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Gewalt gegen Kinder als gesellschaftliches Problem | APuZ 40-41/1990 | bpb.de

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APuZ 40-41/1990 Gewalt gegen Kinder als gesellschaftliches Problem Kindheit in der Familie Kindheit in der Dritten Welt Mütter und Kinder. Zur Individualisierung der Kinder-und Frauenrolle in der Gesellschaft Artikel 1

Gewalt gegen Kinder als gesellschaftliches Problem

Renate Blum-Maurice/Karin Martens-Schmid

/ 28 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Gewalt gegen Kinder ist in den letzten Jahren zunehmend zum Gegenstand öffentlicher Aufmerksamkeit sowie staatlicher und institutioneller Hilfsmaßnahmen geworden. Der Beitrag möchte diesen Prozeß beleuchten und beschreiben, was unter Kindesmißhandlung heute verstanden wird. Dazu wird zunächst auf verschiedene Formen von Kindesmißhandlung und ihre Vorkommenshäufigkeit eingegangen. Zum Verständnis des Problems werden komplexe Erklärungsansätze herangezogen, die weder einseitig die Person des mißhandelnden Erwachsenen als einzigen Verursacher sehen noch sich ausschließlich auf soziale Faktoren beziehen. Daran schließen sich Überlegungen zum öffentlichen Diskurs über Kindesmißhandlung und zur Entwicklung von Kinderschutzmaßnahmen an. Abschließend wird versucht, die Konsequenzen zu benennen, die sich aus den gewonnenen Erkenntnissen für eine sinnvolle sozialpolitische Orientierung im Bereich „Gewalt gegen Kinder“ ergeben.

I. Die „Entdeckung“ der Kindesmißhandlung

In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit gegenüber Kindesmißhandlung und Gewalt gegen Kinder gewachsen. Die Entwicklungsbedingungen und das Schicksal von Kindern auch in ihren privaten Lebensverhältnissen werden zunehmend als Teil gesellschaftlicher Verantwortung wahrgenommen, und dem Staat wird immer mehr Zuständigkeit für den Schutz seiner Bürger und insbesondere der Kinder zugeschrieben. Im Zuge dieser Entwicklung ist verstärkt über Möglichkeiten und Grenzen von Kinderschutzmaßnahmen als einer Form konkreter Familien-und Jugendhilfe nachgedacht worden. Obwohl Kinder im Laufe der Geschichte schon immer Opfer körperlicher Gewalt, zum Teil brutalster Mißachtung ihrer Bedürfnisse und angemessener Entwicklungsbedingungen waren, ist die Kindesmißhandlung als Form sozialer Abweichung sowie als strafrechtlich geahndetes Delikt erst in den letzten Jahrzehnten „entdeckt“ worden.

Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestand eine ziemlich hohe Toleranz der Öffentlichkeit gegenüber der gewaltsamen Behandlung von Kindern. Sie gehörte zum normalen Verhalten: Familienvätem, Arbeitgebern etc. wurde zugestanden, Kinder nach ihren Vorstellungen zuzurichten. In den Reaktionen auf das Elend geschlagener, vernachlässigter und delinquenter Kinder im 19. Jahrhundert ging es weniger um den Schutz der Kinder vor grausamen Eltern als um die Bewahrung der Gesellschaft vor zukünftigen Kriminellen. Zudem bezog sich der Schutz mehr auf die Abwehr von Mißhandlung durch Arbeitgeber und Pflegestellen denn auf den Bereich der eigenen Familie.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts trat „die Aufgabe des Schutzes der Gesellschaft vor der , verdorbenen Jugend zugunsten der Wahrnehmung des Unrechts gegen Kinder als eigenständige Persönlichkeiten in den Hintergrund“ 1). Es bestand ein umfassender Begriff von Kinderschutz, „der sich auf die Lebensbedingungen und die Lebens-welt von Kindern bezog“ Insbesondere wurden auch die schädlichen Auswirkungen der Institutionen beschrieben, in denen gefährdete Kinder untergebracht wurden.

Ende der vierziger Jahre wurde die Mißhandlung von amerikanischen Ärzten als spezifisches medizinisches Syndrom der Schädigung von Kindern beschrieben Die Beschreibung dieses Syndroms lenkte den Blick vor allem auf Familien und mißhandelnde Eltern. In der Folge verstärkten wissenschaftliche Forschung, journalistische Berichterstattung und das Engagement von Bürgern und Vereinen die Anteilnahme für das geschlagene und sexuell mißbrauchte Kind.

Auch in der Bundesrepublik veränderte sich Ende der sechziger Jahre die Einstellung gegenüber den bis dahin unhinterfragten Strukturen des privaten Alltags von Ehe und Familie, Sexualität und Erziehung. Wenn auch das Alltagsleben, das den bis zu diesem Zeitpunkt weitgehend ungebrochenen Traditionen eines autoritären Generationen-und Geschlechterverhältnisses folgte, sich sehr viel langsamer veränderte, entwickelte sich doch „ein öffentlicher Diskurs des Privatlebens“, der schließlich auch die Enttabuierung der familialen Gewalt und die zunehmende Propagierung neuer Erziehungsformen zur Folge hatte Diese Veränderung ist auf die negativen Auswirkungen einer Mißachtung der Rechte und Entwicklungsbedingungen von Kindern für die modernen Industriegesellschaften, aber auch auf den wachsenden Einfluß neuer psychologischer und pädagogischer Kenntnisse und auf die Kritik der Studentenbewegung an bestehenden Autoritätsstrukturen in Familie und Gesellschaft zurückzuführen. Mit dieser Entwicklung geriet elterliche Gewalt verstärkt in den Blick. Eine Zunahme von Gewaltfällen kann mit einer erhöhten Aufmerksamkeit und verstärkten Meldeaktivität in der Gesellschaft erklärt werden; für eine wirkliche Ausbreitung des Phäno-mens gibt es keine Belege Es ist vielmehr anzunehmen, daß angesichts einer sich durchsetzenden Norm von Gewaltfreiheit in zwischenmenschlichen Beziehungen das tatsächliche Ausmaß von direkter körperlicher Mißhandlung zurückgeht.

II. Gewalt in der Familie: Was ist Kindesmißhandlung?

1. Definition Der Begriff der Kindesmißhandlung hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem eher engen, auf schwere körperliche Verletzungen bezogenen Terminus zu einem weitergefaßten Komplex von die kindliche Entwicklung beeinträchtigenden gewaltsamen Einwirkungen entwickelt

Wir möchten hier in Anlehnung an die vom Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (BMJFFG) herausgegebene Broschüre „Kindesmißhandlung — Erkennen und helfen“ folgende Definition zugrunde legen: „Kindesmißhandlung ist eine nicht zufällige, bewußte oder unbewußte gewaltsame psychische Schädigung, die in Familien oder Institutionen (z. B. Kindergärten, Schulen, Heimen) geschieht, die zu Verletzungen, Entwicklungshemmungen oder gar zum Tod führt und die das Wohl und die Rechte eines Kindes beeinträchtigt oder bedroht.“

Diese Beschreibung geht von den Erscheinungsformen gewaltsamer Erwachsenen-Kind-Beziehungen beim Kind aus, die neben der körperlichen Mißhandlung im engeren Sinn auch Vernachlässigung, psychische Mißhandlungsformen und sexuellen Mißbrauch umfassen und sich in einer Vielzahl unterschiedlicher Auffälligkeiten und Symptome zeigen können. Wenngleich darin auch Gewaltausübung durch Institutionen angesprochen ist, konzentrieren wir uns im folgenden auf die exemplarische und zentralere Form der Kindesmißhandlung in der Familie.

Nicht nur bei den betroffenen Kindern, auch bei den Eltern zeigen sich immer wiederkehrende Problemlagen und Merkmale, so daß häufig von familialer Gewalt gesprochen wird, was zum einen deut-lieh macht, daß es sich um ein konflikthaft zugespitztes Scheitern im Generationenverhältnis handelt, zum anderen um ein Problemkontinuum , das in die alltägliche Situation von Familie heute hineinreicht und sich von daher nicht auf einzelne „Mißhandler" reduzieren läßt. So weist auch Engfer darauf hin, daß „die Grenzen zwischen den Schweregraden der Mißhandlung bzw.der Gewalt gegen Kinder fließend, und mittlere Formen eines schädigenden Eltemverhaltens sehr viel häufiger als extreme Formen der Gewalt“ seien. 2. Mißhandlungsformen Folgende Formen der Mißhandlung lassen sich im allgemeinen unterscheiden — Körperliche Mißhandlungen von Kindern umfassen alle gewaltsamen elterlichen Handlungen, die körperlich Verletzungen beim Kind hervorrufen können. Dabei hängt es von verschiedenen Faktoren ab, wie weitreichend die Schädigung des Kindes ist. Alter und damit verbundene Empfindlichkeit des kindlichen Organismus auf der einen, unterschiedliche Härte und Intensität der Gewalt des Erwachsenen auf der anderen Seite führen zu unterschiedlichen körperlichen Folgen für das Kind. So kann z. B. heftiges Schütteln für einen Säugling bereits lebensbedrohlich sein, für ein älteres Kind dagegen ohne sichtbare Folgen bleiben. Insbesondere bei älteren Kindern muß man auch dann von körperlicher Mißhandlung sprechen, wenn keine körperlichen Schädigungen nachweisbar sind, aber belegbar ist, daß häufig und wiederholt körperliche Übergriffe stattgefunden haben. — Von Vernachlässigung von Kindern spricht man, wenn Kinder, die auf Pflege, Ernährung, gesundheitliche und schützende Fürsorge angewiesen sind, diese von den sie betreuenden Erwachsenen nicht oder in nicht ausreichendem Maße bekommen und damit in ihrer Entwicklung massiv beeinträchtigt und geschädigt werden. Dazu gehören auch Fälle von „psychosozialem Minderwuchs“, also ein Zurückbleiben in der körperlichen Entwicklung des Kindes — in bezug auf Gewicht und Größe —, ohne daß organische Ursachen feststellbar wären. Dabei geht Kindesvernachlässigung in sehr viel höherem Maße als körperliche Mißhandlung einher mit den sozialen Bedingungen von Armut, sozialer Isolation, gesellschaftlicher Randständigkeit und damit verbundenen Problemen wie z. B. Alkoholismus oder Drogenabhängigkeit. Oft besteht auch ein Zusammenhang mit psychischer Erkrankung oder geistiger Behinderung der Eltern. — Der Begriff der psychischen Mißhandlung ist in seiner Bedeutung wohl am schwierigsten zu fassen. Hiermit sind elterliche Verhaltensweisen gemeint, die das Kind herabsetzen, quälen, sein Selbstwertgefühl schwer mindern.

Garbarino und Vondra unterscheiden drei Bereiche psychischen Mißhandelns:

1. Ablehnung (ständige Kritik, Herabsetzung, Überforderung, Sündenbock’-Rolle u. ä.), 2. Terrorisieren (Bedrohen, Ängstigen und Einschüchtern), 3. Isolieren (Einsperren, von Außenkontakten abschneiden, das Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit vermitteln).

Deutlicher noch als bei körperlichen Mißhandlungen besteht hier die Schwierigkeit, zwischen harmloseren und gravierenderen Schädigungen zu unterscheiden. Psychische Mißhandlungen hinterlassen nicht so offensichtliche Anzeichen wie z. B. Schläge, die körperliche Folgen haben. Engfer sieht jedoch in den psychischen Beeinträchtigungen des Kindes, bedingt durch eine gestörte Eltem-Kind-Beziehung, ein besonders geeignetes Kriterium zur Bestimmung dessen, was Mißhandlung ausmacht, denn auch mit den anderen Mißhandlungsformen gehen ja psychische Folgen einher. Wenn z. B. „ein bestimmtes Kind in der Familie immer wieder geschlagen, ausgeschimpft, für alle möglichen Mißgeschicke beschuldigt und damit zum Sündenbock der Familie gemacht wird, wird das Kind psychisch und körperlich mißhandelt, weil ihm damit das Gefühl der eigenen Ohnmacht und Wehrlosigkeit vermittelt wird“ und so ist „der Begriff der psychischen Mißhandlung möglicherweise der zentralste und umfassendste Mißhandlungsbegriff, weil er die durch elterliches Verhalten bedingten psychischen Beeinträchtigungen des Kindes zum entscheidenden Bestimmungskriterium macht“ — Unter sexuellem Mißbrauch schließlich versteht man die „Einbeziehung von abhängigen, entwicklungsmäßig unreifen Kindern und Jugendlichen in sexuelle Aktivitäten, die sie nicht wirklich begreifen können, in die sie nicht auf der Basis eines informierten Einverständnisses einwilligen können oder die die sozialen Tabus von Familienrollen verletzen“ Sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenem und Kind finden in einem Abhängigkeitsverhältnis statt, in dem es um die Bedürfnisbefriedigung des Mächtigeren geht, die über ein Geheimhaltungsgebot, meist verbunden mit Drohungen, durchgesetzt wird.

In den meisten Fällen finden sexuelle Übergriffe auf Kinder im sozialen Nahbereich, insbesondere in der Familie bzw. innerhalb von Verwandtschaftsbeziehungen statt In großem Umfang handelt es sich dabei um länger andauernde Beziehungen zwischen Kind und Erwachsenem. Der Mißbrauch beginnt häufig bereits im Vorschulalter und dauert, laut Fürniss, in 63 Prozent aller Fälle zwei bis fünf Jahre Je mehr Fälle bekannt werden, desto deutlicher zeichnet sich ab, daß Jungen ebenso betroffen sind wie Mädchen. Die mißbrauchenden Erwachsenen sind jedoch nach jetzigem Kenntnisstand überwiegend Männer.

Sexueller Mißbrauch als Mißhandlungsform ist lange unterschätzt worden. Dies mag daran liegen, daß auch hier meist keine sichtbaren Verletzungen vorliegen, und daß es darüber hinaus Geheimhaltungsmechanismen innerhalb der Familie gibt, aber auch daran, daß sexuelle Beziehungen zu Kindern in der Familie hochgradig tabuisiert sind. Sie werden verdrängt und als scheinbar einzelne in den Medien in skandalisierender Form dargestellte Entgleisungen anormaler Triebtäter heruntergespielt. Mittlerweile ist die öffentliche Aufmerksamkeit für sexuellen Mißbrauch enorm gestiegen. Diese notwendige und wichtige Beachtung des Themas bringt jedoch die Gefahr einer Hierarchisierung von Gewalt gegen Kinder mit sich. Sexueller Mißbrauch wird so zum „gemeinsten Verbrechen“. Allzu leicht geraten dann die mit ebenso gravierenden Folgen für das betroffene Kind einhergehenden schweren körperlichen und psychischen Mißhandlungen und insbesondere die oft lebensbedrohliche Vernachlässigung kleiner Kinder aus dem Blick. 3. Vorkommenshäufigkeit Von der Polizeistatistik in Deutschland werden für schwere körperliche Mißhandlungen nach Engfer ca. 1 200 Fälle pro Jahr ausgewiesen 16). Dabei muß man jedoch mit einer hohen Dunkelziffer rechnen, die je nach Autor zwischen 1 : 10 und 1 : 20 angenommen wird. Im Bereich des sexuellen Mißbrauchs werden jährlich 12 000 Fälle pro Jahr in der Bundesrepublik polizeilich registriert, worin allerdings auch weniger schädigende Formen sexueller Aktivitäten, z. B. Exhibitionismus, enthalten sind. Auch hier muß man, vor allem bei innerfamilialem sexuellem Mißbrauch, mit einer erheblichen Dunkelziffer rechnen, die wiederum unterschiedlich hoch veranschlagt wird.

Psychische Mißhandlung und Vernachlässigung sind bis auf wenige Extremfälle nicht polizeistatistisch erfaßt.

Es ist bekannt, daß von körperlicher Mißhandlung besonders häufig kleine Kinder zwischen zwei und vier Jahren betroffen sind. Sie befinden sich in einer schwierigen Entwicklungsphase, die unter bestimmten familiären Umständen die Eltern überfordert. Körperliche Mißhandlung ist von daher eine Mißhandlungsform, die im Laufe der Entwicklung der Kinder in einer Familie verschwinden oder aber in die weniger auffällige psychische Mißhandlung übergehen kann. Sexueller Mißbrauch beginnt, wie erwähnt, ebenfalls bereits im Vorschulalter und ist gerade durch die häufig lange Dauer der Mißhandlungsbeziehung charakterisiert.

Zahlenangaben, vor allem wo sie sich auf polizeilich registrierte Fälle beziehen, können kaum das eigentliche Ausmaß der Kindesmißhandlung verdeutlichen. Wenn überhaupt, kommen eher schwere Fälle zur Anzeige und der mittlere und untere Bereich des Gewaltkontinuums, von dem ausgegangen werden muß, bleibt im Dunkeln. Wie häufig z. B. auch in sogenannten Normalfamilien Kinder geschlagen werden, machen Untersuchungen von Engfer 17) deutlich, in denen zwei Drittel aller bef deutlich, in denen zwei Drittel aller befragten Eltern angaben, gelegentlich zu prügeln, und es in zehn Prozent aller Familien zu häufigerem Prügeln unter Zuhilfenahme von Stock, Gürtel o. ä. kam. Eine zweite Studie erbrachte sogar bei 16 Prozent aller befragten Familien Gewalt-probleme. Diese Untersuchungen verweisen darauf, daß es sich bei Kindesmißhandlung nicht um ein gesellschaftliches Randproblem handelt. Ebenfalls wird in diesen und anderen Untersuchungen deutlich, daß mit Ausnahme von Vernachlässigung die Kindesmißhandlung kein Problem der sozialen Schichtzugehörigkeit ist. Interessant ist schließlich auch die Beobachtung, daß direkte körperliche Gewalt an Kindern derzeit zurückgeht, während psychische Mißhandlungsformen zunehmen. Dadurch wird der hinter aller Kindesmißhandlung stehende Beziehungskonflikt eindeutiger zum Problem.

III. Erklärungsansätze für Kindesmißhandlung

Sind mißhandelnde Eltern besondere, „abweichende“ Persönlichkeiten, die sich nicht wie „normale“ Eltern ihren Kindern gegenüber verhalten können? Mit einer solchen Auffassung vom „Mißhandlet“ als einer abweichenden Persönlichkeit werden die Ursachen familialer Gewalt auf die gewalttätige Person reduziert, die pathologisiert oder kriminalisiert wird und damit quasi eine Sündenbockrolle für die mit Gewalt gegen Kinder scheinbar nicht belastete Normalfamilie übernimmt. Logisch erscheinende Konsequenzen für die Bewältigung des Problems wären dann die Bestrafung oder medizinische Behandlung des „Täters“.

Oder muß man eher soziale Verhältnisse für die gewaltsam zugespitzten Eltern-Kind-Konflikte verantwortlich machen? In solchen Erklärungsansätzen die zu Recht auf Kinderfeindlichkeit, soziale Armut und vielfältige Belastungen in unserer Gesellschaft aufmerksam machen, werden schlagende Erwachsene und geschlagene Kinder leicht zu gemeinsamen Opfern problematischer Lebensbedingungen, und der Gewalt ausübende Erwachsene wird aus der Eigenverantwortlichkeit für sein Handeln entlassen. Ebensowenig wird erklärbar, über welche vermittelnden Prozesse soziale Belastungen in gewaltförmiges Handeln gegenüber Kindern umgesetzt werden.

Zur Erklärung des Problems der Gewalt gegen Kinder erscheint es uns sinnvoller, nicht auf einzelne determinierende Faktoren zurückzugehen, sondern es als ein Zusammenspiel mehrerer Dimensionen auf einem spezifischen kulturell-historischen Hintergrund zu begreifen.

Mit Reinhart Wolff, einem der „Väter“ der modernen Kinderschutz-Bewegung, möchten wir Kindesmißhandlung daher als „ethnopsychische Störung“ beschreiben, „als ein strukturiertes psychokulturelles Symptomgefüge, ein Muster, das die moderne Gesellschaft ihren Mitgliedern zur Verfügung stellt, um einen besonderen inter-und intrapsychischen Konflikt auszudrücken“ 19). Damit ist gemeint, daß sich im Mißhandlungsgeschehen soziale und psychische Aspekte in einer historisch spezifischen Weise durchdringen. Insbesondere drei Dimensionen sind dabei zu unterscheiden: Gewalt als gesellschaftlicher Code, Veränderungen im Eltern-Kind-Verhältnis sowie Beziehungsstörungen und ihre mehrgenerationale Verknüpfung. 1. Gewalt als gesellschaftlicher Code Mit Wolff kann man davon ausgehen, daß Gewalt gegen Kinder der vom gesellschaftlichen Durchschnitt nur graduell abweichende Ausdruck einer akzeptierten Haltung ist, nach der Schläge oder der Entzug elterlicher Zuwendung durchaus legitim sein können. Darüber hinaus ist die sich als erfolgreich erweisende gewaltsame Ausnutzung von Macht, die berühmte „Ellenbogen-Mentalität", das Ausspielen von Stärke gegenüber dem Unterlegenen, alltägliche Erfahrung. Damit steht ein gesellschaftliches Muster quasi erlaubter Abweichung zur Verfügung: In Krisensituationen, die ganz unterschiedliche Bedingungen haben können, greifen Eltern, die ihre Kinder gewaltsam mißhandeln, zu einem Verhalten, das diesen Code aufgreift. 2. Veränderungen im Eltern-Kind-Verhältnis Von jeher sind die Beziehungen zwischen den Generationen in der Familie durch ein Ungleichgewicht an Macht, Abhängigkeit, Stärke und Kontrolle gekennzeichnet. In diesem Sinn ist Gewalt ein „Strukturmerkmal von Familie schlechthin, in der die Ambivalenzen von Macht und Schutz, Fürsorge und Vernachlässigung eine — jeweils kulturhistorisch überformte — prekäre Balance bilden“

Noch im 19. Jahrhundert war das Generationenverhältnis als ein „besonderes Gewaltverhältnis“ staatlichen Zugriffen entzogen. Über Jahrhunderte war die Familie in Form der patriarchalisch organisier-ten Großfamilie vor allem ein Ort der gemeinsamen Existenzsicherung. Es gab traditionelle Macht-und Aufgabenverteilungen sowohl zwischen den Generationen als auch zwischen den Geschlechtern, und das Verfügungsrecht über die Kinder lag ausschließlich beim Hausherrn. Gewalt über sie ausüben zu können war selbstverständlich und ein rechtsfreier Raum.

Mit dem Aufkommen neuer Produktionsweisen im Zuge der Industrialisierung entwickelten sich neue Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Funktionen der traditionellen Großfamilie (Produktion, Ausbildung, Kinderbetreuung, Krankenpflege u. a. m.) wurden zunehmend zu Aufgaben des Staates. Die heutige Kleinfamilie hat in diesem Prozeß gesellschaftlichen Wandels darüber hinaus viele ihrer traditionellen Anbindungen an das Verwandschaftssystem und andere soziale Systeme wie z. B. Nachbarschaften verloren. Es hat sich, wie Wolff es nennt, ein regelrechter „Sozialisationsverlust“ ergeben, den z. B. eine junge Familie mit kleinen Kindern heute nicht ohne weiteres ausgleichen kann.

Dieser Verlust an traditionellen, festgefügten ökonomischen und sozialen Funktionen und Bindungen der Familie führte zu einem Wandel der Ziele familialen Zusammenlebens: Privatheit, Intimität, persönliches Glück erscheinen als Hauptinteresse der Familie. Zuwendung und persönliche Anerkennung werden als Ausgleich für eine als unpersönlich, kalt oder gar feindlich erlebte Außenwelt erhofft. Gerade aufgrund ihrer Abkoppelung von fundamentalen materiellen und sozialen Funktionen wird diese Hoffnung aber häufig zu einem nicht einlösbaren Ideal, dessen Nichterreichbarkeit als persönliches Scheitern begriffen wird.

Zugleich ist „der moderne Staat heute in der Familie mehr zu Hause als je zuvor; ... im Sinne konkreter Leistungsstandards, die die Familien anstreben und erfüllen müssen, wenn sie nicht öffentlicher Aufsicht, Gesetzgebung und vielleicht radikalen Eingriffen in die Familienstruktur und das Familienleben unterworfen werden wollen“

Verändert hat sich in diesem Prozeß insbesondere auch das Geschlechter-und Generationenverhältnis. Verbindliche Werte und Rollenzuweisungen fehlen, emotionale Erwartungen aneinander wachsen. Vielfältigste Bindungsformen scheinen mög-lieh: Kinder kann man alleine erziehen, Ehen auf Zeit führen, den Zeitpunkt der Mutter-oder Vaterschaft bewußt planen, und dies alles verändert auch die Einstellung zum Kind: — Einerseits ist das Kind ein Kostenfaktor, für dessen Versorgung und Erziehung die isolierte Klein-familie nicht mehr auf „familiales Pflegepersonal“ zurückgreifen kann. Zugleich wird es häufig zum Störfaktor der über Gefühle definierten Bindung an den Partner, scheint die Erwartungen emotionaler Nähe in der Partnerschaft und damit die Partnerschaft selbst zu gefährden. — Andererseits wird dem Kind in der Familie immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Es wird in einer Zeit der Verunsicherung über Formen des Zusammenlebens zur sinnstiftenden Instanz, zur „letzten verbliebenen, unaufkündbaren, unaustauschbaren Primärbeziehung. Partner kommen und gehen. Das Kind bleibt“

Die damit einhergehende gesteigerte Ambivalenz, das enge Nebeneinander von Liebe, Bindung, Aggression, Wut und Ablehnung im Eltern-Kind-Verhältnis und die Tatsache, daß die Balance der Beziehung zwischen Kindern und Eltern immer schwieriger wird, verweist auf die tendenzielle Überforderung von Familien, mit den Folgen des gesellschaftlichen Wandels im scheinbar privaten Raum fertig zu werden. Kindesmißhandlung kann als extremer Ausdruck dieser Überforderung verstanden werden.

Einen empirischen Beleg finden diese Prozesse z. B. in einer Untersuchung von Gehmeier und Engfer Gewaltbelastete Familien unterscheiden sich demnach von anderen insbesondere dadurch, daß diese Eltern häufig depressiv, nervös und erschöpft sind. Vor allem die Zeit nach der Entbindung stellt sich als besonders kritisch dar, wenn die junge Mutter mit ihrer körperlichen und psychischen Erschöpfung ohne Unterstützung bleibt und so für das Kind weniger verfügbar ist, es zunehmend als „schwierig“ empfindet. Dazu kommt als wichtigster Belastungsaspekt in Familien mit Gewaltproblemen eine konfliktträchtige Partnerbeziehung, in der die Ehepartner einander wenig Unterstützung geben können. Ein Kind, das dann Ausgleich und Trost für die enttäuschten Erwartungen der Ehepartner aneinander sein soll, muß zwangsläufig mit seinen eigenen Entwicklungsbedürfnissen die Eltern überfordern und wird zum Sündenbock, provoziert das aggressive Agieren der Eltern. 3. Beziehungsstörungen und ihre mehrgenerationale Verknüpfung In den zuletzt genannten Aspekten kündigt sich die individuelle Seite des Problems „Kindesmißhandlung“ bereits an: Biographien mißhandelnder Erwachsener zeigen, daß diese häufig in der frühesten Kindheit selbst Erfahrungen mangelnder Zuwendung (Unterversorgung/Ablehnung/sexuelle und/oder körperliche Gewalt) gemacht haben. Solche Erfahrungen werden verarbeitet, indem sich das Kind mit den aggressiv-unterdrückenden Elternobjekten identifiziert. Dadurch entsteht ein Gefühl der eigenen Wertlosigkeit. Ein auf Anforderungen von außen flexibel reagierendes Ich kann in diesem Prozeß nicht entwickelt werden. Vielmehr entsteht in der späteren Partnerschaft und in der Beziehung zu den Kindern der Wunsch, von dort für eigene Frustrationen und Entbehrungen einen Ausgleich zu erhalten. Die Eltern begegnen einander als emotional besonders bedürftig, mit ängstigenden Erfahrungen aus der eigenen Lebensgeschichte: „Die faktischen Eltern sind elternlose Kinder . . . Nicht von ungefähr erwarten Eltern, die ihre Kinder mißhandeln, wie immer wieder beobachtet wird, von ihren Kindern ständig zuviel und zu früh. Gewissermaßen sollen die Kinder die Eltern versorgen. Die Mißhandlungsfamilie steht beziehungsdynamisch auf dem Kopf: Die Kinder sollen wie Erwachsene sein und ihre Eltern aus deren infantilen Konflikten erlösen. Aus dieser Unmöglichkeit erwächst eine permanente Störung der Beziehung, da die notwendig enttäuschten Erwartungen der Eltern in Aggressionen gegen das Kind umschlagen.“ Hier schließt sich der Kreis der Gewalt aufs Neue.

Trotz des Ausfalls oder des Mißbrauchs elterlicher Funktionen sind mißhandelte Kinder dann eng an ihre Eltern gebunden. Immer wieder fällt eine für den Außenstehenden überraschende Anhänglichkeit der Kinder an ihre Eltern auf. Das Kind befindet sich hier in einem großen Konflikt. Die einzigen Personen, von denen es Hilfe und Schutz erwarten kann, sind gleichzeitig die, die ihm Gewalt antun. Aus diesem Grund ist das Kind innerlich sogar bereit, eigenes Fehlverhalten als Grund für die Mißhandlung anzunehmen. Diese Haltung verstärkt wiederum die Loyalität zu den Eltern, und es wundert nicht, daß mißhandelte Kinder nur selten Außenstehenden erzählen, wer sie zugerichtet hat.

Bei der überwiegenden Mehrheit der mißhandelten Kinder sind schließlich gravierende Beeinträchtigungen in der psychischen und sozialen Entwick-lung zu beobachten. Ein gestörtes Selbstgefühl, Lern-und Verhaltensstörungen, Schuldgefühle, Depressivität oder Aggressivität sind nur einige der mit Kindesmißhandlung einhergehenden Folgeerscheinungen -

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß im Falle einer Kindesmißhandlung all diese Faktoren Zusammentreffen: die gesellschaftlich vorhandenen gewaltförmigen Konfliktlösungsmuster, der besondere Druck, der auf der Sozialisationsinstanz Familie heute lastet, sowie die in ihrer eigenen Beziehungsgeschichte geschädigte Persönlichkeit, der weniger als anderen Menschen Ressourcen zur Verfügung stehen, flexibel auf Ereignisse und Belastungssituationen in der Entwicklung der Familie zu reagieren und sich mit ihr zu entwickeln. War Gewalt gegen Kinder früher direkter Ausdruck eines unhinterfragten Machtmonopols im Generationen-und Geschlechterverhältnis, das die Zurichtung von Kindern legitimierte, so kann sie heute als Symptom der Verunsicherungs-und Sinnentleerungserscheinungen der modernen Familie, als „Ausdruck der Krise privater Reproduktionsprozesse“ verstanden werden, als ein Signal für Hilflosigkeit und Überforderung der Eltern, die — und da greifen sie allerdings auf traditionelle Muster zurück — ihre eigene subjektiv erlebte Belastung und Ohnmacht am objektiv schwächeren Kind gewaltsam ausleben. Es handelt sich um „ohnmächtige Gewalt“ „Kindesmißhandlung ist mehr als bloße Herrschaft übers Kind. Es ist ein Scheitern beim Versuch, die eigenen aggressiven Neigungen und Erfahrungen zu bewältigen und den belastenden Druck sozialer Notlagen und gesellschaftlicher Zwänge auszuhalten und zugleich den Bedürfnissen und dem Begehren des Kindes zu entsprechen, ihnen aber auch im Interesse der Förderung der kindlichen Entwicklung entgegenzutreten.“

IV. Das Problem in der Öffentlichkeit

Es gibt wenige Probleme, die so heftige Gefühle auslösen wie Kindesmißhandlungen. Die öffentliche Reaktion auf einen bekannt gewordenen Mißhandlungsfall ist meist gekennzeichnet durch Hilflosigkeit, Abscheu und Empörung: Das Kind muß gerettet, es inuß den Eltern weggenommen werden, und die Eltern müssen bestraft werden! Dabei fällt auf, daß es sich bei den an die Öffentlichkeit gelangenden Fällen fast immer um schwere bis schwerste Kindesmißhandlung handelt, die sich ja — wie oben erwähnt — als von zahlenmäßig geringerer Bedeutung erweisen. Neben der empörten und nach harten Strafen rufenden Reaktion wird alltägliche Gewalt zwischen Eltern und Kindern auch ignoriert bis hin zum Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen von deutlichen Anzeichen für eine Mißhandlung — u. a. auch in Schulen, Kindergärten, Arztpraxen, Krankenhäusern und psychosozialen Einrichtungen.

Beide Reaktionen verweisen auf die allgemeine und die persönliche Schwierigkeit der Auseinandersetzung mit Kindesmißhandlung: Jeder, der ein Kind hat, weiß, wie belastend das Eltern-Kind-Verhältnis manchmal sein kann, wie oft auch „normale“ Eltern kurz davor stehen durchzugreifen, und wie sehr sie von Selbstzweifeln geplagt werden, ob sie der Aufgabe, Eltern zu sein, gewachsen sind. Kindesmißhandlung stößt eine höchst beunruhigende Betroffenheit an, die man zu vermeiden versucht, indem man das Problem übersieht oder indem man es projektiv den mißhandelnden Eltern als ausgegliederter Gruppe zuschiebt. Hinzu kommt die Angst, sich mitschuldig zu machen, sobald man das Problem zur Kenntnis nimmt.

Nicht unterschätzt werden darf die Verbreitung des Mißhandlungsthemas durch die Medien. In der dramatischen und skandalisierenden Berichterstattung über Gewalt gegen Kinder in weiten Teilen der Presse werden die Akteure stigmatisiert und kriminalisiert, ihre Handlungsweise wird reißerisch dargestellt. Fremdheit, Nicht-Nachvollziehen-Können, Nicht-Verstehen-Wollen sind die Haltungen, die eine derartige Berichterstattung hervorbringt.

Das öffentliche Interesse und Vergeltungsforderungen richten sich dann ausschließlich auf die manifesten Gewalthandlungen. Verursachungszusammenhänge für das im dargestellten Fall ja nur besonders ausgeprägte Scheitern an der schwer erfüllbaren Norm der Gewaltfreiheit geraten dabei aus dem Blick. Daneben ist oft Gleichgültigkeit gegenüber allgemeiner Kinderfeindlichkeit sowie gegenüber schwierigen Lebensbedingungen für Kinder und Familien festzustellen. So werden mißhandelnde Eltern zum Sündenbock.

Ein Klima, in dem ein Vater oder eine Mutter, die ihr Kind mißhandelt haben, mit öffentlichen Angriffen, mit Ablehnung und Verurteilung und vielleicht sogar Trennung der Familie rechnen müssen, trägt dazu bei, daß Familien versuchen, ihr Problem geheim zu halten. Hier beginnt ein Teufelskreis zwischen dem Versagen der innerfamilialen Kommunikation und gesellschaftlicher Isolierung. Betroffenen Familien dabei zu helfen, diesen Teufelskreis zu überwinden, ist eher möglich, wenn die öffentliche Meinung in dieser Frage sich wandelt. Deshalb muß gerade in präventiver Absicht versucht werden, auf breiter Basis ein neues Verständnis der Entstehung familialer Gewalt zu vermitteln. Es gibt zunehmend ermutigende Beispiele für einen Journalismus in Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen sowie in politischen Initiativen, der Kindesmißhandlung in ihrem psychosozialen Kontext darstellt, Verständnis für die Betroffenen vermittelt und adäquate Hilfsangebote aufzeigt. Insbesondere muß hier auch der Einfluß des Deutschen Kinderschutzbundes erwähnt werden, der — indem er einen Wandel von einem eher karitativen, rettungsorientierten Hilfebegriff zu einem Verständnis der der Gewalt zugrundeliegenden Konflikte und des sozialen und gesellschaftlichen Umfeldes und zu einem eher fachlichen Hilfebegriff vollzog — wesentlich zu einer Veränderung der Sichtweise familialer Gewalt und zu einem aktiven Engagement für die Belange von Kindern in der Gesellschaft beitrug

Allerdings ist für den Bereich des sexuellen Mißbrauchs in der Öffentlichkeit und in den Medien (wie auch in der Fachöffentlichkeit) eine neue Tendenz zur Kriminalisierung und zum Ruf nach mehr gesetzlichen Maßnahmen zu beobachten. Kontroversen um dieses Thema sind wichtig für die fachliche Weiterentwicklung auf diesem Gebiet, und sie sind angesichts der Betroffenheit, die das Problem auslöst, und des gegenwärtig ganz unzureichenden Forschungs-und Erkenntnisstandes auch unvermeidlich. Wenn diese Aufmerksamkeit auch grundsätzlich zu begrüßen ist, so ist doch auch hier zu fragen: Hilft die Kriminalisierung den betroffenen Kindern?

Zudem bringt diese Art der Behandlung des The; mas — zugleich mit der Verunsicherung durch AIDS — die Gefahr einer Entwicklung mit sich, in der Affektkontrolle, Selbstdistanzierung und Intellektualisierung in menschlichen Beziehungen belohnt werden. Sexualität, ja vielleicht jeder Bereich unkontrollierter und schwerkontrollierbarer Beziehung, erscheint dann an sich schon als bedrohlich.

V. Strategien zum Kinderschutz

1. Traditionelles und neues Kinderschutzsystem Bezüglich einer angemessenen Kinderschutzpolitik und entsprechender Maßnahmen gibt es Auseinandersetzungen, deren grundlegenden Konflikt man folgendermaßen formulieren kann: Kann eine Gesellschaft das Problem von Kindesmißhandlung überwinden, indem sie eine Strategie gesetzlicher Strafandrohung und Verfolgung der Mißhandler anwendet oder, andererseits, indem sie denen straffreie Hilfe und Unterstützung anbietet, die in ihren Familienbeziehungen scheitern

Die Erfahrungen mit verschiedenen Kinderschutzstrategien in der Bundesrepublik und in anderen europäischen Ländern haben in den letzten Jahren zu folgenden Erkenntnissen geführt: Der Gewalt in der Familie mit gewaltsamen Maßnahmen zu begegnen, d. h. im wesentlichen mit Kontrolle und Entrechtung der Familie (z. B. mit Denunziationskampagnen und Anzeigen, elterlichen Sorgerechtsentzügen ohne den vorherigen Versuch einer Klärung, schneller Fremdunterbringung der Kinder bzw. zwangsweisen Einweisungen in medizinische und psychiatrische Einrichtungen), verschärft nur die bestehende Konfliktsituation, die ohnmächtige Hilflosigkeit, die dann gewaltsam am Schwächsten ausgetragen wird. Nicht selten schließen solche Maßnahmen die Familie nur fester zusammen und lösen Verfolgungsgefühle und entsprechende Aggressionen aus. Die Möglichkeit einer Öffnung und einer Bearbeitung der Schwierigkeiten der Familie mit Hilfe von außen wird dadurch verhindert. Ein Klima der Kriminalisierung erschwert den Zugang zu Hilfe auch und gerade für die betroffenen Kinder, sind sie es doch, die durch existentielle und vor allem emotionale Abhängigkeit und unter Umständen durch Drohungen an die Familie gebunden sind. Oft genug fühlt sich das Kind dann für das Scheitern der Familienbeziehungen verantwortlich und behält bis ins Erwachsenenalter Gefühle von Verstoßenheit und tiefer Schuld zurück. „Erkennen und Helfen bedeutet hier nun nicht Rekonstruktion eines , Tat‘herganges und Identifizierung eines , Täters, z. B. um ihn einer Bestrafung zuzuführen, sondern heißt zum einen, potentiell gefährliche Situationen für Kinder zu erkennen und wirksam zu helfen, ehe es zu Mißhandlungen kommt, und zum anderen, geschehene Mißhandlungen zu erkennen, um durch Hilfen eine Wiederholung zu verhindern. Das heißt nicht, daß Eltern, die ihre Kinder mißhandeln, aus der Verantwortung für ihr Handeln entlassen werden sollen. Es hat sich aber erwiesen, daß bestimmte Bedingungen flexibler und qualifizierter Hilfe zur Verfügung stehen müssen, gerade um Eltern herauszufordem und ihnen zu ermöglichen, sich mit ihrer Familiensituation auseinanderzusetzen.

Diese Erkenntnisse haben eine Kritik des herkömmlichen Vorgehens sozialer Dienste bei Kindesmißhandlung begründet. Sie bezog sich auf: deren Straforientierung, den reaktiven und nicht präventiven Charakter der Interventionen, den Mangel an professioneller Qualifikation, Diagnostik und Forschung im Umgang mit diesem komplexen Problem. Hinzu kommt die Konkurrenz der Maßnahmen und unzureichende Zusammenarbeit verschiedener sozialer Dienste.

Aus dieser Kritik heraus hat sich seit den siebziger Jahren ein alternativer Kinderschutz entwickelt, der zunehmend Anerkennung gefunden hat. So haben sich u. a. das Prinzip Hilfe statt Strafe, die Einsicht, daß Kindesmißhandlung, unbeschadet der bei den Eltern liegenden Verantwortung, Hilfe für Kind und Eltern erfordert, und die Auffassung, daß diese Hilfe spezielle fachliche Qualifikationen und institutioneile Voraussetzungen erfordert, weitgehend durchgesetzt.

Die Kinderschutz-Zentren haben für diese Entwicklung wesentliche Anstöße geliefert, und die für sie geltenden Prinzipien und Arbeitsformen können hier als richtungsweisend aufgeführt werden: Hilfe statt Strafe; Freiwilligkeit statt Kontrolle; verstehen statt Manipulation; aktivieren statt passivieren; Verbund von (ambulanten und stationären) Hilfen statt Zersplitterung; frühe präventive Hilfen anstelle eines Eingreifens im Nachhinein und Ermutigung gesellschaftlicher Selbsthilfe. Konkret bedeuten diese Prinzipien unter anderem: — Der Schutz des Kindes wird in Zusammenarbeit mit den Eltern und der ganzen Familie gesichert; über ein Verstehen des Familienproblems wird versucht, verschüttete Kräfte freizusetzen und das Wohl des Kindes zu sichern. — Bestrafung der Familie (des Täters) ist ausgeschlossen. Dabei muß unterschieden werden zwischen gegebenenfalls notwendigen Interventionen zur Sicherheit des Kindes und straforientierten Maßnahmen. — Das Angebot richtet sich an die hilfebedürftige Familie. Fremdmelder-Kampagnen gehören nicht zum Aufgabenbereich. — Das Hilfsangebot bezieht sich auf die Gesamtheit problematischer Lebensumstände. Es ist in der Regel eine Hilfe im Verbund verschiedener Angebote. Die Aufsplitterung der Hilfe wird vermieden, der fachliche Rat anderer wird gesucht. Die gesonderte Einrichtung von Anlaufstellen erweist sich nicht als sinnvoll.

Die Vertraulichkeit wird streng gewahrt. Kontakte zu Dritten finden nur mit dem Einverständnis und in der Regel im Beisein der Familie statt. 2. Rechtliche Fragen In einem Vergleich der rechtlichen Grundlagen verschiedener Kinderschutzsysteme in Europa und aktueller Reformbemühungen hat Belorgey als allgemeine Tendenz die ethische Unsicherheit herausgestellt. wann es möglich und wünschenswert ist, intrafamiliale Beziehungen zu verrechtlichen. Auf europäischer Ebene geht es dabei um Fragen wie: Soll ein Züchtigungsverbot gesetzlich verabschiedet werden Ist die Einführung einer Meldepflicht sinnvoll oder nicht? Soll eine gerichtliche Intervention bei Kindesmißhandlung systematisch oder fall-abhängig und soll diese zivil-oder strafrechtlicher Art sein? Sollen Maßnahmen sich an Straf-oder Hilfeprinzipien orientieren Die oben genannten Erkenntnisse wie auch die Erfahrung, daß selbst bei Freiheitsstrafen die Anzahl der Wiederholungsdelikte sehr hoch ist, begründen die Aufforderung zu „zusätzlichen Anstrengungen“, die auf folgende Schwerpunkte setzt

Bereitstellung zusätzlicher Mittel insbesondere für präventive Maßnahmen; verstärkte Erforschung des Problemfeldes und angemessener Interventions-und Behandlungsstrategien; Aufbau flexibler niedrigschwelliger Hilfen; Informationspolitik über Hilfeangebote; Verbesserung der Koordinationsund Kooperationsprobleme in diesem Arbeitsbereich; „Humanisierung“ der gerichtlichen Prozeduren (insbesondere in bezug auf die Aussagebedingungen von Kindern und Familienangehörigen), Hilfestellung bei sozialen Krisensituationen, um Familien ein ausreichendes Einkommen und Wohnung zu garantieren.

Zur Zeit gibt es weltweit, in Europa und besonders auch in der Bundesrepublik Bemühungen um eine Anerkennung der Rechte von Kindern. (Dazu gehört die Konvention der UNO über die Rechte des Kindes, zu deren Ratifizierung alle politisch Verantwortlichen aufgefordert sind und der sich eine erweiterte europäische Konvention anschließen soll.) Die Initiative zu einer Neufassung des § 1631(2) BGB im Sinne eines Züchtigungsverbots ist in diesem Zusammenhang zu begrüßen: Ihr geht es nicht darum, neue Strafnormen zu schaffen, die Eltern nur noch mehr unter Druck setzen würden, sondern darum, ein verstärktes Zeichen zu setzen zur Veränderung der Einstellung in der Öffentlichkeit zu Gewaltanwendungen gegenüber Kindern und darum, eindeutigere Leitlinien für die Erziehung von Kindern zu entwickeln.

VI. Sozialpolitische Forderungen

Seit Kinderschutz in den modernen Industriegesellschaften zu einem öffentlichen und politischen Thema geworden ist, stellt sich die Frage der Verantwortung der Gesellschaft gegenüber der heranwachsenden Generation und wie diese Verantwortung ausgefüllt werden sollte. Wir betrachten es als Verpflichtung für Fachleute im Bereich des Kinder-schutzes, die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen an diese Aufgabe zu erinnern, nämlich die Verantwortung nicht nur für den Schutz der Kinder, sondern für die Lebensbedingungen von Kindern und Familien und für die Bereitstellung von Hilfeangeboten wahrzunehmen.

Als Antwort auf die grundsätzliche Frage einer angemessenen Kinderschutzpolitik ist es dringend notwendig, ein Kinderschutzsystem zu fördern und weiterzuentwickeln, das frühe präventive Hilfen anbietet, das auf Vertrauen und Ermutigung für die beruht, die in der Erziehung ihrer Kinder scheitern, das qualitative Therapie an die Stelle krimineller Verfolgung setzt und deshalb Bezogenheit statt Beziehungsbrüchen herstellt — ein System schließlich, das diejenigen, die beruflich mit Gewalt in der Familie zu tun haben, nicht allein läßt, sondern ihnen mehr Fortbildung, Unterstützung, Teamzusammenhänge und Supervision zur Verfügung stellt.

In Anlehnung an die von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Kinderschutz-Zentren und dem Deutschen Kinderschutzbund formulierten Ziele und an von Engfer herausgearbeitete notwendige Präventionsmaßnahmen können konkret folgende Schritte gefordert werden: — schulische Bildungsprogramme über Kindesmißhandlung und -Vernachlässigung sowie sexuellen Mißbrauch; — Erwachsenenbildungsprogramme (besonders in der Eltern-und Familienbildung) zum Themenkreis Kindesmißhandlung und Kinderschutz; — gezielte finanzielle Unterstützung, um eine ausreichende materielle Lebensgrundlage zu schaffen (z. B. ein einkommensabhängiges Kindergeld, Anti-Armuts-Programme); — verstärkte Hilfen für Problem-und Risikogruppen, also umfangreiche Hilfen rund um die Geburt, Entlastungen und Hilfen für Mütter, die nach der Entbindung unter Depressionen und Erschöpfungszuständen leiden, Hilfen für Mütter sogenannter „Schrei-Babies“, Hilfen im ersten Lebensjahr des Kindes, Junge-Familien-Hilfsprogramme, insbesondere für Teenagermütter, Vorbereitung auf anstehende Probleme und Konflikte sowie auf Bewältigungsstrategien in den Partnerschaften junger Paare, flexible Betreuungsangebote für Mütter mit Kindern in der besonders schwierigen Phase des zweiten und dritten Lebensjahres; — verstärkte Öffentlichkeitsarbeit über sanktionsfreie Hilfsmöglichkeiten im Krisenfall, aber auch über Erziehungsvorstellungen, die strenge und perfektionistische Einstellungen abbauen; — Einrichtung von bevölkerungsnahen Krisenhilfezentren in freier Trägerschaft, die über ambulante und stationäre Angebote verfügen (wie sie die Kinderschutz-Zentren darstellen) sowie Ausbau spezifisch qualifizierter Beratungsstellen; — Maßnahmen im Bereich der Ausbildung und der Fortbildung, die zu einer Qualitätsverbesserung in der Arbeit vor allem der sozialen Dienste sowie der Kinderärzte in der Klinik und freier Praxis führen und die die interdisziplinäre Zusammenarbeit stärken; — Erstellung regionaler Hilferegister, um die ambulante und stationäre Hilfepraxis in den einzelnen Regionen zu verbessern und übersichtlicher zu machen sowie — Förderung gezielter Forschungen. „Erst die Analyse der gesellschaftlichen Situation von Kindern zeigt, in welchem Maße Kinder als öffentliches Gut respektiert, Ressourcen und Lebenschancen für Kinder und Familien politisch bereitgestellt und verantwortet werden. Insofern wird die historische Ordnung des sozialen Status von Kindheit zum Indikator für die Lebensqualität einer Gesellschaft.“

Fussnoten

Fußnoten

  1. S. Pfohl, Die ‘Entdeckung’ der Kindesmißhandlung, in: F. W. Stallberg/W. Springer (Hrsg.), Soziale Probleme. Grundlegende Beiträge zu ihrer Theorie und Analyse, Neuwied-Darmstadt 1983, S. 156.

  2. W. Brinkmann/M. S. Honig, Umrisse eines Kinderschutzes als sozialpolitische Praxis, in: dies. (Hrsg.), Kinderschutz als sozialpolitische Praxis, München 1984, S. 10.

  3. Vgl. J. Caffey, Traumatic Lesions in Growing Bones Other than Fractures and Lesions: Clinical and Radiological Features, in: British Journal of Radiology, 30(1957).

  4. Vgl. E. Bujok-Hohenauer, Gewalt gegen Kinder: Zum Stand von Forschung und Praxis, in: M. S. Honig (Hrsg.), Kindesmißhandlung, München 1982, S. 13— 52.

  5. Vgl. S. Pfohl (Anm. 1). S. 158.

  6. Vgl. A. Engfer, Kindesmißhandlung. Ursachen, Auswirkungen, Hilfen, Stuttgart 1986. Auf die Implikationen, die mit der Verwendung unterschiedlicher Mißhandlungsbegriffe verbunden sind, geht Engfer in Kapitel 1 ein.

  7. Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit (BMJFFG) (Hrsg.). Kindesmißhandlung — Erkennen und Helfen. Eine praktische Anleitung, Bonn 19843. Diese von Autoren des Kinderschutz-Zentrums Berlin erarbeitete Anleitung hat mit einer Gesamtauflage von 90 000 eine weite Verbreitung gefunden.

  8. A. Engfer, Entwicklung von Gewalt in sogenannten Normalfamilien. Alltägliche Wege zur Hilfe. Vortrag auf der Fachtagung des Deutschen Kinderschutzbundes über „Gewalt gegen Kinder in der Familie“ am 27. April 1990 in Bonn, unveröffentlichtes Vortragsmanuskript. S. 2.

  9. Wir orientieren uns hier an der Unterscheidung in A. Engfer (Anm. 6).

  10. Zit. nach A. Engfer (Anm. 6).

  11. A. Engfer (Anm. 8), S. 12.

  12. Ebd., S. 13.

  13. R. S. Kempe/C. H. Kempe, Kindesmißhandlung, Stuttgart 1980, S. 62.

  14. Laut einer empirischen Untersuchung aufgrund klinischen Datenmaterials sind 90 Prozent aller mißbrauchenden Erwachsenen Verwandte, davon je ein Drittel Vater bzw. Stiefvater und ein Drittel sonstige Verwandte, z. B. ältere Geschwister, Großvater u. ä. Vgl. dazu T. Fürniss, Diagnostik und Folgen bei sexueller Mißhandlung, in: Monatszeitschrift für Kinderheilkunde, 134 (1986). S. 335-340.

  15. Vgl. ebd.

  16. Vgl. die Darstellung der Ergebnisse in ebd. Mit „Normalfamilien“ sind dabei gerade nicht randständige oder durch besondere Risikomerkmale charakterisierte Familien gemeint.

  17. Vgl. dazu z. B. D. G. Gil, Societal Violence and Violence in Families, in: ders. (Ed.), Child Abuse and Violence, New York 1979.

  18. T. Levold/E. Wedekind, Gesellschaftliche Bedingungen und szenische Muster familialer Gewalt, in: W. Graf/K. Ottomeyer, Szenen der Gewalt, Wien 1989, S. 64.

  19. Vgl. R. Wolff, 10 Jahre Erfahrung mit neuer Kinderschutzarbeit, in: Ministerium für Soziales und Familie Rheinland-Pfalz (Hrsg.), Kindesmißhandlung. Dokumentation der Fachtagung „Aufklärung und Verhütung“, Mainz 1985.

  20. R. Bacon. Sozialhistorische Bemerkungen zur Diskussion über familiale Gewalt, in: A. Bernecker/W. Merten/R. Wolff (Hrsg.) (Anm. 19), S. 60.

  21. U. Beck, Risikogesellschaft, Frankfurt/Main 1986, S. 193.

  22. Vgl. die Darstellung in: A. Engfer (Anm. 8).

  23. J. Beiderwieden/E. Windaus/R. Wolff, Jenseits der Gewalt. Hilfen für mißhandelte Kinder, Basel—Frankfurt 1986, S. 261.

  24. In manchen Fällen müssen deshalb auch das Wohl des Kindes und seine weitere Entwicklung durch Fremdunterbringung gesichert werden.

  25. H. Bast/A. Bernecker/I. Kastien/G. Schmitt/R. Wolff (Hrsg.), Gewalt gegen Kinder. Kindesmißhandlungen und ihre Ursachen, Reinbek 1975, S. 293.

  26. Vgl. R. Wolff (Anm. 19).

  27. M. S. Honig/R. Wolff, Neue Kinderschutz-Arbeit in der Bundesrepublik — eine Zwischenbilanz, in: Soziale Arbeit, 32(1983) 12, S. 614.

  28. Vgl. dazu Deutscher Kinderschutzbund (Hrsg.). Schützt Kinder vor Gewalt. Vom reaktiven zum aktiven Kinder-schutz. Weinheim —Basel 1983; W. Wilken. Zwischen Philanthropie und Sozialpolitik. Zur Geschichte des Deutschen Kinderschutzbundes, in: W. Brinkmann/M. S. Honig (Hrsg.) (Anm. 2). S. 97-124.

  29. Vgl. dazu T. Lcvold. Contextual Thinking in Child Protection Work, Vortrag auf der 2. Europäischen Kinder-schutz-Tagung in Brüssel am 24. April 1989, unveröffentlichtes Vortragsmanuskript, S. 1.

  30. BMJFFG (Anm. 7). S. 1.

  31. Das erste Kinderschutz-Zentrum entstand 1975 in Berlin. Inzwischen bestehen Kinderschutz-Zentren auch in Bremen, Gütersloh. Hamburg. Heidelberg. Kiel. Köln. Mainz und München. Lübeck und Stuttgart stehen kurz vor der Eröffnung.

  32. J. -M. Belorgey. Lespolitiques Sociales Europdcnnes, in: espace social. Sonderausgabe: L’Enfant en Danger et l’Aide Educative en Faveur de la Familie. (1990). S. 13— 24.

  33. Ein Züchtigungsverbot wurde bisher nur in den skandinavischen Ländern verabschiedet.

  34. Solche Fragen der Bedeutung, der Widersprüche und der Auswirkungen von Kinderschutzsystemen in Konzept und Praxis wurden auf dem 8. Internationalen Kongreß der International Society for Child Abuse and Neglect vom 2. bis 6. September 1990 in Hamburg erörtert. Dieser Kongreß ist von der Bundesarbeitsgemcinschaft der Kinderschutz-Zentren ausgerichtet und von der Bundesregierung mitgefördert worden.

  35. J. M. Belorgey (Anm. 34), S. 22ff.

  36. Dieses Verbot des elterlichen Züchtigungsrechts und eine entsprechende Änderung des § 1631(2) BGB forderte die von der Bundesregierung eingesetzte Gewaltkommission in ihrem Abschlußbericht. Dementsprechend haben die Kinderkommission des Deutschen Bundestages, der Deutsche Kinderschutzbund und zahlreiche Fachverbände vorgeschlagen.den bisherigen Wortlaut des § 1631(2) „Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen sind unzulässig“ zu konkretisieren durch die Formulierung „Kinder sind gewaltlos zu erziehen. Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, insbesondere körperlich und seelisch verletzende Strafen, sind unzulässig.“

  37. Vgl. Kinderschutz-Zentrum Köln, Familienorientierter Kinderschutz. Grundlagen und Erfahrungen. Köln 1988.

  38. Vgl. Deutscher Kinderschutzbund (Hrsg.), Hilfe statt Gewalt. Die Erklärung des Deutschen Kinderschutzbundes zur gewaltsamen Beeinträchtigung von Kindern in Familien. Hannover 1989.

  39. Vgl. A. Engfer (Anm. 8), S. 16.

  40. W. Brinkmann/M. S. Honig (Anm. 2), S. 41.

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