Mitbestimmung in Europa in den neunziger Jahren. Bestandsaufnahme, Konzepte und Perspektiven
Hubert Krieger
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Zusammenfassung
Die gesetzliche Regelung der Arbeitnehmerbeteiligung in Europa ist einer der schwierigsten Politikbereiche. Hier sind in den letzten 20 Jahren zahlreiche Initiativen gescheitert. Mit der Vorlage der Sozialcharta und veränderter ökonomischer Rahmenbedingungen steht das Thema Mitbestimmung jedoch wieder auf der politischen Agenda in Europa. Der Umfang gesetzlicher Regelungen variiert hierbei beträchtlich zwischen den einzelnen Mitgliedsländern. Dies hat auch einen unmittelbaren Einfluß auf die Verbreitung repräsentativer Arbeitnehmerbeteiligung in Europa. Schätzungen ergeben, daß ca. 47 Prozent aller abhängig Beschäftigten eine betriebliche Interessenvertretung besitzen. Die Intensität der Beteiligung hat jedoch erhebliche Defizite, vor allem im strategischen unternehmerischen Bereich. Bei der Analyse verschiedener Formen direkter Arbeitnehmerbeteiligung in Europa ist die Datenlage äußerst schwierig. Unter Auslassung verschiedener Formen finanzieller Partizipation sind aufgrund erster Schätzungen nur 2, 5 Prozent aller Arbeitnehmer hiervon erfaßt. Die Bewertung der bestehenden Partizipationspraxis deutet auf ein zentrales Dilemma des Managements (vor allem hinsichtlich von Effizienz und Entscheidungskompetenz) sowie auf übersteigerte Befürchtungen der Gewerkschaften im Hinblick auf Formen direkter Arbeitnehmerbeteiligung hin.
I. Die politische Debatte zur Arbeitnehmerbeteiligung in den EG-Mitgliedstaaten
Die gesetzliche Regelung der Beteiligung von Arbeitnehmern an Untemehmensentscheidungen ist seit mehr als zwei Jahrzehnten einer der schwierigsten und widerspenstigsten Bereiche europäischer Sozialpolitik. Die zentralen Gesetzesinitiativen der EG-Kommission, das Statut der Europäischen Aktiengesellschaft, die 5. Richtlinie und die Vredeling-Richtlinie zur Arbeitnehmerbeteiligung in komplexen Unternehmen wurden 1970, 1972 und 1980 durch die EG-Kommission erstmals vorgelegt und haben trotz zahlreicher Modifikationen bisher den Ministerrat nicht passiert
Abbildung 6
Abb. 6: Verbreitungsgrad direkter Arbeitnehmer-beteiligung in der Europäischen Gemeinschaft
Abb. 6: Verbreitungsgrad direkter Arbeitnehmer-beteiligung in der Europäischen Gemeinschaft
Kleinere Erfolge hingegen konnte die EG-Kommission bei der Information, Konsultation und Partizipation bei spezifischen Aspekten der Arbeitnehmerbeteiligung erreichen. Hierunter fallen die Richtlinien zur Massenentlassung von 1975, die Richtlinie zum Zusammenschluß von Unternehmen von 1977 und die Rahmenrichtlinie zum Arbeits-und Gesundheitsschutz von 1989 Die siebziger und achtziger Jahre waren somit aus der Sicht des europäischen Gesetzgebers wenig erfolgreich. Im Zusammenhang mit der Vollendung des Binnenmarktes bis Ende 1992 hat jedoch auch die sozialpolitische Diskussion und damit die Diskussion über Arbeitnehmerbeteiligung in Europa wieder an Gewicht gewonnen. Für einen Teil des Ministerrates, die EG-Kommission, die Gewerkschaften und eine überwiegende Mehrheit im Europaparlament kann sich der Prozeß der europäischen Integration nur als gleichgewichtiger -Prozeß einer ökonomi schen und sozialen Integration vollziehen. Die Arbeitnehmerbeteiligung in Betrieb und Unternehmen ist hierbei ein zentraler Bestandteil der sozialen Dimension des Binnenmarktes Dem wird ansatzweise in der Sozialcharta vom Dezember 1989 und im Arbeitsprogramm zur Implementierung der Sozialcharta Rechnung getragen. Hiernach ist die EG-Kommission bis Ende 1992 verpflichtet, die bestehenden Vorschläge zur Arbeitnehmerbeteiligung weiterhin zu verfolgen und zwei neue Rechtsinstrumente zur Mitbestimmung in multinationalen Konzernen und zur finanziellen Partizipation, d. h. zur Gewinnbeteiligung und zur Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivkapital, auszuarbeiten. Zur Mitbestimmung in multinationalen Konzernen hat die Kommission im Dezember 1990 bereits einen neuen Vorschlag vorgelegt. Ein Vorschlag zur finanziellen Mitbestimmung wird bis Ende 1991 erwartet. Das Thema Mitbestimmung ist somit wieder auf der politischen Agenda in Europa.
Ein wichtiger Grund für den „zähen“ Fortschritt auf europäischer Ebene ist die Ausgangslage in den Mitgliedsländern. Die Situation ist hinsichtlich der erheblichen Unterschiede in den Regelungsformen, der Ausprägung der betrieblichen Praxis, der strategischen Position der Sozialpartner in den einzelnen Ländern sowie der politischen Einschätzung nationaler Regierungen äußerst verworren. Die Regelungsformen variieren zwischen eher legalistischen (Frankreich, Bundesrepublik, Niederlande) und voluntaristischen Systemen (Großbritannien, Irland, Dänemark). In der Ausformung der Arbeitnehmerbeteiligung werden von den Unternehmern in der Regel direkte Beteiligungsformen und von den Gewerkschaften indirekte, repräsentative Mitbestimmungsformen bevorzugt. In einigen Fällen wird das eine Modell gegen das andere Modell ausgespielt und bewußt zur Schwächung der Gegenseite eingesetzt. In anderen Fällen finden sich Beispiele einer erfolgreichen Kombination beider Beteiligungsformen. Auch die Intensität der Arbeitnehmerbeteiligung variiert beträchtlich: Hier besteht weiterhin ein erhebliches Nord-Süd-Gefälle innerhalb der Europäi-sehen Gemeinschaft Dies gilt auch für die strategischen Bereiche der Arbeitnehmerbeteiligung. Nur in Nord-und Mitteleuropa findet in nennenswertem Maße Arbeitnehmerbeteiligung bei strategischen Unternehmensentscheidungen statt, während vor allem in Portugal, Griechenland. Spanien und Frankreich dieser Bereich weitgehend aus der Arbeitnehmerbeteiligung ausgeblendet wird. 1. Anstöße für eine verstärkte Diskussion Die Diskussion über erweiterte Partizipationsrechte der Arbeitnehmer wird jedoch nicht nur durch die verstärkte sozialpolitische Debatte in der Europäischen Gemeinschaft, sondern auch durch ökonomische und technische Veränderungen positiv beeinflußt. Die zunehmende Internationalisierung wirtschaftlicher Aktivitäten führt in vielen Unternehmen zu einer Verlagerung wichtiger Entscheidungen von der nationalen auf die internationale Ebene. Gleichzeitig bleiben die bestehenden Mitbestimmungsregelungen, die den Arbeitnehmervertretern nur auf nationaler Ebene Beteiligungsrechte zugestehen, unverändert. Aus gewerkschaftlicher Sicht ergibt sich aus der Internationalisierung somit eine Aushöhlung bestehender Mitbestimmungsrechte, die durch erweiterte Regelungen für multinationale Konzerne auf europäischer Ebene ausgeglichen werden sollten.
Einen weiteren Anstoß erhält die Partizipationsdiskussion durch die Veränderung des Produktionsprozesses in einigen Kernbereichen Die optimale Nutzung des Produktivitäts-und Flexibilitätspotentials neuer Informationstechnologien setzt in vielen Fällen eine grundlegende Veränderung des Produktionsprozesses voraus, um die Konkurrenzfähigkeit der europäischen High-Tech-Industrie auf den Weltmärkten gegenüber der japanischen und US-amerikanischen Konkurrenz aufrechterhalten zu können. Dies führt in vielen Fällen zur Veränderung tayloristischer Strukturen und zum Aufbau neuer, flexibler Produktionssysteme. Diese Produktionssysteme erfordern eine verstärkte Einbeziehung der Arbeitnehmer. Teilautonome Arbeitsgruppen, Qualitätszirkel, „total quality management“ und „Unternehmenskultur“ sind Konzepte im betrieblichen Bereich, die die Identifikation und Motivation der Arbeitnehmer steigern und somit zu einer Verbesserung von Produktionsprozeß und Produktqualität sowie zu einer erhöhten Flexibilität des Unternehmens beitragen sollen.
Ein drittes Moment ist die zunehmende Bedeutung der Produkt-und Dienstleistungsqualität für die mittel-und langfristige Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen 6) -Die japanische Herausforderung hat gezeigt, daß Konkurrenz auf wichtigen Märkten eher über konstant hohe Produktqualität als über den Preis hergestellt wird. Ein wichtiger Bestandteil eines kostengünstigen Qualitätsmanagements ist die volle Einbeziehung jedes einzelnen Arbeitnehmers in diesen Prozeß. Dies kann ohne eine gut organisierte direkte Arbeitnehmerbeteiligung in der Regel nicht erreicht werden. 2. Barrieren Trotz positiver politischer, technischer und ökonomischer Trends gibt es weiterhin vier Hauptbarrieren für einen Ausbau von Mitbestimmungsregelungen. Der Ausbau direkter und repräsentativer Arbeitnehmerbeteiligung kann zwar einerseits zu einer Verbesserung der Marktposition und der Rentabilität des Unternehmens führen, gefährdet aber andererseits den Handlungs-und Entscheidungsspielraum des Managements Die Verschiebung der Machtbalance im Betrieb bleibt aus der Sicht des Managements ein zentrales Argument gegen jede erweiterte Arbeitnehmerbeteiligung. Dies gilt auch für die direkte Arbeitnehmerbeteiligung, die zu erheblichen Rollenkonflikten des Mittelmanagements führen kann und sich damit langfristig auch negativ auf die Machtposition des Topmanagements auswirken würde.
Eine zweite wichtige Barriere ist die Schwäche der Gewerkschaftsbewegung in einigen europäischen Ländern, die eine effektive Arbeitnehmerbeteiligung an zentralen Unternehmensentscheidungen nicht zuläßt. Mangelnde Kompetenz und ein Mangel an Ressourcen verhindern jedwede effektive Beteiligung Wenn effektive Beteiligung auf betrieblicher Ebene nicht möglich ist. dann besteht die Gefahr, daß die Mitbestimmung zu einem bürokratischen Machtinstrument verselbständigter Gewerkschaftsfunktionäre auf nationaler Ebene degeneriert.
Antagonistische industrielle Beziehungen sind eine weitere Barriere. Effektive Mitbestimmung für beide Seiten setzt ein Mindestmaß an Konsens zwischen den Sozialpartnern voraus. Wenn dieser Konsens nicht gegeben ist. wird jeder Versuch der Veränderung von Mitbestimmungsregelungen nur als eine Verschiebung des Machtgleichgewichts zwischen den Sozialpartnern gesehen und in der Regel von der einen oder anderen Seite verhindert.
Eine vierte Barriere sind ideologische Grundpositionen nationaler Regierungen in der Europäischen Gemeinschaft. Bestes Beispiel ist der Kreuzzug der Thatcher-Regierung gegen die britischen Gewerkschaften. Die Auswirkung auf europäischer Ebene war, daß alle Initiativen der EG-Kommission zur Ausdehnung der Arbeitnehmerbeteiligung von Seiten der britischen Regierung mit dem Argument abgelehnt wurden, daß man in Großbritannien zehn Jahre lang die Macht der Gewerkschaften nicht eingedämmt hätte, um sie durch die Hintertür Europa wieder zu stärken. Für den politischen Entscheidungsprozeß auf europäischer Ebene bedeutet dies, daß sämtliche Initiativen der EG-Kommission bisher am Veto der britischen Regierungsvertreter im Ministerrat gescheitert sind. Ob durch eine institutioneile Reform der Europäischen Gemeinschaft erreicht werden kann, daß auch für Entscheidungen im Bereich der Arbeitnehmerbeteiligung eine qualifizierte Mehrheit im Ministerrat genügt, bleibt abzuwarten. 3. Fragestellung Ausgehend von diesen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen sollen im Rahmen dieses Beitrags drei zentrale Fragestellungen dargestellt werden: — Wie ist die Arbeitnehmerbeteiligung in den Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft geregelt? — Wie ist die Praxis der direkten und der repräsentativen Arbeitnehmerbeteiligung in Europa? — Welche Trends ergeben sich für die zweite Hälfte der neunziger Jahre?
II. Regelung von Arbeitnehmerbeteiligung in Europa
Abbildung 2
Abb. 2: Anwendung gesetzlicher Vorschriften über Betriebsräte
Abb. 2: Anwendung gesetzlicher Vorschriften über Betriebsräte
Der Umfang, in dem einzelne Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft gesetzliche Regelungen zur Arbeitnehmerbeteiligung eingeführt haben, variiert beträchtlich
Abb. 1 zeigt, daß die Mehrheit der Mitgliedsländer Betriebsräte (oder vergleichbare Gremien) und eine Regelung der Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat besitzt. Gesetzlich vorgeschrieben sind Betriebsräte in acht Mitgliedsländern. Eine allgemeine Pflicht zur Arbeitnehmerbeteiligung im Aufsichtsrat besteht in fünf Ländern (Dänemark, Bundesrepublik, Frankreich, Luxemburg, Niederlande), während dies in weiteren drei Ländern nur für Staatsbetriebe gilt (Griechenland, Irland, Portugal). Neben diesen beiden vorherrschenden gesetzlichen Formen der Arbeitnehmerbeteiligung gibt es zwei weitere Ansätze: zum einen die Vertretungsrechte der italienischen Gewerkschaften auf betrieblicher Ebene, die im „Statuto di lavoro“ geregelt sind, zum anderen die Einrichtung von „groupes d’expression directe“ in Frankreich nach den Auroux-Gesetzen von 1982.
Einige Mitgliedsländer hingegen praktizieren einen voluntaristischen Ansatz der Arbeitnehmerbeteiligung, bei dem die Rechte der Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften entweder durch Tarifverträge oder durch eine lang etablierte Praxis abgesichert sind. Die Repräsentanten dieses Modells sind Dänemark, Großbritannien und Irland
Die wichtigste Regelungsform auf betrieblicher Ebene in Europa sind aber die Betriebsräte. Hierbei sind zwei Unterscheidungsmerkmale zu beachten: In vier Mitgliedsländern der Gemeinschaft ist die Einrichtung von Betriebsräten gesetzlich zwingend, wenn ein Betrieb eine Mindestgröße aufweist. Dies gilt für die Beneluxländer und Frankreich. In der Bundesrepublik, Portugal, Spanien und Griechenland werden Betriebsräte nur dann etabliert, wenn ein explizites Interesse der Belegschaft besteht und wenn eine Mindestbetriebsgröße vorliegt. Dies führt dazu, daß die Vertretung der Arbeitnehmer durch einen Betriebsrat in der ersten Gruppe von Ländern viel höher ist als in der zweiten.
Ein weiterer wichtiger Unterschied ist die Zusammensetzung des Betriebsrats. In der Bundesrepublik, den Niederlanden, Portugal, Spanien und Griechenland setzt sich der Betriebsrat nur aus Arbeitnehmervertretern zusammen, während in Frankreich, Luxemburg und Belgien der Betriebsrat ein gemischtes Komitee aus Arbeitnehmervertretern und Managementvertretern ist, welches normalerweise von einem Vertreter des Managements geleitet wird. Hieraus ergeben sich erhebliche Unterschiede in der Funktionsweise des Betriebsrates. Die Regulierung der Arbeitnehmerbeteiligung in den einzelnen Mitgliedsländern ist somit sehr unterschiedlich und betrifft vor allem die repräsentativen Formen der Arbeitnehmerbeteiligung. Direkte Arbeitnehmerbeteiligung wird nur in Frankreich durch gesetzliche Bestimmungen geregelt.
III. Repräsentative Vertretung von Arbeitnehmern auf betrieblicher Ebene
Abbildung 3
Abb. 3: Bisherige Arbeitnehmerbeteiligung bei der Planung und Implementation neuer Technik in den EG-Staaten; Befragung von Managern Quelle: Befragung in allen EG-Mitgliedstaaten, 1987— 1988; 3 848 Manager.
Abb. 3: Bisherige Arbeitnehmerbeteiligung bei der Planung und Implementation neuer Technik in den EG-Staaten; Befragung von Managern Quelle: Befragung in allen EG-Mitgliedstaaten, 1987— 1988; 3 848 Manager.
1. Verbreitung Trotz der großen Bedeutung, die der repräsentativen Arbeitnehmerbeteiligung in der Sozialpolitik auf EG-Ebene seit Anfang der siebziger Jahre zukommt, existieren keine abgesicherten quantitativen Erkenntnisse über ihre Verbreitung in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft. Diese Lücke soll im Rahmen dieses Beitrages durch eine Schätzung geschlossen werden, die einerseits die bestehenden gesetzlichen Regelungen und andererseits Erfahrungswissen über die Verbreitung von Betriebsräten in einzelnen Mitgliedsländern berücksichtigt.
Für eine vorläufige Differenzierung können drei Gruppen von Ländern unterschieden werden:
Eine erste Gruppe von Ländern besitzt gesetzliche Regelungen zur betrieblichen Arbeitnehmerbeteiligung, wobei die Einrichtung von Betriebsräten gesetzlich vorgeschrieben ist (Belgien. Frankreich, Luxemburg, Niederlande). Diese Länder hatten 1988 zusammen 26, 3 Mio. abhängig Beschäftigte -Berücksichtigt man die Mindestbetriebsgröße. die in diesen Ländern für die Einrichtung eines Betriebsrates notwendig ist (zwischen 35 und 150 Beschäftigte), so kann man die Zahl der durch Betriebsräte vertretenen Arbeitnehmer relativ zur Gesamtzahl um etwa 40 Prozent reduzieren so daß in diesen Ländern ca. 15, 8 Millionen Arbeitnehmer einen Betriebsrat haben.
Eine zweite Gruppe von Ländern hat gesetzlich vorgeschriebene Regelungen zur Einrichtung einer Interessenvertretung, wobei ein Betriebsrat nur dann eingerichtet wird, wenn dies von den Beschäftigten ausdrücklich verlangt wird (Bundesrepublik, Griechenland, Portugal, Spanien). Diese Länder hatten 1988 insgesamt 36, 8 Millionen abhängig Beschäftigte (für Griechenland wird die Zahl der Beschäftigten von 1985 zugrunde gelegt). Die Mindestbetriebsgröße für die Einrichtung eines Betriebsrats variiert in diesen Ländern zwischen fünf und fünfzig Beschäftigten. Für die Bundesrepublik führt dies zu einer Reduktion von 14 Prozent, während für die übrigen drei Länder eine Reduktion von 25 Prozent unterstellt wird Hiernach reduziert sich der Deckungsgrad auf 30, 2 Millionen Arbeitnehmer. Berücksichtigt man des weiteren Erfahrungswerte aus der Bundesrepublik und aus Südeuropa, daß 70 Prozent bzw. 50 Prozent der Beschäftigten, die Anspruch auf einen Betriebsrat haben, auch tatsächlich vertreten sind, so besitzen in den obengenannten vier Ländern ca. 19, 2 Millionen Arbeitnehmer einen Betriebsrat.
Die dritte Gruppe von Ländern umfaßt Großbritannien, Dänemark. Irland und Italien. In diesen Ländern gibt es keine gesetzliche Regelung zur Einrichtung von Betriebsräten. Unterstellt man in diesen Ländern einen Deckungsgrad von einem Drittel so hatten im Jahre 1988 13, 5 Millionen Arbeitnehmer in diesen vier Ländern eine kollektive Interessenvertretung auf betrieblicher Ebene.
Eine Gesamtaddition ergibt somit 48, 5 Millionen Arbeitnehmer in Europa mit einer betrieblichen Interessenvertretung. Dies sind im Jahre 1988 ca. 47 Prozent aller abhängig Beschäftigten innerhalb der Länder der Europäischen Gemeinschaft. 2. Intensität der Arbeitnehmerbeteiligung Die Intensität der Arbeitnehmerbeteiligung im Rahmen der betrieblichen Interessenvertretung kann auf verschiedene Weise bestimmt werden:
Beteiligungsform: Hier werden Information, Anhörung und Beratung von intensiveren Formen wie Verhandlung und volle Mitbestimmung mit Vetorecht unterschieden.
Beteiligungsbereich: In der Regel werden strategische Bereiche wie Investitionsentscheidungen und Produktentwicklung von unmittelbar arbeitnehmerbezogenen Bereichen wie Arbeitsschutz und Arbeitsorganisation unterschieden.
Phase: Die Beteiligung kann einerseits in frühen, strategisch wichtigen Phasen des Entscheidungsprozesses erfolgen oder später im operativen Bereich, wo bestenfalls Korrekturen an bereits gefaßten Entscheidungen erreicht werden können.
Auf europäischer Ebene gibt es bisher keine repräsentative Erhebung, die diesen Fragen umfassend für alle Bereiche der betrieblichen Mitbestimmung nachgeht. Die einzige repräsentative Untersuchung, die vorliegt, beschäftigt sich ausschließlich mit der repräsentativen Arbeitnehmerbeteiligung beim technologischen Wandel. Diese Untersuchung wurde 1987/88 von der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens-und Arbeitsbedingungen in Dublin in Auftrag gegeben. Aufgrund der breiten Anlage der Untersuchung können zentrale Ergebnisse unter Zugrundelegung von Plausibilitätsannahmen jedoch auf andere Mitbestimmungsbereiche übertragen werden. 3. Untersuchungsmethode und empirische Ergebnisse I Mit Hilfe einer mündlichen Befragung wurden insgesamt ca. 7 500 Interviews in allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft durchgeführt. Die Interviews verteilten sich je zur Hälfte auf betriebliche Arbeitnehmervertreter und auf Manager. Durch die national unterschiedlichen Regelungen von Arbeitnehmervertretungen in Europa ist die Gruppe der befragten Arbeitnehmervertreter relativ heterogen. In der Bundesrepublik handelt es sich fast ausschließlich um Betriebsräte.
Die Studie konzentrierte sich auf fünf Wirtschaftsbereiche. Im Produktionsbereich wurden der Maschinenbau und die Elektroindustrie, im Dienstleistungsbereich Banken, Versicherungen und der Einzelhandel untersucht.
Die Auswahl der Betriebe erfolgte nach dem Zufallsprinzip, wobei drei wichtige Einschränkungen galten: Es wurden nur Betriebe erfaßt, die neue Informationstechnologien anwendeten, eine bestimmte Beschäftigtenzahl aufwiesen (im Einzelhandel beispielsweise mehr als 50 Beschäftigte) und die eine institutionelle Interessenvertretung hatten. So sind in der deutschen Auswahl ausschließlich Firmen mit Betriebsräten enthalten. Die Untersuchung wurde durch Harris (London) und GfK (Nürnberg) koordiniert.
Im Jahre 1988 war die Intensität der Arbeitnehmer-beteiligung in den verschiedenen Phasen der Entscheidungsfindung innerhalb der Länder der Europäischen Gemeinschaft äußerst unterschiedlich. In der Planungsphase sind knapp 40 Prozent der Arbeitnehmervertreter nicht beteiligt. Nur jeder zehnte Arbeitnehmervertreter tritt im Planungsprozeß in Verhandlungen mit dem Management ein oder hat volle Mitbestimmungsrechte. In der Implementationsphase neuer Technologien hingegen steigt die Intensität der Arbeitnehmerbeteiligung erheblich an. Nur einer von fünf Arbeitnehmervertretem ist nicht beteiligt. 21 Prozent treten in Konsultationen ein und 18 Prozent verhandeln oder üben volle Mitbestimmung aus.
Auch innerhalb der einzelnen Beteiligungsbereiche finden sich erhebliche Unterschiede. In strategischen Fragen wie Marktstrategie, Investitionsentscheidungen und Produktentwicklung sind zwischen 40 Prozent und 60 Prozent aller Arbeitnehmervertreter von jeglicher Einflußnahme ausgeschlossen; nur 5 — 10 Prozent haben volle Beteiligungsrechte. Bei unmittelbar arbeitnehmerrelevanten Fragen ergibt sich ein anderes Bild: Beim Arbeits-und Gesundheitsschutz treten ca. 40 Prozent der Arbeitnehmervertreter in Europa in Verhandlungen mit den Arbeitgebern ein oder üben volle Mitbestimmung aus. Nur jeder Vierte ist nicht beteiligt Auch bei Fragen der Arbeitsorganisation sind Arbeitnehmervertreter fast gleich stark vertreten Zusammenfassend bedeutet dies, daß Arbeitnehmervertreter in Europa in strategischen Phasen und in zentralen Entscheidungsbereichen in ca. 50 Prozent der Unternehmen nicht beteiligt werden. 4. Bewertung repräsentativer Arbeitnehmerbeteiligung Mitbestimmung hat nur dann eine Chance, akzeptiert zu werden, wenn den Beteiligten aus ihrem partizipativen Verhalten zumindest keine Nachteile erwachsen. Sie kann als Handlungsmuster eigentlich nur dann gesucht und ausgebaut werden, wenn allen Beteiligten hieraus Vorteile erwachsen. Die Frage nach den Wirkungen oder Erfolgen der repräsentativen Arbeitnehmerbeteiligung gibt dementsprechend auch erste Hinweise über die Zukunft der Idee der Arbeitnehmerbeteiligung in Europa.
Ein wichtiger Einwand gegen Arbeitnehmerbeteiligung aus der Sicht des Managements sind Befürchtungen, notwendige Entscheidungen könnten verzögert und dadurch die Effektivität des Unternehmens beeinträchtigt werden. Die Befragungsdaten aus den zwölf Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft bestätigen diese Befürchtung nicht; das Gegenteil trifft zu. Der Vergleich der Einschätzung von Managern und Arbeitnehmervertretern zu den Auswirkungen von Partizipation auf die Qualität und Dauer von Entscheidungen sowie auf die Dauer von Technikimplementation sind in ihren Prozentanteilen fast identisch. Aus diesem Grunde können wir uns allein auf die Aussagen der Manager konzentrieren. Hier zeigt sich als erstes Ergebnis, daß Arbeitnehmerbeteiligung die erwähnten drei Entscheidungsfelder in der Sicht von rund zwei Dritteln der befragten Manager weder negativ noch positiv beeinflußt. Wo Veränderungen genannt wurden, überwiegen die positiven Wirkungen immer und zum Teil beträchtlich die negativen Folgen. Die erhöhte Qualität der Entscheidungen korrespondiert mit dem außerordentlich positiven Urteil, daß beide Parteien über die Nutzung des vorhandenen Qualifikationspotentials der Belegschaft im Zuge der Arbeitnehmerbeteiligung abgeben. Über 50 Prozent der Manager und Arbeitnehmervertreter weisen darauf hin, daß die technische Innova-tion auch durch die verstärkte Berücksichtigung des innerbetrieblichen Qualifikationspotentials gefördert wurde.
Aus der Sicht des Managements hat die bisherige Arbeitnehmerbeteiligung auch das gegenseitige Verständnis im Betrieb beträchtlich verstärkt. Rund die Hälfte der Manager sieht eine größere Aufgeschlossenheit der Belegschaft gegenüber den eigenen Problemen. Im gleichen Umfang ist ihre Sensibilität gegenüber den Mitarbeiterproblemen gewachsen. Ein gutes Viertel der Betriebsleiter berichtet von einer Verbesserung des Betriebsklimas aufgrund von Arbeitnehmerbeteiligung.
Die Akzeptanz der neuen Technik durch die Beschäftigten ist eine kritische Variable für viele Unternehmen. Widerstände der Arbeitnehmer verlangsamen den Einführungsprozeß und führen zu Reibungsverlusten und zu Ineffizienz in der Technikanwendung. Für dieses Problemfeld hat die Arbeitnehmerbeteiligung einen außerordentlich posi
IV. Direkte Arbeitnehmerbeteiligung
Abbildung 4
Abb. 4: Inhalte bisheriger Beteiligung; Befragung von Managern Kostenreduzierung Quelle: Befragung in allen EG-Mitgliedstaaten, 1987— 1988; 3 848 Manager.
Abb. 4: Inhalte bisheriger Beteiligung; Befragung von Managern Kostenreduzierung Quelle: Befragung in allen EG-Mitgliedstaaten, 1987— 1988; 3 848 Manager.
Die direkte Arbeitnehmerbeteiligung hat in den Vorschlägen der EG-Kommission bisher nur eine geringe Rolle gespielt. Dies hat sich mit der Vorlage des Aktionsprogramms zur Umsetzung der Sozial-charta Ende 1989 ansatzweise geändert, indem die EG-Kommission erstmals die Vorlage eines Rechtsinstruments zur direkten Arbeitnehmerbeteiligung angekündigt hat. Es bezieht sich auf die finanzielle Partizipation, also die Gewinnbeteiligung und Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital von Unternehmen. Hiermit wird die EG-Kommission in einem Bereich aktiv, der in den sechziger Jahren in der Bundesrepublik heiß umstritten war. Schlagworte waren damals „kollektive versus individuelle Beteiligung“ und die Beziehung zwischen bestehenden Mitbestimmungsrechten im Aufsichtsrat und einer erweiterten Beteiligung am Produktivkapital.
Neben der Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivkapital gibt es drei weitere wichtige Bereiche direkter Arbeitnehmerbeteiligung. Es sind dies Qualitätszirkel, totales Qualitätsmanagement (TQM) und teilautonome Arbeitsgruppen tiven Effekt. Fast 60 Prozent der Manager verweisen auf eine erhöhte Technikakzeptanz bei den Beschäftigten als Folge von Arbeitnehmerpartizipation. Ein weiterer Aktivposten ist, daß ein gutes Drittel der Manager eine verstärkte Identifikation der Arbeitnehmer mit ihrem Unternehmen sieht. Arbeitnehmervertreter bewerten die Erfolge der Arbeitnehmerbeteiligung sehr ähnlich. Das gegenseitige Verständnis im Unternehmen hat sich erhöht. Das Betriebsklima hat sich häufig verbessert; viele Belegschaften identifizieren sich stärker mit dem Unternehmen, und die Technikakzeptanz ist außerordentlich gewachsen. Dabei gibt es zwischen beiden Gruppierungen nur geringe Unterschiede in der Bewertung.
In den analysierten Wirkungsfeldern hat die Arbeitnehmerbeteiligung in Europa aus der Sicht beider Gruppen kaum negative Effekte. Wo repräsentative Arbeitnehmerbeteiligung Veränderungen bewirkt hat, überwiegen eindeutig die positiven Bewertungen.
Insgesamt ist die Diskussion in Europa durch einen markanten Widerspruch gekennzeichnet: Einerseits finden wir eine lebhafte Debatte dieser Konzepte innerhalb und zwischen den Sozialpartnern sowie eine starke Beachtung dieser Konzepte in der relevanten wissenschaftlichen Literatur. Auch Unternehmensberater haben Hochkonjunktur in diesem Bereich. Andererseits gibt es nur wenige abgesicherte Erkenntnisse über die Verbreitung, Bewertung und die Wirkung direkter Arbeitnehmerbeteiligung in Europa. Selbst in Ländern wie der Bundesrepublik, die eine gut ausgebildete Forschungsstruktur haben, gibt es nur wenig repräsentative und abgesicherte Erkenntnisse. In anderen Teilen Europas ist die Informationslage noch bedeutend schlechter. Aus europäischer Sicht handelt es sich in diesem Bereich um statistisches Niemandsland. Ein weiteres Problem ist die Verwendung einer relativ unpräzisen Terminologie. Oft werden gleiche Begriffe für unterschiedliche Erfahrungen und Modelle bzw. gleiche Begriffe für unterschiedliche Inhalte verwendet. Dies erschwert die Erfassung und Evaluierung erheblich. 1. Qualitätszirkel Das am stärksten verbreitete Konzept betrieblicher Kleingruppenmodelle sind Qualitätszirkel. Als Qualitätszirkel soll hierbei eine Gruppe von Arbeitnehmern verstanden werden, die sich unter Anleitung eines Gruppenleiters periodisch trifft, um Pro-bleme des eigenen Arbeitsbereiches zu identifizieren, zu analysieren und Lösungsvorschläge zu entwickeln Qualitätszirkelkonzepte gehen von dem Gedanken aus, daß Probleme am besten dort erkannt und gelöst werden können, wo sie anfallen, und zwar durch die Mitarbeiter selbst. Aus diesem Grunde werden hier in erster Linie die unteren Hierarchie-Ebenen angesprochen. Mit dem Konzept der Qualitätszirkel werden mehrere Zielsetzungen verfolgt
— Verbesserung der Produktqualität — Verbesserung der Qualität des Arbeitsprozesses — Verbesserung der Qualität der Arbeitsbedingungen. Als übergeordnete Ziele lassen sich eine Verbesserung der betrieblichen Leistungsfähigkeit und eine Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und Motivation der Beschäftigten identifizieren
Einer Dokumentation von ANACT zufolge gab es 1986 weltweit vier Millionen Qualitätszirkel, die ca. 40 Millionen Beschäftigte umfaßten Allein auf Japan entfielen 1. 5 Millionen Qualitätszirkel und auf andere Teile Asiens und Australiens 1, 4 Millionen Zirkel. In den USA gab es zu diesem Zeitpunkt zwischen 400 000 und 500 000 Qualitätszirkel. Europa hatte nach diesen Berechnungen 1986 50 000 Qualitätszirkel, d. h. einen Anteil von ca. 3, 5 Prozent an der Gesamtzahl der Qualitätszirkel weltweit. Die neuesten Zahlen beziehen sich auf 1988 und stammen von der Europäischen Vereinigung von Qualitätszirkeln in Brüssel. Hiernach hat sich die Zahl der Qualitätszirkel in Europa mittlerweile auf 60 000 erhöht. Die überwiegende Zahl von Qualitätszirkeln gibt es mit 40 000 in Frankreich; Italien hat 4 000, die Bundesrepublik 3 000— 4 000, Belgien 1 000, Großbritannien 2 000— 3 000, Spanien 1 000 — 2 000, Skandinavien 1 000 — 2 000. Für die Niederlande, Portugal, Griechenland, Luxemburg und Irland liegen keine konkreten Zahlen vor. Bei einer konservativen Schätzung kann man in diesen fünf Ländern von 2 000— 3 000 Qualitätszirkeln ausgehen.
Unterstellt man. daß jeder Qualitätszirkel in der Regel zehn Arbeitnehmer umfaßt, so arbeiteten im Jahre 1988 600 000 Arbeitnehmer in Europa in Qualitätszirkeln mit. Dies ist ungefähr 0, 5 Prozent der gesamten Arbeitnehmerschaft in Europa.
Diese Berechnung hat jedoch mehrere Schwachstellen: — Es werden nur diejenigen Qualitätszirkel erfaßt, die der nationalen Qualitätszirkelvereinigung bekannt sind. — Kleingruppenkonzepte, die ähnlich wie Qualitätszirkel funktionieren, sind unterrepräsentiert oder nicht erfaßt. — Die strukturelle Verteilung der Qualitätszirkel nach Betriebsgröße und Sektor wird hierbei außer acht gelassen.
Einen Indikator für die Bedeutung dieser Schwachstellen liefert die Untersuchung von Bungard/Antoni wonach 48 Prozent der hundert größten deutschen Unternehmen Kleingruppenkonzepte in der einen oder anderen Form anwenden. Offen bleibt hierbei die Frage, wieviel Qualitätszirkel in diesen Unternehmen bestehen und wieviele Arbeitnehmer in dem jeweiligen Unternehmen dort mitarbeiten. 2. Totales Qualitätsmanagement Ein neues, über die Qualitätszirkelidee hinausgehendes Konzept bezieht sich auf das totale Qualitätsmanagement (TQM). Die „Väter“ dieses Konzepts sind Deming, Feigenbaum und Juran TQM ist hiernach die zentrale Voraussetzung für Sicherung und Ausbau von Marktanteilen und die Rentabilität von Unternehmen. Qualität wird synonym gesetzt mit der optimalen Befriedigung der Bedürfnisse und Erwartungen von Kunden. Die totale Kundenorientierung ist somit ein Kernbestandteil dieses Konzepts.
Konzept TQM ist ein strategischer Ansatz, der alle Teile eines Unternehmens erfaßt, einschließlich seiner Zulieferer. Es setzt vom Topmanagement die Bereitschaft zu radikalen Veränderungen der Unternehmensstrategie, -Organisation und -kultur voraus. Das Qualitätsmanagement ist prozeßorien-tiert, präventiv und partizipativ. Es geht von einem kontinuierlichen Veränderungsprozeß der Verbesserung der Produktqualität unter Verwendung zahlreicher Methoden der Qualitätskontrolle und -Sicherung aus. Damit verbunden sind lange Implementationszeiten des Gesamtkonzepts
Die partizipative Komponente ist ein weiterer Kernbereich von TQM. Eine erfolgreiche Umsetzung des Konzepts setzt die Veränderung der Grundeinstellung und des Verhaltens aller Beschäftigten voraus. Dies kann ohne eine umfassende Arbeitnehmerbeteiligung nicht erreicht werden, die sowohl die Beteiligung der Gewerkschaften und der gewählten Arbeitnehmervertreter als auch die direkte Beteiligung der Arbeitnehmer in Qualitätszirkeln, teilautonomen Arbeitsgruppen, Werkstattzirkeln und anderen Formen betrieblicher Kleingruppen voraussetzt.
Gründe Das TQM-Konzept stellt eine grundlegende Veränderung traditioneller Untemehmensziele dar. Drei Veränderungen haben das traditionelle Denken der Unternehmensvorstände in den letzten Jahren herausgefordert und in vielen Fällen zu einer Umorientierung geführt Die erste Veränderung war in den USA die Herausbildung einer Konsumenten-bewegung erst als soziale, dann als wirtschaftliche Kraft. Die Verschärfung der Produkthaftungsgesetzgebung und die Zuerkennung hoher Schadensersatzansprüche durch amerikanische Gerichte hat das Selbstbewußtsein sowie den politischen und ökonomischen Einfluß der Konsumentenbewegung verstärkt. Dies erzeugte entsprechenden Druck auf die Unternehmen. Die zweite Entwicklung wird durch die gesteigerte gesellschaftliche Bedeutung der Umweltproblematik bestimmt. Die umweltfreundliche Gestaltung von Produktionsprozeß, Produkt und Entsorgung gewinnt für die Unternehmen zunehmend an Bedeutung. Auch hier ist ein integriertes und strategisches Qualitätsmanagement gefordert. Die größte Herausforderung für amerikanische und europäische Unternehmen war jedoch die zunehmende Bedeutung japanischer und anderer südostasiatischer Unternehmen, die seit den fünfziger Jahren ein Qualitäts-und später ein totales Qualitätsmanagement in ihren Betrieben erfolgreich eingeführt hatten. Die zunehmende Konkurrenz hat den Druck auf westliche Unternehmen verstärkt, ihre Geschäftsstrategien einer gründlichen Revision zu unterziehen und hierbei besonders dem totalen Qualitätsmanagement eine große Bedeutung zu geben.
Verbreitung Eine Konsequenz war, daß ca. 100 europäische Großkonzerne die europäische Stiftung für „Total Quality Management“ mit Sitz in Eindhoven (Niederlande) gegründet haben. In dieser Stiftung sind alle wichtigen europäischen Hersteller der Automobilindustrie, der Unterhaltungselektronik, von Computern, des Maschinenbaus und sonstigen Investitionsgütern vertreten. Auch einige Großbanken und Versicherungen befinden sich unter den Mitgliedern. Unterstellt man. daß 60 Prozent der Mitglieder dieses Konzept in die Praxis umsetzen, 30 000 Arbeitnehmer pro Großkonzem beschäftigt werden, und daß TQM im gesamten Konzern umgesetzt wird, so waren Anfang der neunziger Jahre 1, 8 Millionen Arbeitnehmer hiervon erfaßt, also ca. 1, 5 Prozent aller Arbeitnehmer in Europa. Dies würde andeuten, daß TQM Konzepte dreimal so stark verbreitet sind wie traditionelle Qualitätszirkel. 3. Teilautonome Arbeitsgruppen Von allen betrieblichen Kleingruppenformen weist die teilautonome Arbeitsgruppe eine Besonderheit auf. Sie tritt nicht in bestimmten Abständen zusammen, sondern ihre Mitglieder kooperieren dauerhaft als formelle Gruppe Dieser Ansatz hat eine längere Tradition und knüpft vor allem an die Experimente in Skandinavien an. Das bekannteste Beispiel ist die Einführung von Gruppenarbeit bei Volvo Anfang der siebziger Jahre
Die Befürworter der Gruppenarbeit versprechen sich eine Aufhebung tayloristischer Arbeitsorganisation durch die Zusammenführung ausführender und planender Tätigkeit. Hierbei sollte es eine größtmögliche Selbststeuerung der Gruppe in Hinsicht auf Arbeitsplanung und -durchführung geben. Die Steuerung von außen erfolgt im wesentlichen durch die Festlegung von Rahmenbedingungen wie Produktionsmethode, Technologie, Produkt und Personalbestand. Für den einzelnen Arbeitnehmer innerhalb der Arbeitsgruppe soll die Veränderung der Arbeitsorganisation zu einer partiellen Aufhebung traditioneller Arbeitsteilung führen. Damit verbunden ist die Möglichkeit von Job-Rotation, Job-Enlargement und Job-Enrichment.
a Die Diskussion über teilautonome Arbeitsgruppen hat in den letzten Jahren mit der Diskussion über die sogenannten „neuen Produktionskonzepte“ erneut Auftrieb bekommen. „Die vieldiskutierten Prinzipien der Fertigungstechnologie, die mit den Begriffen Gruppentechnologie. Fertigungsinseln, Fertigungszellen oder ähnlichem versehen werden und besonders bei der Einführung moderner, fle-xibler Fertigungssysteme als ökonomisch attraktiv gelten, bieten gute Voraussetzungen für den Über-gang zu Gruppenarbeit. Gruppenarbeit sichert im Rahmen dieser Inselkonzepte die ökonomisch erforderliche Flexibilität der Produktion. Der intelligenten und teilautonomen Zuarbeit durch ein Team von Arbeitenden kommt eine zentral unterstützende Funktion zu.“
Verbreitung Analysiert man die Verbreitung von teilautonomen Arbeitsgruppen in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft, so ist die Datenlage noch schlechter als bei der Schätzung der Verbreitung von Qualitätszirkeln und TQM. Eine Schätzung für den deutschen Maschinenbau — ein Sektor mit guten produktionstechnischen Voraussetzungen für die Einführung teilautonomer Gruppen — geht davon aus, daß nicht mehr als zehn Prozent der Betriebe in diesem Sektor teilautonome Arbeitsgruppen aufweisen. Im Montagebereich — hier insbesondere in der Elektroindustrie — geht man sogar von einer noch geringeren Verbreitung von maximal fünf Prozent aus
In Frankreich, Großbritannien und Irland wird eine Verbreitung teilautonomer Arbeitsgruppen durch die starke Polarisierung zwischen unqualifizierten Arbeitern einerseits und qualifizierten Facharbeitern, Technikern und Ingenieuren andererseits erheblich eingeschränkt. Neue Formen der Gruppen-arbeit finden sich in diesen Ländern am ehesten in Niederlassungen multinationaler japanischer und amerikanischer Konzerne. Ein Beispiel für Großbritannien ist Nissan (Sunderland) ein gutes Beispiel für Irland ist Digital-Equipment. Für die Niederlande, Belgien und Dänemark steht eine begrenzte Zahl von Fallstudien zur Verfügung. Darüber hinaus finanzieren einige nationale Institute zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen wie NIA (Niederlande), ANACT (Frankreich). IACT (Belgien) und der Projektträger Arbeit und Technik in der Bundesrepublik Pilotprojekte zu teilautonomen Arbeitsgruppen.
Bei einer ersten vorsichtigen Schätzung sollte man davon ausgehen, daß weniger Arbeitnehmer in Europa in teilautonomen Arbeitsgruppen als in Qualitätszirkeln arbeiten, d. h., daß die Zahl der Arbeitnehmer sicherlich unter 600 000 Beschäftigten liegt. Eine Schätzung von 400 000 Arbeitnehmern, die in Europa in teilautonomen Arbeitsgruppen organisiert sind, könnte als realistisch angesehen werden. 4. Finanzielle Partizipation Wie an anderer Stelle schon ausgeführt worden ist, hat die EG-Kommission angekündigt, im Rahmen des Aktionsprogramms zur Implementierung der Sozialcharta ein Rechtsinstrument zur finanziellen Partizipation von Arbeitnehmern vorzulegen. Dies ist die erste Initiative im Bereich der direkten Arbeitnehmerbeteiligung seit Bestehen der Europäischen Gemeinschaft. Zu beachten ist, daß sich diese Initiative aus der Sicht von Wissenschaftlern, die der EG-Kommission nahestehen, grundsätzlich von anderen Formen repräsentativer oder direkter Arbeitnehmerbeteiligung unterscheidet. Während letztere auf einen Einfluß im Entscheidungsprozeß im Unternehmen oder im unmittelbaren Arbeitsbereich abzielen, stellt die finanzielle Partizipation eine Beteiligung der Arbeitnehmer am Untemehmensresultat, d. h. in der Regel am Gewinn des Unternehmens dar
Grundsätzlich lassen sich zwei Formen der finanziellen Partizipation unterscheiden, nämlich die direkte Gewinnbeteiligung und die Beteiligung am Produktivkapital.
Vorzüge Drei Vorzüge werden den verschiedenen Formen finanzieller Partizipation zugesprochen:
Anreiz: Finanzielle Partizipation fördert die Arbeitnehmermotivation und führt damit zu einer höheren Arbeitsproduktivität und gesteigerten Effizienz des Unternehmens.
Lohnflexibilität: Ein Teil der Gesamteinkünfte der Arbeitnehmer wird durch finanzielle Partizipation bestimmt, die direkt vom Untemehmensgewinn abhängt. Da Untemehmensgewinne unmittelbar auf ökonomische Trends reagieren, wird das gesamte Entlohnungssystem flexibler.
Makroökonomische Effekte: Hiernach könnte eine weit verbreitete Praxis verschiedener Formen finanzieller Partizipation wesentlich zu einer Lösung von Stagflation und Arbeitslosigkeit beitragen.
Nachteile Als schwerwiegender Nachteil wird von einigen Kritikern die Schwächung von Eigentumsrechten genannt. Vor allem Anhänger der „Property Rights-Schule" argumentieren, daß Gesetzesinitiativen in Hinsicht auf jedwede Form der Demokratisierung der Wirtschaft zu einer Erosion von Eigentumsansprüchen führen und der Staat damit zu einer Umverteilung der Machtverhältnisse und des Reichtums zwischen Kapital und Arbeit beiträgt. Darüber hinaus wird auch die Bedeutung der Anreizfunktion in Frage gestellt: Da die meisten Formen finanzieller Partizipation gruppenbezogen sind, besteht die Gefahr, daß der einzelne Arbeitnehmer eine „Free-Rider-Haltung“ einnimmt. Aus Arbeitnehmersicht wird vor allem das überhöhte Risiko im Hinblick auf ein sicheres Einkommen betont. Die Flexibilisierung des Einkommens führt dazu, daß nur ein bestimmter Teil des Einkommens fest garantiert ist.
Verbreitung Die stärkste Verbreitung dieser Partizipationsform findet sich in Frankreich. Hier sind sechs Millionen Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Bestimmungen zur Inanspruchnahme finanzieller Partizipation berechtigt, von denen ca. vier Millionen aktuell abgedeckt sind. Dies sind ca. 18 Prozent aller Arbeitnehmer. In Großbritannien sind 3. 5 Millionen Arbeitnehmer anspruchsberechtigt, bei einer aktuellen Beteiligung von zwei Millionen (acht Prozent aller Arbeitnehmer). Ähnlich ist die Situation in den Niederlanden, wo ca. 350 000 Arbeitnehmer, d. h. 7, 5 Prozent aller Beschäftigten abgedeckt sind. In den anderen Ländern der Gemeinschaft ist der Anteil geringer. In der Bundesrepublik sind 1, 3 Millionen Arbeitnehmer (fünf Prozent), in Irland 35 000 Arbeitnehmer (drei Prozent), in Italien 400 000 (weniger als zwei Prozent) und in Spanien ebenfalls zwei Prozent beteiligt. Für die anderen Länder der Europäischen Gemeinschaft liegen keine Zahlen vor
Rechnet man die Einzelergebnisse auf alle Länder der Europäischen Gemeinschaft um, so nahmen Ende der achtziger Jahre ca. 8, 3 Millionen Arbeitnehmer verschiedene Formen finanzieller Beteiligung in Anspruch. Dies sind ca. acht Prozent aller abhängig Beschäftigten in der Europäischen Gemeinschaft. 5. Verbreitungsgrad verschiedener Formen direkter Arbeitnehmerbeteiligung in Europa Im Rahmen dieses Beitrags ist nur eine kurze Bewertung der verschiedenen Formen direkter Arbeitnehmerbeteiligung möglich. Sie soll an dieser Stelle unter den drei Aspekten Verbreitungsgrad. Erwartungen des Managements und Vorbehalte aus Arbeitnehmersicht erfolgen. Ohne die Berücksichtigung möglicher Überschneidungen der vier Formen direkter Arbeitnehmerbeteiligung ergibt sich folgende Schätzung (s. Abb. 6):
Selbst bei optimistischen Annahmen fallen zu Beginn der neunziger Jahre nicht mehr als 11, l Millionen Arbeitnehmer, das sind 10, 3 Prozent aller Beschäftigten. unter die eine oder andere Form direkter Arbeitnehmerbeteiligung. Läßt man die finanzielle Partizipation außer acht, so partizipieren nur 2. 3 Prozent der Arbeitnehmer in Europa an Qualitätszirkeln, TOM oder teilautonomcn Arbeitsgruppen. Dies heißt letztlich, daß wir weiterhin von einer Dominanz tayloristischer Produktionskonzepte, hierarchischer Organisationsstrukturen, zentralistischer Entscheidungsprozesse und starker Arbeitsteilung bei geringer direkter Arbeitnehmerbeteiligung in Europa ausgehen müssen. Dennoch sollte man die Bedeutung verschiedener Formen direkter Arbeitnehmerbeteiligung in Europa nicht unterschätzen. Nicht nur die quantitative Verbreitung, sondern auch die Struktur der Unternehmen, die solche Konzepte anwenden, ist von Bedeutung. So weist ANACT z. B. darauf hin, daß sich Qualitätszirkel zunehmend im Kernbezirk des Dienstleistungsbereichs (Banken. Versicherung) etablieren. Anwenderbetriebe repräsentieren die Kerngruppe europäischer Unternehmen. Die meisten dieser Unternehmen sind europäische, japanische oder amerikanische multinationale Konzerne, haben einen hohen technologischen Standard sowie einen hohen Exportanteil mit starker Weltmarkt-orientierung. Das Qualifikationsniveau der Beschäftigten in diesen Unternehmen ist in den meisten Fällen überdurchschnittlich hoch. Durch die Vorreiterrolle dieser Unternehmen wird mittel-und langfristig auch die Erfahrung mit direkter Arbeitnehmerbeteiligung in andere Wirtschaftsbereiche Europas transportiert. 6. Managementerwartungen Bei einer Analyse des Verhältnisses von Managementerwartungen und den Resultaten direkter Arbeitnehmerbeteiligung sollen im Rahmen dieser Untersuchung ausschließlich die Erfahrungen mit Qualitätszirkeln. TQM und teilautonomen Arbeitsgruppen berücksichtigt werden. Der insgesamt geringe Verbreitungsgrad und die langsame Diffusion dieser Konzepte in Europa deuten darauf hin. daß sich viele Unternehmensvorstände trotz der umfassenden Diskussion über die positiven Effekte dieser Beteiligungsformen weiterhin in einem Dilemma befinden. Einerseits können eine Restrukturierung der Arbeitsorganisation, eine Neuausrichtung des betrieblichen Zielkoordinatensystems und eine ver31 stärkte direkte Arbeitnehmerbeteiligung möglicherweise zu einer Verbesserung der Rentabilität und langfristig zur entscheidenden Überlebensstrategie auf hoch kompetitiven Weltmärkten beitragen. Andererseits besteht die Befürchtung, daß mit zunehmender Arbeitnehmerbeteiligung die Machtposition und die Kontrollmöglichkeiten des Managements eingeschränkt werden. Auch die Qualität der Entscheidungen und die notwendige Zeit für die Entscheidungsfindung könnte negativ beeinflußt werden. Diese Einstellung ist vor allem dann stark ausgeprägt, wenn antagonistische industrielle Beziehungen und gewerkschaftliche Militanz vom Management durch bürokratische und autoritäre Middlemanagement-Strukturen beantwortet werden, wie dies z. B. in den achtziger Jahren bei Fiat der Fall war
Dazu kommen andere Schwierigkeiten: Zahlreiche Untersuchungen in verschiedenen europäischen Ländern weisen darauf hin, daß Qualitätszirkel und teilautonome Arbeitsgruppen häufig durch das Mittelmanagement nicht unterstützt werden. Der höhere Grad von Dezentralisierung der Entscheidungsfindungen in beiden Modellen führt tendenziell zu einer flacheren Hierarchiestruktur und damit zu einer Reduktion von Vorarbeiter-, Abteilungsleiter-bzw. Betriebsleiterstellen.
Neuere Untersuchungen aus Großbritannien, den USA und Frankreich weisen ferner darauf hin, daß in Hinsicht auf die Kontinuität von Qualitätszirkeln Probleme bestehen. Die Fehlerrate Hegt nach neuesten Untersuchungen in Großbritannien bei 20 Prozent und in den USA bei 50 Prozent. Die Gründe hierfür sind für P. Cressey in systemimmanenten Strukturproblemen von Qualitätszirkeln zu sehen, wie z. B. begrenzte Themenstellung, ausschließlich instrumentelle Orientierung hin auf Management-interessen, geringe partizipative Orientierung zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen, Kompetenzmangel, fehlendes Training, Abgetrenntheit vom betrieblichen Entlohnungssystem und von betriebhchen Entscheidungsprozessen
Die Lösung dieser Probleme wird von einigen Autoren in der Anwendung von TQM-Konzepten gesehen. Doch auch hier treten bei der Einführung erhebliche Probleme auf, die unter anderem K. Sissons anführt Die erfolgreiche Einführung von TQM setzt die volle Unterstützung des Top-Managements voraus. Dies wird jedoch in vielen Fällen erschwert: Die interne Kontrolle vieler multinationaler Konzerne basiert weitgehend auf finanziellen Kontrollmechanismen. Von daher ist es häufig schwierig, zusätzliche Kontrollinstrumente, die Qualitätsmerkmale und Fragen der strategischen Personalführung umfassen, zu implementieren. Darüber hinaus ist das Gehaltssystem von Managern in der Regel ausschließlich an der Erreichung finanzieller Zielgrößen orientiert. Auch in bezug auf die Ausbildung vieler Manager treten Probleme auf, da ihnen häufig Kenntnisse in strategischer Personalführung sowie in Hinsicht auf TQM-Konzepte und Methoden fehlen. Trotz dieser Vorbehalte sind die Ergebnisse der meisten Fallstudien in diesem Bereich positiv und deuten auf eine Verbesserung von Produktqualität, Produktivität, Rentabilität, Arbeitsmotivation und Arbeitsbedingungen hin. Dennoch, eine Einschätzung der tatsächlichen Lage in Europa auf der Basis dieser Fallstudien ist schwierig, da diese nicht repräsentativ sind und man den Verdacht haben muß, daß meistens nur Betriebe mit positiven Erfahrungen einen offenen Erfahrungsaustausch zulassen. 7. Vorbehalte aus Arbeitnehmersicht Die Reaktionen der Gewerkschaften auf die neuen Untemehmenskonzepte zur direkten Arbeitnehmerbeteiligung in Europa sind sehr unterschiedlich. Auf europäischer Ebene liegt bisher kein Beschluß des Europäischen Gewerkschaftsbundes oder einer seiner Branchenausschüsse zur direkten Arbeitnehmerbeteiligung vor. Innerhalb der einzelnen Mitgliedsländer schwankt die Einschätzung zwischen einer offenen Ablehnung wie z. B. in Frankreich durch die CGT-FO oder in Großbritannien durch die Transportarbeitergewerkschaft und einer vorsichtigen Öffnung, wie sie sich z. B. bei der Mehrheit der IG-Metall oder bei schwedischen, dänischen und niederländischen Gewerkschaften findet. In einigen Ländern, wie z. B. in Italien, haben die drei nationalen Gewerkschaften aufgrund ihrer mangelnden betrieblichen Verankerung die realen Voraussetzungen für eine adäquate gewerkschaftliehe Reaktion in diesem Politikfeld verloren.
Es lassen sich drei Begründungen für diese gewerkschaftlichen Grundpositionen unterscheiden. Für W. Müller-Jentsch stellen die neuen Management-konzepte eine der drei zentralen Herausforderungen eines flexiblen Kapitalismus an die Gewerkschaften dar: „Die von einem aufgeklärten und innovativen Management genutzten Konzepte flexibler Organisation und die neuen Beteiligungs-und Personaleinsatzstrategien treten in Konkurrenz zu den historisch erkämpften Institutionen der industriellen Demokratie und gefährden die traditionellen gewerkschaftlichen Vertretungskompetenzen.“ Bei diesen neuen Konzepten geht es dem Management um die Aneignung der produktiven und motivationalen Ressourcen der Stammbelegschaft. In der Tendenz wird die Arbeitskraft „auch als Person unter den Arbeitsprozeß subsumiert“ Die reelle Subsumtion wird durch die ideologische Unterordnung erweitert.
Eine Gegenposition hierzu wird durch P. Hartz, den Arbeitsdirektor der Dillinger Hütte, vertreten. Seiner Einschätzung nach stellt man „mit zunehmender Tendenz Übereinstimmung zwischen den Grundwerten der Mitbestimmung (d. h.der Montanmitbestimmung, d. Verf.) und fortschrittlichen, besonders erfolgreichen Untemehmensleitbildern fest“ Gruppenarbeit und beteiligungsorientierte Führungskonzepte sind hiernach einerseits Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige und flexible Produktion und gehen andererseits einher mit einem Abbau und einer Verflachung von Hierarchien, mehr Transparenz und Dezentralisierung von Entscheidungen. Wichtig ist hierbei die volle Einbettung direkter Beteiligungsformen in das System der Montanmitbestimmung, d. h. repräsentativer Mitbestimmung in Betrieb, Aufsichtsrat und Vorstand.
Eine Zwischenposition wird von M. Helfert eingenommen Er schätzt die Position der beiden Seiten zwar als nicht deckungsgleich, aber als grundsätzlich nicht unvereinbar ein. Er identifiziert folglich einen Gestaltungsspielraum für direkte Beteiligungsformen, der durch Gewerkschaften und Management zum Vorteil beider Seiten genutzt werden kann. Ein solcher „Modernisierungspakt" gibt einerseits dem Management die Möglichkeit zur Lösung betrieblicher Probleme und kann andererseits durch die betriebliche Interessenvertretung zum Vehikel der Durchsetzung von Arbeitnehmer-interessen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen genutzt werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Betriebsvereinbarung und die betriebliche Praxis zur Einführung von Qualitätszirkeln bei Volkswagen.
Risiken und Chancen Eine systematische Übersicht über mögliche Risiken und Chancen aus Arbeitnehmersicht findet sich bei T. Breisig Hiernach lassen sich vier Gruppen von Risiken unterscheiden: Risiken für die Interessenvertretung; Risiken aufgrund des Charakters des Managementinstruments; Risiken aufgrund gruppendynamischer Offenheit; Risiken aufgrund der Arbeit der Gruppe neben der traditionellen betrieblichen Hierarchie.
Mögliche Chancen sind ebenso klar voneinander zu unterscheiden. Diese beziehen sich auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen; die Erhöhung der Arbeitssicherheit; die Befriedigung von Beteiligungsbedürfnissen; die Schaffung von Kommunikationsfreiräumen; die Abkehr oder Abschwächung tayloristischer Arbeitsorganisation; die Aufweichung starrer bürokratisch-hierarchischer Strukturen; die Veränderung eines autoritären Führungsstils; die Eröffnung verbesserter Qualifikationschancen. Die Übersicht zeigt, daß eine systematische Einschätzung der tatsächlichen Chancen und Risiken der Anwendung von Kleingruppenkonzepten in Europa aufgrund der aktuellen Kenntnisse äußerst schwierig ist. 8. Verhältnis direkter und repräsentativer Arbeitnehmerbeteiligung Einer der zentralen Bereiche der Entwicklung industrieller Beziehungen in Europa ist das Verhältnis zwischen repräsentativer und indirekter Arbeitnehmerbeteiligung. Die häufig zu beobachtende einseitige Befürwortung oder Ablehnung des einen wie des anderen Konzepts ist für die Entwicklung eines effizienten Systems industrieller Beziehungen in Europa wenig hilfreich. Die bisher dargestellten Untersuchungsergebnisse geben einen ungefähren Überblick über die quantitative Verteilung:
— direkte Arbeitnehmerbeteiligung; 10, 3 Prozent; — direkte Arbeitnehmerbeteiligung ohne finanzielle Partizipation: 2. 3 Prozent.
Diese Ergebnisse relativieren zuerst einmal überzogene Ängste auf Seiten der Gewerkschaften in Europa gegenüber der Verbreitung neuer Managementkonzepte direkter Arbeitnehmerbeteiligung. Darüber hinaus sind diese Konzepte eher in Ländern verbreitet, wo die gewerkschaftliche Organisation stark ist, bzw. wo eine starke gesetzliche Absicherung von Arbeitnehmerrechten besteht. Die strukturelle Verteilung neuer direkter Beteiligungskonzepte zeigt ferner eine stärkere Anwendung in Großbetrieben. Hier sind die Gewerkschaften traditionell stark vertreten, so daß mögliche negative Effekte auf die gewerkschaftliche Vertretungsmacht eingegrenzt werden können. Dies wird auch durch die Work-Research-Unit (London) bestätigt, die in einer neueren Untersuchung für Großbritannien keinen Einfluß von Qualitätszirkeln auf das Muster der bestehenden betrieblichen Arbeitsbeziehungen beobachtet.
Probleme für die Gewerkschaften treten vor allem in Hinsicht auf die Effizienz betrieblicher Mitbestimmung auf. Die dargestcllten Ergebnisse zeigen eine geringere Beteiligungsintensität in strategischen Phasen und Entscheidungsbereichen im Unterneh33 men. Ca. 50 Prozent aller Arbeitnehmervertreter in Europa sind hier nicht beteiligt. Starke Beteiligungsformen wie Verhandlungen und volle Mitbestimmung finden sich nur in ca. zehn Prozent der Betriebe. Darüber hinaus können die starken länder-spezifischen Unterschiede in der Praxis betrieblicher Mitbestimmung durch multinationale Konzerne ausgenutzt werden und damit zu einem „Mitbestimmungsdumping“ in den Ländern Nord-und Mittel-europas führen.
V. Trends für die neunziger Jahre
Abbildung 5
Abb. 5: Wirkungen bisheriger Beteiligung; Befragung von Managern Quelle: Befragung in allen EG-Mitgliedstaaten, 1987— 1988; 3 848 Manager.
Abb. 5: Wirkungen bisheriger Beteiligung; Befragung von Managern Quelle: Befragung in allen EG-Mitgliedstaaten, 1987— 1988; 3 848 Manager.
Für die Entwicklung der Arbeitnehmerbeteiligung in Europa lassen sich in den neunziger Jahren fünf Trends ausmachen: 1. Regelung auf nationaler Ebene Die gesetzliche Regelung betrieblicher Mitbestimmung hat in den achtziger Jahren mit der Verabschiedung entsprechender Gesetze in Portugal, Griechenland und Spanien erhebliche Fortschritte gemacht. Dieser Trend wird sich möglicherweise auch in den neunziger Jahren in Irland und Großbritannien fortsetzen. In Irland findet momentan eine lebhafte Diskussion zwischen Gewerkschaften (ICTU), Arbeitgebern (FIE) und dem Arbeitsministerium statt, die möglicherweise noch in diesem Jahr zu einer freiwilligen Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften zur Einführung betrieblicher Mitbestimmung führt. Gewerkschaften und Arbeitsministerium sind darüber hinaus an einer gesetzlichen Regelung stark interessiert. In Großbritannien wächst bei Personalleitern und ihrer Standesorganisation die Bereitschaft, über neue Regelungsformen repräsentativer Arbeitnehmerbeteiligung nachzudenken Auch die Offenheit britischer Gewerkschaften gegenüber gesetzlichen Regelungen von Arbeitnehmerbeteiligungen ist nach der leidvollen Erfahrung der Thatcher-Ära sichtlich gestiegen. 2. Regelung auf EG-Ebene Dies wird weiterhin schwierig bleiben; kurzfristig sind nur geringe Veränderungen zu erwarten. Wenn Fortschritte auftreten, so werden diese eher aus politischen Veränderungen in den Mitgliedsländern oder aus dem Europaparlament als durch den Einfluß der Sozialpartner auf europäischer Ebene ausgelöst werden. Die organisatorische Schwäche des Europäisehen Gewerkschaftsbundes macht es kaum möglich, diese Entwicklung auf europäischer Ebene voranzutreiben. Ob der EGB zu einer organisatorischen Reform fähig ist, bleibt abzuwarten. 3. Zunehmende Bedeutung direkter Arbeitnehmerbeteiligung Die ökonomischen, technologischen und sozialen Trends werden in den neunziger Jahren zu einem beschleunigten Ausbau verschiedener Formen direkter Arbeitnehmerbeteiligung führen. Für die Sozial-partner besteht hierbei die Aufgabe, den bestehenden Gestaltungsspielraum zu nutzen und die verschiedenen Formen direkter Arbeitnehmerbeteiligung sinnvoll mit den Strukturen repräsentativer Arbeitnehmerbeteiligung zu verbinden. 4. Internationalisierung Ohne eine Regelung der Arbeitnehmerbeteiligung in multinationalen Konzernen werden die bestehenden Formen repräsentativer Arbeitnehmerbeteiligung in Europa ausgehöhlt Starke nationale Gewerkschaften wie in Belgien, der Bundesrepublik oder in Skandinavien könnten ihren Handlungsspielraum nutzen und Einfluß auf multinationale Konzerne in ihren Ländern nehmen, um zu entsprechenden Betriebsvereinbarungen zu kommen. 5. Neue Themen Neue Themen werden die traditionelle Agenda industrieller Beziehungen erweitern. In Südeuropa werden in den neunziger Jahren verstärkt Fragen der Qualität des Arbeitslebens und der Gestaltung neuer Technologien zwischen den Sozialpartnern diskutiert werden. Europaweit wird der Umweltschutz und die Gestaltung atypischer Arbeitsverhältnisse von großer Bedeutung für die Sozialpartner werden.
Hubert Krieger, Dr. rer. pol., geb. 1951; Forschungsleiter im Bereich Partizipation und industrielle Beziehungen in der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens-und Arbeitsbedingungen, Dublin. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit D. Fröhlich/D. Fuchs) New Information Technology and Participation in Europe, Dublin 1989; (zus. mit K. Liepelt/R. Schneider/M. Smid) Arbeitsmarktkrise und Arbeitnehmerbewußtsein, Frankfurt-New York 1989; (zus. mit D. Fröhlich/C. Gill) Roads to Participation, Dublin 1990.
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