Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Kontinuität und Wandel im DDR-Geschichtsbild | APuZ 11/1990 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 11/1990 „Weiße Flecken“ in der DDR-Geschichtsschreibung Ein historisches Dokument aus dem Jahre 1956. Brief an den DDR-Ministerpräsidenten Otto Grotewohl Kontinuität und Wandel im DDR-Geschichtsbild Die Sowjetische Militäradministration in Deutschland. Organisation und Wirkungsfelder in der SBZ 1945— 1949 Die Gesellschaftspolitik der KPD/SED 1945-1949

Kontinuität und Wandel im DDR-Geschichtsbild

Georgi Verbeeck

/ 34 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Die DDR-Historiker haben ihre Arbeit in Forschung und Lehre nicht im Sinne einer dem Methodenpluralismus verpflichteten Wissenschaftspraxis verstanden, sondern sich weitgehend an einem marxistischen Geschiehtsverständnis orientiert. In einer dualistischen Sicht („Zwei-Linien-Konzeption“) wurde der historische Prozeß in eine „positiv-emanzipatorische“ und eine „negativ-regressive“ Traditionslinie aufgeteilt. Das Geschichtsbild in der DDR entwickelte sich im Spannungsfeld zwischen ideologischer Fixierung und fachwissenschaftlicher Differenzierung. In der DDR-Historiographie verstärkte sich — insbesodere in den achtziger Jahren — unter dem Einfluß der „westlichen“ Geschichtswissenschaft die Tendenz, „sich der ganzen Geschichte zu stellen“ und dabei auch neue methodologische Ansätze aufzunehmen. Die Trennlinie besteht dabei weniger in der Darstellung der Realien, sondern vielmehr im Hinblick auf Differenzen in der Interpretation. Der „real existierenJe Sozialismus“ und die „sozialistische deutsche Nation“ bildeten zentrale Rahmenbedingungen für das Geschichtsbild in der DDR. Nach dem politischen Umbruch vom Herbst 1989 ist eine kritische Standortbestimmung und Neuorientierung der DDR-Geschichtswissenschaft zu erwarten, bei der sie ihre bisherige herrschaftslegitimierende Funktion in Frage stellen muß.

Überblickt man die vierzigjährige Entwicklung der Geschichtswissenschaft in der DDR so zeigt sich, daß die DDR-Historiker ihre Arbeit in Forschung und Lehre nicht im Sinne einer „westlichen“, dem Methodenpluralismus verpflichteten Wissenschaftspraxis verstanden haben, die sich um eine breit fundierte Erforschung der gesamten Geschichte bemüht, sondern daß diese weitgehend durch eine spezifische Deutung des marxistischen Geschichtsverständnisses bestimmt wurde. Geschichte wurde dabei vorrangig als „Geschichte von Klassenkämpfen“ aufgefaßt, woraus die „Zwei-Linien-Konzeption“ abgeleitet wurde. In einer solchen dualistischen Sicht wird der historische Prozeß in eine „positiv-emanzipatorische“ und eine „negativ-regressive“ Traditionslinie aufgespalten, wodurch zwangsläufig Vergröberungen entstehen, die für die Entwicklung eines eigenen Geschichtsbildes zahlreiche Probleme aufwerfen. Die „Aneignung des historischen Erbes“ hat in der Geschichtswissenschaft der DDR verschiedene Etappen durchlaufen, wobei der geschichtsontologische Dualismus zunehmend durch differenziertere Einzelanalysen überlagert und durchsetzt worden ist. Kontinuität und Wandel im Geschichtsbild der DDR im Spannungsfeld zwischen ideologischer Fixierung und fachwissenschaftlicher Differenzierung sollen in diesem Beitrag näher untersucht werden.

I.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde das historische Bewußtsein der deutschen Intelligenz ganz wesentlich durch die Erfahrung vom Zusammenbruch des Dritten Reichs und das Bekanntwerden eines programmierten Genozids nachhaltig beeinflußt Zum dritten Mal seit 1918 standen deutsche Historiker vor dem Dilemma, ein neues Geschichtsbild zu begründen. Unbestimmte Vorstellungen von einem schwer zu realisierenden „Neubeginn“ und das Ringen um die Wiederherstellung der „Normalität“ — wie schwer sich auch ein solcher Begriff vom Stand der heutigen Geschichtsforschung her definieren läßt — waren den meisten deutschen Historikern noch gemeinsam. Der Zusammenbruch des NS-Regimes förderte zunächst eine Auffassung der deutschen Geschichte, die mit dem von Emst Niekisch geprägten Begriff „deutscher Daseinsverfehlung“ oder Alexander Abuschs Buchtitel „Irrweg einer Nation“ etikettiert werden kann. Paradigmatisch schrieb Abusch 1946: „Die Geschichte des deutschen Volkes ist die Geschichte eines durch Gewalt politisch rückständig gemachten Volkes. Aber jedes Volk, das den Anspruch erheben will, ein mündiges und selbstbestimmendes Volk zu sein, trägt die Verantwortung für seine eigene Geschichte und ihre falsche Entwicklung . . . Das deutsche Volk trägt die Verantwortung dafür, daß es an diesem Kreuzweg sich auf die falsche Bahn drängen ließ.“ Und weiter: „Die deutsche Nation muß ihre Geschichte neu erkennen, mitleidslos gegen sich selbst, um alles Finstere der Vergangenheit, das wie ein Alp die freie Regung jeder Generation bedrückte, zu vertreiben. Und entscheidend ist, daß die deutsche Nation lernt, auf neue Art geschichtlich zu handeln. Die eigene Erkenntnis, die eigene Selbsttätigkeit brauchen die Deutschen, um die Lehren ihrer Geschichte zu begreifen und zu erfüllen. Etwas grundlegend Neues tun — das ist die stärkste Triebkraft zur Umerziehung eines Volkes, zu seiner inneren Wandlung.“ Auch im Westen Deutschlands spra-chen Historiker, wie Friedrich Meinecke, von der nationalen Vergangenheit als von einer „deutschen Katastrophe“ -Diese Generation von Historikern war sowohl an der Erforschung der geistesgeschichtlichen Voraussetzungen des Nationalsozialismus als auch an der kritischen Auseinandersetzung mit dem negativ bewerteten „deutschen Sonderweg“ beteiligt. In der These von der „deutschen Misere“ fanden die negative Etikettierung und die moralisch motivierte Ablehnung der deutschen Vergangenheit ihre pointierte Ausdrucksform.

Während in den westlichen Besatzungszonen und in der entstehenden Bundesrepublik Lehre und Forschung nur der strukturell unerheblichen Entnazifizierung, nicht aber durchgreifenden Reformen unterworfen wurden, wodurch bald wieder an ungebrochene historistische Traditionen Anschluß gefunden wurde, vollzog sich in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), im Kielwasser gesellschaftspolitischerTransfonnationsprozesse schon vor 1949 und verstärkt nach der Staatsgründung der DDR, eine radikale historiographische Revolution Hier wurde bald die Auffassung vertreten, eine grundsätzliche Vergangenheitsbewältigung könne nur im Sinne einer totalen „Umwertung aller Werte“ erfolgen. Das Jahr 1945 sollte dementsprechend als „Stunde Null“, als Ausgangspunkt für einen völligen „Neubeginn“, gewertet werden. Die „Misere" -Theorie und das vorgebliche Bedürfnis nach einem völlig neuen Geschichtsbild standen in enger Wechselbeziehung zueinander. In einem Rückblick aus dem Jahre 1960 charakterisierten Emst Engelberg und Rolf Rudolph diese frühe Phase: „Es war notwendig, mit einerverhängnisvollen Vergangenheit abzurechnen, mit all dem, was in der deutschen Geschichte Schande über unser Volk gebracht hat und einmal als . Irrweg der Nation* bezeichnet wurde. Die Scham über all das, wozu sich das deutsche Volk von seinen reaktionären und imperialistischen Verführern und deren Helfershelfern verleiten ließ, sollte zum demokratischen Geschichtsbewußtsein führen. Angesichts der Kette niedergeschlagener demokratischer Bewegungen und Revolutionen in Deutschland wurde der revolutionäre Kampf der Völker der UdSSR um Demokratie und Sozialismus als positives Gegenbild aufgestellt. In diesen Bemühungen spielte der 30. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1917 eine beachtliche Rolle.“

Die Forderung nach einem „demokratisch-humanistischen“ Geschichtsbewußtsein stand eindeutig mit den damaligen gesellschaftspolitischen Zielsetzungen zur Errichtung einer (noch) gesamtdeutschen und antifaschistischen Demokratie im Einklang. Unter dem Banner eines „fortschrittlichen Humanismus“ entwickelten sich eine provisorische Zusammenarbeit und eine kompromißfähige Koexistenz marxistischer und progressiv-bürgerlicher Historiker Dem inhaltlichen Geschichtsbild gemäß schlug sich der Übergang vom Nationalismus zum Internationalismus vor allem in einer Favorisierung der Traditionen der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung nieder sowie in den sozial-und wirtschaftswissenschaftlich orientierten Fragestellungen.

II.

Zur ausgeprägteren Profilierung der „Zwei-LinienKonzeption“ kam es erstmals mit der Propagierung einer „nationalen Geschichtsbetrachtung“, für die Walter Ulbricht 1952 den Anstoß gab. Auf der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 hieß es: „Das patriotische Bewußtsein, der Stolz auf die großen Traditionen unseres Volkes beginnen sich zu entwickeln. Jeder versteht, welche große Bedeu-tung das wissenschaftliche Studium der deutschen Geschichte für den Kampf um die nationale Einheit Deutschlands und für die Pflege aller großen Traditionen des deutschen Volkes hat, besonders gegenüber dem Bestreben der amerikanischen Okkupanten. die großen Leistungen unseres Volkes vergessen zu machen.“ Die Neuorientierung seit 1951/52, in der westlichen DDR-Forschung als die „Wendung zum Nationalen“ bekannt, fand 1955 im SED-Dokument „Die Verbesserung der Forschung und Lehre in der Geschichtswissenschaft der Deutschen Demokratischen Republik“ ihre Bestätigung

Die von ihrer zeitbedingten Situationsproblematik geprägten Grundpositionen marxistisch-leninistischer Geschichtsforschung wurden in einem programmatischen Essay von Leo Stern zusammengefaßt Die Funktion der Geschichtswissenschaft im Sozialismus in wissenschaftlicher und politischer Hinsicht wurde hier erstmals präzisiert. Die DDR-Geschichtswissenschaft sollte „die bis ins Hochmittelalter zurückreichenden Freiheits-und Kampftraditionen des deutschen Volkes“ unterstreichen. Insbesondere hätte sie „zu zeigen, daß die deutsche Geschichte reich ist an großen und leuchtenden Beispielen von Mut, Heldentum, Patriotismus und Hingabe an die große Sache des deutschen Volkes“. Insgesamt sollte die marxistisch-leninistische Geschichtswissenschaft „sich von den falschen und verhängnisvollen Positionen des traditionellen akademischen deutschen Historismus“ lossagen.

Die für die Zeit zwischen 1952 und 1956 typische Betonung des „Nationalen“ wurde ab Anfang 1957 durch die „Erziehung zum sozialistischen Patriotismus“ ersetzt. Mit dieser erneuten Richtungsänderung vollzog sich eine in der Folge noch verstärkte Ausrichtung der Geschichtswissenschaft durch die SED. In dieser Entwicklungsphase wurden auch grundlegende strukturelle Voraussetzungen geschaffen, geschichtswissenschaftliche Forschüng und Lehre ausschließlich auf der Basis der marxistisch-leninistischen Ideologie durchzuführen. Zahlreiche Institute. Museen und fachwissenschaftliche Zeitschriften wurden damals gegründet.

Was post factum als eine bedeutungsvolle Revision des Geschichtsbildes angesehen werden könnte, nämlich die Korrektur an der bis dahin ausschließlich geltenden internationalistischen Betrachtungsweise zugunsten eines national-patriotischen Tenors, hängt vor allem mit der rapiden Entwicklung der internationalen Verhältnisse zusammen Seit Anfang der fünfziger Jahre schien sich die Macht-konstellation der Nachkriegszeit im geteilten ehemaligen Deutschen Reich und auch in Europa weiter zu konsolidieren. Die beiden deutschen Staaten wurden 1949 gegründet, seit 1952 wurde in der DDR der „Aufbau des Sozialismus“ proklamiert -die Integration der beiden deutschen Staaten in die Blocksysteme setzte sich 1955 unwiderruflich durch. In diesem Kontext suchte die politische Führung der noch jungen DDR nach zusätzlichen Legitimationsfaktoren. Eine allzu negativistische Stilisierung der deutschen Vergangenheit sowie ein zu abstrakt und schematisch aufgefaßter historischer Materialismus erschienen nicht geeignet, staatsbürgerlich mobilisierend oder motivierend zu wirken, geschweige denn ein Staats-oder Nationalbewußtsein zu erzeugen. Man wollte daher von der herkömmlichen „Misere“ -Theorie abgehen sowie von der internationalistischen Betrachtungsweise der Weltgeschichte Abstand nehmen.

Dabei stand das Bemühen im Vordergrund, die DDR in der deutschen Revolutionsgeschichte zu verankern und die Gesellschaftspolitik der SED im Einklang mit den revolutionären Traditionen deutscher Geschichte darzustellen. In erster Linie kam es darauf an, die DDR als „geschichtslogische Station deutscher Vergangenheit“ erscheinen zu lassen, indem die „fortschrittlichen“ Züge der deutschen Geschichte als historische Linien bis 1945/49 bzw. bis zur unmittelbaren Gegenwart verlängert wurden. Dagegen wurden die „regressiven“ Elemente der deutschen historischen Tradition einseitig mit der Bundesrepublik Deutschland in Beziehung gesetzt. Die Geschichtswissenschaft sollte auf diese Weise die Ansprüche der DDR auf das „Modell Deutschland“ historiographisch unterstützen.

Die „Wendung zum Nationalen“ war keineswegs auf die DDR beschränkt, sondern wies Parallelen zur sowjetischen Historiographie auf. Während der führende sowjetische Historiker der zwanziger Jahre. Pokrovsky, zunächst ein weltrevolutionäres Geschichtsbild entwickelt hatte, zielte der Geschichtsrevisionismus Stalins seit den dreißiger Jahren auf eine verstärkte Verbindung des Marxismus-Leninismus mit patriotischen Ansätzen Anders als meist angenommen wird, beinhaltete der stalinistische Beitrag zur marxistischen Geschichtstheorie jedoch mehr als eine bloße Rehabilitierung des alten russischen Nationalismus. Stalins Geschichts-auffassung lag eine realistischere — wenn oft auch recht simplizistisch formulierte — gesellschaftspolitische Theorie zugrunde. Pauschal formuliert, ging die stalinistische Geschichtsauffassung von der Revision des klassischen Basis-Überbau-Modells aus. Während Karl Marx die ökonomische Basis — vor allem die Produktionsverhältnisse — als bestimmenden Faktor für die Herrschaftsverhältnisse der Gesellschaft betrachtet hatte, nahm Stalin eine Neubewertung der Rolle des Überbaus, d. h. von Staat, Politik und Kultur, im historischen Prozeß vor. Partei und Staat wurde dabei im voluntaristischen Sinne ein gestaltender Einfluß auf die gesellschaftliche Entwicklung zugesprochen. In dieser Perspektive kann Stalins Geschichtsdeutung als Rechtfertigungsideologie einer autoritären „Revolution von oben“ bewertet werden; andererseits bildete sie die Legitimationsgrundlage für einen groß-russischen bzw. sowjetischen Patriotismus, der jedoch auch die Anerkennung kultureller nationaler Besonderheiten im Sowjetstaat einschloß. Stalins Geschichtskonzeption diente auch als ideologisches Fundament, um die weltrevolutionäre Orientierung des Geschichtsverständnisses, die in den ersten Nachkriegsjahren in den meisten volksdemokratischen Ländern und in der DDR vorgeherrscht hatte, zu revidieren und die Bedeutung der eigenen nationalen Geschichte wieder verstärkt zu betonen und neu zu interpretieren.

Die Neuorientierung der DDR-Geschichtswissenschaft seit Anfang der fünfziger Jahre hatte für die folgenden Jahrzehnte eine wesentliche Bedeutung. Die „nationale Geschichtsbetrachtung“ hat sich in ihrer Grundtendenz — trotz mancher Schwankungen nach dem Führungswechsel von Ulbricht zu Honecker 1971 — bis zur Gegenwart erhalten Der Anspruch auf die progressiven Traditionen der Geschichte bildet seitdem ein durchgehendes Moment der DDR-Historiographie. Allerdings muß hinzugefügt werden, daß sich im Zeitverlauf in der „Aneignung des historischen Erbes“ Unterschiede zeigen, wobei die Bestimmung dessen, was progressive Traditionen der deutschen Geschichte sind, sukzessive erweitert worden ist. Die „nationale Geschichtsbetrachtung“ wurde seit Ende 1958 wesentlich von einer zentralen gesellschaftspolitischen Fragestellung beherrscht, von der die marxistischleninistische Geschichtswissenschaft allgemein, vor allem aber die Zeitgeschichtsschreibung bis zum Ende der sechziger Jahre hin, tiefgreifend geprägt wurde: der „nationalen Grundkonzeption“ Dieses von Walter Ulbricht neu entwickelte und vorgetragene strategische Konzept wurde in den sechziger Jahren zum „nationalen Geschichtsbild“ vertieft und für die DDR-Historiographie zum Leitbild der praktischen Forschung stilisiert.

Die Basis der von Ulbricht verkündeten „nationalen Grundkonzeption“ bildete die alliierte Nachkriegspolitik für Deutschland. Die von den alliierten Besatzungsmächten formulierten Vorstellungen von der Beseitigung des deutschen Imperialismus und Militarismus waren aus der Sicht der SED identisch mit den in der SBZ/DDR gelösten Aufgaben der antifaschistisch-demokratischen Umwälzung, die in der Bundesrepublik noch ausständig sei. Das Ziel der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten wurde von der Beseitigung des Imperialismus und der Wurzeln des Nationalsozialismus abhängig gemacht. Die beiden Aspekte der nationalen Frage, der gesellschaftspolitische und der territorial-geographische, bildeten in der „nationalen Grundkonzeption“ immer eine unauflösbare Einheit, wobei aber die Überwindung der sozialen Gegensätze absolut vorrangig war, sowohl in den rückblickenden historischen Darstellungen wie in den auf die Zukunft gerichteten politischen Zielen der SED. Das „nationale Geschichtsbild“ stellte die Historiker vor nicht geringe Probleme. Immerhin waren sie aufgefordert, die Nachkriegsgeschichte der SBZ/DDR als einen gesetzmäßigen revolutionären Prozeß darzustellen. Daß dieser revolutionäre Prozeß gerade ein Kampf gegen die Spaltung des deutschen Einheitsstaates gewesen sein sollte, machte eine Darstellung der Nachkriegsgeschichte nicht weniger kompliziert. Die 1966 erschienene achtbändige „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“ bildete den — letzten — Höhepunkt der Ausarbeitung des von Ulbricht favorisierten „nationalen Geschichtsbildes“.

Der sich allmählich erweiternde Anspruch auf die progressiven Traditionen der deutschen Geschichte darf aber nicht ohne weiteres mit der „nationalen Grundkonzeption“ verwechselt werden. Diese „nationale Grundkonzeption“ wurde allmählich zu einem in sich geschlossenen Komplex von Fragestellungen, vor allem für die Geschichte der neuesten Zeit, und war nicht nur auf eine historische Legitimation des Sozialismus in der DDR beschränkt. Im Rahmen revolutionstheoretischer Einordnungen, die die DDR-Geschichte von Entwicklungen in der Sowjetunion und in den anderen sozialistischen Ländern abgrenzen sollte, erhielt die „nationale Grundkonzeption“ die Funktion, den Sozialismus in der DDR als Vorstufe und Voraussetzung für ein wiedervereinigtes, sozialistisches Deutschland erscheinen zu lassen. Nach bundesdeutschen — und westlichen — politologischen Forschungen waren gerade diese ideologischen Eigenständigkeitsansprüche und das Bestreben, sich vom sowjetischen Vorbild und von der parallelen Entwicklung der Volksdemokratien abzugrenzen, die wichtigsten Ursachen der Machtwechsel von 1971

Anfang der sechziger Jahre wurde eine breitere Auseinandersetzung mit einem bis zu diesem Zeitpunkt vernachlässigten historischen Themenkomplex erkennbar: die relativ systematische Erforschung des nichtsozialistischen bzw. nichtproletarischen historischen Erbes deutscher Geschichte Die 1962 erfolgte Gründung des Jenaer Arbeitskreises „Geschichte der bürgerlichen Parteien in Deutschland“ signalisierte zum ersten Mal die Bereitschaft zur Modifizierung einer allzu einseitigen Orientierung auf die Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung. Nicht nur theoretisch-methodologisch, sondern auch konkret-historiographisch wurde die Erforschung des deutschen Bürgertums und des Konservatismus gefördert. Forschungsschwerpunkte bildeten die Geschichte des deutschen Bürgertums, vor allem dessen Parteiengeschichte, und der deutschen Liberalismus-Problematik. Dies entsprach durchaus der Logik marxistisch-leninistischen Geschichtsverständnisses. Wie in der Erforschung der Geschichte der deutschen und allgemeinen Arbeiterbewegung, standen auch hier Fragen der Organisationsstrukturen, der Parteipolitik und der sog. „politischen Machtfrage“ im Vordergrund des historiographisehen Erkenntnisinteresses. Auch aus politischen und ideologischen Gründen schien eine intensive Beschäftigung mit der Geschichte des Bürgertums angezeigt. Vor allem der Inanspruchnahme der bürgerlichen Parteiengeschichte für eine liberaldemokratische Traditionsbildung durch bundesdeutsche Historiker sollte entgegengetreten werden.

III.

Die Übernahme der SED-Führung durch Erich Honecker im Mai 1971 und der VIII. Parteitag im folgenden Monat leiteten bedeutungsvolle Revisionen in der vorherigen Sicht der deutschen und speziell der DDR-Geschichte in wichtigen Punkten ein. Der bis dahin vorherrschende DDR-zentrierte Forschungsansatz wurde jetzt durch eine Sichtweise abgelöst, die sich stärker an internationalen Entwicklungen orientierte und dabei besonders die Rolle der Sowjetunion für die deutsche und allgemeine Geschichte betonte. Die UdSSR galt als das Impulszentrum der deutschen und insbesondere der DDR-Geschichte. Die früher stark hervorgehobene Leistung der eigenen Partei-und Staatsorgane bei der Gründung und Entwicklung der DDR wurde zugunsten der sowjetischen Initiativen und Einwirkungen abgeschwächt. Im Geschichtsbild der DDR wurde die internationalistische Komponente wieder stärker ausgeprägt, gleichzeitig wurde der Prozeß einer inhaltlichen Differenzierung erheblich beschleunigt. Gelegentlich schon früher sichtbare Tendenzen einer „Historisierung" deutscher Geschichte nahmen nun deutlichere Konturen an. Insbesondere galt dies für historische Entwicklungslinien, die chronologisch oder thematisch außerhalb der „Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus“ lagen, also vor 1917/18 und der sowjetrussischen Oktoberrevolution. Dementsprechend sollte die Entwicklung zum „real existierenden Sozialismus“ stärker als vorher in den Komplex welthistorischer Übergangsprozesse eingebettet werden.

Für die Erforschung der „nichtproletarischen, demokratischen Kräfte“ entstanden günstigere Voraussetzungen. Für die Entwicklung der DDR-Historiographie war die „methodologische Selbstbesinnung“ der späten sechzigerJahre von erheblicher Bedeutung, weil sie eine Verwissenschaftlichung des historiographischen Diskurses bewirkt hat

Die „methodologische Selbstbesinnung“ hatte vor allem zwischen 1967 und 1971 in engem Zusammenhang mit der Propagierung eines „entwickelten gesellschaftlichen Systems des Sozialismus“ (ESS) und mit der immanenten Favorisierung eines bestimmten Systemdenkens gestanden. Gesellschaft wurde als Gesamtsystem mit davon abhängigen Teilsystemen begriffen. Wissenschaft wurde demnach als Teilsystem, als „unmittelbare Produktiv-kraft“ bzw. als „Hauptproduktivkraft“, definiert. Vor allem der Geschichtswissenschaft wurde bei der Herausbildung eines fundierten Geschichtsbewußtseins, als Basis eines sozialistischen Staatsbewußtseins in der DDR, ein entscheidender Rang zugemessen. Das neue, strukturali-stisch eingefärbte Systemverständnis und die daraus abzuleitenden gesellschaftsprognostischen und ideologischen Aufgaben forderten die DDR-Geschichtswissenschaft jetzt erstmals auf, nicht nur den Gegenstand ihrer Wissenschaftspraxis weiter aufzufächern, sondern auch deren Kategorien und Begriffe differenzierter in einen theoretisch-methodologischen Kontext zu stellen.

Der politisch-ideologische Hintergrund für die unter dem Stichwort „revolutionärer Weltprozeß“ stehende Umorientierung in der Geschichtswissenschaft war von der Vorstellung von den „drei revolutionären Hauptströmungen“ gekennzeichnet: Dazu wurden das „sozialistische Weltsystem“, die „internationale und sozialistische Arbeiterbewegung“ und „nationale antikolonialistische Befreiungsbewegungen der Völker“ der Dritten Welt gezählt. Unverkennbar kam darin der Versuch der Sowjetunion zum Ausdruck, ihren Hegemonialanspruch in der kommunistischen Bewegung ideologisch und praktisch-politisch abzusichern, weil die UdSSR als Zentrum der „drei revolutionären Hauptströmungen“ galt. Daher wurde den Gesellschafts-und Geschichtswissenschaften der DDR die Erforschung der Rolle der Sowjetunion und des sozialistischen Weltsystems als eine sehr wichtige Aufgabe zugewiesen. Der neue internationalistische Tenor beeinflußte in starkem Maß auch die Sicht aufdie Entstehungsgeschichte der DDR sowie revolutionstheoretische Konzeptionen Deutli-cher als zuvor wurde die Auffassung vertreten, daß die DDR einen einheitlichen revolutionären Prozeß durchlaufen habe, der eine antifaschistisch-demokratische und eine sozialistische Phase umfaßte: „Seinem Hauptinhalt nach war der einheitliche revolutionäre Prozeß des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus mit den revolutionären Prozessen in den volksdemokratischen Ländern wesensgleich.“ Die Verflechtung der DDR-Geschichte mit der Herausbildung des sozialistischen Weltsystems wurde verstärkt betont, wobei insbesondere auf die „Wesensgleichheit“ der Entwicklungen in der SBZZDDR und in den Volksdemokratien verwiesen wurde. Was als der „Primat des Welthistorischen“ definiert wurde, intensivierte vor allem die komparative Revolutionsforschung. So wurde 1974 das Leipziger „Interdisziplinäre Zentrum für Vergleichende Revolutionsforschung“ gegründet. Die Erweiterung und Vertiefung des Geschichtsbilds wirkte in zwei Richtungen: synchronisch durch den Vergleich revolutionärer Prozesse in geographisch unterschiedlichen Räumen; diachronisch durch die Erforschung des eigenen nationalen Revolutionszyklus zu verschiedenen historischen Zeitpunkten. Dies kam vor allem einem besseren Verständnis und einer modifizierteren Typologie der bürgerlichen Revolutionen sowie einer nuancierteren Darstellung des nicht-sozialistischen Erbes — allerdings immer noch auf der Grundlage des historischen Materialismus — zugute.

IV.

Bereits seit zwei Jahrzehnten wird in der DDR eine intensive Diskussion zum Thema „Erbe und Tradition“ geführt, die als Fortsetzung und Modifizierung der „Zwei-Linien-Konzeption“ in der deutschen Geschichte verstanden werden kann Die ebenso spitzfindige wie feinsinnige Unterscheidung zwischen „Erbe“ und „Tradition“ ermöglicht eine differenzierte Aneignung und Interpretation historischer Prozesse und Persönlichkeiten, also eine umfassendere Bearbeitung des historischen Stoffes. Zum historischen Erbe zählt in dieser Begriffsbildung alles in der Geschichte Existierende, die ganze Geschichte in ihrer Widersprüchlichkeit und in ihrem internationalen Zusammenhang, während zur Tradition nur diejenigen historischen Entwicklungslinien, Erscheinungen und Fakten gerechnet werden, auf die sich eine Gesellschaft ausdrücklich im Sinne ihrer „Vorgeschichte“ berufen könnte. Zum Traditionsbegriff äußerte sich 1987 Gustav Seeber: „Wenn wir von Tradition sprechen, betrachten wir das geschichtliche Erbe selektiv, pflegen die Traditionen der revolutionären Arbeiterbewegung, die progressiven und demokratischen wie humanistischen Leistungen anderer Klassen, Schichten und Persönlichkeiten. In diesem Sinne sind Traditionen konstitutive Elemente der Entwicklung von geschichtlichen Zielen, von Wertvorstellungen und auch politisch-moralischen Normen, ermöglichen kritische Identifikation und sind für Weltbild wie Verhalten in den politischen Auseinandersetzungen bedeutsam.“

Die Interpretation des Erbebegriffs ist in den letzten Jahren erweitert worden. Insbesondere setzt man sich intensiver mit dem Erbe der gesamtdeutschen Herkunft auseinander. Walter Schmidt — seit 1984 Direktor des Zentralinstituts für Geschichte an der Akademie der Wissenschaften der DDR — erklärte dazu: „Sich als Erbe deutscher Geschichte zu bewähren heißt in der Sicht der sozialistischen Gesellschaft, holzschnittartig formuliert, vor allem dreierlei: radikaler Bruch und entschiedene geistige Auseinandersetzung mit allem Reaktionären aus dem Erbe, das nicht ausgeschlagen werden kann, sondern anzutreten und zu bewältigen ist; Fortführung und Erfüllung aller progressiven Bestrebungen, gleich welcher sozialen Herkunft, und damit verbunden Bewahrung sowie Pflege aller wertvollen Traditionen ohne Enge, schließlich kritische Aufschließung und differenzierte historische Bewertung aller Bereiche des Er-bes, um ein tiefes, ausgewogenes Verständnis für das Ganzheitliche der Geschichtsprozesse zu gewinnen, aus denen die sozialistische Gesellschaft kommt und die sie schon selbst durchschritten hat.“

Weiter heißt es: „Es schließt auch das Wissen und die Erkenntnis ein, daß Vorgeschichte, Entstehen und Wachsen des sozialistischen deutschen Staates unauflöslich eingefügt sind in revolutionäre Umwälzungsprozesse von internationaler Dimension, die mit dem Oktober 1917 begannen und mit dem Sieg über den Faschismus eine wesentliche Ausweitung erfuhren.“

Immer deutlicher zeichnet sich in der DDR-Geschichtswissenschaft die Tendenz ab, sich nicht nur „der nationalen Geschichte als Ganzes zu stellen“, sondern ebenso dem Anspruch auf historische Traditionen eine breitere Basis zu geben. Von einer dogmatischen Verengung der historischen Sicht auf die unmittelbare Vorgeschichte des „real existierenden Sozialismus“ kann nicht mehr die Rede sein. Zu diesem neuen Traditionsbegriff gehören: 1) die „Genealogie des Sozialismus auf deutschem Boden“; 2) nicht-oder präsozialistische Traditionen, die als „fortschrittlich“ bewertet werden; 3) Klassen und Schichten sowie historische Persönlichkeiten, die nicht unterdrückt und ausgebeutet waren, aber durch ihr Wirken im historischen Prozeß progressive Entwicklungen gefördert haben.

V.

Auswirkungen der Neuorientierung im Geschichtsund Traditionsverständnis der DDR für das konkrete Geschichtsbild können durch folgende Beispiele aus der deutschen Geschichte belegt werden. In der neuen Geschichtsbetrachtung wird den wichtigsten Repräsentanten der mittelalterlichen Monarchie, wie Karl „der Große“, Heinrich I., Otto I., Heinrich IV., Friedrich I. Barbarossa, Ludwig der Bayer und Karl IV. ein verstärktes Interesse entgegengebracht. Die Politik der Fürsten gegenüber dem Papst und den regionalen Herrschern bildet also das Auswahl-und Bewertungskriterium. Die Sympathie gilt vor allem denjenigen, die die Zentralgewalt im deutschen Reich zu stärken verstanden haben Was die „frühbürgerliche Revolution“ (unter diesem Begriff werden Reformation und Bauernkrieg zusammengefaßt), betrifft, nahmen Partei und Wissenschaft das Luther-Jahr 1983 zum Anlaß, das Bild des Reformators einer gründlichen Revision zu unterziehen. Eine positivere Einschätzung Luthers besteht jetzt vor allem darin, ihm eine Rolle als Initiator einer breiten, alle oppositionellen Klassen und Schichten einbeziehenden, revolutionären Bewegung zuzumessen. Die lange Zeit favorisierte Antithese zwischen Luther mit seiner bürgerlich-gemäßigten und auf das Landesfürstentum orientierten Klassenposition einerseits, und dem sozialrevolutionären Agitator Thomas Müntzer andererseits wird jetzt abgeschwächt

Unverkennbar ist in der DDR die Tendenz vorhanden, auch die brandenburgisch-preußische Geschichte neu zu bewerten. Verwiesen wird vor allem auf den wirtschaftlichen Aufschwung im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, woran die Leistungen nicht nur von Bauern und Manufakturarbeitern, sondern auch von bürgerlichen Unternehmern und aristokratischen Grundbesitzern beteiligt waren. Die historische Bedeutung der herrschenden Klasse und ihrer Vertreter, so z. B. Friedrichs II., wird deshalb daran gemessen, welchen Anteil sie an der Durchsetzung des historisch-immanenten „gesellschaftlichen Fortschritts“ hatten. Sie sollen namentlich gesellschaftspolitische Maßnahmen durchgesetzt haben, die nicht nur ihren eigenen Interessen dienten, sondern auch viel weitergehende Wirkungen hatten Die Aufarbeitung und Popularisierung regionaler Traditionen entsprach der Notwendigkeit, jetzt stärker als zuvor, den territorialge-schichtlichen Aspekt in die „nationale Geschichtsbetrachtung“ zu integrieren. Neben der „Rehabilitierung“ der brandenburgisch-preußischen Geschichte ist auch die Renaissance sächsischer, thüringischer und mecklenburgischer Geschichte in vollem Gange.

„Urpreuße und Reichsgründer“ Otto von Bismarck wird, trotz seiner Gegnerschaft zur deutschen Sozialdemokratie, immer stärker in das DDR-Geschichtsbild integriert Bismarck wird für seine bedeutende Rolle in der gesellschaftlichen Entwicklung der bürgerlichen Revolution und für die Begründung des bürgerlichen deutschen Nationalstaates gelobt. Damit scheint der DDR-Sozialismus jetzt auch die Bedeutung der von Bismarck forcierten „Revolution von oben“ für die etatistische Traditionsbildung entdeckt zu haben. Obwohl mit der weiteren Aufbereitung der „Vorgeschichte der DDR“ manche Probleme ungelöst geblieben sind, kann festgestellt werden, daß es die maßlose Verteufelung gewisser historischer Persönlichkeiten als Vorläufer des Nationalsozialismus nicht mehr gibt. Auch in der Widerstandsforschung der DDR hat eine modifiziertere Bewertung der nicht-kommunistischen Opposition im Dritten Reich Eingang gefunden Dies gilt nicht nur für den kirchlich engagierten Antifaschismus (Martin Niemöller, Dietrich Bonhoeffer), sondern auch für den konservativ-bürgerlichen und militärischen Widerstand (von Stauffenberg, Goerdeler, Canaris). Es handelt sich hierbei offensichtlich um den Versuch, die Friedenspropaganda sowie den Führungsanspruch der DDR in der „Koalition der Vernunft“ historisch zu untermauern

VI.

Stärker als auf anderen Gebieten ist in der DDR die historische Forschung über die nationalsozialistische Herrschaftsperiode einem orthodox-marxistischen Forschungsansatz verpflichtet geblieben, obwohl sich seit einigen Jahren auch in diesem Forschungsfeld eine gewisse Versachlichungstendenz registrieren läßt -Für die marxistisch-leninistische Geschichtswissenschaft bleibt die „Epoche des Faschismus“ nur im negativen Sinne ausbeutbar, weil sie nicht dazu geeignet ist, ein auf gesellschaftlicher Identifikation orientiertes Geschichtsbewußtsein zu liefern. Trotz mancher Bestrebungen zur Ausweitung des Forschungsprogramms — so z. B. im Bereich der Holocaustforschung, der Frage des Masseneinflusses und Demagogie sowie der Widerstandsproblematik — bleiben erhebliche „weiße Flecken“. Eine intensive Auseinandersetzung mit der Rolle der Kommunisten im Auflösungsprozeß der Weimarer Republik ist bis jetzt ausgeblieben. Der Erörterung solcher Themen weicht man ebenso aus wie der kritischen historiographischen Behandlung des Hitler-Stalin-Pakts vom August 1939. So bleibt die Faschismusforschung in der DDR von Problemen einer „unbewältigten Vergangenheit“ überschattet und beeinflußt.

Die marxistische historiographische Tradition hat sich schon seit längerem intensiv mit der Deutung der deutschen Geschichte als Sonderweg auseinandergesetzt. Nach Marx sei die Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise in England in ihrer beispielhaft klassischen Form erfolgt. Er war der Meinung, der Übergang von der feudal-agrarisch-handwerklichen Subsistenzwirtschaft zur bürgerlich-kapitalistischen Marktwirtschaft in England habe die allgemeine historische Tendenz aufgezeigt, die in anderen Ländern im jeweiligen historischen Prozeß modifiziert werden könne. Die Epigonen von Marx haben aus der englischen Entwicklung eine Norm gemacht, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise, bürgerlicher Revolution und staatlicher Nationsbildung aufzeige. In Georg Lukacs klassischem Werk „Die Zerstörung der Vernunft. Der Weg des Irrationalismus von Schelling zu Hitler“, an dem sich viele marxistische Historiker orientiert haben, wird die deutsche Geschichte als eine „gesellschaftlich-historisch anomale Evolution“ bestimmt Auch Emst Bloch ging vom „Verfehlen des geschichtlichen Zieles in Deutschland“ aus, da bis 1918 keine bürgerliche Revolution gelungen war Für die DDR-Historiographie in ihrer frühen Entwicklungsphase ging es um den Nachweis, daß durch die Gründung und den Aufbau des Sozialismus auf deutschem Boden die jahrhundertelange Fehlentwicklung der deutschen Geschichte durchbrochen worden sei. Mit der Ablehnung der „deutschen Misere" -Theorie zeichnete sich später die Tendenz ab, die Aufstiegsbedingungen des Nationalsozialismus nicht nur als Derivat einer negativ gesehenen besonderen deutschen Entwicklung zu werten, sondern als Produkt einer allgemeinen, keineswegs auf Deutschland beschränkten Entwicklung des kapitalistischen Gesellschaftssystems.

Die konkrete Geschichtsforschung in der DDR entspricht jedoch noch keineswegs den Anforderungen einer komparativen Faschismusforschung. Auch namhafte DDR-Historiker wie Kurt Gossweiler müssen eingestehen, daß die Erforschung nichtdeutscher faschistischer Herrschaftsformen eher lückenhaft geblieben ist Ein orthodox-marxistischer Forschungsansatz, der den Faschismus auf die Widersprüche des Kapitalismus zurückführen will und den vorindustriellen Bedingungen wenig Bedeutung zumißt, kann nicht zureichend erklären, warum sich in der allgemeinen Krise der Zwischenkriegszeit der Faschismus in Deutschland, nicht aber in den anderen hochentwickelten Industrieländern durchgesetzt hat.

Wendet man sich der Bedeutung der Beurteilung der NS-Zeit für das (gesamt-) deutsche historische Bewußtsein zu, so ist sicherlich dem Urteil Bernd Faulenbachs über die — zumindest partiell — vergleichbare Ausgangslage in beiden Staaten zuzustimmen In der Bundesrepublik wandelte sich schon in den frühen Nachkriegsjahren der antinationalsozialistische in einen antitotalitären Konsens, mit der Konsequenz, daß die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und mit dem Kommunismus zusammenfiel. Spiegelbildlich dazu zielte die NS-Interpretation der DDR auf die Bundesrepublik, da der Faschismus als Produkt von Imperialismus und Kapitalismus gesehen wurde, die beide in der Bundesrepublik nicht überwunden waren. Vernachlässigte die totalitarismustheoretisch fundierte Interpretation des Nationalsozialismus u. a. die Rolle der alten Eliten und der konservativen Kräfte im Prozeß der Machtergreifung wie im Dritten Reich, so sah die Agententheorie von der Rolle der Massenpartei und der breiten sozialen Basis des Regimes ab, so daß beide Interpretationsmuster eine teilweise Verdrängung bzw. Relativierung der NS-Zeit begünstigten.

Trotzdem lassen sich im Bereich der gängigen marxistisch-leninistischen Faschismustheorie — wie auch der verwandten Konservatismusforschung -einige Modifikationen registrieren. Dazu sind vor allem die weitergehenden Versuche einer differenzierteren Typisierung des Faschismus (etwa bei Kurt Gossweiler) zu zählen. Dieser Ansatz hat vor allem zur vertieften Einsicht in die Eigenständigkeit und die spezifischen Entwicklungsbedingungen der deutschen Variante des Faschismus beigetragen. Auf ähnliche Weise hat sich auch — schon seit Ende der siebziger Jahre — im Bereich der Konservatismusanalyse eine weitergehende Differenzierung durchsetzen können Dies geschah vor allem in Anlehnung an die in der komparativen Revolutionsforschung entwickelten „stadial-regionale“ Typisierung Dadurch wurde eine ausgewogenere Bewertung der „konservativen“ und „regressiven“ Linie im historischen Prozeß ermöglicht. Obwohl der Konservatismus als integrierter Bestandteil der Genese der bürgerlichen Gesellschaft aufgefaßt wird, sind in der avancierten marxistischen Geschichtsforschung Konservatismus und Konterrevolution nicht mehr deckungsgleich. So gelang es auch marxistischen Wissenschaftlern, die Kapitalismus-Kritik von Rechts ernst zu nehmen und weiter zu untersuchen. Bis heute wird dabei aber auf weiterführende Schlußfolgerungen verzichtet, um z, B. eine modifizierte Konservatismusanalyse auch für eine kritische Auseinandersetzung mit Herrschaftskonzeption und -praxis im „real existierenden Sozialismus“ nutzbar zu machen.

VII.

Nichtmarxistische Historiker haben sich bisher allzu häufig mit dem angeblichen historiographisehen Alleinvertretungsanspruch der DDR beschäftigt und sich über spektakuläre Schwankungen in der Entwicklung der DDR-Geschichtswissenschaft verwundert gezeigt. Wem gehört denn eigentlich die deutsche Geschichte? Und wäre eine posthume Rehabilitierung Luthers, Friedrichs des Großen oder Bismarcks zu erwarten? — So lauteten manche allerdings nicht ohne Skepsis formulierte Fragestellungen in Wissenschaft und Publizistik Indessen darf die gesellschaftspolitische Fundierung der Erbe-und Traditionsdebatte nicht vernachlässigt werden. Diese war vor allem mit der Deutschlandpolitik der SED verbunden, wie auch mit der Bereitschaft der DDR, ihre „Nationswürdigkeit“ zu begründen Die bundesrepublikanische Formel „Zwei Staaten — eine Nation“ wurde seit 1971 eindeutig zurückgewiesen. Nach den Worten Erich Honeckers sollte die nationale Frage von ihrem „Klasseninhalt“ angegangen werden. In dieser Sicht galt die nationale Frage als endgültig entschieden. Aus den gegensätzlichen gesellschaftlichen Verhältnissen in beiden deutschen Staaten zog Honecker den Schluß: „Im Gegensatz zur BRD, wo die bürgerliche Nation fortbesteht und wo die nationale Frage durch den unversöhnlichen Klassenwiderspruch zwischen der Bourgeoisie und den werktätigen Massen bestimmt wird, der — davon sind wir überzeugt — im Verlauf des welthistorischen Prozesses des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus seine Lösung finden wird, entwickelt sich bei uns in der Deutschen Demokratischen Re-publik, im sozialistischen deutschen Staat, die sozialistische Nation.“ Die „Nationalgeschichte der DDR“ stand unter dem erweiterten Anspruch auf das historische Erbe auch im Zusammenhang mit der propagierten Abgrenzungsstrategie.

Entscheidend für den Charakter einer Nation sind demnach die sozioökonomischen Grundlagen einer Gesellschaftsformation. In der „sozialistischen Nation“ verbinden sich die ethnisch-kulturellen Bestandteile mit den politischen und wirtschaftlichen Merkmalen einer sozialistischen Gesellschaft. Aufgrund dieses dialektisch verstandenen Verschmelzungsprozesses entwickle sich in der DDR die „sozialistische deutsche Nation“ und forme sich dementsprechend allmählich ein „sozialistisches Nationalbewußtsein“ aus In der Sicht der DDR-Gesellschaftswissenschaften würden die aus ihren kapitalistisch geprägten Bindungen losgelösten soziopsychologischen und ethnisch-kulturellen Determinanten in einem dialektischen Prozeß mit denjenigen der sozialistischen Nation verschmelzen. Diese „Osmose“ bedinge auch die schrittweise Veränderung dieser Faktoren, die auf der Grundlage des Sozialismus eine weitere Ausprägung erführen. Dieses Nationskonzept sollte breiten Bevölkerungsschichten glaubhaft vermittelt werden, um die ihm zugedachten Funktionen erfüllen zu können. Insbesondere seit dem IX. Parteitag (1976) wurde der Geschichtswissenschaft diesbezüglich eine besondere Vermittlungsaufgabe bei der gesellschaftlichen Identitätsstiftung zugewiesen.

Bestimmte Affinitäten zwischen dieser Staatsraison der DDR und nationalkonservativen Denkmodellen können in diesem Zusammenhang nicht verkannt werden Beide postulieren einen gesellschaftspolitischen Integrationismus, indem sie soziale Gegensätze verschleiern und eine organische Gesellschaftskonzeption vertreten, bei der der gesellschaftspolitische Konsens positiv und der Konflikt negativ bewertet werden. Die DDR-Staats-ideologie ging bisher davon aus, daß der Klassenkampf im Sozialismus an sein Ende gekommen sei und daß die Beziehungen zwischen den verschiedenen Klassen und Schichten ihren antagonistischen Charakter verloren hätten. Dieses Harmoniemodell, das unter dem Vorzeichen der nationalen sozialistischen Menschengemeinschaft in der Ära Honecker noch stärker betont wurde, erklärte den Anspruch auf die ganze deutsche Geschichte im Sinne des in der DDR entwickelten Konzepts der „Aneignung des historischen Erbes“ und einer Verankerung der DDR in historischen Traditionen. Auch die Integration nichtproletarischer Traditionen und die chronologische, territoriale und sozial-strukturelle Ausdehnung des Traditionsbegriffs wird auf diesem Hintergrund verständlicher. Die Bemühungen, das sozialistische Geschichtsbewußtsein auf eine breitere Basis zu stellen, oder — bildlich gesprochen — ein größeres Feld zu haben, auf dem man zusätzliche Quellen für das gesellschaftliche Bewußtsein erschließen kann, haben die Beschäftigung mit der deutschen Geschichte in der DDR besonders in den achtziger Jahren nachhaltig beeinflußt. Sie wurden Bestandteile einer Strategie, die Heterogenität innerhalb des gesellschaftlichen Gesamtkomplexes in einem spezifischen Staats-und Nationalbewußtsein „aufzuheben“.

In der westlichen Forschung wurde der marxistischen DDR-Wissenschaftspraxis lange Zeit eine stark ausgeprägte Instrumentalisierung und Politisierung unterstellt. Als Folge dieser Pauschalbeurteilung wurde eine gewisse interne Dynamik vernachlässigt, während die wissenschaftsexternen Zwänge in ihrem Gewicht für die Wissenschaftsentwicklung überbetont wurden. Dazu hat Georg G. Iggers noch kürzlich festgestellt: „Im letzten Jahrzehnt hat man im historischen Denken und in Publikationen wichtige Veränderungen genauso feststellen können wie auch im Rest der Welt. Historische Studien sind in der DDR weiterhin wesentlich marxistischer als z. B. in Polen oder Ungarn, wo sich die Geschichtsschreibung viel mehr von der marxistischen Terminologie und Konzeption gelöst hat. Doch der doktrinäre Graben, der zwischen den Historikern in der DDR und im Westen existierte, hat sich verkleinert. Dialog und Kooperation sind heute nicht nur möglich, sondern finden tatsächlich statt. Aber die neue Sozialgeschichte im Westen sollte auch nicht als bindende Norm angesehen werden, obwohl viele DDR-Historiker nun die Notwendigkeit eingestehen, sich die Methoden und Konzepte der westlichen Sozial-geschichte von demographischen und empirischen Analysen bis zu Studien über das Alltagsleben an-zueignen.“

Seit Mitte der siebziger Jahre bis zur GorbatschowÄra sind zwar keine grundsätzlichen Veränderungen in den Debatten festzustellen, doch gibt es wichtige Akzentverschiebungen. In der DDR-Geschichtswissenschaft läßt sich im letzten Jahrzehnt eine Ausweitung des historischen Forschungsfeldes sowie eine Ergänzung und Verfeinerung des theoretischen und methodologischen Zugriffs registrieren, die zu bemerkenswerten historiographischen Leistungen geführt hat. Die zunächst sehr pauschal angewendete „Zwei-Linien-Konzeption“ wurde verfeinert, ein differenziertes Verständnis der Be-griffe „Erbe“ und „Tradition“ hat ein selektives, einseitiges und in vielen Zügen willkürliches Geschichtsbild zu einer substantielleren integralen marxistisch-leninistischen Geschichtskonzeption transformiert

In einer grundsätzlichen Einschätzung der Entwicklung der DDR-Historiographie unterscheidet Walter Schmidt drei Etappen: Die erste reicht von Kriegsende bis zur Mitte der fünfziger Jahre; die zweite erstreckt sich bis zum Anfang der siebziger Jähre; die dritte bezeichnet den Zeitraum nach dem Rücktritt Walter Ulbrichts: „Geschichtswissenschaft wie historisch interessierte Öffentlichkeit wandten ihre Aufmerksamkeit mehr auch jenen in der Vergangenheit vernachlässigten oder gar ausgesparten Bereichen des historischen Geschehens zu, in denen im organischen Geflecht von Fortschritt und Reaktion das Reaktionäre dominierte. Es werden die . Grauzonen'im historischen Erbe verstärkt angegangen und darauf befragt, was in ihnen — bei allem, was abgelehnt werden muß — an Bewahrens-und für die sozialistische Gesellschaft Traditionswertem enthalten ist. Kennzeichnend für diese Etappe ist also eine beträchtliche Ausweitung und Differenzierung des Geschichts-und Traditionsbildes. Hierbei wird Wesentliches aus dem Geschichtsverständnis der vorangegangenen Etappe — ganz im Hegelschen Sinne — kritisch aufgehoben, auf höherer Stufe fortgeführt. Diente die erste Etappe der rücksichtslos-schroffen und darum bisweilen auch über das Ziel hinausschießenden Abrechnung mit dem Reaktionären, war es in der zweiten Etappe das Hauptanliegen, das revolutionäre und progressive Erbe voll anzueignen und dadurch Sicherheit und Klarheit über die Herkunft zu gewinnen, so strebt das sozialistische Geschichtsdenken unserer Zeit danach, die Weite und Vielfalt, die Kompliziertheit und Widersprüchlichkeit, das Progressive und das Regressive, Nationales und Internationales im deutschen historischen Erbe nicht , sine ira et Studio', aber doch mit einem tieferen Verständnis für das Ganzheitliche der historischen Prozesse, aus denen die sozialistische Gesellschaft der DDR kommt, voll aufzuschließen und anzueignen. Die Arbeiterklasse und die von ihr geleitete sozialistische Gesellschaft gewinnen so ein immer umfassenderes, weiter gespanntes und breiter angelegtes Verhältnis zum historischen Erbe.“ Deshalb gelte für die heutige Lage, daß „die in den Anfängen der Übergangsperiode kaum vermeidbare Enge mit der erfolgreichen sozialistischen Umgestaltung der Existenzgrundlagen der Gesellschaft mehr und mehr aufgebrochen wird, bis die sich auf eigenen Grundlagen entwickelnde sozialistische Gesellschaft sich aller Seiten, Ebenen und Bereiche ihres ebenso reichen wie widerspruchsvollen historischen Erbes annimmt.“

Zum Begriff „deutsche Geschichte“ und in kontroverser Auseinandersetzung mit bundesdeutschen und westlichen Historikern wie Karl Dietrich Erdmann, Jürgen Kocka, James J. Sheehan, Günther Heydemann u. a. äußerte sich Schmidt 1989 in einer stärker auf die Gemeinsamkeit orientierten Weise: „Selbstverständlich gab es bis zum Ende des zweiten Weltkrieges eine für die heutige DDR wie für die Bundesrepublik gemeinsame deutsche Geschichte. Dies zu leugnen, wäre absurd, und es machte auch wenig Sinn, diesen einheitlichen Geschichtsprozeß auseinanderzureißen und sich nur auf diese oder jene Seite berufen zu wollen. Dem historischen Erbe muß man sich als einem Ganzen stellen. Aber objektiver Geschichtsprozeß, Geschichtsbild und Geschichtsbewußtsein sind keineswegs identisch. Der reale Geschichtsprozeß vermag zumeist nur für jene Generationen Elemente eines Zusammengehörigkeitsbewußtseins hervorzubringen, die ihn gemeinsam vollzogen und erlebten. Für die gesamte nicht erlebte Geschichte kann Gemeinsamkeit nur durch das Geschichtsbild vermittelt werden. Gibt es aber ein solches gemeinsames Geschichtsbild? Erklärung, Einordnung und Wertung historischer Ereignisse, Bewegungen und Persönlichkeiten erfolgen entsprechend den jeweiligen sozialen Realitäten, den unterschiedlichen staatlichen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in der DDR und innerhalb der BRD entsprechend auch von verschiedenen, ja, gegensätzlichen Positionen aus.“ Immer deutlicher zeichnen sich sowohl Annäherungspunkte als Differenzen zwischen den marxistischen und nicht-marxistischen Wissenschaftspraxis ab. Einerseits nähert man sich dem programmatischen Ausgangspunkt des pluralistischen Geschichtsverständnisses an, wonach das ganze historische Feld Forschungsgegenstand sein sollte. Auch bestimmte historische Teildisziplinen und Forschungsmethoden (Hilfswissenschaften, Statistik, Demographie, Quellenpublikationen usw.) zeigen sich, so behaupten auch namhafte Repräsentanten der DDR-Historiographie, manchmal „systemindifferent“. Insoweit bleibt die Perspektive einer „Ökumene der Historiker“ (Karl-Dietrich Erdmann) ein im beschränkten Maß erreichbares Ziel. Andererseits bleiben DDR-Historiker einem perspektivistischen Geschichtsbild verpflichtet und gehen von der Vorstellung aus, eine andere Gesellschaftsordnung bestimme eine andere Sicht auf die bisherige Geschichte. Die theoretisch-methologischen Ausgangspunkte, die politisch-ideologischen Implikationen und nicht die allgemeine Zielsetzung, die „Vergangenheit zu erschließen“, bilden die Trennlinie. Was früher meist als „geschichtsideologische Auseinandersetzung“ betrachtet wurde, betrifft jetzt offensichtlich vor allem Differenzen in der Interpretation und nicht in der Darstellung historischer Realien.

VIII.

Versucht man Weg und Wandel der DDR-Geschichtswissenschaft zu resümieren, dann zeigt sich, daß die Diskussionen um ein angemessenes Geschichtsbewußtsein von einer immanenten Zweideutigkeit geprägt werden. Einerseits reflektieren Entwicklung und Inhalt des Geschichtsbildes in der DDR die typischen Merkmale einer posttotalitären Gesellschaft Für das autoritäre System der sozialistischen Industriegesellschaft wurde der instrumentelle Charakter der marxistisch-leninistischen Geschichtswissenschaft bestimmend: Geschichtsbild und Geschichtsbewußtsein erhielten die Funktion, einen Beitrag zur gesellschaftlichen Orientierung und Sozialisierung der Bevölkerung zu leisten sowie die Legitimität der Herrschaftsordnung zu begründen. Dabei stieß die DDR-Historiographie auf erhebliche Schwierigkeiten theoretischer und methodologischer Art. Wie beispielsweise „progressive“ oder „regressive“ Momente im einheitlichen historischen Prozeß empirisch zu fundieren sind, blieb eine offene Frage.

Auch die oft vorhandene begriffliche Unschärfe zwischen den objektiven „res gestae“ und der subjektiven „historia rerum gestarum“ ist nicht zu übersehen. Unverkennbar bleibt auch im DDR-Sozialismus das Weiterwirken einer „deutschen“ historistischen Tradition, die — bedeutend stärker als etwa in Frankreich, Großbritannien, Italien, oder den USA — die Relevanz von „Geschichte“ für das politische und gesellschaftliche Verhalten betont und in den Mittelpunkt der Debatten um „Identität“ gerückt hat Anderseits läßt sich die Eigengesetzlichkeit wissenschaftsinterner Entwicklungen nicht übersehen. In der DDR-Historiographie ist eine Ausdehnung und Differenzierung des historischen Forschungsfeldes sowie eine Versachlichung und zunehmende methodische Fundierung der Argumentation zu erkennen, die wachsende Chancen für einen Dialog mit der nichtmarxistischen pluralistischen Geschichtswissenschaft eröffnet. Die fachwissenschaftliche Kommunikation zwischen Historikern aus beiden deutschen Staaten hat sich in den letzten Jahren deutlich intensiviert — nicht nur im fachinternen, sondern auch im weltanschaulichen Sinn. Vor allem eine erweiterte „Erbe“ -Einschätzung hat die Möglichkeit eröffnet, daß unter dem politisch-moralischen Vorzeichen einer „Verantwortungsgemeinschaft“ beider deutscher Staaten die Notwendigkeit einer „Vergangenheitsbewältigung“ im Hinblick auf die gemeinsame nationale Erbschaft ins Gespräch kommen konnte. Dazu hat Walter Schmidt 1987 bemerkt: „Sich der ganzen deutschen Geschichte stellen heißt endlich, das historische Erbe als Ganzes, mit seinen Guthaben und Schulden annehmen, sich mit ihm kritisch auseinandersetzen und am Fortschrittskriterium messen . . . DDR und Bundesrepublik besitzen in der deutschen Geschichte bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges eine gemeinsame historische Erbschaft, die sie vor der Welt zu verantworten haben. Es ist zu fragen, ob darin Verpflichtungen stecken, die auch dem Historiker nicht gleichgültig sein können.“ Auch wenn diese Frage vorsichtig in die richtige Richtung verweist, erscheint sie durch die radikalen politischen Umbrüche, die sich seit Oktober/November 1989 in der DDR vollziehen, beinahe schon wieder unaktuell. Sie werden auch das historische Selbstverständnis der DDR tangieren. Die „Wende“ in Politik und Gesellschaft wird in den Wissenschaften zu einer „Erneuerung“ führen, deren Reichweite noch nicht absehbar ist. Dieser Prozeß einer kritischen Standortbestimmung macht eine nüchterne Bilanz von Leistungen und Defiziten der DDR-Historiographie erforderlich. Er könnte damit auch neue Perspektiven für eine kooperative Forschung eröffnen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. u. a. Günther Heydemann, Geschichtswissenschaft im geteilten Deutschland. Entwicklungsgeschichte, Organisationsstruktur. Funktionen, Theorie-und Methodenprobleme in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR, Frankfurt/M. -Bern-New York 1980; Andreas Dorpalen, German History in Marxist Perspective. The East German Approach. Detroit 1985; Alexander Fischer/Günther Heydemann (Hrsg.). Geschichtswissenschaft in der DDR. Bd. I: Historische Entwicklung, Theoriediskussion und Geschichtsdidaktik, Berlin 1988.

  2. Vgl. u. a. Emst Schulin, Traditionskritik und Rekonstruktionsversuch. Studien zur Entwicklung von Geschichtswissenschaft und historischem Denken. Göttingen 1979, S. 133— 143; Werner Conze. Die deutsche Geschichtswissenschaft seit 1945. Bedingungen und Ergebnisse, in: Historische Zeitschrift, 1977, S. 1— 28; Hans-Ulrich Wehler, Geschichtswissenschaft heute, in: Jürgen Habermas (Hrsg.), Stichworte zur „Geistigen Situation der Zeit", Bd. II: Politik und Kultur, Frankfurt/M. 1979, S. 709-753; Wolfgang J. Mommsen. Gegenwärtige Tendenzen in der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik, in: Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, 1981, S. 149— 188; Winfried Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989.

  3. Emst Niekisch, Deutsche Daseinsverfehlung, Berlin 1946.

  4. Alexander Abusch, Der Irrweg einer Nation. Ein Beitrag zum Verständnis deutscher Geschichte, Berlin 1946, S. 252.

  5. Ebd., S. 271.

  6. Friedrich Meinecke, Die deutsche Katastrophe. Betrachtungen und Erinnerungen, Wiesbaden 1946.

  7. Vgl. u. a. Albrecht Timm. Das Fach Geschichte in Forschung und Lehre in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands seit 1945, Bonn-Berlin 1965; Alexander Fischer, Der Weg zur Gleichschaltung der sowjetzonalen Geschichtswissenschaft 1945— 1949, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 1962, S. 149— 177; ders., Neubeginn in der Geschichtswissenschaft. Zum Verhältnis von „bürgerlichen“ und marxistischen Historikern in der SBZ/DDR nach 1945, 'n: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 1980, S. 149— 158; Günther Heydemann, Zwischen Diskussion und Konfrontation — Der Neubeginn deutscher Geschichtswissenschaft in der SBZ/DDR 1945— 1950, in: Christoph Cobet (Hrsg.), Einführung in Fragen an die Geschichtswissenschaft in Deutschland nach Hitler 1945— 1950, Frank-furt/M. 1986, S. 12-29.

  8. Ernst Engelberg/Rolf Rudolph, Zur Geschichtswissenschaft der Deutschen Demokratischen Republik, in: Historische Forschungen in der DDR 1960, Berlin (DDR) 1960 S. 11 f.

  9. Vgl. Wolfgang Weber. Priester der Klio. Historisch-sozialwissenschaftliche Studien zur Herkunft und Karriere deutscher Historiker und zur Geschichte der Geschichtswissenschaft 1800— 1970, Frankfurt/M. -Bem-New York. 1984 S. 314-318.

  10. Protokoll der Verhandlungen der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin (DDR) 1952. S. 120.

  11. Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1955, S. 507 ff.

  12. Vgl. Leo Stern, Gegenwartsaufgaben der deutschen Geschichtsforschung. in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Gesellschafts-und Sprachwissenschaftliche Reihe, 1952/53, S. 1 — 17.

  13. Vgl. etwa Hermann Weber, Geschichte der DDR. München 1985.

  14. Vgl-u. a. Klaus Mehnert, Weltrevolution durch Weltgeschichte. Die Geschichtslehre des Stalinismus, Stuttgart 1953; Max Gustav Lange, Wissenschaft im totalitären Staat. Die Wissenschaft der Sowjetischen Besatzungszone auf dem Weg zum „Stalinismus“, Stuttgart-Düsseldorf 1955; Hans Hecker, Russische Universalgeschichtsschreibung. Von den „Vierziger Jahren“ des 19. Jahrhunderts bis zur sowjetischen „Weltgeschichte“ (1955-1965), München-Wien 1983.

  15. Vgl. u. a. Werner Riese. Periodisierung der DDR-Geschichtswissenschaft. Ein wissenschaftshistorischer Versuch, in: Deutsche Studien, 1975, S. 146— 152; Ulrich Neuhäusser-Wespy, Zur Neuorientierung der DDR-Geschichtswissenschaft seit 1971, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 1980, S. 172— 177; ders., Die SED und die deutsche Geschichte, in: Ilse Spittmann (Hrsg.), Die SED in Geschichte und Gegenwart, Köln 1987, S. 98— 111; Günther Heydemann, Relativierung des Dogmas? Zur Entwicklung geschichtswissenschaftlicher Theorie und Methodologie in der DDR seit 1967, in: Geschichte in Wissenschaft und Un-terricht, 1980, S. 159— 171; ders., Marxistisch-leninistische Zeitgeschichte in der DDR, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 36/82, S. 17— 26; ders., Geschichtswissenschaft und Geschichtsverständnis in der DDR seit 1945, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 13/87, S. 15-26.

  16. Vgl. dazu Hans-Dieter Schütte. Zeitgeschichte und Politik. Deutschland-und blockpolitische Perspektiven der SED in den Konzeptionen marxistisch-leninistischer Zeitgeschichte, Bonn 1985. S. 186— 200.

  17. Vgl. u. a. Fred Oldenburg. Die Gesellschaftskonzeption der SED nach dem VIII. Parteitag. Köln, 1972; Gunter Min-nerup, East Gcrmany’s Frozen Revolution, in: New Left Review, 1982, S. 5-32.

  18. Vgl. u. a. Johannes Schradi. Die DDR-Geschichtswissenschaft und das bürgerliche Erbe. Das deutsche Bürgertum und die Revolution von 1848 im sozialistischen Geschichtsverständnis, Frankfurt/M. -Bern-New York 1984; sowie Wolfgang Küttler/Hans Schleier, Die Erbe-Konzeption und der Platz der preußischen Geschichte in der DDR-Geschichtswissenschaft. in: German Studies Review. 1983, S. 535-557.

  19. Vgl. dazu Frank Reuter, Geschichtsbewußtsein in der DDR. Programm und Aktion, Köln 1973.

  20. Vgl. u. a. Helmut Rumpler. Revolutionsgeschichtsforschung in der DDR, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 1980, S. 178— 187; Christina von Buxhoevedcn, Geschichtswissenschaft und Politik in der DDR. Das Problem der Periodisierung, Köln 1980.

  21. Rolf Badstübner u. a., Geschichte der DDR, Berlin (DDR) 1981, S. 96.

  22. Vgl. Rolf Badstübner, Zu „Erbe und Tradition“ in der Geschichte der DDR, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1983. S. 427-431; ders.. Das Geschichtsbild vom Werden und Wachsen in der DDR, ebd., 1981, S. 314— 325; Horst Bartel. Erbe und Tradition in Geschichtsbild und Geschichtsforschung der DDR, ebd., 1981, S. 387-394; ders. /Walter Schmidt, Historisches Erbe und Traditionen. Bilanz. Probleme, Konsequenzen, ebd., 1982, S. 816— 829; Manfred Bensing. Erbe und Tradition in der Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik, ebd., 1984, S. 883— 893; Siegfried Prokop, Geschichte der DDR als Nationalgeschichte, ebd., 1983, S. 55 -60.

  23. Gustav Seeber, Vom historischen Erbe der DDR, in: Susanne Miller/Malte Ristau (Hrsg.), Erben deutscher Geschichte. DDR-BRD: Protokolle einer historischen Begegnung. Hamburg 1988, S. 50 f.

  24. Walter Schmidt, Wir stellen uns der ganzen deutschen Geschichte, in: S. Miller/M. Ristau (Anm. 23), S. 34.

  25. Vgl. Evamaria Engel, Zum Platz mittelalterlicher Könige im marxistisch-leninistischen Bild der deutschen Geschichte, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1981, S. 820— 826.

  26. Siehe vor allem Gerhard Brendler. Martin Luther. Theologie und Revolution, Berlin (DDR) 1983; dazu auch Georgi Verbeeck, De Scheiding der Nederlanden in de DDR-historiografic, in: De Leiegouw, 1986. S. 443— 454, und die dort angeführte Literatur aus der DDR und über das DDR-Geschichtsbild.

  27. Vgl. insbesondere Ingrid Mittenzwei, Friedrich II. von Preußen. Eine Biographie, Berlin (DDR) 1979. Siehe auch dies. /Erika Herzfeld, Brandenburg-Preußen 1648— 1789. Das Zeitalter des Absolutismus in Text und Bild, Berlin (DDR) 1987.

  28. Siehe vor allem Ernst Engelberg, Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer, Berlin (DDR) 1985.

  29. Vgl. u. a. Werner Bramke, Der antifaschistische Widerstand in der Geschichtsschreibung der DDR in den achtziger Jahren. Forschungsstand und Probleme, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 28/88, S. 23-33.

  30. Vgl. u. a. Wilhelm Bruns, Was ist neu am „neuen Denken“ in der DDR. Die Friedens-und Sicherheitspolitik steht im Zentrum, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 13/87, S. 15-26.

  31. Zu Stand und Entwicklung der Faschismusforschung in der DDR bis 1980 vgl. Kurt Gossweiler (Hrsg.), Faschismus-forschung. Positionen, Probleme, Polemik, Berlin (DDR) 1980. Siehe auch Bernd Kröpelin, Entwicklung und Struktur einer Theorie über den deutschen Faschismus in der Geschichtswissenschaft der DDR, Marburg 1982. Neuere Arbeiten: Kurt Pätzold/Manfred Weissbecker, Geschichte der NSDAP, Köln 1981; Joachim Petzold, Wegbereiter des deutschen Faschismus. Die Jungkonservativen in der Weimarer Republik, Köln 1983; Kurt Gossweiler, Aufsätze zum Faschismus, Berlin (DDR) 1986.

  32. Dieses Thema hat auch die bundesdeutschen Historiker intensiv beschäftigt. Vgl. dazu vor allem Helga Grebing, Der „deutsche Sonderweg“ in Europa 1806— 1945. Eine Kritik, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1986; Bernd Faulenbach, Eine Variante europäischer Normalität? Zur neuesten Diskussion über den „deutschen Weg“ im 19. und 20. Jahrhundert, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte, 1987, S. 285— 309; Jürgen Kocka, German History before Hitler: The Debäte about the German Sonderweg, in: Journal of Contemporary History, 1988, S. 3— 16.

  33. Georg Lukacs, Die Zerstörung der Vernunft. Der Weg von Schelling zu Hitler, Berlin 1955.des Irrationalismus

  34. Emst Bloch, Erbschaft dieser Zeit, Zürich 1935.

  35. Vgl. etwa Hans-Ulrich Thamer, Nationalsozialismus und Faschismus in der DDR-Historiographie, in: Politik und Aus Zeitgeschichte, B 37/87, S. 27-37,

  36. Faulenbach, deutschen geschicht -Bernd Kernfragen des lichen Bewußtseins, in: S. Miller/M. Ristau (Anm. 23). S. 41-48

  37. Vgl. u. a. Dieter Fricke, Zur Erforschung konservativer Politik und Ideologie in der Geschichte bürgerlicher Parteien, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. 1979. S. 1139— 1155; Ludwig Elm, „Wert“ -und „Struktur" -Konservatismus, in: Konservatismus-Forschung. Wissenschaftliche Beiträge der Friedrich-Schiller-Universität Jena, 1985, H. 5, S. 7— 16; Gisela Thiele, Die bürgerliche Sozialismus -kritik im konservativen Konzept der Krisenbewältigung, ebd., 1988, H. 9, S. 100-104.

  38. Vgl. vor allem Siegfried Schmidt, Junkertum und Genesis des deutschen Konservatismus im 19. Jahrhundert, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1979, S. 1058— 1072.

  39. Vgl. u. a. Hartmut Lehmann, Die 15 Thesen der SED über Martin Luther, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, 1983, S. 722-738; Michael Stürmer, Ein Preußen für die DDR — umstrittenes Erbe, ebd., 1982, S. 582— 598; Rudolph Augstein, Nicht umsonst regiert man die Welt. Über das Bismarck-Bild des DDR-Historikers Emst Engel-berg, in: Der Spiegel, Nr. 36/1985, S. 176-186.

  40. Vgl. u. a. Hans Mommsen, History and National Identity: The Case of Germany, in: German Studies Review, 1983, S. 559— 582; Ulrich Neuhäusser-Wespy, Von der Urgesellschaft bis zur SED. Anmerkungen zur „Nationalgeschichte der DDR“, in: Deutschland Archiv, 16 (1983) 2, S. 145— 152; ders., Geschichtsbewußtsein als Integrationsfaktor. Über das neue Verhältnis der SED zur deutschen Geschichte, in: Deutsche Studien, 1987, S. 169— 178; Jens Hacker/Horst Rögner-Francke (Hrsg.), Die DDR und die Tradition, Heidelberg 1981; Gottfried Zieger, Die Haltung von SED und DDR zur Einheit Deutschlands 1949— 1987, Köln 1988.

  41. Bericht des Zentralkomitees an den VIII. Parteitag der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin (DDR)

  42. Dazu ausführlich Alfred Kosing, Nation in Geschichte und Gegenwart. Studie zur historisch-materialistischen Theorie der Nation, Berlin (DDR) 1976; ders. (Hrsg.), Dialektik des Sozialismus, Berlin (DDR) 1981. Siehe auch Bernd Riebau, Geschichtswissenschaft und Nationale Frage in der Ära Honecker, in: Deutschland Archiv, 22 (1989) 5, S. 533-542.

  43. Vgl. dazu Georgi Verbeeck, Geschiedschrijving in de DDR. Tussen ideologie en nationaal bewustzijn. in: Streven. Cultureel Maatschappelijk Maandblad. 1986. S. 247— 258.

  44. Georg G. Iggers, New directions in historical studies in the German Democratic Republic. in: History and Theory. Studies in the Philosophy of History, 1989, S. 76f.

  45. Vgl. dazu vor allem Helmut Meier/Walter Schmidt (Hrsg.), Erbe und Tradition in der DDR. Die Diskussion der Historiker, Berlin (DDR) 1988.

  46. Walter Schmidt, Zur Entwicklung des Erbe-und Traditionsverständnisses in der Geschichtsschreibung der DDR, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1985, S. 208.

  47. Walter Schmidt, Zum Begriff „deutsche Geschichte“ in der Gegenwart, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 1989, S. 15-16.

  48. Vgl. dazu vor allem Bernhard Marquardt, Die DDR auf dem Weg vom totalitären zum autoritären Staat, in: Konrad Löw (Hrsg.), Totalitarismus, Berlin 1988, S. 108-141; Eckhard Jesse, Die „Totalitarismus-Doktrin“ aus DDR-Sicht, ebd., S. 63-90.

  49. Vgl. u. a. Werner Weidenfeld (Hrsg.), Die Identität der Deutschen, Bonn 1983; ders. (Hrsg.). Geschichtsbewußtsein der Deutschen. Materialien zur Spurensuche einer Nation. Köln 1987.

  50. W. Schmidt (Anm. 23), S. 38. Der Autor zitiert Gerhard Branstner, Handbuch der Heiterkeit, Halle-Leipzig 1980, S. 208: „Leider gibt es keine Scheuerfrauen der Geschichte, auch keine historische Müllabfuhr. Der ganze Dreck muß verarbeitet werden.“

Weitere Inhalte

Georgi Verbeeck, geb. 1961; seit 1985 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Abteilung für Neueste Geschichte der Katholieke Universiteit Leuven (Löwen). Veröffentlichungen zu Entwicklungen in der DDR-Historiographie und zur komparativen Faschismus-forschung.