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Schutz der Menschenrechte durch humanitäre Intervention? | APuZ 12-13/1993 | bpb.de

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APuZ 12-13/1993 Schutz der Menschenrechte durch humanitäre Intervention? Chancen und Voraussetzungen der Demokratisierung Afrikas Multilaterale Entwicklungspolitik Multilaterale Entwicklungspolitik Wirtschaftsreformen in Lateinamerika

Schutz der Menschenrechte durch humanitäre Intervention?

Wolfgang S. Heinz

/ 24 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

In den letzten Jahren wird der Einsatz humanitärer Interventionen in der internationalen Politik wieder zunehmend diskutiert. Ursprünglich aufgrund ihres häufigen Mißbrauchs aus dem Völkerrecht verbannt, wird ihr Einsatz jetzt von Politikern und Wissenschaftlern in extremen Fällen gefordert, in denen vor allem ein Zerfall staatlicher Macht, massive Menschenrechtsverletzungen und ein erhebliches Leiden der Zivilbevölkerung Zusammentreffen. Menschenrechtsverletzungen allein werden jedoch nicht zur Begründung von Interventionen ausreichen, solange es nicht gleichzeitig zu Auswirkungen wie Flüchtlingsbewegungen und massivem Leiden der Zivilbevölkerung kommt. Die Diskussion über eine neue Rolle der Vereinten Nationen und der Großmächte wird darüber entscheiden, ob eine neue Abgrenzung zwischen traditioneller nationaler Souveränität und weltweiter, gemeinsamer Verantwortung für Frieden und Sicherheit entstehen wird.

Jugoslawien, Irak, Kambodscha und Somalia sind zur Zeit die aktuellsten Beispiele für Versuche multilateraler Konfliktlösung, die militärische Operationen mit humanitärer Begründung ausdrücklich einschließen. Im folgenden soll ein kurzer Überblick über Diskussionsstand und potentielle Konfliktfelder von Intervention gegeben werden, die humanitär und/oder menschen-rechtlich motiviert werden. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf völkerrechtlichen und politischen Grundsatzfragen, wobei im Rahmen dieser Arbeit keine vollständige Behandlung des Themas möglich ist.

Im Mittelpunkt steht die Frage, ob humanitäre Interventionen, getragen von einzelnen Staaten, einer Staatenkoalition, regionalen oder internationalen Organisationen, zum Schutz der Menschenrechte beitragen können. Um zu einer möglichst vollständigen Bewertung zu kommen, müssen völkerrechtliche Grundlagen, der Begriff der humanitären Intervention, jüngste politische Entwicklungen und die Rolle von Menschenrechtsorganisationen betrachtet werden.

I. Völkerrechtliche Grundlagen

Der universelle Menschenrechtsschutz basiert auf dem Grundsatz, daß Regierungen für die Einhaltung international vereinbarter Normen verantwortlich sind. Da eine Weltregierung, ein internationaler Menschenrechtsgerichtshof sowie weltweit operierende Polizei-und Streitkräfte fehlen, können Menschenrechte nicht erzwungen werden. Für ihre Einhaltung sind auch weiterhin Regierungen verantwortlich.

Nach dem Völkerrecht ist die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten verboten Heute versuchen nur noch wenige Länder, dieses Verbot bei Kritik an Menschenrechtsverletzungen in Anspruch zu nehmen. Die Durchsetzung der Menschenrechte ist als internationale Aufgabe akzeptiert und kann daher keine Einmischung darstellen. Es sollten aber auch die Gründe für das Einmischungsverbot genannt werden: Staaten sollen vor ausländischer Intervention, Penetration und Domination geschützt werden. Dies gilt auch, wenn man einräumt, daß in der Praxis vielfältige Einflußversuche von ausländischer Manipulation, Intervention bis zur Invasion immer wieder stattfanden und stattfinden. Negativ betrachtet ergibt sich das Problem, daß bei absoluter Anwendung dieses Grundsatzes Regierungen in ihrem Handeln absolut frei wären. In praxi bedeutet dies: die Erlaubnis von Menschenrechtsverletzungen, Massakern, Ethnozid und Genozid, auch wenn völkerrechtliche Menschenrechtsstandards ein solches Verhalten verbieten.

1. Weltstrafrecht

Bisher ist nur im Fall der Folter das Weltstrafrechtsprinzip angewandt worden. Nach der UN-Antifolterkonvention kann ein Folterer in jedem Land vor Gericht gestellt werden. Im neuen Entwurf einer UN-Erklärung über erzwungenes oder unfreiwilliges Verschwinden von Personen, der der UN-Generalversammlung 1992 vorlag, wurde ein solcher Artikel ursprünglich vorgeschlagen, dann aber nicht aufgenommen.

Die International Law Commission der UNO hat jetzt einen Entwurf zu Grundsätzen der Staaten-verantwortlichkeit vorgelegt, der zur Zeit diskutiert wird. Wenn Staaten bestimmte Verbrechen begehen, so die Argumentation, ist die ganze Völkergemeinschaft hiervon betroffen. Zu den vorgeschlagenen Straftaten gehören u. a. Angriffshandlungen, massive Umweltverschmutzung und auch schwere Menschenrechtsverletzungen wie Sklaverei, Völkermord und Apartheid.

Es ist zur Zeit nicht abzusehen, wie lange die Erörterung dieser neuen Völkerrechtsnormen dauern wird, aber mit einem kurzfristigen Abschluß innerhalb von drei bis fünf Jahren ist nicht zu rechnen. Auch ist zu klären, ob der Internationale Gerichtshof in Den Haag für solche Fälle zuständig wäre, oder ob ein internationaler Menschenrechtsgerichtshof geschaffen wird -ein seit langem vorgeschlagener Schritt, gegen den es jedoch bisher starken Widerstand gab.

Auch stellt sich die Frage nach den Maßnahmen, mit denen Staaten auf Völkerrechtsverletzungen reagieren können. Es sind dies grundsätzlich besondere internationale Prozeduren (z. B. aufgrund von durch Verträge eigens geschaffenen Institutionen), friedliche Streitbeilegung oder Repressalien.

Letztere sind oft umstritten und werden nur dann weithin akzeptiert, wenn sie von der Völkergemeinschaft kollektiv verhängt werden. Sie sind nur für den Fall eines ernsthaften Bruchs grundlegender Menschenrechte in größerem Ausmaß vorgesehen Auch dürfen sie nicht ihrerseits gegen die Menschenrechte verstoßen. Schließlich muß es eine Institution geben, die verbindlich feststellt, ob ein solcher Bruch begangen wurde oder nicht, da sonst eine solche Entscheidung von verschiedenen Staaten getroffen wird und damit auch im Ergebnis unterschiedlich ausfallen kann. Die Gefahr, daß sich eine solche Institution, bei der es sich vorläufig nur um den UN-Sicherheitsrat handeln kann, sehr selten zu einem Handeln durchringt, hegt auf der Hand.

2. Gewaltanwendung zwischen Staaten und die Rolle der UNO

Völkerrechtlich besteht ein Verbot der Gewaltanwendung, außer zur Selbstverteidigung oder im Rahmen kollektiver UN-Sicherheitsmaßnahmen. Nach der UN-Charta unterlassen Mitgliedstaaten „in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt“ (Art. 2 Zf. 4).

Nach langer Diskussion erzielten die Vereinten Nationen 1974 Einigung über den Begriff der Aggression. In der Resolution 3314 der UN-General-versammlung werden als Beispiele genannt: -Invasion, Angriff bewaffneter Streitkräfte, militärische Besetzung und militärische Annexion fremder Staaten, -Bombardierung und Einsatz von Waffen gegen fremdes Territorium, -Blockade fremder Häfen oder Küsten, -Bewaffneter Angriff gegen Land-, See-oder Luftstreitkräfte sowie gegen die Handelsflotte oder Zivilflugzeuge eines anderen Staates, -Mißbrauch eines durch die Streitkräfte des Sendestaates, Stationierungsabkommens -Überlassung des eigenen Territoriums für Aggressionsakte eines anderen Staates gegen einen dritten Staat sowie -Entsendung bewaffneter Banden, Freischärler oder Söldner, die eine Aggressionshandlung gegen einen fremden Staat begehen

Nach Art. 39 UN-Charta entscheidet der UN-Sicherheitsrat, „ob eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung vorliegt“. Art. 41 definiert die Maßnahmen unterhalb der Schwelle von Waffengewalt wie Unterbrechung von Wirtschaftsbeziehungen und Abbruch diplomatischer Beziehungen.

Art. 42 legitimiert militärische Schritte: „Ist der Sicherheitsrat der Auffassung, daß die in Artikel 41 vorgesehenen Maßnahmen unzulänglich sein würden oder sich als unzulänglich erwiesen haben, so kann er mit Luft-, See-oder Landstreitkräften die zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen durchführen. Sie können Demonstrationen, Blockaden und sonstige Einsätze der Luft-, See-oder Landstreitkräfte von Mitgliedern der Vereinten Nationen einschließen.“ Der Koreakrieg war 1950 der erste Fall, in dem UN-Truppen in einen Krieg eingriffen. Der zweite Fall war der Krieg gegen den Irak.

Abschließend bleibt festzuhalten, daß es sich bei einem Beschluß des UN-Sicherheitsrates nach Art. 39, 41 und 42 UN-Charta nicht mehr um eine Intervention, sondern um eine kollektive Sicherheitsmaßnahme handelt.

II. Humanitäre Intervention

In der Vergangenheit wurde auf die humanitäre Intervention (Intervention d’humanite) zurückgegriffen, wenn Staatsbürger des eigenen Landes in einem anderen Land vermeintlich oder tatsächlich in Gefahr waren Im Einzelfall mag eine solche Gefahr bestanden haben, gleichzeitig diente sie aber oft auch der Verfolgung nationaler Interessen, d. h.der politischen Intervention. Bis in die jüngste Zeit ist die Gefahr für Leib und Leben von Staatsbürgern für militärische Interventionen herangezogen worden, zuletzt im Fall der USA in Grenada (1983). Gegenwärtig ist die traditionelle Intervention d’humanitt aus dem 19. Jahrhundert völkerrechtlich unzulässig

Jedoch hat eine neue Diskussion über den Einsatz humanitärer Interventionen im Fall massiver Menschenrechtsverletzungen begonnen Was genau „schwere“, „massive“ oder „systematische“ Menschenrechtsverletzungen sind, ist weder völkerrechtlich noch politisch genau definiert. Das Beschwerdeverfahren nach Resolution 1503 der UN-Generalversammlung spricht von „Regelbeispielen für schwere und zuverlässig bezeugte Verletzungen von Menschenrechten und Grundfreiheiten, einschließlich einer Politik rassischer Diskriminierung, Rassentrennung und Apartheid in irgendeinem Lande einschließlich kolonialer und anderer abhängiger Länder und Völker...“ (Resolution Nr. 1 der UN-Unterkommission zur Verhütung von Diskriminierung und für Minderheitenschutz vom 13. August 1971). Der Unterschied zur traditionellen Bedeutung des Begriffs liegt darin, daß es nicht mehr um den Schutz von Staatsangehörigen des intervenierenden Landes in einem Drittland geht, sondern um die Situation der Bevölkerung vor Ort.

Die neue Debatte findet sowohl in der Politischen Wissenschaft als auch im Völkerrecht statt. Rainer Tetzlaff vertritt z. B. die Auffassung, daß zivile internationale Interventionen in Entwicklungsstaaten dann angebracht sind, wenn „ein beträchtlicher Machtmißbrauch von demokratisch nicht legitimierten Regierungen zum Schaden der eigenen Bevölkerung erkennbar vorliegt“ Und Ulrich Menzel fragt, ob „in krassen Fällen von Menschen-verachtung Interventionen von außen nicht nur grundsätzlich erlaubt, sondern sogar notwendig sind, ob die Wahrung der Menschenrechte nicht ein höheres Rechtsgut als die Wahrung nationaler Souveränität ist“

Damit stellt sich die Frage nach den Kriterien: Unter welchen Bedingungen ist eine Intervention, sprich militärische Intervention, ethisch und völkerrechtlich vertretbar? Völkerrechtler haben verschiedene Kriterien für eine humanitäre Intervention vorgeschlagen. Bazyler nannte in seiner Studie von 1987: massenhafte Menschenrechtsverletzungen, ein überragendes humanitäres Motiv der intervenierenden Macht, eine Präferenz für eine gemeinsame Aktion, eine von Zeit und Umfang her begrenzte Intervention und das Ausschöpfen anderer, friedlicher Mittel vor der Intervention

F. R. Tesön betont die folgenden vier Elemente: 1. Da von einem ethischen Standpunkt aus gesehen Regierungen nur Vertreter des Volkes sind, hängen ihre Rechte im Völkerrecht von den Rechten der Individuen ab, die in ihrem Staat leben. 2. Eine berechtigte Intervention muß auf die Diktatoren gerichtet sein und das Ziel verfolgen, Menschenrechtsverletzungen zu beenden. 3. Humanitäre Intervention basiert auf dem Zusammenspiel von Prinzipien der Verhältnismäßigkeit der Mittel und der Wiederherstellung von Menschenrechten. Verhältnismäßigkeit wird hier bezogen auf die Schwere der Verletzungen und die Wahrscheinlichkeit, die Situation verbessern zu können. 4. Die Opfer der Unterdrückung müssen die Intervention begrüßen

In jüngster Zeit diskutieren Völkerrechtler auch über die erga omnes-Anwendbarkeit von Menschenrechten. Nach diesem Prinzip sind Staaten Verpflichtungen nicht nur durch völkerrechtliche Verträge eingegangen, sondern diese bestehen auch gegenüber der Völkergemeinschaft als Ganzem (erga omnes). In diesem Sinn wird für eine Verpflichtung von Staaten argumentiert, die Einhaltung der Menschenrechte sicherzustellen Ungeklärt ist bisher, um welche Menschenrechte es sich genau handeln soll und welche Reichweite eine mögliche Intervention haben darf. Es besteht jedoch Übereinstimmung, daß nicht alle Menschenrechtsnormen gemeint sein können.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) spricht von „grundlegenden Rechten“ („basic rights ofthe humanperson“), und Völkerrechtler betonen, daß nur massenhafte Menschenrechtsverletzungen wie Apartheid, Völkermord u. ä. als Grund für eine mögliche Intervention in Frage kommen. Auch ist die Idee der Intervention selbst nicht allgemein anerkannt. Bei einer Intervention muß sowohl die Verhältnismäßigkeit der Mittel gegenüber den verletzten Menschenrechten berücksichtigt werden als auch die Tatsache, daß Waffengewalt ausgeschlossen bleibt, solange diese Verletzungen nicht den Umfang einer Bedrohung für Frieden und die Sicherheit nach Artikel 39 UN-Charta darstellen. Eine solche kann bisher nur vom UN-Sicherheitsrat festgestellt werden

Die Entscheidung muß ohne ein Veto eines der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates getroffen werden. Bisher ist kein Fall eines solchen Beschlusses bekannt, der mit Hinweis auf Menschenrechtsverletzungen gefällt worden wäre. Bis vor kurzem konnte eine Übereinstimmung nur im Fall der einseitigen Unabhängigkeitserklärung Rhodesiens im Jahr 1966 erzielt werden. Mit der Umwälzung in Osteuropa und der früheren UdSSR veränderte sich auch die Lage im UN-Sicherheitsrat. Die Reaktion auf die irakische Kuwait-Invasion konnte einstimmig erfolgen. Es ist aber wichtig festzuhalten, daß als Ursache des Krieges die Besetzung Kuwaits bezeichnet wurde. Auch im Fall der Kurden-Resolution 688 des UN-Sicherheitsrates waren der Bezug Flüchtlingsbewegungen aus dem Irak als Folge der Regierungspolitik, nicht aber Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Kurden

Schließlich lautet eine interessante empirische Frage, wie Regierungen enden, die für massive Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind. Einige von ihnen zerbrachen an inneren Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Fraktionen, andere wurden gewaltsam oder gewaltlos abgesetzt (Iran, Philippinen, Äthiopien, Osteuropa etc.). Wieder andere konnten nur durch eine Invasion mit starker ausländischer Unterstützung zu einem Zeitpunkt gestürzt werden, an dem bereits über lange Zeit massive Menschenrechtsverletzungen stattgefunden hatten (Uganda unter Amin, Kampuchea unter den Roten Khmer). Der Sturz eines diktatorischen Regimes bedeutete nicht, daß unter der nächsten Regierung nicht auch erhebliche Menschenrechtsverletzungen stattfanden. Beispiele hierfür sind Uganda und Iran.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, daß es aus Gründen von schweren Menschenrechtsverletzungen allein keine kollektiven Sicherheitsmaßnahmen der UNO oder Interventionen einzelner Staaten gegeben hat. Auch ist kein Fall bekannt, in dem der UN-Sicherheitsrat schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen als „Bedrohung oder Bruch des Friedens“ bezeichnet hat, auf die dann mit nicht-militärischen oder gar militärischen Mitteln zu reagieren wäre. Eine solche Entscheidung -Bedrohung oder Bruch des Friedens -wurde bisher nur in den Fällen Rhodesien und Irak getroffen; im zweiten Fall wurde sie begründet mit der Okkupation eines anderen Staates und der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen.

III.

Aktuelle Länderbeispiele

Zum besseren Verständnis soll die Rolle der UN in den eingangs genannten vier Länderbeispielen kurz skizziert werden, besonders im Hinblick auf Einschränkungen der nationalen Souveränität.

1. Irak

Nach dem irakischen Überfall und der Annexion Kuwaits hat der UN-Sicherheitsrat 1991 zum zweiten Mal in seiner Geschichte eine mögliche militärische Antwort beschlossen, die von den USA und ihren Alliierten sofort umgesetzt wurde. Darüber hinaus kam es 1991 zum Einsatz von 22000 Soldaten für den Schutz der kurdischen Bevölkerung im Norden Iraks, die jetzt von einer selbstbestimmten Regierung verwaltet wird.

Am 5. April 1991 verurteilte der UN-Sicherheitsrat in der Resolution 688 die „in vielen Teilen Iraks stattfindende Unterdrückung der irakischen Zivilbevölkerung, deren Folgen den Weltfrieden und die internationale Sicherheit bedrohen“, und forderte, diese Unterdrückung sofort einzustellen und die Menschenrechte und politischen Rechte aller irakischen Bürger zu respektieren. Nach dem Krieg hat der UN-Sicherheitsrat dem Irak verschiedene Auflagen gemacht, insbesondere die Zerstörung der Massenvemichtungswaffen. Der Irak behinderte kontinuierlich die UN-Inspektionen. Im Juli 1992 diskutierte der UN-Sicherheitsrat die Möglichkeit eines neuen militärischen Schlages, einen Luftangriff gegen militärische Ziele. Im Januar 1993 erfolgte ein solcher Angriff mit der Begründung, der Irak hätte seine Raketen-stellungen im Süden nicht geräumt.

Bereits am 10. April 1991 hatten die USA, Frankreich, Großbritannien und Rußland ein Flugverbot nördlich des 36. Breitengrades für die irakische Luftwaffe verkündet, um die kurdische Bevölkerung vor Luftangriffen zu schützen. Am 26. August 1992 verboten dieselben Länder Operationen südlich des 32. Breitengrades, um die Bekämpfung der in den Süden geflohenen Schiiten aus der Luft unmöglich zu machen. Ein formeller Beschluß des UN-Sicherheitsrates liegt in beiden Fällen nicht vor, jedoch werden sie offensichtlich informell gebilligt. Im Blick auf die nationale Souveränität des Iraks kam es mit diesen Maßnahmen zu einer Dreiteilung zwischen einer nördlichen und südlichen Zone sowie dem Rest des Landes.

Abschließend bleibt festzuhalten, daß die irakische Regierung einer „humanitären Präsenz“ der UNO zwar zugestimmt hat, aber die Einhaltung der Menschenrechte keine Aufgabe der unterdessen eingerichteten „humanitären Zentren“ ist, in denen auch UN-Wachbeamte tätig sind.

2. Kambodscha

Nach mehrjährigen Verhandlungen zwischen den vier Widerstandsgruppen, der Regierung in Phnom Penh, Vietnam und weiteren Regierungen wurde ein Waffenstillstandsabkommen geschlossen, das den Vereinten Nationen eine wichtige Rolle zuschreibt. Nach dem Vertrag übernehmen sie die Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte, Kontrolle über die zivile Verwaltung, Organisation und Durchführung von freien und gerechten Wahlen, Überwachung des Rückzugs ausländischer Truppen aus Kambodscha, Überwachung der Polizei und Streitkräfte, Wiederansiedlung von Flüchtlingen/Vertriebenen und deren Wiedereingliederung. 20000 UN-Soldaten werden für einen Zeitraum von achtzehn Monaten nach Kambodscha entsandt.

Die ungewöhnlich starke Rolle der Vereinten Nationen schränkt die nationale Souveränität des Landes erheblich ein und bedeutet in der Praxis die Übernahme von partieller Regierungsverantwortung. Grundlage hierfür ist die Resolution 745 des UN-Sicherheitsrates vom 19. Februar 1992, mit der eine Übergangsbehörde der Vereinten Nationen geschaffen wurde (UNTAC).

Nachdem die Roten Khmer die Entwaffnung ihrer Verbände ablehnten, hat der UN-Sicherheitsrat die Hilfsgelder für sie im Juli 1992 gesperrt. Schon jetzt ist deutlich, daß der vorgesehene Zeitplan kaum einhaltbar ist. Einige Beobachter befürchten bereits eine Verschiebung des Bürgerkrieges, bei dem sich die UN völlig übernommen haben Die Besorgnis ist durch die später wieder zurückgenommene Ankündigung Prinz Sihanouks weiter gestiegen, seine Zusammenarbeit mit der UN-Verwaltung für Kambodscha (UNTAC) einzustellen. Ob es angesichts der erheblichen Verschlechterung der Lage zu den geplanten Wahlen in diesem Jahr kommen kann und ob diese repräsentativ sein können, ist weitgehend unklar.

3. Jugoslawien

Die UN und die Europäische Gemeinschaft haben versucht, im Jugoslawienkonflikt zu vermitteln, zuerst zwischen Serben und Kroaten, und zur Zeit in Bosnien-Herzegowina. Humanitäre Hilfsaktionen wurden durchgeführt, und die UNO erklärte die Absicht, die Kontrolle über schwere Waffen zu erhalten. Der Versuch der deutschen Bundesregie-rung, frühzeitig Serben und die serbisch dominierte Bundesarmee als Aggressor zu brandmarken, erhielt zunächst keine Unterstützung bei der Mehrzahl der EG-Staaten und den USA. Im Som-, mer 1992 hat sie ein Schiff der Bundesmarine -einem im Auftrag der UNO in der Adria operierenden NATO-bzw. WEU-Verband attachiert -entsandt, wodurch die seit dem Irak-Krieg geführte Diskussion über Blauhelm-und out-of-areaEinsätze der Bundeswehr neuen Zündstoff bekam Im Oktober 1992 hat sich die NATO bereit-erklärt, für die Vereinten Nationen das Flugverbot über der Region zu kontrollieren.

Seit Sommer 1992 werden von verschiedener Seite militärische Einsätze gegen die Serben gefordert. UN und EG sind unentschlossen, ob und inwieweit sie über ein rein humanitäres Engagement hinaus militärisch in den Konflikt eingreifen sollen. Soll die Situation „eingefroren“ werden, Schutzzonen gesichert oder Bosnien-Herzegowina gegen die Serben verteidigt werden oder was genau wäre das Ziel eines solchen Eingreifens? Einigkeit scheint zunächst nur über eine militärische Durchsetzung des Flugverbotes über Bosnien zu bestehen. Die Furcht vor einem Landkrieg, die Sorge über eine eventuelle russische Unterstützung für die serbische Seite und der Umfang einer Intervention haben bisher abschreckend gewirkt.

4. Somalia

Nach langem Zögern haben sich die USA zu einem militärischen Eingreifen in Somalia durchgerungen. Mit 38000 Mann soll die „Operation Hoffnung“ die von den großen Clans befehligten militärischen Banden vom Raub der UN-Hilfsgüter abhalten und dadurch deren Verteilung an die hungernde somalische Bevölkerung sicherstellen.

Die Truppen setzen sich aus verschiedenen Nationen, vor allem den USA und Frankreich, zusammen und stehen unter dem Oberbefehl der USA. Nach der Landung gab es Meinungsunterschiede zwischen dem UN-Generalsekretär und der US-Regierung, inwieweit die Truppen über die Sicherung der Hilfsgüter hinaus Aufgaben der Friedens-wahrung-oder gar -Wiederherstellung wahmehmen sollen. Hoffnungen auf einen Beitrag zur Entwaffnung der Gruppen scheinen sich vorläufig nur zum Teil zu erfüllen.

Im Ergebnis ist daher der Schutz der kurdischen Bevölkerung im Norden Iraks der einzige klare Fall einer humanitären Intervention zum Schutz der Menschenrechte. In allen anderen Fällen ging und geht es um humanitäre Hilfe für die betroffene Bevölkerung, die militärisch abgesichert wird (Jugoslawien, Somalia u. a.). Es wird jedoch nicht militärisch in den politischen Konflikt selbst oder in die Ausübung von Regierungsgewalt, die Menschenrechtsverletzungen einschließt, eingegriffen.

Der andere Fall ist Kambodscha, da die UN dort die Aufgaben einer Übergangsregierung wahrnehmen. Sie sollen die innere und äußere Sicherheit gewährleisten, Menschenrechtsbeschwerden untersuchen und Abhilfe schaffen. Aber die UN-Verwaltung UNTAC reicht nicht in die von den Roten Khmer besetzten Gebiete. In keinem anderen Land haben die UN eine so umfangreiche Verantwortung übernommen.

Das Ziel der Wiederherstellung des Friedens kann den Einsatz militärischer Maßnahmen bis hin zu Kriegshandlungen notwendig machen. Besonders in Ländern mit Bürger-und Guerillakriegen hat ein solcher Einsatz äußerst ernste Folgen, falls man nicht darauf hofft, daß ein militärisches Eingreifen der UNO oder der Großmächte eine sofortige Abschreckungswirkung auf die Konfliktparteien hat.

IV. Politische Praxis und „Neue Weltordnung“

Die Diskussion über humanitäre Intervention ist eng verknüpft mit der Weiterentwicklung des Völkerrechts und mit Vorstellungen über eine neue Weltordnung. Selbst wenn es in der Zukunft zu einer Änderung des Begriffs der nationalen Souveränität im Verhältnis zu Völkerrecht und Befugnissen der Vereinten Nationen kommt, müssen Regierungen und Gesellschaften den politischen Willen entwickeln, international Verantwortung zu übernehmen.

Der schillernde Begriff einer neuen Weltordnung wird gegenwärtig mit unterschiedlicher Bedeutung angewandt. Er kann sich auf eine Neubestimmung der Rolle der USA beziehen, als einziger Welt-macht in einem neuen, unipolaren Weltsystem, auch wenn sie in Zukunft zumindest finanziell auf Unterstützung durch Japan und Deutschland angewiesen sein werden und es zu deutlicheren Rivalitäten kommen mag.

Andere Beobachter erhoffen sich die Chance, eine neue und hoffentlich gerechtere Weltordnung schaffen zu können. Ihre Grundlage müßte ein universelles, multilaterales Sicherheitssystem sein, an dem alle Nationen teilhaben. In den Vereinten Nationen, die hierfür allerdings grundlegend reformiert werden müßten, wird der mögliche Motor für die neue Ordnung gesehen

Die Veränderungen im Verhältnis zwischen Norden und Süden stehen im Mittelpunkt einer dritten Gruppe von Analysen. Hier wird gefragt, inwieweit der alte Ost-West-Konflikt durch einen neuen Nord-Süd-Konflikt ersetzt wird, oder, schärfer gefaßt, ob es vielleicht gar nicht zu einem solchen Konflikt kommen wird, weil sich die OECD und einige wenige, neue Industrieländer die politische und wirtschaftliche Macht aufteilen werden. Auch ist von einer neuen globalen Sozialordnung die Rede, in der die Wohlhabenden des Nordens die absolut Armen des Südens nur noch alimentieren können Die genannten Szenarien wirken sich direkt auf die Diskussion über humanitäre Intervention aus.

Die USA sind nach ihrem eigenen Verständnis der einzige Staat, der über weltweiten politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einfluß verfügt und diesen auch aufrechterhalten will. Nach ihrer 1991 veröffentlichten Nationalen Sicherheitsstrategie gibt es bis zum Ende des Jahrtausends keine Alternative zur Führung der Welt durch die USA Wenn eine neue Weltordnung unter der Ägide der USA und einiger weniger anderer Industriestaaten entsteht, muß bezweifelt werden, daß universelle Sicherheits-und Menschenrechtsinteressen gegenüber den nationalen Interessen dieser Länder den Vorrang erhalten werden, wenn über Interventionen entschieden wird. Ein neues paternalistisches Modell von Machtpolitik könnte hier drohen.

Innerhalb der UNO wird jetzt von einem „erweiterten Sicherheitsbegriff“ gesprochen, der Umwelt-katastrophen, Flüchtlingsströme, Menschenrechtsverletzungen und auch die unerlaubte Verbreitung von Massenvernichtungswaffen einschließt Für Europa wird die Aufteilung von Kompetenzen zwischen UN-Sicherheitsrat und KSZE/WEU/NATO bei friedenssichemden Einsätzen geklärt werden müssen, besonders im Blick auf die Aufgaben der „Wahrung des Weltfriedens“ und der „Wiederherstellung des Friedens“ (Art. 39 UN-Charta). Im Oktober 1992 sind in Bielefeld die ersten Einheiten des Allied Command Europe Rapid Reaction Corps aufgestellt worden, das bis 1995 80000 Mann umfassen soll. Sie sollen „primär in Europa“ eingesetzt werden NATO-Generalsekretär Manfred Wörner hat im Dezember 1992 erklärt, daß die NATO zu einem wesentlich stärkeren Einsatz auf dem Balkan bereit sei, gegebenenfalls auch zu Kampf-einsätzen, falls dies die UNO wolle.

In dem Abschlußdokument der KSZE-Tagung in Helsinki im Juli 1992 heißt es: „Friedenserhaltung ist ein wichtiges operatives Element der Fähigkeit der KSZE zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung und soll den politischen Prozeß der Lösung von Streitfällen ergänzen. Je nach ihrem Mandat wird eine friedenserhaltende Operation der KSZE ziviles und/oder militärisches Personal umfassen, von kleinen bis zu großen Operationen reichen und eine Vielfalt von Formen annehmen können, einschließlich von Beobachter-und Überwachungsmissionen sowie größeren Einsätzen von Streitkräften.“ Es wird aber auch klargestellt, daß die KSZE-Friedenserhaltung unter gebührender Berücksichtigung der Verantwortung der UNO stattfinden soll und nicht zu Zwangsmaßnahmen führt.

V. Die Rolle von Menschenrechtsorganisationen

Menschenrechtsorganisationen, sie unterstützende Gruppen und Institutionen werden eine eventuelle neue Interventionspolitik, die menschenrechtlich legitimiert wird, genau analysieren müssen. Sie sind entscheidend auf Glaubwürdigkeit angewiesen, wenn ihre Informationen zur Rechtfertigung von Interventionen benutzt werden. Der geringste, begründete Verdacht, sie agierten im Interesse des Nordens, des Westens oder der Industrieländer, kann erhebliche negative Rückwirkungen haben. Dies gilt unter der Voraussetzung, daß, auch wenn sie sich in der Menschenrechtsarbeit immer im politischen Raum bewegen, sie ihre Ziele ohne Sorge vor einer Berührung mit politischen Interessen definieren müssen.

Es hat keinen Sinn, sich aus dieser Diskussion herauszuhalten, weil sie in der Praxis schon mit Hinweis auf Menschenrechte geführt wird. Das bekannteste Beispiel war Präsident Bushs Rede zum Eingreifen in Kuwait, in der er den Kuwaitbericht von Amnesty International zitierte. Veröffentlichungen über Menschenrechte und besonders die Einschätzung über die Schwere der Lage können -neben anderen Faktoren -zu einem Kalkül staatlicher Entscheidungsfindung werden. Daher besteht ein Beratungs-und Handlungsbedarf für Menschenrechtsorganisationen, besonders in den USA, aber auch gegenüber der EG, anderen europäischen Organisationen und Regierungen.

VI. Schlußfolgerungen

Angesichts der enormen Geschwindigkeit, mit der sich Weltpolitik heute verändert und neue Konstellationen entstehen, können verbindliche Schlußfolgerungen mit Anspruch auf längerfristige Gültigkeit nicht gezogen werden. Es ist offensichtlich, daß zur Zeit international der Versuch gemacht wird, für das in einigen Regionen anarchische internationale System neue Regelungsmechanismen zu schaffen, die neben Diplomatie und Wirtschaftshilfe auch die Androhung und Anwendung militärischer Gewalt in ausgewählten Fällen einschließen.

Mit Blick auf die negativen Folgen zahlreicher ausländischer Interventionen in der Vergangenheit kann argumentiert werden, daß diese überhaupt nicht oder nur in seltenen Ausnahmefällen erfolgen sollten, weil das Konfliktgeschehen oft nur schwer überschaubar ist und durch Interventionen häufig noch verschärft wird. Für ein Eingreifen müßten Kriterien wie z. B. Massaker, systematische Menschenrechtsverletzungen, drohender Ethnozid oder Genozid vereinbart werden, vorausgesetzt, daß eine solche Intervention überhaupt Abhilfe schaffen kann.

Natürlich ergeben sich auch zahlreiche Gefahren, z. B. die eines erheblichen Zynismus, wenn es um die Entscheidung geht, ob in einem konkreten Fall der Grad der Bedrohung und des Mißbrauchs für eine Intervention „ausreicht“. Auch dürfte die Zahl der Länder, in denen ein solches Vorgehen möglich ist, beschränkt sein, da politisch und wirtschaftlich mächtige Staaten, aber auch flächenmäßig große Länder von vornherein für Interventionen kaum in Frage kommen dürften.

Für eine gegenteilige Auffassung läßt sich anführen, daß es moralisch unverantwortlich wäre, erneut systematische Menschenrechtsverletzungen von einem Ausmaß wie in Uganda unter Amin, Kampuchea unter den Roten Khmer, in der Sowjetunion unter Stalin oder während des deutschen Nationalsozialismus zuzulassen, vielmehr in jedem Fall von der Völkergemeinschaft interveniert werden muß Die Folgen eines solchen weltweiten Anspruchs müßten allerdings zuerst einmal genau durchdacht werden.

Welche Grundposition auch immer bevorzugt wird, bestimmte organisatorische und legitimatorische Voraussetzungen müßten geklärt werden: -Wer interveniert? Die USA, einige Groß-mächte in Übereinstimmung miteinander, der UN-Sicherheitsrat oder ein neues Gremium? -Nach welchen Kriterien wird interveniert? Während UN-Resolutionen und selbst Wirtschafts-und Militärsanktionen bekannte und akzeptierte Mittel sind, müßten Kriterien für einen totalen Boykott wie im irakischen Fall und militärische Intervention genau definiert werden. Denn eine Intervention kann effektiv die Führung eines Krieges, wenn auch mit begrenzten Zielen, bedeuten. -Wer hat den Oberbefehl über die Interventionstruppen? In Frage kommen UN-Offiziere, ein gemeinsames Oberkommando der beteiligten Streitkräfte oder der Staat, der das größte Kontingent stellt -Welche Mechanismen werden zur Konfliktberatung geschaffen, damit zu jedem Zeitpunkt militärische Interventionen wieder abgebro-eben werden können? Diese Rolle fällt zur Zeit dem UN-Sicherheitsrat zu. -Wer finanziert eine aktive Interventionspolitik, wenn fünf oder gar zehn bewaffnete Konflikte existieren und für jeden Fall politische Mechanismen, Koordination, militärische Mittel und finanzielle Unterstützung zur Verfügung gestellt werden müssen, wobei hier Operationen zur Wiederherstellung des Friedens, nicht humanitäre Bemühungen, wie sie zur Zeit durchgeführt werden, gemeint sind Nach Angaben von UN-Generalsekretär Ghali im August 1992 fehlten den Vereinten Nationen bis Ende Dezember 1992 etwa 1, 75 Mrd. US-Dollar. Aber der Einsatz in Jugoslawien allein kostet monatlich 220 Mio. US-Dollar, und die Ausgaben für den Einsatz in Kambodscha werden für 15 Monate auf drei Mrd. US-Dollar geschätzt. Für den Einsatz von 7 500 Personen (Soldaten, Polizisten und Zivilisten) in Mocambique werden 330 Mio. US-Dollar veranschlagt. Insgesamt werden die Kosten für UN-Friedensoperationen auf mehrere Milliarden US-Dollar geschätzt, mit deutlich steigender Tendenz.

Insgesamt ist bei der derzeitigen Machtkonstellation eine weltweite militärische Interventionspolitik mit menschenrechtlicher Legitimation eher unwahrscheinlich. Es ist kein Staat oder eine Staaten-gruppe zu erkennen, die eine entsprechende Politik fordert. Ein solches Eingreifen wird wohl eher eine seltene Ausnahme bleiben, weil es an politischem Willen, Kriterien und Ressourcen mangelt

Grundsätzlich ist mit Interventionen bei Regierungen zu rechnen, deren Politik für starke Flüchtlingsströme, für die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen verantwortlich ist und deren Länder geostrategisch oder aufgrund ihrer Rohstoffe für die westlichen Industrieländer von Bedeutung sind. Selbst erhebliche Menschenrechtsverletzungen werden vorläufig allein als Grund für militärische Intervention nicht ausreichen. Eine grundlegende Veränderung könnte sich nur durch eine deutlich stärkere Rolle der Vereinten Nationen, durch ein verändertes Verständnis von nationaler Souveränität im Völkerrecht und den politischen Willen der Großmächte ergeben, der UNO politisch und materiell eine solche neue Rolle zu ermöglichen oder selbst eine vergleichbare Rolle zu spielen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. „Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden; die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII wird durch diesen Grundsatz nicht berührt.“ (Art. 2, Zf. 7 UN-Charta). Zu neueren Entwicklungen vgl. Knut Ipsen, Auf dem Weg zur Relativierung der inneren Souveränität bei Friedensbedrohung, in: Vereinte Nationen, 40 (1992) 2, S. 41-44.

  2. Solche Maßnahmen oder Sanktionen können von Drittstaaten nur dann ergriffen werden, wenn sich das UN-System als wirkungslos herausgestellt hat. Vgl. Karin Oellers-Frahm, Comment: The erga omnes Applicability of Human Rights, in: Archiv des Völkerrechts, 30 (1992) 1, S. 33.

  3. Vgl. Werner Pfeifenberger, Aggression, in: Wichard Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch Internationale Politik, Opladen 1986, S. 34.

  4. Die Entstehung des Begriffs der humanitären Intervention wird von Bazyler auf die Zeit der Kreuzzüge datiert. Im 19. Jahrhundert intervenierten die europäischen Mächte zum Schutz christlicher Minderheiten vor allem im Osmanischen Reich. Zur Diskussion humanitärer Intervention vgl. Michael J. Levitin, The Law of Force and the Force of Law: Grenada, the Falklands, and Humanitarian Intervention, in: Harvard International Law Journal, 27 (1986) 2, S. 621-657; Michael J. Bazyler, Reexamining the Doctrine of Humanitarian Intervention in Light of the Atrocities in Kampuchea and Ethiopia, in: Stanford Journal of International Law, 23 (1987) 2, S. 547-619; Daniel Wolf, Humanitarian Intervention, in: Michigan Yearbook of International Legal Studies, 9 (1988), S. 333-368; Fernando R. Tesön, Humanitarian Intervention: An Inquiry into Law and Morality, Dobbs Ferry, N. Y. 1988; R. George Wright, A Contemporary Theory of Humanitarian Intervention, in: Florida International Law Journal, 4 (1989) 3, S. 435-463. Prinzipien der Nicht-Intervention werden von Igor I. Lukashuk, The Principle of Non-Intervention, in: Osteuropa-Recht, 37 (1991) 2-3, S. 227-242, und Anne Julie Semb, The Normative Foundation of the Principle of Non-Intervention, Oslo 1992, behandelt. Zur Rolle des Militärs bei humanitären Aktionen vgl. Thomas G. Weiss/Kurt M. Campbell, Military humanitarianism, in: Survival, 33 (1991) 5, S. 451-465.

  5. Vgl. Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht, Berlin 1984, § 473.

  6. Zur Diskussion vgl. Richard Falk, Responding to Severe Violations, in: Jorge I. Domfnguez/Nigel S. Rodley/Bryce Wood/Richard Falk (Hrsg.), Enhancing Global Human Rights, New York u. a. 1979, S. 205-257, und zur Menschenrechtsproblematik im „Süden“ Wolfgang S. Heinz, Menschenrechte und Nord-Süd-Konflikt, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 25-26/91, S. 29-38.

  7. Rainer Tetzlaff, Erste und Dritte Welt. Zur Legitimität „politischer Interventionen“, in: Sicherheit und Frieden, (1992) 1, S. 24.

  8. Ulrich Menzel, Das Ende der Dritten Welt und das Scheitern der großen Theorie, Frankfurt 1992, S. 221. Zu Somalia vgl. Franz Nuscheler, Plädoyer für einen humanitären Interventionismus, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, 33 (1992) 10, S. 4f.

  9. Vgl. M. J. Bazyler (Anm. 4), S. 598-607.

  10. Vgl. F R. Tesön (Anm. 4), S. 111-123. Siehe auch die „Interventionskasuistik“ bei Dieter Senghaas, Weltinnenpolitik. Ansätze für ein Konzept, in: Europa-Archiv, 47 (1992) 22, 8. 650-652.

  11. Vgl. Yoram Dinstein, The erga omnes Applicability of Human Rights, in: Archiv des Völkerrechts, 30 (1992) 1, 5. 16. Diese Auffassung basiert auf einem Urteil des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag im Jahr 1970 (BarcelonaTraction-Fall).

  12. Die Ausnahme war die „Uniting for Peace“ -Resolution der UN-Generalversammlung im Jahr 1950, mit der die Entsendung der UN-Truppen im Koreakrieg legitimiert wurde. In der Resolution erklärte die UN-Generalversammlung, daß sie bei Lähmung des Sicherheitsrates durch ein Veto selbst Empfehlungen zu „kollektiven Maßnahmen“ geben könnte, eine Auffassung, die heute von keinem Mitglied des Rates geteilt wird. Vgl. Christian Tomuschat, Die Zukunft der Vereinten Nationen, in: Europa-Archiv, 47 (1992) 2, S. 43.

  13. „Es bleibt zu konstatieren, daß nach Auffassung des Rates nicht die Menschenrechtsverletzungen an sich, sondern erst der grenzüberschreitende Flüchtlingsstrom die Friedens-und Sicherheitsbedrohung hervorgerufen hat.“ Hans-Joachim Heintze, Die Resolution 688 (1991) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und der internationale Menschenrechtsschutz, in: Humanitäres Völkerrecht-Informationsschriften, (1991) 1-2, S. 44. Auch im Fall des bindenden Waffenembargos gegen Südafrika, Resolution 418 (1977), betont Heintze, war es die Verbindung zu bewaffneten Angriffen auf andere Staaten, und nicht Menschenrechtsverletzungen an sich, die zu den Sanktionen führte.

  14. Vgl. Christopher Daase/Susanne Feske, Kambodscha -Meilenstein oder Stolperstein für die UNO?, in: Basler Zeitung vom 8. 8. 1992.

  15. Zur Zeit wird ein Entwurf der Bundesregierung diskutiert, der einen Einsatz der Bundeswehr bei UN-Maßnahmen zur Friedenssicherung-und -Wiederherstellung zuläßt, aber auch bei kollektiven Selbstverteidigungsmaßnahmen im regionalen Rahmen (NATO, WEU, KSZE). Die Frage eines Bundeswehreinsatzes im Ausland kann hier nicht weiter vertieft werden.

  16. Zur Diskussion über eine Reform der UN, auf die hier nicht eingegangen werden kann, siehe Klaus Hüfner, Neue Friedensordnung durch Revision der VN-Charta, in: Sicherheit und Frieden, (1992) 1, S. 37-39. Ausführlich zur Rolle des UN-Generalsekretärs B. G. Ramcharan, The International Law and Practice of Early-Waming and Preventive Diplomacy: The Emerging Global Watch, Dordrecht 1991.

  17. Es handelt sich um Thesen von Ulrich Menzel und Dieter Senghaas. Vgl. z. B. U. Menzel (Anm. 8), S. 208ff.; D. Senghaas (Anm. 10).

  18. In der Nationalen Sicherheitsstrategie wird festgestellt: „Our responsibility, even in a new era, is pivotal and inescapable.“ Die Bedeutung der USA wird klar umrissen: „Despite the emergence of new power Centers, the United States remains the only state with truly global strength, reach and influence in every dimension -political, economic and military. In diese circumstances, our natural desire to share burdens more equitably with newly-strong friends does not relieve us of our own responsibilities:“ (The White House. National Security Strategy of the United States, Washington, D. C. 1991, S. 2). Zur Diskussion zukünftiger US-Sicherheitsinteressen vgl. Samuel P. Huntington, America’s changing Strategie interests, in: Survival, 28 (1991) 1, S. 3-17.

  19. Vgl. Der Spiegel, (1992) 7, S. 19. Zur Diskussion über den Begriff nationale Sicherheit vgl. Mohammed Ayoob, The Security Problematic of the Third World, in: World Politics, 43 (1991) 2, S. 257-283; Christopher Daase, Der erweiterte Sicherheitsbegriff und die Diversifizierung amerikanischer Sicherheitsinteressen. Anmerkungen zu aktuellen Tendenzen in der sicherheitspolitischen Forschung, in: Politische Vierteljahresschrift, 32 (1991) 3, S. 425-451; Laurence Martin, Nationale Sicherheit in einer neuen Weltordnung, in: Europa-Archiv, 47 (1992) 3, S. 59-70.

  20. Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 3. /4. 10. 1992. Nach anderen Quellen soll das Corps 100000 Mann umfassen.

  21. Hier wird das Problem von Größe und politischer Macht eines Landes deutlich: Wie könnte man sich eine Intervention in Chile, Indonesien und Argentinien vorstellen, ganz abgesehen von Deutschland, Rußland oder der Volksrepublik China?

  22. UN-Generalsekretär Boutros Ghali hat die Schaffung einer permanenten UN-Eingreiftruppe mit schweren Waffen unter seinem Oberbefehl angeregt, die von einem UN-Generalstab geleitet würde (Der Spiegel, [1992] 33, S. 139). Er hat auch die Aufstellung von Truppen zur Friedenswiederherstellung (peace-enforcing units) vorgeschlagen.

  23. Die UNO ist derzeit in Indien/Pakistan, Israel/Syrien, Angola, Westsahara, Libanon, Zentralamerika, Somalia, Irak/Kuwait, El Salvador, West-Sahara und Zypern vertreten. Die Entsendung von Missionen nach Mocambique und Südafrika wird vorbereitet.

  24. Zur „Operation Hoffnung“ in Somalia hat der scheidende Präsident Bush im Januar 1993 erklärt, es sei ein Sonderfall aufgrund des enormen Ausmaßes an Elend, Hunger, Gewalt und Zerstörung. Um überall dort Operationen durchführen zu können, wo es nötig sei, fehle es einfach an Geld.

Weitere Inhalte

Wolfgang S. Heinz, Dipl. -Pol., Dr. phil., geb. 1953; Lehrbeauftragter am Institut für Internationale Politik und Regionalstudien der Freien Universität Berlin. Veröffentlichungen u. a.: Menschenrechte in der Dritten Welt, München 1986; Ursachen und Folgen von Menschenrechtsverletzungen in der Dritten Welt, Saarbrücken 1986; Guerillas, Friedensprozeß und politische Gewalt in Kolumbien 1980-1988, Hamburg 1989; Indigenous Populations, Ethnie Minorities and Human Rights, Saarbrücken 19912; (Mithrsg.) The Military in Politics. Southeast Asian Experiences, Hüll 1990.