schaden aus einem Kemkraftwerksunfall auf eine Milliarde DM durch Bundesgesetz den marktüblichen Bedingungen und ist unrealistisch niedrig. Der Unfall von Tschernobyl hat allein in der Sowjetunion materielle Schäden angerichtet, die vom Politbüro der KPdSU mit umgerechnet DM 6, 5 Mrd. angegeben wurden Dieser Unfall ereignete sich in einem im Vergleich zu Mitteleuropa dünn besiedelten Gebiet. Der Haftungsausschluß bei der Produktion von Kernenergie führt volkswirtschaftlich zu einer enormen Fehlsteuerung von Ressourcen, die in einem Bereich investiert werden, der in Wirklichkeit viel riskanter und weniger profitabel ist als alternative Anlagebereiche der Energiewirtschaft. Die Erträge der Kernenergieinvestitionen sind daher geringer als unter den Bedingungen des Haftungsausschlusses ausgewiesen.

Eine Sozialisierung des Innovationsrisikos bei Kernenergie — nicht aber des Betreibungsrisikos — ist für die Erforschung und Erprobung von Reaktoren zur langfristigen Energiesicherung gerechtfertigt. Nicht gerechtfertigt werden kann eine breite industrielle Nutzung von Reaktoren, die gefährlich und unwirtschaftlich sind. Ebenso muß der Haftungsausschluß bei breiter Anwendung der Kernenergie als ethisch nicht rechtfertigbar und volkswirtschaftlich als ineffizient angesehen werden, weil hier die Betroffenen keine Möglichkeit haben, durch ihr eigenes Verhalten — d. h. durch höhere Aufmerksamkeit, Verzicht auf Nähe zur Gefahrenquelle, Investitionen in individuelle Sicherheitsmaßnahmen oder Abwanderung — das Eigenrisiko zu verringern. Besonders wenn Kernkraftwerke in großer Dichte in ganz Deutschland gebaut sein werden, wird weder Abwanderung aus dem Gefahrengebiet noch Widerspruch gegen den Mehrheitsbeschluß mehr möglich sein.

Das Risiko der Kernenergie läßt sich durch den nicht allgemeinen Zweck, durch Kernenergie quantitatives Wirtschaftswachstum zu fördern, nicht rechtfertigen. Wenn ein Staat seine Bürger zwingt, bei äußerer Bedrohung in den Krieg zu ziehen, so ist diese Einschränkung der individuellen Schutz-pflicht durch die kollektive Schutzpflicht legitimiert. Entsprechend muß man schließen: Wenn ein Land durch eine Hungersnot bedroht wird, weil ihm keine Energie mehr zur Verfügung steht, ist die Sozialisierung des Kernkraftrisikos gerechtfertigt. Von dieser Situation sind wir jedoch weit entfernt. Daher ist in unserer gegenwärtigen Situation eine Sozialisierung des Unternehmerrisikos aus Investitionen in Kernenergie oder gar deren Subventionierung nicht sinnvoll. Die Option für einen breiten Ausbau der Kernenergie unterwirft den dieser Option nicht zustimmenden Teil der Bevölkerung dem Lebensstil des industriellen Wachstums, der nicht allgemein verpflichtend ist. Unzweifelhaft können Kernenergie und Wirtschaftswachstum nicht aufoktroyiert werden, wenn — wie heute — kein existenzieller politischer Notstand für eine solche Entscheidung besteht und gute Gründe gegen sie vorgebracht werden können. 4. Begrenzte Ressourcen an Ordnungsstrukturen der Natur als limitierender Faktor des Wirtschaftswachstums Der Begriff des Organismus als Einheit von lebendigen Kräften ist notwendig, um zu erkennen, welche Ressourcen eigentlich knapp sind und wo daher die Ressourcen-Risiken der modernen Industriegesellschaft liegen. Nach dem Ölpreisschock von 1973 und dem Bericht des Club ofRome dachte man, daß besonders die materiellen Ressourcen knapp und erschöpfbar seien und sich als limitierender Faktor des Wirtschaftswachstums erweisen würden. Inzwischen hat sich diese Befürchtung zumindest für die Ressource Erdöl nicht bewahrheitet; der Preis für Erdöl ist sogar gesunken. Etwas ganz anderes als bloße Materie hat sich als knapp erwiesen, nämlich Natur. Knapp ist nicht Materie, sondern die geordnete und lebendige organische Natur sowie qualitativ bestimmte materielle Ressourcen. Nicht Wasser schlechthin wird knapp, sondern qualitativ reines Wasser, Trinkwasser. Nicht die Aufzucht von Tierarten ist durch materielle Knappheit gefährdet, sondern die Erhaltung bestimmter Tierarten und die Bewahrung eines unveränderten und unverdorbenen Genpools für Zuchttiere und -pflanzen.

Knapp sind nicht materielle Ressourcen an sich, sondern Strukturen und Ordnungen der Natur, in denen die Ressourcen in reiner Form und die Natur alssie selbst zur Verfügung stehen. Nicht so sehr die materiellen Ressourcen als vielmehr die Natur als geordneter Organismus und sich entwickelnde Struktur wird knapp. Natur ist nicht nur Materie. Die Materie ist vielmehr ein Abstraktions-und Grenzbegriff, ist reine Potentialität, die erst durch die Form und Struktur zur Natur wird. Natur ist Einheit von sich entwickelnder Form und Stoff. Nicht so sehr die Materie oder der Rohstoff werden knapp, sondern die Natur wird eine beschränkte Ressource und damit wertvoll.

Die Herausforderung der nächsten Jahrzehnte ist also nicht die Erschöpfbarkeit materieller Ressourcen, sondern die Erschöpfbarkeit von Natur und organischen Strukturen und Ordnungen. Diese Erschöpfbarkeit von Natur ist auch nicht nur eine Problematik natürlicher Umwelt, weil es nicht nur um die „Umgebung“ des Menschen, sondern um die natürlichen Ordnungsstrukturen geht, deren Teil derMensch selbst ist. Natur ist mehr als die Umwelt des Menschen, weil sie ihm nicht nur als Umwelt, als das Außen des sozialen Systems, als der Rand des vom sozialen Mitsein der Menschen geprägten menschlichen Lebensraumes gegenübertritt. Die Natur ist vielmehr ebenso Lebensraum des Menschen wie die Gesellschaft, weil der Mensch im Solidarverbund mit der außermenschlichen Natur steht und ein zwar die Natur im Geistigen transzendierendes Wesen ist, im organischen Leben aber untrennbar mit dem großen Organismus der Erde verbunden ist. Der Mensch und seine Wissenschaft können daher die Natur und die Begrenztheit der Ressource Natur nur angemessen begreifen, wenn sie die Natur als ein organisches Ganzes und nicht nur als Rohstoff-, Energie-oder Raumressource ansehen. Natur im Sinne geordneter natürlicher Strukturen muß selbst als Wert angesehen werden und in Politik und Wirtschaft als Wert, wenn auch nicht als Letztwert geltend gemacht werden. 5• Die Notwendigkeit der Errichtung einer Um-Weltbank Die Nebenwirkungen des industriellen Wachstums auf die natürliche Umwelt sind im marktwirtschaftlichen und demokratischen Diskurs schwer sichtbar zu machen, weil diese Nebenwirkungen solche treffen, die nicht Personen und nicht diskursfähig sind und als Betroffene weder über Kaufkraft im Markt noch über Abstimmungsmacht im demokratischen Diskurs verfügen -„Der Fortschritt feiert Pyrrhussiege über die Natur“. Durch eine konstitutionelle Meta-Entscheidung müssen daher die Diskurse Markt und Demokratie verpflichtet werden, die Rechte der Natur zu wahren. Für den Naturschutz ist es nötig, daß sich der Verfassungsgeber der Grenzen der individualistischen Diskurse Markt und Demokratie bewußt ist und den Naturschutz konstitutionell und institutionell verankert, d. h. aus den Markt-und Mehrheitsentscheidungen herausnimmt. Dazu ist keine „Öko-Diktatur“, sondern eine „Öko-Verfassung“ und „Öko-Institution“ vonnöten. Es genügt nicht, nur eine ökologische Absichtserklärung in der Verfassung zu verankern, sondern es ist nötig, dem Verfassungs-oder Staatsziel „Umweltschutz“ auch eine Durchsetzungsinstitution vom Range des Bundesverfassungsgerichts oder der Bundesbank zu schaffen. Wie das Bundesverfassungsgericht und die Bundesbank muß die Bundesumweltinstitution den Diskursen Markt und Demokratie und der vom parlamentarischen Diskurs abhängigen Regierung vorgelagert und übergeordnet sein. Diese Überordnung begründet sich aus den angebbaren Steuerungsgrenzen der Diskurse Markt und Demokratie, aus der Gefahr von Markt-und Demokratieversagen.

Die Grenzen von Markt-und demokratischem Diskurs haben in einem Fall staatlichen Handelns durchaus schon ihre Berücksichtigung gefunden, die nicht als diktatorisch empfunden wurde: bei der Inflationsbekämpfung durch eine markt-und parlamentunabhängige Zentralbank. Weil das Ziel der Inflationsbekämpfung weder im Markt noch in einem von Wachstums-und Vollbeschäftigungsinteressen abhängigen Parlament eine ausreichende Förderung erfährt, ist die Autonomie der Notenbank gesetzlich verankert. In ähnlicher Weise wäre eine „Bundesumweltbank“ zu schaffen, welche die Durchsetzung von Umweltqualitäten gegen Markt-und Demokratieversagen sicherstellt und gegenüber dem Konkurrenzmarkt und dem Parlament autonom ist. Wenn Markt-und Abstimmungsdiskurse systematisch zu einer zu niedrigen Bewertung von Umweltkosten kommen, muß im emphatischen Sinne politisch entschieden werden, auch dann, wenn zugestandenermaßen die inhaltliche und in rechtliche Durchsetzbarkeit umsetzbare Bestimmung des Zieles „Umweltstabilität“ schwieriger ist als diejenige des Zieles „Geldwertstabilität“. Politisch entscheiden heißt hier, in Antizipation eines Konsensus entscheiden, der als ein solcher gedacht werden kann und der aus einem idealen Diskurs hervorgegangen ist. Einen idealen Diskurs würde die Umweltbank für die Gesamtgesellschaft antizipieren, wenn sie im Sinne des Einschlusses (der Inklusion) aller Betroffenen, auch der Natur, und der Berücksichtigung aller Nebenwirkungen (Internalisierung der externen Effekte) die gesamten Kosten, auch diejenigen für die außermenschliche Natur, und alle Erträge einer Entscheidung berücksichtigen würden.

II. Krise der Naturbeherrschung

1. Biotechnologie als Überwindung mechanistischer Naturbeherrschung und die Grenzen der Gentechnik Neue Formen eines organischen nicht-mechanistischen Naturverhältnisses müssen an die Stelle bloßer Naturbeherrschung treten. Um die möglichen neuen Formen der Nutzung der Natur zu entwikkeln. ist nicht nur Wissenschaft, sondern Weisheit nötig, Weisheit, die in der Natur das dem Menschen Gleiche, das Organische als lebendige Einheit von Kräften der Expansion und der Kontraktion zu erkennen vermag.

Neue Formen der Symbiose mit der Natur sind möglich, wenn sich die Weise des Erkanntwerdens der Natur ändert. Neue bioökonomische und soziobiologische Modelle der Naturwissenschaft und des Austauschs mit der Natur deuten eine Entwicklung in diese Richtung bereits an. Diese neuen Formen der Naturwissenschaft und die aus ihnen entstehenden Techniken zielen nicht nur auf den Stoff und seine Umwandlung, sondern auf die Information, auf „die Seele“ in der Natur, die sie verändern und für sich nutzen wollen. Gentechnik und Biotechnologie ändern die Ordnung des Organismus für die Zwecke des Menschen bzw.des Wissenschaftlers.

Es ist offensichtlich, daß diese Entwicklung eine große Chance bietet, die Beanspruchung der materiellen Ressourcen der Erde durch die Wirtschaft zu verringern, weil Stoff und Energie durch Wissen oder Information ersetzt werden. Es ist aber ebenso offensichtlich, daß diese Entwicklung eine neue Stufe der faustischen Prüfung der erfüllten Wünsche und machbaren Optionen beinhalten wird und daher eine neue Dimension von Risiken mit sich führt. Die Möglichkeit und Schwere der Verfehlung steigt mit der Vergeistigung und der Seinsstufe, auf der gehandelt wird, an. In der Sphäre des bloß Materiellen bleibt den Verfehlungen eine gewisse „Gutmütigkeit“, weil der Leib, wie Franz von Baader tiefsinnig gesehen hat, uns im allgemeinen durch Ermüdung und Überdruß daran hindert, uns noch schwerer zu vergehen. Die materiellen Ausschweifungen sind nicht die gefährlichsten. Gefährlicher sind die Ausschweifungen des Geistes.

Angewendet auf das Problem der Risiken moderner Industriegesellschaften bedeutet dies, daß das verschwenderische Aufbrauchen materieller Ressourcen geringere Gefahren enthält als das verschwenderische Aufbrauchen der Ordnungsstrukturen der organischen Natur. Die Versuchungen und Mißbräuche, die aus der Möglichkeit entstehen, die Materie zu verschwenden, wiegen weniger schwer als diejenigen, die aus dem Vermögen erwachsen, die Strukturen und Ordnungen der Natur, das Organische in der Natur, zu verändern.

Abusus non tollit usum — der Mißbrauch hebt den richtigen Gebrauch nicht auf. Deshalb kann man nicht Gentechnik und Biotechnologie unbesehen als unzulässigen Eingriff in die Natur verurteilen. Die Menschheit kann die neuen ressourcenschonenderen Biotechnologien nicht von vornherein ablehnen und auf sie verzichten. Wo die Risiken des Mißbrauchs zunehmen, müssen sich jedoch auch die Wachsamkeit der Konsumenten und die Rechtfertigungsbereitschaft der Produzenten steigern sowie die Institutionen geschaffen werden, welche verbindliche Regelungen für den legitimen Gebrauch und Verbote des Mißbrauchs der neuen „intelligenten“ Techniken schaffen und durchsetzen können.

Die Risiken der Gentechnik betreffen zum einen die genetische Veränderung der außermenschlichen Natur, zum anderen die Manipulation der menschlichen Natur, des genetischen Codes des Menschen und die Probleme der künstlichen Zeugung. Die Frage, bis zu welcher Grenze genetische Manipulationen an Pflanzen und Tieren zulässig sind, ist schwer zu beantworten. Keinesfalls kann jedoch diese genetische Manipulation völlig freigestellt werden mit dem Argument, nur die genetische Ausstattung des Menschen sei ein schutzwürdiges Gut. Auch die Ordnungsstrukturen und die genetische Information der außermenschlichen Natur sind wertvoll und schutzwürdig. Genetische Verän-B derungen sollten allein zur Steigerung und Veredlung. nicht aber zur völligen Neuschöpfung oder gar beliebigen Manipulation vorgenommen werden. Die Risiken eines nichtschonenden Umganges mit der genetischen Information der Natur rühren aus der Mißachtung des Eigenwertes der Natur her und aus der vollständigen Funktionalisierung der Natur für den Menschen. Das biblische Verbot der Mischung der Arten ist aus der Notwendigkeit begründet, daß der Mensch die Natur nicht nur als Zeug, Zuhandenes oder Rohstoff seiner Machtausübung ansieht.

Die genetische Manipulation am Menschen kann nur in äußerst engen, nämlich medizinisch heilenden und nicht die Natur des Menschen verändernden Eingriffen akzeptiert werden. Jeder Eingriff in die menschliche Keimbahn und die künstliche Zeugung eines neuen Menschen muß gesetzlich verboten werden. Beide, die Keimbahnmanipulation und die künstliche Zeugung, machen den Menschen zu einer Sache, einem technischen Objekt, und verstoßen daher gegen die Menschenwürde, die in der Personqualität des Menschen gründet und seine Behandlung als Ding ausschließt.

Die Selbstwahrnehmung des Menschen als eine intelligente Maschine verursacht überall dort Probleme. wo menschliche Konflikte und Belastungen nicht technisch gelöst werden können: im zwischenmenschlichen Bereich des Mitseins und in allen Grenzsituationen wie Geburt (künstliche Befruchtung), Ehe (Wahl und Kontinuität des Ehepartners) und Tod (künstliche Lebensverlängerung). Lebens-schicksal und existentielle Entscheidungen lassen sich nicht technisch bewältigen.

Ulrich Beck hat darauf hingewiesen, daß in der Biound Gentechnik die Tendenz und der Wille erkennbar sind, soziale Probleme durch biotechnische Mittel zu lösen Die Politik sich verständigender Bürger, die philosophisch-religiöse Lebensbewältigung des einzelnen sowie das Selbstverhältnis des Menschen zu sich und zum anderen drohen durch genetisch-präventive Biopolitik und technische Verdinglichung ersetzt zu werden. An die Stelle der Sozial-, Bildungs-, Familien-und Umweltpolitik droht die Genpolitik zu treten. In der Krise der Ehe und Familie, die wesentlich eine Krise der Verpflichtung zur Eltern-und Partnerschaft darstellt, besteht die Tendenz, Geburt und Elternsorge aus der Familie zu externalisieren und technisch und klinisch durch exkorporale Befruchtung, durch Züchtung besonders „wertvollen“ Erbgutes und durch Aufziehen der Kinder in Kliniken zu organisieren oder zumindest Wahlfreiheit zwischen einem sozialen Muster der Elternschaft und Erziehung und einem technischen Muster der Herstellung und Aufzucht von Kindern zu schaffen. Wenn es zu dieser Entwicklung der biotechnischen Reproduktion der Gattung käme, bedeutete sie für die auf technische Weise fabrizierten Menschenwesen die Aufhebung der Menschenwürde. 2. Grenzen der autonomen Verfügung über die Zeugung des Menschen Die künstliche Zeugung macht den Menschen zu einer „verkehrsfähigen Sache“, zu einem Ding, und muß daher als Menschenherstellung bezeichnet werden. Der Name für die Sache ist hier von größter Bedeutung Denn die Beschreibung und die Wahl des Namens für Handlungen und Rechtszusammenhänge entscheiden weitgehend über ihre rechtliche und ethische Bewertung. Die Beschreibung und die Bewertung, Seins-und Sollensaussagen, sind nicht vollständig voneinander unabhängig, weil in die Begriffe, die wir verwenden, die Bewertungen und Erfahrungen sowohl der Sprach-gemeinschaft, der wir angehören, als auch der Menschheit im ganzen eingehen. Der Name oder der Begriff sind nicht etwas, das wir neu schaffen und über das wir einfach verfügen können, sondern die Zusammenfassung der Bemühungen vieler Menschen um ein Begreifenkönnen dessen, was ist. Die modernen nominalistischen Wissenschaften übersehen — wenn sie glauben, mit Nominaldefinitionen quasi beliebige Neuschöpfungen von Begriffen vornehmen zu können — die Normativität der Sprache und die Notwendigkeit, zu für alle verbindlichen Realdefinitionen der Wirklichkeit zu gelangen. Dies zeigt das Beispiel der Manipulierbarkeit und privatrechtlichen Verkehrsfähigkeit (Käuflichkeit) von Sperma. Embryonen, Leihmüttern etc. Abgesehen von der Tatsache, daß das Wort „Leihmutter“ ohnehin dem Wörterbuch des Unmenschen entnommen zu sein scheint und wir streng genommen von einer „Leihgebärmutter“ sprechen müßten, ist hier zu erinnern, daß Zeugung, Geburt und Familienbeziehungen nicht im strengen Sinn privat-rechtliche Rechtsinstitute sind, auch wenn sie im Zivilrecht abgehandelt werden. Sie ragen vielmehr in die Sphäre des Öffentlichen Rechts hinein oder sind doch zumindest nicht mit den koordinierten horizontalen Austauschbeziehungen des Güter-marktes gleichzusetzen.

Einer der „Geschäftspartner“ der Geschäftsbeziehung bei der künstlichen Zeugung — das zu zeugende Kind — wird zwar einmal Person sein, ist aber zum Zeitpunkt des Rechtsgeschäftes nicht rechtsfähige Persönlichkeit. Es wird also bei dem Verleih von Sperma, Gebärmüttern etc. nicht nur von Personen, sondern auch über — allerdings noch nicht rechtsfähige — Personen verfügt. Der Persönlichkeitsschutz der potentiell entstehenden Persönlichkeit des Kindes muß deshalb im Recht zur Geltung kommen.

Konkreter gefragt: Können wir einfachhin voraussetzen, daß es menschlichen Wesen gleichgültig ist, ob sie als verkehrsfähige Gegenstände produziert oder als unverfügbare lebendige Wesen gezeugt und geboren werden? Ist es für einen Menschen gleichgültig, ob er so zustande kam, daß sein Vater seinen Samen in eine Schale gegeben hatte, deren Inhalt vom Laboratorium im Reagenzglas mit der Eizelle einer anderen Frau zusammengerührt worden war und die befruchtete Eizelle schließlich einer dritten Person implantiert wurde, die jedoch nach der Geburt mit „ihrer“ Leibesfrucht keine weiteren Beziehungen unterhalten will oder darf? Die Antwort auf diese Frage ist eindeutig. Es wird keinen Menschen geben, der so produziert werden will, und weil niemand so produziert werden will, haben wir auch kein Recht, Menschen um des Selbstverwirklichungsinteresses von anderen willen, die Eltern zu nennen nur bedingt zutreffend ist, auf diese Weise in die Welt zu bringen. Das Recht muß daher ein Verbot solcher verkehrsfähiger „Zeugungspraktiken“ aussprechen, um die Persönlichkeit des Kindes zu schützen. Die Zeugung gehört mit zur Integrität des menschlichen Wesens.

Die künstliche Befruchtung verletzt die Integrität der Person auch deshalb, weil Verwechslungen von Samen und Eizellen sowie Mißbräuche im Laboratorium nicht auszuschließen sind und daher der Zweck der künstlichen Zeugung, nämlich die Reproduktion einer bestimmten DNS-Kombination, gar nicht sichergestellt werden kann. Bei der künstlichen Zeugung tritt zumpater semper incertus noch eine matersemper incerta, da niemand wissen kann, ob nicht im Laboratorium ein anderes weibliches Ei in die Retorte geraten ist. Der Persönlichkeitsschutz des Individuums und das Interesse, das dieses daran besitzt, auf natürliche Art und Weise in die Welt zu kommen, stehen über dem Interesse der genetischen Eltern, ihre spezifische DNS-Kombination zu verkehrsfähigen Gegenständen zu machen. Die Erbinformation des Menschen ist, so muß man schließen, kein verkehrsfähiges Gut. Nach dem Begriff der Menschenwürde gehört das auf natürliche Weise Gezeugtsein (und nicht im Laboratorium Zusammengerührtsein) zu den unveräußerlichen Attributen des Menschseins. Vor allen Dingen dürfen nicht andere — und seien es auch die seminalen Eltern — über den Modus der Hervorbringung einer Person entscheiden, verfügen und Rechtsgeschäfte abschließen.

Um auf das Problem der Sprache zurückzukommen: Die Sprache des Menschen unterscheidet sehr genau zwischen Zeugung und Geburt einerseits sowie Produktion und Auslieferung andererseits. Generatio oder besser procreatio sind nicht productio im Sinne von factio oder Machen. Das Recht und die Ethik müssen hier auf die Sprache hören, die Weisheit der Sprache in das Recht aufnehmen und jede factio von Menschen familienrechtlich zugunsten des Schutzes des Anspruchs der Persönlichkeit auf procreatio, auf Gezeugtwerden, verbieten. Nicht nur ein Babymarkt für zu zeugende Kinder sollte tabu sein, sondern auch ein Markt für Sperma, Foeten und Mütter — und zwar um des Persönlichkeitsschutzes des Kindes willen. 3. Grenzen der technischen Aufhebung von Schicksal Daß man Beziehungen durch technische, „Sozialpolitik“ durch gen-und biotechnische „Biopolitik“, politische Verständigung durch wissenschaftliche Naturbeherrschung zu ersetzen versucht, ist ein technizistisches Mißverständnis und eine Macht-und Autonomie-Illusion des Menschen. Der autonome Mensch der Moderne stellt seine eigene technische Autonomie über die Würde des anderen Menschen. Er verdinglicht den anderen, den technisch erzeugten Menschen, und degradiert ihn zum Objekt seiner Interessen. Diese Formen der Biotechnik können nicht gelingen, weil sie die Dialektik von Selbstbestimmung und Schicksal, die die menschliche Existenz prägt, durch technische Beherrschung ersetzen wollen.

Die Kontingenz des Geschicks durch technische Beherrschung der Natur zu beseitigen, glückt nicht, weil die Bestimmungen der Welt unendlich sind, die Technik aber der Zufälligkeit und dem Schicksal hinterherhinkt und sich hinter dem Rücken der technischen Lösung der Zufall und das Schicksal wieder durchsetzen. Für das technische Denken gibt es daher auch nur entweder Notwendigkeit oder Verschulden, entweder Nicht-anders-sein-können oder technisches bzw. menschliches Versagen. Die Kontingenz des Glückens oder Mißglükkens vermag es begrifflich nicht zu fassen.

Die Kontingenz des Lebensschicksals kann nicht durch Naturbeherrschung vollständig aufgelöst werden. Unfruchtbarkeit einer Ehe kann eine Chance für ein zur Adoption freigegebenes Kind sein. Wenn es nur noch biotechnisch oder „natürlich“ erzeugte Zwei-Kinder-Familien gäbe, würde zwar damit die konstante Reproduktionsrate sichergestellt sein, jedoch würde die Gesellschaft verarmen und um Varianten menschlicher Existenz wie kinderreiche oder kinderlose Ehen gebracht werden. Auch das Leiden an einem Mangel wie Kinderlosigkeit oder an einem Überfluß wie Kinderreichtum hat seine Aufgabe und seinen Wert in der Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die technisch jedes Leiden beseitigt, beraubt sich des unverzichtbaren Lernens und der Erfahrung, die aus dem Leiden kommen. „Der Wahrhaftige weiß, was auch Meister Eckhart weiß: Das schnellste Tier, das Euch trägt zur Vollkommenheit, ist Leiden“, schrieb Nietzsche -Die vollkommene Naturbeherrschung erreicht gerade nicht die Vervollkommnung des Menschen und der Gesellschaft.

III. Probleme der Kultur

1. Kritik des Funktionalismus Die wissenschaftliche Autonomie und die autonome Naturbeherrschung erzeugen Probleme der Kultur, weil die Prinzipien einer gelingenden Gesellschaft — Vereinigung der Individuen durch Kultur und freie Einheit — den Prinzipien der modernen Naturbeherrschung — dem Expansionismus und der autonomen Verfügbarkeit über das Objekt — entgegengesetzt sind. In der modernen Industriegesellschaft entsteht daher ein ethisches und kulturelles Defizit. Die Bedingungen sozialer Integration geraten mit den Bedingungen wissenschaftlicher Naturbeherrschung in Konflikt. Dies wird verschärft durch das Eindringen szientistischer Kategorien der Naturbeherrschung in die Theorie der Gesellschaft. Die Gesellschaft wird selbst als „Natur“ thematisiert und beschrieben. Ausdruck dieser „Szientifizierung" der Gesellschaftstheorie in der Industriegesellschaft ist der soziologische Funktionalismus.

Die funktionalistische Systemtheorie der Gesellschaft ist die szientistische Selbstinterpretation der Risikogesellschaft. Sie ist keine angemessene Sozialtheorie, weil sie die Durchdringung der kulturellen Handlungserwartungen im Selbst und die Einheit und Selbstbezüglichkeit der Person nicht zur Darstellung zu bringen vermag. Das funktionalistische Modell ist zu sehr an der Technik kybernetischer Beherrschung von Regelkreisen orientiert, als daß es kulturelle Kontextualität, freies Sichverhalten zu geistigen Gehalten und Selbsttätigkeit des Geistes begrifflich fassen könnte. Die funktionalistische Theorie der Gesellschaft entstammt der Wissenschaftskultur und Ontologie der Moderne. Entsprechend werden kulturelle Inhalte und Kontextualität, künstlerische Versinnbildlichung und Erzählungen der Kultur in der funktionalistischen Gesellschaftstheorie nicht als solche thematisiert, sondern nur als Träger bestimmter Funktionen angesehen. Kultur wird in der funktionalistischen Theorie der Gesellschaft zur Uneigentlichkeit, zum Transporteur von Funktionen, die hinter dem kulturellen (Schein-) Sinn den eigentlichen Sinn bilden. Langfristig ist die funktionalistische Konzeption von Kultur vernichtend für eine lebendige Kultur.

Wenn nur der latente funktionale Sinn hinter dem manifesten kulturellen Sinn „wirklich“ sein soll, muß das sich für aufgeklärt haltende Bewußtsein stets durch den vermeintlich uneigentlichen, kulturellen zum vermeintlich eigentlichen, funktionalistischen Sinn hinter der Kultur durchstoßen. Wer jedoch den äußeren Sinn des Seienden zugunsten eines funktionalen inneren Sinnes glaubt abwerten zu müssen, wird leicht enttäuscht: Hinter dem für ihn uneigentlichen, aber immerhin manifesten Sinn der Dinge verbirgt sich meist nur ein dürrer funktionaler Sinn. Der latente funktionale Sinn von Kultur ist arm und dünn, weil es fürjeden Funktionsträger einen anderen gibt, der die Funktion ebensogut erfüllen kann. Das funktionalistische Denken kommt nie zu etwas Manifestem und nie zu einem sichtbaren selbstgenügsamen Sinn. Die Funktionsträger haben stets Äquivalente, und sie stehen immer für etwas anderes, das aber nicht sichtbar ist. Die Schwäche der funktionalistischen Theorie ist, daß sie nicht sagen kann, welches funktionale Äquivalent das Überlegene ist und warum bestimmte Funktionsträger und nicht andere adoptiert wurden. Fürjede Funktion gibt es mehrere Möglichkeiten ihrer Erfüllung. Der Satz „Form follows function“, der von der Soziologie bis zum Design und der Architektur die Moderne prägt, ist falsch. Er muß lauten: „Forms follow function“ Aus einer Funktion folgen immer mehrere äquivalente Formen, die dieselbe Funktion erfüllen können. Die Funktion einer Nationalhymne können eine Komposition von Haydn oder irgendein Gassenhauer erfüllen. In ihrer Funktion sind beide äquivalent, nicht aber in ihrem kulturellen Gehalt. Wie soll aber der Funktionalismus aus dem Funktionswert eines Kulturgehaltes dessen ästhetischen oder Erkenntniswert bestimmen? Der Funktionalismus ist ein nihilistischer Glaube an die Uneigentlichkeit, dem die Hinterwelten der latenten Funktionen realer erscheinen als die Oberfläche der Dinge. Die Gestalt ist ihm der Schein, hinter dem sich die Wahrheit der Funktion verbirgt. Das Ergebnis der funktionalistischen Theorie ist eine Ontologie des Nihilismus, der die manifeste Welt für nichts gilt. Der Funktionalismus ist selbst nihilistisch.

Der postmoderne Essentialismus vertritt dagegen den ontologischen Primat der Idee und Gestalt vor der Funktion. Gegenüber der These des Funktionalismus von der Uneigentlichkeit des kulturellen Sinnes hält er fest an der Eigentlichkeit dessen, was manifest ist. Der postmoderne Essentialismus bewahrt den Vorrang des Wirklichen vor dem Möglichen und Funktionalen und vertritt die Forderung, daß der kulturelle Gehalt als er selbst und nicht als der Schein der Funktion zu nehmen ist. Das Wirkliche hat den unendlichen Vorrang vor dem nur Möglichen. Vom Möglichen und Funktionalen gilt der Schluß auf das Wirkliche nicht. Auch der Schluß vom Latenten auf das Manifeste ist nur mit Zusatzannahmen zulässig. Nicht die Funktion ist das Wirkliche, sondern die Gestalt ist das Wirkliche. 2. Autonomie und Identität Kritik der multikulturellen Gesellschaft Es ist daher nicht verwunderlich, daß die funktionalistische Uneigentlichkeit und das kulturelle Defizit der modernen Industriegesellschaft modernitätskritische Bewegungen hervorgerufen haben, deren letzte und bedenklichste die „Republikaner“ sind. Leben — Autonomie — Identität sind die kulturellen Prinzipien, die von den neuen sozialen Bewegungen der Grünen sowie der Republikaner den Diskursen und gesellschaftlichen Entscheidungssystemen von Markt und Demokratie entgegengesetzt werden. Es ist deshalb genau zu untersuchen und zu unterscheiden, welche Mängel der Moderne einer berechtigten Kritik zu unterziehen und welche freiheitssichemden Prinzipien der Moderne gegen ihre fundamentalistischen Kritiker zu verteidigen sind.

Die Gesellschaft und Kultur der Bundesrepublik Deutschland leiden unter einem Identitätsmangel, einer zu geringen Sicherheit der Nation in bezug auf ihre historische und kulturelle Identität. Identität, Übereinstimmung mit sich selbst, ist ein schwieriges Konzept und eine schwer zu leistende Verfassung eines individuellen Selbst oder einer Gruppe. Identität ist eine dynamische und zu Wandlungen des Selbst nötigende Integrationsleistung des Bildes, das man selbst von sich hat, und des Bildes, das die anderen von einem selbst haben. Identität erfordert, daß man den Anspruch auf Gestaltung der eigenen Lebenssituation mit der Beachtung der Umweltsituation und dem Ertragen-Können von dem, was nicht von einem selbst abhängt, vereinigt. Die Notwendigkeit, Identität in dieser schwierigen Integrationsleistung erst zu schaffen, zu wandeln und immer wieder zu erkämpfen, wird von den „identitätsorientierten“ sozialen Bewegungen zugunsten eines statischen Identitätskonzepts übersehen. Die extreme Rechte fordert Identitäten der Nation, der sozialen Klasse und der Geschlechter-rollen, die Zwangscharakter haben und den einzelnen in eine Identität pressen wollen, die seinem Selbst und seiner Lebenssituation in einer mobilen, sich wandelnden Umwelt nicht entsprechen können. So wollen die „Republikaner“ an einer nationalen Identität festhalten, die unhistorisch ist und den Wandlungen deutscher Identität und ihrer Verflechtung mit den Nachbamationen nicht Rechnung trägt.

Für die politische Linke ist dagegen das andere Extrem einer Identitätskonzeption kennzeichnend, die von totaler Flüssigkeit und Flüchtigkeit der Identität des Ich ausgeht und in einer völligen Emanzipation von identitätsprägenden Rollenerwartungen das Ziel der Politik sieht. Der Stoff, an dem sich Identität abarbeitet — Geschlechterrollen, Berufsrollen etc. — soll der Emanzipation des Selbst keine Grenzen mehr auferlegen und daher abgeschafft werden. Das Individuum soll die freie Option zu jeder Ausprägung seiner selbst in jedem Zeitpunkt bei vollständiger, jederzeitiger Widerrufsfreiheit haben, wie es Galtung in seinem Modell des Pluralismus gefordert hat Die logische Schwierigkeit, daß jede Wahl einer Alternative die anderen Alternativen ausschließt und daß Spinozas Satz „Omnis determinatio est negatio“ zwar nicht für jede Bestimmung, aber doch für die meisten Entscheidungsaltemativen des Ichs gilt, wird vom Totalpluralismus der Emanzipationsideologie übersehen. Die Emanzipationsideologie verdrängt auch die ontologische Schwierigkeit, daß jedes Entbergen einer Möglichkeit zum Verbergen einer anderen führt, daß also die Entscheidung zur Identität gar nicht zu umgehen ist, und sie läßt die existentielle Schwierigkeit außer acht, daß Lebenszeit kurz ist und nur die Verwirklichung weniger Optionen zuiäßt.

Die Prinzipien Leben, Autonomie und Identität stehen untereinander in einem Spannungsverhältnis, das für die inneren Widersprüchlichkeiten der neuen sozialen Bewegungen auf der Linken und der Rechten sowie insgesamt für die Veränderungen des Kulturbewußtseins in der Industriegesellschaft verantwortlich ist. Leben und Autonomie stehen in einem Verhältnis der Gegensätzlichkeit, weil das Leben nicht autonom, sondern organisch und interdependent mit anderem Leben ist. Identität als bloßes Festhalten eines unveränderlichen Mit-sich-Gleichbleibens steht wiederum in einem Spannungsverhältnis mit dem Lebendigsein und Im-Leben-Sein, weil Leben immer Übergehen-in-anderes und Bei-sich-und-dem-anderen-Sein ist. Identität ist auch mit Autonomie als der Illusion, alles sein und zugleich nicht sein zu können, nicht zu vereinbaren. Wenn die zunehmende Erosion der Lebenswelt und die abnehmende Identität der Lebensweisen und Kulturen beklagt werden, ist zweifelhaft, ob vermehrte Autonomie der Subjekte der „Kolonialisierung der Lebenswelt“ zu wehren vermag.

Autonomie heißt Selbstgesetzgebung. Wenn jedes Individuum sich selbst die Gesetze seiner kulturellen Identität gibt, kommt keine gemeinsame kulturelle Identität zustande. Wenn ich absolut autonom bin, bin ich nicht einmal mehr mit mir selbst identisch, weil sich das Ich als durchgehendes Selbst nicht mehr herauszubilden vermag, wenn es in jedem Augenblick autonom entscheidet. Selbstbestimmung ist nur in der Vermittlung von Gewordensein, Außenwelterwartung und Selbstgestaltung möglich. Selbstgestaltung ist nicht Autonomie, sondern eine Integrationsleistung. Autonomie ist ein Widerspruch in sich. Wenn jeder sich selbst sein Gesetz gibt, ist das Gesetz kein Gesetz mehr, sondern Einzelfallentscheidung; ist der einzelne jedoch autonom im Sinn von absolut frei, bedarf er der Gesetzesmetapher nicht mehr. Zwischen dem Prinzip Autonomie als Selbstgesetzgebung und dem Prinzip „Das Gesetz allein vermag Euch Freiheit zu geben“ bedarf es einer Vermittlungsleistung der Selbstgestaltung, die nicht Autonomie, aber auch nicht bloßer Gesetzesgehorsam ist. Selbstgestaltung heißt, seinem individuellen Gesetz folgen. Es heißt nicht, sich das individuelle Gesetz selbst geben. Was auf der Ebene der Begrifflichkeit ein Widerspruch ist — das individuelle Gesetz ist auf der Ebene der Selbstgestaltung die notwendige Dialektik einer Integrationsleistung.

Nicht jede Mischung von selbstgestalteten Lebensformen und staatlicher Unterstützung ist abzulehnen. Wenn solche Mischungen stattfinden, können sie jedoch nicht zutreffend mit dem Begriff „autonome Einrichtungen“ beschrieben und auch nicht mehr mit „autonomen“ Entscheidungsformen gestaltet werden. Für Mischformen von Selbstgestaltung und staatlicher Unterstützung ist das Prinzip der Subsidiarität als Gliederung der Entscheidungsund Koordinationsformen geeigneter. Für die Formen subsidiärer Selbstgestaltung müssen die geeigneten sozialen Institutionen noch gefunden werden

Die neuen kulturorientierten Bewegungen der Gegenwart wollen das Substantielle in den Lebensweisen — die individuelle und kulturelle Identität, das Prinzip Leben und das Prinzip Natur — gegen die vorherrschenden Formen des Sozialen geltend machen. Ihre Uneinigkeit und die Ambivalenz ihrer Wirkung für die Zukunft bestehen darin, daß der Inhalt dieses Substantiellen in den Flügeln der Bewegungen nicht geklärt ist. Wenn der Inhalt nur Autonomie ist, ist er nicht substantiell, weil Autonomie nicht zu substantiellen Gestalten des Lebens vorzudringen vermag. Die Erfüllung der Bedingungen zunehmender Autonomie der Lebensweise — wie etwa die Liberalisierung des Scheidungsrechts oder der Abtreibung — führt nicht zu substantiellen Formen des Lebens und zu größerer Identität

An der Frage, wie das Substantielle des individuellen und sozialen Lebens zu bestimmen und geltend zu machen ist, wird sich die Zukunft der westlichen Kultur entscheiden. Autonomie als Sich-beliebig-entscheiden-Können, ohne für die Folgen des Handelns haften zu müssen, ist nicht das gesuchte Substantielle und nicht das Wesen der Selbstgestaltung. Das Prinzip Autonomie bleibt noch zu sehr der Sphäre der Reversibilität, Simulation und Zirkulation und damit der Moderne verbunden. Für den autonom im Sinne der modernen Lebensweise Handelnden bleibt alles reversibel und jederzeit wieder aufkündbar. Da es für die Autonomie nichts Unbedingtes gibt, ist für die modernistische Autonomie das meiste Simulation, Vorspiegelung von Substantialität. Das Autonomieideal ist, obgleich essich als Entmodernisierungskonzept versteht, noch zu modernistisch. Es strebt die Werte der Moderne Beweglichkeit, Zirkulation, Reversibilität und Emanzipation — zugleich mit „postmodernen“ Werten wie Identität, symbolische Versinnbildlichung, Substantialität des Lebens und Bewahrung der Schöpfung an.

Ebenso irreführend wie das Autonomie-Ideal totaler Wahlfreiheit ist die Vision einer multikulturellen Gesellschaft, die aus dem Autonomiegedanken, daß jedes Individuum seine eigene Kultur haben könne und solle, folgt. Die Idee einer multikulturellen Gesellschaft gibt sich der Illusion hin, man könne eine zwangsfreie Einheit der Gesellschaft ohne kulturelle Einheit und Verbindlichkeit schaffen. Irreführend ist die Rede von der multikulturellen Gesellschaft als eines Programmes, nicht als Beschreibung faktischer Konstellationen in einer Gesellschaft. „Multikulturell" ist als Programm der totalen pluralistischen Vielheit gleichberechtigter und gleich-gültiger Kulturen und Lebensordnungen in derselben Gesellschaft deshalb verfehlt, weil das Resultat einer freiheitlichen Kultur immer kulturelle Vielheit sein wird, Vielheit der Kulturen aber nicht das Programm und den Inhalt der Binnen-Kultur bilden kann.

Eine Gesellschaft, die dem politischen und wirtschaftlichen Wettbewerb Raum läßt, wird stets zu einer Kultur gelangen, die vielfältige und konkurrierende kulturelle Lösungsmuster anbietet und die daher erhebliche Ansprüche an die Orientierungsfähigkeit des einzelnen stellt. Eine Gesellschaft mit einer vereinigungsfähigen Kultur kann sich jedoch mit dem Anspruch auf bloße Mannigfaltigkeit der Lebensordnungen und Daseinsdeutungen ohne inhaltliche Bestimmung und Beschränkung nicht befriedigen. Wenn multikulturell bedeutet, daß jedes Individuum seine eigene Kultur bildet, beinhaltet die multikulturelle Gesellschaft die totale Individualisierung und Ghettoisierung. Jeder einzelne stellt dann sein eigenes kulturelles Ghetto dar. die Gesellschaft und ihre Kultur bestehen nur noch aus Ghettos.

Die sich notwendig ergebende Vielheit von Ausprägungen des sozialen und kulturellen Prozesses zum Programm und letzten Leitbild in dem Sinne zu erheben, daß multikulturelle Gesellschaft bedeutet „Für uns ist alles gleich gut“, widerspricht dem Bedürfnis der Menschen nach Einigkeit und den Funktionsbedingungen gesellschaftlicher Kultur, weil das Programm gleich-gültiger Vielheit die Notwendigkeit und das Bedürfnis nach kultureller Einheit und sozialer Vereinigung durch eine gemeinsam geteilte Lebensordnung nicht ernst nimmt. Es gibt nicht nur ein Recht auf Differenz und Abweichung, sondern es gibt auch ein Recht auf Einheit und Normativität, weil ohne ein Mindestmaß an Einheit — wie etwa einer gemeinsamen Sprache und Religion — soziale Kooperation und Arbeitsteilung unmöglich sind. Die neuen sozialen Bewegungen der Grünen und der „Republikaner“ weisen auf das Problem der fehlenden Identität einer rein funktionalistisch ausgerichteten pluralistischen Gesellschaft und Kultur hin, ohne jedoch eine adäquate Alternative für eine wirklich „postmoderne“ Kultur anzubieten.

Die fortgeschrittenen, hoch arbeitsteiligen Gesellschaften erfordern differenzierte Kulturen der Kooperation und Koordination, die durch einen Pluralismus der Beliebigkeit und blindes Einfordem von multikultureller Beliebigkeit nicht erhalten, sondern gefährdet werden. Das Programm einer schlechthin multikulturellen Gesellschaft ist eine Kapitulation vor der ethischen und kulturellen Aufgabe. die jeder Gesellschaft und daher auch der deutschen Gesellschaft gestellt ist, der Aufgabe nämlich, eine rechtfertigungsfähige, den Menschen förderliche und sie vereinigende Kultur zu schaffen. Das Programm des totalen Pluralismus ist nur das schlechte Pendant zu der ebenfalls verfehlten Konzeption einer zwanghaften Einheitskultur. Die Kultur der Postmoderne wird einen Weg zwischen dem dogmatischen Pluralismus der Beliebigkeit und dem fundamentalistischen Integralismus, wird eine Synthese von Pluralität und kultureller Verbindlichkeit in einer „Kultur der Selbstgestaltung“ finden müssen. 3. Kultur der Selbstgestaltung als postmodernes Leitbild Autonomie als Selbstgesetzgebung ohne Beachtung des sozialen und kulturellen Kontextes ist Solipsismus, Um-sich-selbst-Kreisen. Identität als statisches Konzept droht dagegen zu Identitätszwang zu werden. Zwischen der Autonomieutopie der Linken und dem Zwang des statisch Identischen der Rechten muß die Kultur einen Weg finden, der sowohl individuelle Lebensformen ermöglicht als auch die soziale Kohäsion sichert und zur verantwortlichen Selbstgestaltung des eigenen Lebens erzieht. Das Subsidiaritätsprinzip ermöglicht die Realisierung dieser Ziele. Es ist das geeignete Koordinationsprinzip, das die Eigenverantwortung, die Gruppen-und Familienverantwortung sowie die staatliche Daseinsvorsorge gliedert. Es ist ein Koordinationsprinzip und muß daher um ein soziales Leitbild ergänzt werden. Selbstgestaltung ist das der Subsidiarität entsprechende Leitbild. Es vereinigt den Gedanken der Kultur des Selbst, der Eigenverantwortung und der Selbstgestaltung in sozialer Verantwortlichkeit. Gestaltung heißt, die Idee zu verwirklichen. Selbstgestaltung erfordert, die eigene Idee und das individuelle Gesetz, die individuelle und zugleich allgemeine menschliche Gestalt zu realisieren. Selbstgestaltung ist der Versuch, den Gedanken der individuellen Einzigartigkeit der Monade mit dem essentialistischen Anspruch der aristotelischen Tradition zu versöhnen, die Idee des Menschen in der eigenen Person zu gestalten und zu verwirklichen.

Selbstgestaltung setzt voraus, daß es eine Idee und Gestalt des Menschen gibt und daß er diese Gestalt individuell und einzigartig zu verwirklichen hat. Die Erweiterung der Wahlmöglichkeiten, die Optionssteigerung, ist nicht identisch mit Selbststeigerung oder Steigerung der Selbstgestaltung. Erst wenn die Optionen wesentlich und vom Selbst als für es wesentlich ergriffen werden, sind sie der Selbstgestaltung dienlich. Die Kulturpolitik muß solche wesentlichen Optionen ermöglichen, nicht aber einen Supermarkt der geistigen Beliebigkeiten und funktionalistischen Minimalismen. Die Erziehungs-und Bildungsinstitutionen müssen vom Optionsideal zum Gestaltideal zurückkehren. Es ist Aufgabe der Schule, kein Potpourri von curricularen Wahlmöglichkeiten, sondern die Klarheit und Fruchtbarkeit des Elementaren anzubieten

Das Elementare hat die Fruchtbarkeit und Gestaltungspotenz des Einfachen, die es dem Individuum ermöglichen, frei mit den elementaren Bausteinen umzugehen. Auf hochtrabende „wissenschaftliche“ Curricula, deren Anforderungen weder Lehrer noch Schüler erfüllen können, sollte verzichtet werden. Der naturwissenschaftliche Detailunterricht, dessen Ergebnisse nach kurzer Zeit überholt sind, sollte auf den Gymnasien zugunsten eines stärker kulturorientierten, geisteswissenschaftlichen, künstlerischen und institutionenkundlichen Unterrichtes verringert werden. Diese Neugewichtung zwischen Kultur-und Naturwissenschaften, kultur-und technikorientierten Ausbildungszielen entspricht auch der Entwicklung einer Erwerbsgesellschaft hin zu einer Kulturgesellschaft, in der Arbeit zwar nach wie vor nötig und zentral ist, in der jedoch die Freizeit zugenommen hat und größere kulturelle Gestaltungsmöglichkeiten einräumt und erfordert.

Zur Selbstgestaltung gehört auch die Kenntnis der eigenen Herkunft und Geschichte und zugleich Freiheit von dieser Geschichte. Das Selbst hat eine Geschichte, die über seine Geburt hinausgeht, und es muß zugleich frei sein von dieser Geschichte. Das Historische darf — im Gegensatz zur Auffassung eines die Geschichte verabsolutierenden Konservativismus — die schöpferische auf die Zukunft gerichtete Tat nicht übermannen. Das Christentum ist die Religion der Überzeugung, daß ein Neuanfang zu jedem Augenblick möglich ist (R. Spaemann). Wandlung ist in mehr als einer Weise ein religiöser Zentralbegriff Die Religionen vermögen die Einheit von Identität und Wandlung des Selbst zu deuten. Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele beinhaltet die Idee der Identität und Wandlung der Seele. Die Lehren der Religionen über die Seele haben Mitleid mit dem Menschen, der seine Identität und sein Seelenheil sucht. Demjenigen, der in dieser Welt seine Identität nicht zu verwirklichen vermag, ist nach der Unsterblichkeitslehre der Zugang zum Selbst nicht endgültig verbaut. Das Selbst hat noch einmal eine Chance der Selbstverwirklichung. Der Gott „Erfolg“ wird in seiner Macht relativiert. Größere Gelassenheit des Ichs in dieser Welt ist die Folge. Die Verwirklichung der Identität hat keine unentrinnbare Eile, es muß nicht alles in diesem Leben erreicht werden.

Der Verlust der religiösen Gelassenheit ist ein Grundzug der Moderne und des gegenwärtigen Kulturbewußtseins. Ohne den religiösen Gedanken der Wandlung des Selbst ist die Welt das stählerne Gehäuse, aus dem es zur Selbstverwirklichung kein Entrinnen gibt. Der Erfolg wird zum neuen Gott, zum zentralen Gradmesser der Realisation auch des inneren Selbst. Der individuelle Tod spottet aber des Erfolgsgötzen. Die Verlängerung des individuellen Lebens mit allen technischen Mitteln wird deshalb zu einem ungleichen und hoffnungslosen Kampfgegen den Tod. Die Gesellschaft verwandelt sich in ein großes Hospital der künstlichen Lebensverlängerung um jeden Preis In dem Maße, in dem auch die Integrationsinstanzen des 19. Jahrhunderts — die Nation und der Nationalismus — aufgrund des zunehmenden internationalen Austauschs an Bedeutung verlieren und die soziale Integration nicht mehr in der alten Weise leisten können, muß die Religion wieder verstärkt in das Zentrum der Kultur treten und ihre die Menschen vereinigende Rolle wieder erhalten

Eine Risikogesellschaft und eine Moderne, die „Selbstverwirklichung“ um jeden Preis wollen, erreichen ihr Ziel gerade nicht, weil das Selbst sich hingeben muß an die Welt, die Welt aber spröde ist gegen das Selbst. In der Not der Selbstverwirklichung beginnt das Selbst, sich mit seiner Existenz zu beeilen. Die Zeit des Menschen in der technischen Welt wird immer knapper, weil er sie immer intensiver zu nutzen bestrebt ist, mehr „Verwirklichung“ in sie hineinzuzwängen sucht. Die für das Selbst wirkliche und lebensbestimmende Zeit wird in der wissenschaftlich-technischen Zivilisation immer kürzer, weil der Vergangenheits-und Zukunftshorizont der Kultur enger werden. Die Vergangenheit spielt für die Technik keine Rolle, weil ihre Kriterien diejenigen der Gegenwart sind. Reversibilität und Zeitlosigkeit aller Vorgänge ist das Grundprinzip der mechanischen Technik. Es ist dem Grundprinzip der Existenz — der Einmaligkeit jedes Augenblicks des Lebens — diametral entgegengesetzt. Eine Technik jedoch stellt die Reversibilität radikal in Frage: Die Strahlung des Atomreaktors ist irreversibel. Der Zeithorizont der Atomtechnik geht in die Zehntausende von Jahren. Identitätsverlust ist das Signum der Reversibilität. Die Epoche der Reversibilität muß Angst haben vor der Irreversibilität des Kernzerfalls und davor, daß von ihrer Zivilisation in Tausenden von Jahren nur noch die strahlenden Reaktoren zeugen werden. Sind sie die Kathedralen, die wir unserer Nachwelt hinterlassen? Eine Kultur, deren geistige Wurzeln in die Vergangenheit nicht über das Gedächtnis der Lebenden zurückreichen und deren Zeithorizont nicht über die Kinder in die Zukunft hinausgeht, spart Zukunftsinvestitionen und bezahlt mit der größeren Furcht vor dem Tod. Dem Individuum muß die Möglichkeit gegeben sein, sich als ein Glied in einer Kette zu wissen, die weit aus der Vergangenheit kommt und weit in die Zukunft hineinreichen wird. Unsere Investitionen für das kulturelle Erbe unserer Nachfahren sind nicht im Gleichgewicht mit unserem Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen und entsprechen auch nicht dem Erbe, das uns Zeiten kultureller Blüte übergeben haben. Wir leben kulturell und nach dem Verbrauch natürlicher Ressourcen von der Substanz. Unsere Kultur ist am stärksten im reproduktiven Bereich, der nur uns nützt.

Kulturelle Güter haben, nationalökonomisch gesprochen, die Qualität öffentlicher Güter. Ihr Verbrauch durch den einen verringert nicht den möglichen Verbrauch des anderen. Öffentliche Gegenwartsgüter sind immer in Gefahr, im Markt nicht ausreichend produziert zu werden. Noch mehr gilt dies für Investitionen für künftige Generationen. Ihr Nutzen wird nicht hinreichend abdiskontiert, unser Gegenwartsnutzen zu hoch veranschlagt im Vergleich zu dem langen Strom von Nutzungen, die große kulturelle Werke künftigen Generationen gewähren werden. Öffentliche Zukunftsgüter der Kultur werden in ihrem Nutzen notorisch unterbewertet Daß wir nicht genug für das kulturelle Leben nach unserem individuellen Tode tun und zu sehr in der Gegenwart leben, rächt sich durch die Angst vor dem individuellen Tode. Unser individueller und kultureller Zeithorizont ist zu kurz geworden, unsere Bevorzugung der Gegenwart vor der Zukunft zu einseitig.

IV. Die postmoderne Situation: Ethisierung, Kulturorientiertheit und Ende der Ideologien

Die Risikogesellschaft stellt eine Grenzerfahrung der Moderne in zweierlei Hinsicht dar: als Erfahrung der Grenzen des Projekts der Moderne und als Wahrnehmung eines Überganges zu einem nach-modernen Paradigma. Die Entdeckung, daß der wissenschaftlich-technische Fortschritt, der Emanzipationsgedanke und die vollständige Pluralisierung der Lebensformen sowie das durch sie erforderlich gemachte Wirtschaftswachstum nicht zum Preis null zu haben sind, sondern daß die Moderne erhebliche Nebenwirkungen, Kosten und Risiken mit sich bringt, bedeutet das Ende der Utopie fortdauernder risikoloser Modernisierung. Durch die heute zutage tretenden ökologischen und kulturellen Risiken der Industriegesellschaft gerät die Moderne als Weltanschauung ins Zwielicht und wird ihr Anspruch, das abschließende Projekt der Menschheit und die endgültige Aufklärung zu sein, in Frage gestellt. Die Entdeckung der Endlichkeit der Welt, der Begrenztheit der Ressourcen und der Risiken industrieller Naturbeherrschung ist einerseits Enttäuschung der utopischen Erwartungen der Moderne, andererseits die Rückkehr zur Normalität und zur Wirklichkeit. Die Entwicklung der Industriegesellschaft zeigt, daß ihre großen Risiken nicht nur in den augenfälligen Risiken — wie der Atomenergie und der Gentechnik —, sondern ebenso im kulturellen Bereich der sozialen Institutionen und Lebensordnungen liegen. Fast scheint es, als ob die Wirtschaft der Industriegesellschaft, wie der Rückzug aus der Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf zeigt, von sich aus die Risiken der Industriegesellschaft, wie etwa jene der Atomenergie, kritischer bewertet als der Staat, der offenbar weiterhin an Großrisiken festhält.

Auch die Zurückschraubung des Anspruchs der modernen exakten Wissenschaften, den wir in der neuen postmodernen Situation feststellen können und den Beck bedauert, ist eine Rückkehr zur Normalität Wenn in der „Risikogesellschaft“ Glauben wieder stärker an die Seite des Wissens tritt und wenn die Risikogesellschaft zu der Einsicht führt, daß man dem Experten Glau-ben schenken können muß und nicht zur Einsicht durch Augenschein genötigt wird, ist dies nicht eine gefährliche Entwicklung, sondern eine Normalisierung. Sie beseitigt die gefährliche szientistische und empiristische Illusion, daß die Grundlagen unserer Weitsicht metaphysikfrei und ohne Glauben evident bzw. sinnlich wahrnehmbar seien. Die Entmythologisierung des Szientismus ruft auch ins Gedächtnis zurück, daß der Experte moralisch glaub-würdig sein muß und daß die Produktion von Wissen eine ethische Dimension aufweist.

Die Grenzerfahrung, die die Moderne im Bewußtwerden ihrer Risiken macht, führt zu der Einsicht, daß ein risikoloser Fortschritt nicht zu haben und die Moderne eine riskante Gesellschaftsform ist. Die Erfahrung der Risikogesellschaft bewirkt zugleich ein Bewußtwerden der ethischen Verantwortung für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung, die nicht mehr als eine gedacht werden kann, die sich aus ökonomischer oder technischer Eigendynamik von selbst zum Fortschritt entwickelt. Die Forderung nach einer Ethisierung und Kultivierung der Industriegesellschaft und ihrer gesellschaftlichen Teilbereiche der Wirtschaft und des Staates ist daher eine Antwort auf die Entdeckung des riskanten Charakters der Moderne. Das neue Interesse an Ethik folgt aus dem Bedürfnis nach einer „Reethisierung" und Rekultivierung der Industriegesellschaft und zeigt mit der Erfahrung, daß das Fortschrittskonzept der Moderne an seine Grenzen stößt, das Ende der Ideologien an. Die Wiedererinnerung der ethischen Dimension, etwa in der Wirtschaft ist zugleich eine Kritik der ideologischen Sichtweisen der Gesellschaft und Wirtschaft, weil sie zeigt, daß das Ethische nicht durch Organisationsveränderungen ersetzt und überflüssig gemacht werden kann.

Die Ideologie sieht den Ursprung des Bösen oder Mangelhaften immer in einem nichtmoralischen Irrtum oder einem bloßen Organisationsfehler. Erklärungen der sozialen Realität sind ideologisch, wenn sie die ethische Entscheidung des einzelnen in den gegebenen Ordnungsbedingungen als irrelevant für das Gesamtergebnis ansehen und behaupten, alle Übel der Wirtschaft durch die Modifikation eines einzigen Organisationsprinzips beseitigen zu können. Der Philosoph Franz von Baader nannte 1836 in einer der ersten Bestimmungen des Ideologiebegriffs Ideologen solche, die die Erbsünde und damit den ethi-sehen Charakter aller Handlungen leugnen Der Ideologe leugnet die Erbsünde, d. h. die Auffassung, daß menschliche Schwäche und moralische Fehlentscheidung am Übel in der Welt mitschuldig sind. Die Ideologie ist Ausdruck der Tendenz der Moderne, die Wirklichkeit zu entmoralisieren und die Ethik für irrelevant zu erklären. Die Ideologie und die Entmoralisierung der Wirklichkeit sind der vollendete Ausdruck des ethischen Defizits der Moderne. Die Ideologien der Moderne leugnen, daß politisches, gesellschaftliches und wirtschaftliches Handeln eine ethische Dimension aufweist.

Die Ethik betont dagegen, daß sich in allen Gesellschaftssystemen der Wille des in Wirtschaft und Politik Handelnden zu sich selbst in ein moralisches Verhältnis setzen muß, das heißt, sein Handeln auf seine Rechtfertigbarkeit und Sachgerechtigkeit befragen muß. Dieses ethische Verhältnis des Willens zu sich selbst ist in der freiheitlich demokratischen und marktwirtschaftlichen Ordnung leichter zu realisieren, weil diese Ordnung der individuellen Verantwortung mehr Raum läßt, ohne daß jedoch der ethische Gebrauch wirtschaftlicher Macht durch sie garantiert würde. Die neue Ethisierung und Kulturorientiertheit der Gesellschaft markieren den Übergang von der modernen Industriegesellschaft zur postmodernen Kulturgesellschaft. Ethik und Kultur als Lebensordnung und Daseins-deutung einer Gesellschaft zeigen, daß das Einigende der Gesellschaft weder nur in der Rationalität oder dem Nutzen der Individuen bestehen noch unabhängig von deren Selbstinteresse als Staatsräson oder Gemeinwohl bestimmt werden kann. Die Rationalität ist als bloßes Ökonomieprinzip oder als funktionalistische Zweck-Mittel-Optimierung unterbestimmt und auf soziale Sinngebung und die inhaltliche Füllung durch materiale kulturelle Zwecke angewiesen.

Das Vereinigende in der individuellen Zielverfolgung ist durch die geistigen „Superstrukturen“ der Kultur gegeben, die das unmittelbare Selbstinteresse transzendieren und zugleich prägen. Die Aneignung der Kultur ist nur durch Selbsttätigkeit und bewußte Stellungnahme, nicht aber durch Konditionierung oder Prägung möglich. Sie setzt Wahrnehmungs-, Erlebnis-, Ausdrucks-und Verstehensfähigkeit sowie das Vermögen, Stellung zu nehmen, voraus. Das Verstehen geschieht im Kreislauf des Eigenerlebens, des Ausdrucks des Erlebens und des Nacherlebens des Erlebens eines anderen. Kultur und Erziehung einer Gesellschaft werden in der inneren Aneigung der geistigen Gehalte und der Traditionen, welche die betreffende Kultur entwikkelt hat, erworben

Die Industriegesellschaft der Moderne hat geglaubt, die kulturellen und ethischen Lebensdeutungen durch ökonomisch-technische Rationalität und das Risiko der Ethik durch sozialtechnische Funktionalität ersetzen zu können. In der Gegenwart wird erkennbar, daß das endgültig verbannt geglaubte Risiko in Gestalt der technischen Groß-risiken und des kulturellen Identitätsverlustes zurückkehrt. Die Risiken der Moderne zwingen die postmoderne Kulturgesellschaft, an der Wiedergewinnung einer rechtfertigbaren und vereinigungsfähigen Kultur zu arbeiten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. N. Luhmann, Die Welt als Wille ohne Vorstellung. Sicherheit und Risiko aus der Sicht der Sozialwissenschaften, in: Die politische Meinung, (1986) 229, S. 18— 21; ders., Ökologische Kommunikation. Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen?, Opladen 1986.

  2. U. Beck. Gegengifte. Die organisierte Unverantwortlichkeit, Frankfurt a. M. 1988, S. 109. Vgl. auch U. Beck, Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, Frankfurt a. M. 1986.

  3. Vgl. hierzu P. Koslowski, Wirtschaft als Kultur. Wirtschaftskultur und Wirtschaftsethik in der Postmoderne, Wien 1989.

  4. Vgl. auch P. Koslowski/R. Löw/Ph. Kreuzer (Hrsg.), Die Verführung durch das Machbare. Ethische Konflikte in der modernen Medizin und Biologie, Stuttgart 1983 (CIVITAS Resultate. Bd. 3).

  5. Vgl. zur Unterscheidung „supermodern — postmodern“

  6. Vgl. P. Koslowski, Die postmoderne Kultur. Gesellschaftlich-kulturelle Konsequenzen der technischen Entwicklung, München 19882.

  7. Vgl. G. Simmel, Weibliche Kultur (1911), in: ders.. Philosophische Kultur, Berlin 1986, S. 219— 253.

  8. Vgl. hierzu auch R. Spaemann, Technische Eingriffe in die Natur als Problem der politischen Ethik, in: D. Bimbacher (Hrsg.), Ökologie und Ethik, Stuttgart 1980; P. Koslowski, Markt-und Demokratieversagen? Grenzen individualistischer gesellschaftlicher Entscheidungssysteme am Beispiel der Umwelt-und Kernenergiefrage, in: Politische Vierteljahresschrift. 24 (1983), S. 166— 187.

  9. Vgl. Ph. Kreuzer, Einleitung, in: Ph. Kreuzer/P. Kos-lowski/R. Löw (Hrsg.), Atomenergie — Ein Weg der Vernunft, München 1982, S. 25 (CIVITAS Resultate, Bd. 2).

  10. Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. Juli 1986,

  11. Vgl. P. Koslowski, Market and Democracy as Discourses. Limits to Discoursive Social Coordination, in: ders. (Hrsg.). Individual Liberty and Democratic Decision-Making, Tübingen 1987, S. 58— 92 (CIVITAS Resultate, Bd. 11). Deutsche Fassung: Individuelle Freiheit und demokratische Entscheidung, Tübingen 1989, S. 48— 83.

  12. K. Kraus, Pro domo et mundo, in: ders.. Beim Wort genommen, Werke, Bd. 3, München 1955, S. 279.

  13. Vgl. Leviticus 19. 19.

  14. Vgl. U. Beck (Anm. 2), S. 38.

  15. Vgl. zum folgenden auch P. Koslowski, Grenzen der Verkehrsfähigkeit und der Privatrechtsautonomie in der Verfügung über den menschlichen Leib, in: C. Ott/H. -B. Schäfer (Hrsg.). Allokationseffizienz in der Rechtsordnung. Berlin 1989, S. 115-119.

  16. F. Nietzsche, Unzeitgemäße Betrachtungen. Drittes Mück: Schopenhauer als Erzieher (1874), Sämtliche Werke, München 1980, Bd. 1, S. 372.

  17. Vgl. zur Kritik des Funktionalismus in der Soziologie und Architektur P. Koslowski, Die postmoderne Kultur (Anm. 6), S. 89-97 und 118-130.

  18. Vgl. J. Galtung, Pluralismus und die Zukunft der menschlichen Gesellschaft, in: D. Senghaas (Hrsg ), Kn 11'sehe Friedensforschung, Frankfurt 1971, S. 186— 231.

  19. Vgl. P. Koslowski/R. Löw/Ph. Kreuzer (Hrsg.), Chancen und Grenzen des Sozialstaats, Tübingen 1983 (CIV 1TAS Resultate, Bd. 4); P. Koslowski, Der soziale Staat der Postmoderne, in: T. Engelhardt/Chr. Sachße (Hrsg.), Freiheit, Gleichheit, Sicherheit. Ethische Grundfragen der Sozialpolitik, Frankfurt (im Erscheinen); St. Koslowski, Die Geburt des Sozialstaats aus dem Geist des Deutschen Idealismus, Weinheim 1989.

  20. Die Rechte der Liberalisierung des Scheidungsrechts und der Abtreibung bezeichnet J. Raschke. Soziale Bewegungen. Ein historisch-systematischer Grundriß, Frankfurt 1985, S. 453, erstaunlicherweise als neue soziokulturelle und identitätssichemde Rechte.

  21. Vgl. dazu schon E. Spranger, Pädagogische PerspektiVen. Beiträge zu Erziehungsfragen der Gegenwart (1950), Heidelberg 19602.

  22. Vgl. C. G. Jung, Das Wandlungssymbol in der Messe 01940), in: Grundwerk, Bd. 4, Olten 1984, S. 111-198.

  23. Vgl. P. Koslowski, Lebensverlängerung um jeden Preis? Philosophische Überlegungen zu den Grenzen des ärztlichen Handelns, in: K. Wieland (Hrsg,), Medizin, Ethik und Rationalität, München 1989, S. 95— 130.

  24. Vgl. P. Koslowski (Hrsg.), Die religiöse Dimension der Gesellschaft. Religion und ihre Theorien, Tübingen 1985 (CIVITAS Resultate, Bd. 8); P. Koslowski (Hrsg.), Gnosis und Mystik in der Geschichte der Philosophie, Zürich 1988.

  25. Vgl. C. R. Waits/E. McNertney, Valuing the Cultural Legacy, in: D. V. Shaw/W. S. Hendon/L. R. Waits (Hrsg.), Artists and Cultural Consumers, Ohio 1987, S. 15— 23.

  26. Vgl. U. Beck, Risikogesellschaft (Anm. 2), S. 42, 96, und ders., Gegengifte (Anm. 2), S. 26, 100.

  27. Vgl. P. Koslowski, Ethik des Kapitalismus, Tübingen, 986 ders., Prinzipien der Ethischen Ökonomie. Grundle-Puig der Wirtschaftsethik und der auf die Ökonomie bezogenen Ethik, Tübingen 1988; ders., Wirtschaft als Kultur (Anm. 3).

  28. Vgl. F. von Baader, Vorlesungen über speculative Dogmatik. Viertes Heft (1836), in: Sämtliche Werke, Aalen 1963, Bd. 9, S. 130.

  29. Vgl. E. Spranger. Das Gesetz der ungewollten Nebenwirkungen in der Erziehung, Heidelberg 19652, S. 56 ff.

Weitere Inhalte

Peter Koslowski, Dr. phil., Dipl. -Volkswirt, M. A., geb. 1952; 1985 — 1987 o. Professor für Philosophie und Politische Ökonomie und Leiter des Instituts für Philosophie und Studium fundamentale der Universität Witten/Herdecke; seit 1987 Direktor des Forschungsinstituts für Philosophie Hannover und Professor an der Universität Witten/Herdecke; seit 1979 Vorsitzender bzw. stellvertretender Vorsitzender der CIVITAS, Gesellschaft zur Förderung von Wissenschaft und Kunst, München. Veröffentlichungen u. a.: Politik und Ökonomie bei Aristoteles, Straubing-München 19792; Gesellschaft und Staat. Ein unvermeidlicher Dualismus, Stuttgart 1982; Ethik des Kapitalismus, Tübingen 19863; Evolution und Gesellschaft. Eine Auseinandersetzung mit der Soziobiologie, Tübingen 19892; Die postmoderne Kultur, München 19882; Prinzipien der Ethischen Ökonomie. Grundlegung der Wirtschaftsethik, Tübingen 1988; Wirtschaft als Kultur, Wien 1989; Die Prüfungen der Neuzeit. Über Postmodernität, Wien 1989; (Hrsg.) Individuelle Freiheit und demokratische Entscheidung, Tübingen 1989.