Vor allem das Ziel eines „Europa ohne Grenzen“ mobilisierte die EG-Mitgliedstaaten Mitte der achtziger Jahre zu den ersten Versuchen, das Einwanderungs-und Asylproblem gemeinsam zu lösen. Der angestrebte Wegfall aller Kontrollen an den Binnengrenzen sollte nicht zu Lasten der inneren Sicherheit gehen. Seither sind viele wichtige Etappen auf dem Weg zu einer Harmonisierung dieser Politiken zurückgelegt worden, nicht zuletzt die Unterzeichnung des Dubliner Übereinkommens von 1990. Aufgrund des nach 1989 dramatisch ansteigenden Zustroms von Einwanderern beschloß der Europäische Rat 1991 in Maastricht konkretere Formen der Harmonisierung. Er verabschiedete ein weitreichendes Arbeitsprogramm. Im Maastrichter Vertrag werden Einwanderung und Asyl ausdrücklich zu Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse deklariert, die in einem einheitlichen institutionellen Rahmen zu behandeln sind. Die Europäische Kommission hat im Februar 1994 eine Mitteilung zur Asyl-und Einwanderungspolitik vorgelegt. Sie enthält ein Gesamtkonzept mit drei Schwerpunkten: Einwirkung auf den Migrationsdruck, Kontrolle der Zuwanderungsströme und verstärkte Integration legaler Zuwanderer. Dieses Konzept wird ergänzt durch konkrete Maßnahmen in der Visapolitik. Im Beitrag werden die unterschiedlichen Aspekte der europäischen Asyl-und Einwanderungspolitik benannt und die Grundlagen für die Entwicklung einer langfristigen Strategie beschrieben.
Auch nach der Änderung des deutschen Asylrechts sind sich Politik und Justiz einig: Die Frage der Asyl-und Zuwanderungspolitik muß auf europäischer Ebene beantwortet werden. In den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wächst ebenfalls das Bewußtsein, daß ein koordiniertes Vorgehen notwendig ist. Die Europäische Kommission hat am 23. Februar 1994 ein Konzept vorgelegt das detaillierte Vorschläge zur Lösung des Problems enthält und die Diskussion voranbringen soll.
Die Schaffung des gemeinsamen Binnenmarktes in einem „Europa ohne Grenzen“ war ausschlaggebend dafür, das Einwanderungs-und Asylproblem gemeinsam lösen zu wollen. Kein Verlust an innerer Sicherheit trotz des angestrebten Wegfalls aller Kontrollen an den Binnengrenzen, lautete die politische Maxime; die Forderung: eine gemeinsame Einreisepolitik für Staatsangehörige aus Nicht-EG-Ländern. Seit 1986 arbeiten die Regierungen der Mitgliedstaaten in den Bereichen Asyl und Einwanderung zusammen. Seither sind viele wichtige Etappen auf dem Weg zu einer Harmonisierung dieser Politiken zurückgelegt worden: 1. Die „Ad-hoc-Gruppe Einwanderung“ wurde 1986 von den EG-Innenministern eingesetzt, vor allem im Hinblick auf die Unterzeichnung der Einheitlichen Europäischen Akte (1987), deren Artikel 8 a die Verwirklichung eines Raumes ohne Binnengrenzen vorsah. Am 15. Juni 1990 wurde das „Dubliner Abkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines Asylantrages“ unterzeichnet. Das Übereinkommen ist noch nicht in Kraft. Bislang haben es erst acht der zwölf Mitgliedstaaten der EU ratifiziert (außer Belgien, Spanien, Irland und den Niederlanden). Ebenfalls 1990 wurde das Durchführungsabkommen zum Schengener Übereinkommen von 1985, das sogenannte „Schengen II“, unterzeichnet. Es sieht den schrittweisen und vollständigen Abbau der Personenkontrollen zwischen den Signatarstaaten vor. Außerdem enthält es ein umfangreiches Harmonisierungsprogramm für Ausgleichsmaßnahmen, zu denen asyl-und visarechtliche Bestimmungen gehören. Bis auf Dänemark, Großbritannien und Irland haben die Mitgliedstaaten der EU die Abkommen unterzeichnet und mittlerweile auch ihre Ratifizierungsverfahren abgeschlossen. Dänemark hat im Mai dieses Jahres einen Aufnahmeantrag gestellt und wird wahrscheinlich beitreten, sobald Schweden, Norwegen und Finnland, mit denen es bislang in einer „Paßunion“ verbunden ist, der EU beigetreten sind. Daß die Abkommen trotz abgeschlossener Ratifikation noch nicht in Kraft getreten sind, wird hauptsächlich mit technischen Schwierigkeiten des europaweiten computergestützten Fahndungssystems, des Schengener Informationssystem (SIS), begründet. Das Datum der Inkraftsetzung wird voraussichtlich im Dezember 1994 beschlossen. 4. Der seit Anfang der neunziger Jahre dramatisch ansteigende Zustrom von Einwanderern nach Westeuropa veranlaßte den Europäischen Rat im Dezember 1991, konkretere Formen der Harmonisierung zu beschließen, die über die im Dubliner Abkommen vorgesehenen Formen der Zusammenarbeit hinausgingen. Er verabschiedete dazu in Maastricht ein umfassendes Arbeitsprogramm. Erstmals wurden auch die weitergehenden Aspekte der Einwanderungsproblematik einbezogen, die über die Regelung von Kontrollen in einem Binnenmarkt ohne Grenzen hinausreichen. 5. Die Kommission natte unmittelbar zuvor zwei Grundsatzdokumente vorgelegt: die Mitteilung vom 11. Oktober 1991 zum Thema Asylpolitik 2 und die Mitteilung an den Rat und das Parlament zum Thema Einwanderung vom 23. Oktober 1991 3. Sie verdeutlichten: -den Zusammenhang zwischen Einwanderung und Asylfrage; -die Notwendigkeit, die illegale Einwanderung unter Kontrolle zu bringen, und -das Erfordernis, das Einwanderungsproblem auf internationaler Ebene, insbesondere mit den Hauptherkunftsländern, zu erörtern. 6. Die Umsetzung des Arbeitsprogrammes von 1991 macht Fortschritte sowohl im Bereich des formellen wie des materiellen Asylrechts, d. h., die Durchführung des Dubliner Übereinkommens geht voran. Folgende konkrete Ergebnisse bei der Harmonisierung des materiellen Asylrechts konnten erzielt werden: -die Einigung auf einheitliche Voraussetzungen für die Bestimmung von offentsichtlich unbegründeten Asylanträgen, -eine Definition und einheitliche Anwendung des Grundsatzes des ersten Aufnahmelandes und -die Festlegung von Kriterien für Länder, in denen keine Verfolgungsgefahr besteht.
Auch im Bereich der Harmonisierung bei der Ausweisungspolitik sind die Mitgliedstaaten weitergekommen, konkret bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung und Beschäftigung. Beispiele sind der geänderte Entwurf des Übereinkommens über Personenkontrollen beim Überschreiten der Außengrenzen, den die Kommission im Dezember 1993 vorgelegt hat und eine Empfehlung vom Juni 1993 über Kontrollen und Entfernung Dritt-staatsangehöriger ohne Aufenthalts-und Arbeitserlaubnis. 7. Da die Überwachung von Wanderungsbewegungen sowohl in der Kommissionsmitteilung von 1991 als auch im Arbeitsprogramm als prioritär eingestuft worden war und um den notwendigen Informationsfluß für Union und Mitgliedstaaten sicherzustellen, wurden zwei Clearing-Stellen eingerichtet: ein Informations-, Reflexions-und Austauschzentrum für Asylfragen (ZIRA) und ein Informations-, Reflexions-und Austauschzentrum für Grenzüberschreitungen und Einwanderung (CIREFI). Ihr Aufgabenfeld umfaßt den Austausch von Daten über die Zahl der Asylanträge, der Asylberechtigten und der abgewiesenen Personen. 8. Bei seiner Tagung am 10. /11. Dezember 1993 in Brüssel genehmigte der Europäische Rat einen Aktionsplan der im Rat „Justiz und Inneres“ vereinigten Minister sowie ein Arbeitsprogramm mit prioritären Maßnahmen für 1994. Im Bereich Asyl gehören dazu die harmonisierte Anwendung des Flüchtlingsbegriffs der Genfer Flüchtlingskonvention, Mindestgarantien für die Durchführung von Asylverfahren sowie die rechtliche und technische Ausgestaltung von EURODAC, des gemeinsamen Systems zur Erfassung von Fingerabdrücken von Asylbewerbern. Die Umsetzung des umfangreichen Arbeitsprogramms in praktische Ergebnisse geht allerdings nur langsam voran; als besonders hinderlich erweist sich die erforderliche einstimmige Entscheidung im Rat. 9. Das Europäische Parlament beschäftigt sich ebenfalls schon lange mit dem Thema: Seit 1991 gibt es eine Reihe von Untersuchungen über Zuwanderung und Asyl. Von den verschiedenen Entschließungen sind vor allem zwei Entschließungen vom November 1992 zu nennen, die das Parlament als Antwort auf die beiden Kommissionsmitteilungen vom Voijahr verabschiedet hat, sowie eine Entschließung über die europäische Flüchtlings-politik vom Januar 1994 Die Haltung des Parlaments ist eindeutig: Es schlägt vor, gegenüber denjenigen Personen, die des internationalen Schutzes bedürfen, eine großzügige Haltung einzunehmen. Gleichzeitig müsse die rechtliche Lage der Menschen, die bereits seit einiger Zeit in der Union ihren rechtmäßigen Wohnsitz haben, verbessert werden.
II. Der neue Kommissionsvorschlag
Damit sich die Diskussion nicht in Amtsfluren verläuft, hat die Europäische Kommission im Februar 1994 erneut eine Mitteilung über die Zuwanderungs-und Asylpolitik vorgelegt. Sie verfolgt ein doppeltes Ziel: Weiterentwicklung der früheren Konzepte und Reaktion auf den verschärften Zuwanderungsdruck. Der Vertrag über die Europäische Union bietet neue Möglichkeiten auf den Gebieten Asyl-und Zuwanderungspolitik, wie wir noch darlegen werden. Die Entwicklungen in den Nachbarländern der Union lassen darauf schließen, daß der Wanderungsdruck eher zu-als abnehmen wird. Den Angaben des Statistischen Amtes der Europäischen Kommission (EUROSTAT) zufolge wird die Zahl der 1992 in die Union zugewanderten Drittlandsangehörigen auf weit über zwei Millionen geschätzt (vgl. Tabelle 1). Rund 570000 Asyl-anträge wurden in den Mitgliedstaaten gestellt; die bislang verfügbaren Zahlen für 1993 weisen auf eine stark rückläufige Tendenz hin (vgl. Tabelle 2). Zum einen sind die befürchteten Massenbewegungen aus der früheren Sowjetunion und ihrer ehemaligen Einflußzone nach Westeuropa noch nicht eingetreten. Andererseits hat der Wanderungsdruck aus dem Süden, insbesondere aus Nordafrika, aus demographischen und wirtschaftlichen Gründen zugenommen. Darüber hinaus hat der Krieg im ehemaligen Jugoslawien zu großen Wanderungsbewegungen von Menschen geführt, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Seit 1991 haben alle Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Bewältigung der zunehmenden Zahl von Asylbewerbern eingeleitet, entweder durch die Einführung neuer Bestimmungen über die Zulässigkeit von Asylanträgen oder durch Schritte zur Beschleunigung der Asylverfahren. In anderen Bereichen des Zuwanderungsrechts geht die Tendenz zu einer Verschärfung der Bestimmungen für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit und der Bedingungen für die Familienzusammenführung.
Trotz der gemeinsamen Leitlinien und Entschließungen befindet sich die Konzipierung gemeinsamer verbindlicher Regeln und Praktiken nach wie vor in einer „Vorbereitungsphase“. Derzeit kann eher von einer „Annäherung“, denn von einer Harmonisierung der Asyl-und Zuwanderungspolitik gesprochen werden. Nach unserer Auffassung muß die Europäische Union erst noch ein gemeinsames Konzept für die Migrations-und Asylpolitik entwickeln, das humanitären, rechtlichen, wirtschaftlichen und integrationspolitischen Gesichtspunkten gerecht wird.
In ihrer Mitteilung vom 23. Februar 1994 macht die Kommission Vorschläge, wie eine der größten Herausforderungen der EU für die nächsten Jahre bewältigt werden kann: Es kommt darauf an, den Zuwanderungsdruck zu mildern bei gleichzeitiger Integration legaler Zuwanderer. Das globale Konzept der Kommission für eine wirksame Zuwanderungspolitik enthält folgende eng miteinander verzahnte Komponenten: 1. Die Einflußnahme auf den Zuwanderungsdruck Die Bekämpfung der tieferen Ursachen des Wanderungsdrucks dient dem langfristigen Abbau des Migrationsdruckes und soll vor allem durch Zusammenarbeit mit den wichtigsten potentiellen Abwanderungsländern verwirklicht werden.
Nach Auffassung der Kommission ist eine solche Einflußnahme nur möglich, wenn die Einwanderungs-und Asylpolitik voll in die Außenpolitik der Union einbezogen wird. Dazu müssen Maßnahmen im Bereich der Handels-, Entwicklungs-und Kooperationspolitik, der Menschenrechtspolitik sowie der humanitären Hilfe getroffen werden. Dies hatte bereits der Europäische Rat von Edinburgh im Dezember 1992 in seiner „Erklärung zu den Grundsätzen für die externen Aspekte der Zuwanderungspolitik“ gefordert.
Die Effizienz eines solchen Vorgehens hängt in großem Maße vom Vorhandensein zuverlässiger Informationen über derzeitige und zu erwartende Wanderungsentwicklungen ab (vgl. Tabelle 1). Die Zuverlässigkeit der Informationen wiederum wird nur von einheitlichen Erfassungsmethoden und Standards gewährleistet. Eine Harmonisierung auf diesem Gebiet ist deshalb dringend notwendig.
Zu den drei wichtigsten Wanderungsströmen gehören -Flüchtlinge, die eine Verfolgung in ihrem Herkunftsland befürchten, -Ausländer, die nach der Genfer Flüchtlings-konvention nicht als Flüchtlinge gelten, aber dennoch internationalen Schutz suchen, z. B. aufgrund von bewaffneten Konflikten in ihrer Heimat, und -sonstige Wanderungsbewegungen aus wirtschaftlichen, demographischen oder ökologischen Gründen.
Bei der Befassung mit dem Problem des Wanderungsdrucks müssen die Union und ihre Mitgliedstaaten selbstverständlich ihre internationalen Verpflichtungen und traditionellen Grundsätze bei der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten berücksichtigen und ihre Aufnahmebereitschaft für Schutzbedürftige beibehalten. 2. Die Kontrolle der Zuwanderungsströme Die Kommission betrachtet die Kontrolle der Migrationsströme als unverzichtbaren Bestandteil des Gesamtkonzeptes. Da die oben erläuterte Politik zur Bekämpfung der tieferen Ursachen auf einen langfristigen Abbau des Zuwanderungsdrukkes abzielt, werden in absehbarer Zukunft noch Kontrollmaßnahmen erforderlich sein.
Für die Kommission bedeutet Kontrolle der Migrationsströme nicht notwendigerweise, sie zu beenden, sondern nur, sie in den Griff zu bekommen („migration management“). Dies soll durchgenaue Festlegung der Gründe, aus denen ein Aufenthalt genehmigt werden kann, geschehen. Hier wird von der Kommission vorgeschlagen, gemeinsame Konzepte für die Aufnahme von Arbeitnehmern, Selbständigen und Studenten zu entwickeln. Gleichzeitig müssen die Vorschriften über die Aufnahme aus humanitären Gründen angeglichen sowie die illegale Zuwanderung und Beschäftigung bekämpft werden.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Illegale Zuwanderung untergräbt die Wirkung der Aufnahmebestimmungen, wirkt sich nachteilig auf die Bestrebungen zur Integration rechtmäßiger Zu-wanderer aus und gefährdet den illegalen Zuwanderer selbst. Für ihre Bekämpfung gibt es vier Schwerpunkte: -Vorbeugung durch strenge Kontrollen an den Außengrenzen der Union sowie durch eine effektive Visapolitik; -Feststellung der Identität von Ausländern, die sich unrechtmäßig in der Union aufhalten; -Festlegung von Mindeststandards für die Behandlung illegaler Zuwanderer und -Rückführung illegaler Zuwanderer, wobei an erster Stelle die Förderung der freiwilligen Rückkehr steht und Maßnahmen zur zwangs-weisen Rückführung nur als „Ultima ratio“ eingesetzt werden sollen.
Grundsätzlich andere Vorgehensweisen schlägt die Kommission für eine angemessene Behandlung von Flüchtlingen und sonstigen Personen vor, die internationalen Schutz suchen. Denn die Asylpolitik unterscheidet sich ^on der Einwanderungspolitik dadurch, daß sie humanitären Zielen verpflichtet ist. Hauptziel muß daher sein, sicherzustellen, daß die Prüfung von Asylanträgen weiterhin in fairer und effizienter Weise erfolgen kann. Hier wäre die Umsetzung des vom Europäischen Rat verabschiedeten Aktionsplans vor allem in folgenden Bereichen hilfreich: bei der einheitlichen Anwendung der Flüchtlingsdefinition gemäß Artikel 1A der Genfer Flüchtlingskonvention -der alle Mitgliedstaaten beigetreten sind -und bei der Ausarbeitung von Mindeststandards für gerechte und wirksame Asylverfahren. Außerdem plädiert die Kommission für ein Übereinkommen über offensichtlich unbegründete Asylanträge und die Umsetzung des Drittlandaufnahmeprinzips. Letzteres besagt, daß ein Asylbewerber dann in einen Dritt-staat zurückgesandt werden kann, wenn entweder das Land ihm bereits Zuflucht geboten hat oder wenn er beim Transit durch dieses Land Gelegenheit hatte, um Asyl nachzusuchen, bzw. wenn unbestritten ist, daß er in diesem Drittstaat Aufnahme finden wird.
Für grenzüberschreitende Flüchtlingsbewegungen sind gemeinsame präventive Strategien und ein „Krisenmanagement“ notwendig. Bei der Tagung des Rates der Innen-und Justizminister im November 1993 in Brüssel wurde der Punkt „Eingehende Prüfung der Frage der Lastenverteilung hinsichtlich der Aufnahme und des Aufenthaltes von Flüchtlingen in Westeuropa“ in das Arbeitsprogramm für 1994 aufgenommen. Die Kommission hat in ihrer Mitteilung vom Februar 1994 ebenfalls vorgeschlagen, in Fällen einer Massenzuwanderung zu einer gerechten und solidarischen Lasten-verteilung zu kommen. Anläßlich des informellen Treffens der Innen-und Justizminister am 7. September 1994 in Berlin wurde vereinbart, die Fragen der Vorsorge für durch Flüchtlingsströme verursachte Notsituationen und der Lastenteilung beim formellen Rat am 30. November 1994 in Brüssel zu erörtern. Insbesondere Deutschland hat, unterstützt von z. B. Dänemark und den Niederlanden, das Thema „bürden sharing“ (Verteilungssystem) für Flüchtlinge wiederholt angesprochen und die Schaffung eines Mechanismus für eine angemessene Verteilung der Flüchtlinge gefordert. Ein solches Verteilungssystem könnte anhand bestimmter Kriterien -wie der Bevölkerungsdichte der Aufnahmestaaten oder deren Bruttosozialprodukt -ausgerichtet werden. Auch eine finanzielle „Unterstützung“ der am stärksten belasteten Mitgliedstaaten durch die weniger belasteten wird gelegentlich diskutiert, ebenso wie die Festlegung von Aufnahmequoten.
So hat im Mai dieses Jahres die Mainzer Forschungsgruppe Europa ein „Europäisches Einwanderungskonzept“ vorgestellt Unter der Prämisse, daß die Europäische Union eine gemeinsame Einwanderungspolitik braucht, die die Akzeptanz der Bürger findet, kommen die Autoren des gleichnamigen Buches zu dem Ergebnis, daß eine gesteuerte Zuwanderung anhand klarer Kriterien erfolgen sollte, d. h. anhand fester Quoten, die nach Altersstruktur, familiärem Status und beruflicher Qualifikation festgelegt werden. Während im Bereich des Asylrechtes humanitäre Anliegen im Vordergrund stehen und daher eine Kontingentierung ausscheide, müsse sich die Einwanderungspolitik in erster Linie am Zuwanderungsbedarf des Aufnahmelandes orientieren. Daher sei die Gesamtzahl an Einwanderungsplätzen unter Anrechnung der anerkannten Asylbewerber in jedem Jahrflexibel zu bestimmen. Das Einwanderungskonzept enthält zwei konkrete Verordnungsentwürfe, die unter anderem die Einrichtung einer gemeinsamen Einwanderungsbehörde vorsehen, die eine jährliche Höchstzahl an Einwanderungsplätzen für die EU festlegt. Aufgrund der realistischen Einschätzung, daß ein solches Konzept politisch nur „auf mittlere Sicht“ durchgesetzt werden kann, plädieren die Autoren zunächst für eine stärkere Koordinierung der nationalen Zuwanderungspolitiken.
Die Kommission hält die Festlegung von Quoten zur Verringerung des Migrationsdruckes kurzfristig für keine geeignete Maßnahme. Es sei unrealistisch, daß über ein solches Quotensystem eine Einigung zwischen den Mitgliedstaaten herbeigeführt werden kann. Auch sei unklar, welche Basis einem solchen Quotensystem zugrunde gelegt werden sollte. Realistischer wäre eine solidarische Lastenteilung zwischen den Mitgliedstaaten im Wege finanzieller Unterstützung.
Diejenigen Mitgliedstaaten, die bislang einen Konsens in bezug auf die Lastenverteilung verhindert haben, argumentieren unter anderem damit, daß einer Verteilung der Flüchtlinge deren heimatnahe Unterbringung und Versorgung vorzuziehen sei; zudem mißachte eine Verteilung den Willen der Flüchtlinge. Es bleibt zu hoffen, daß bei dem Rats-treffen am 30. November 1994 ein Konsens in der Frage des bürden sharing gefunden wird. 3. Die verstärkte Integration legaler Zuwanderer Nach Ansicht der Kommission stehen Integration-und Zuwanderungspolitik in engem Zusammenhang. Integrationsfördernde Maßnahmen können die Bereitschaft der Gesellschaft, neue Zuwandererströme zu akzeptieren, entscheidend beeinflussen. Die Kommission empfiehlt folgende integrationsfördernde Maßnahmen: -Verbesserung der Lage von Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in der Union aufhalten, durch Angleichung ihrer Rechte an die der Unionsbürger. Hierzu gehören entsprechende Schritte zur Verwirklichung der Freizügigkeit. Auch müßten die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften überprüft und eventuell geändert werden, damit legale Zuwanderer bestimmte Rechte und Leistungen in Anspruch nehmen können, die bislang nur Staatsangehörigen Vorbehalten sind. -Schaffung angemessener wirtschaftlicher und soziokultureller Bedingungen, etwa im Bereich der Beschäftigung und Ausbildung. Hierzu gehören Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von Drittlandsangehörigen und deren Einbeziehung in die neuen Aktionsprogramme für Bildung (SOCRATES) und Ausbildung (LEONARDO). -Ausweitung zweier von der Kommission geförderter Sachverständigennetze zur Verbesserung von Information und Dialog: Das „Informationsnetz für Wanderungsbewegungen aus Drittstaaten“ (RIMET) veröffentlicht alljährlich einen Bericht über die Lage in den Mitgliedstaaten. Über ELAINE sollen die Bediensteten der Kommunalbehörden, die für Zuwanderer zuständig sind, miteinander in Kontakt treten und ihre Erfahrungen austauschen können.
Dringend notwendig sind darüber hinaus Maßnahmen zu Bekämpfung jeglicher Form von Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Hier schlägt die Kommission unter anderem die Einrichtung von nationalen Systemen zur Beobachtung rassistischer Handlungen vor. Schon länger unterstützt sie Netzwerke von Zuwanderergemeinden und Organisationen, die den Rassismus bekämpfen. Sie setzt sich ferner ein für die Ausarbeitung eines Verhaltenskodexes durch die Sozialpartner, der Rassendiskriminierung am Arbeitsplatz untersagt.
Die meisten der bereits erwähnten Maßnahmen zielen auf die Verringerung des Zuwanderungsdruckes. Daneben stehen aber auch Bestrebungen, die Freizügigkeit in Europa zu verbessern: Hier werden Wanderungsbewegungen nicht als negative, sondern eher als positive Erscheinung behandelt. So haben gemäß dem Abkommen des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR-Abkommen) vom 2. Mai 1992 die Bürger der EU sowie der EFTA-Staaten das Recht, sich auf dem Gebiet dieser Länder während der Stellensuche frei zu bewegen und sich dort niederzulassen, wenn sie Arbeit gefunden haben. Auch die Dienstleistungsfreiheit ist im EWR-Abkommen verankert. Die vor kurzem mit den mittel-und osteuropäischen Staaten abgeschlossenen Europa-Abkommen sind darauf angelegt, den dort Lebenden in Zukunft ähnliche Rechte einzuräumen.
Die Vorschläge der Kommission stellen noch kein definitives Arbeitsprogramm dar, aber sie sollen bei der Ausarbeitung eines langfristigen Aktionsplans von Mitgliedstaaten und Kommission berücksichtigt werden. Als Pädraig Flynn, zuständiges Mitglied der Europäischen Kommission für Einwanderungsfragen, die Mitteilung der Kommission dem Rat der Innen-und Justizminister am23. März 1994 vorstellte, begrüßten alle Mitgliedstaaten das Dokument als eine gute Grundlage für die Entwicklung einer langfristigen Strategie in der Asyl-und Einwanderungspolitik. In den am 20. Juni 1994 verabschiedeten Schlußfolgerungen hob der Rat das große Verdienst hervor, das der Kommission für die Behandlung der unterschiedlichen Aspekte der Asyl-und Einwanderungspolitik zukomme.
III. Die Rechtsgrundlagen im Maastrichter Vertrag
Abbildung 12
Tabelle 2: Asylanträge in den EU-Mitgliedstaaten (1991-1993) Quelle: Niederländisches interdisziplinäres demographisches Institut (NIDI), Bericht „Asylbewerber und Flüchtlinge, ein statistischer Bericht“, Band 1, 1994.
Tabelle 2: Asylanträge in den EU-Mitgliedstaaten (1991-1993) Quelle: Niederländisches interdisziplinäres demographisches Institut (NIDI), Bericht „Asylbewerber und Flüchtlinge, ein statistischer Bericht“, Band 1, 1994.
Im Vertrag über die Europäische Union -dem sogenannten Maastricht-Vertrag -sind erstmalig Bestimmungen über die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres in das primäre Gemeinschaftsrecht aufgenommen worden: In Titel VI (Bestimmungen über die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres), Artikel K. 1 (Ziele der Zusammenarbeit) werden Einwanderung und Asyl ausdrücklich zu „Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse zur Verwirklichung der Ziele der Union, insbesondere der Freizügigkeit“, deklariert, die im Kontext eines einheitlichen institutionellen Rahmens zu behandeln sind (vgl. Artikel K.
Die Zuständigkeiten der EU in der Asyl-und Einwanderungspolitik sind aber im wesentlichen nicht in den EG-Vertrag inkorporiert. Sie unterliegen den in Titel VI des Unionsvertrages (sogenannte „ 3. Säule“) vorgesehenen intergouvernementalen Verfahren, an denen die Europäische Kommission und das Europäische Parlament kaum beteiligt sind. Nur für das mit der Asyl-und Einwanderungspolitik in Zusammenhang stehende Visarecht hat die EG mit dem neu in den EG-Vertrag 8 eingefügten Artikel 100 c eine Zuständigkeit erhalten, die vom Rat nach den üblichen gemeinschaftlichen Entscheidungswegen -auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlamentes -auszuüben ist. Alle Mitgliedstaaten sind jedoch an der intergouvernementalen Zusammenarbeit im Rahmen von Titel VI beteiligt und haben sich entsprechend verpflichtet. Immerhin vollzieht sich damit die Zusammenarbeit nicht mehr wie vorher ganz außerhalb der Institutionen der Gemeinschaft, sondern sie wird eingegliedert in den einheitlichen institutioneilen Rahmen der Europäischen Union. Zudem ist die Entscheidung, an die Stelle einer Ad-hoc-Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten eine verbindliche dauerhafte Zusammenarbeit zu setzen, als ein wichtiges politisches Signal zu werten.
Nationale Interessen der Mitgliedstaaten standen während der Verhandlungen im Rahmen der Regierungskonferenz zur Politischen Union einer „Vergemeinschaftung“ der Innen-und Justizpolitik entgegen. Neben der Außenpolitik gehören Innen-und Justizpolitik zu den klassischen Souveränitätsrechten der Nationalstaaten, bei denen eine Kompetenzübertragung besonders schwer fällt. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, daß die Kompetenz der Union in diesen Bereichen unter den Vorbehalt der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der Inneren Sicherheit gestellt ist
Die Europäische Kommission hat gegenüber der jetzigen Konstruktion der Union -drei unterschiedlich ausgestaltete „Säulen“ -Vorbehalte geäußert. Nachdem die luxemburgische Präsidentschaft im ersten Halbjahr 1991 dieses Konzept vorgestellt hatte, wandte sie sich -wie auch Deutschland, Belgien und die Niederlande -dagegen. Ihre Begründung war, daß sich die Union parallel zur Gemeinschaft entwickeln würde, ohne daß dabei der Wille zum Ausdruck käme, die Kompetenzen, die die Mitgliedstaaten in Wirtschaft und Politik gemeinsam ausüben wollen, in einem einzigen Regelwerk zusammenzufassen. In Abkehr von dem luxemburgischen Konzept sah der Vertragsentwurf der niederländischen Präsidentschaft vom September 1991 vor, die inneren und justiziellen Angelegenheiten im Rahmen der Allgemeinen Bestimmungen (Sechster Teil, Artikel 210ff. EGV) in die Struktur des EG-Vertrages einzubeziehen. Dieser Vorschlag konnte sich indes nicht durchsetzen.
Schließlich einigte man sich auf die beschriebene Aufteilung in Zuständigkeitsbereiche der Regierungszusammenarbeit und der Gemeinschaftskompetenz. Die Europäische Kommission wollte die Einwanderungspolitik wegen besonderer Dringlichkeit eigentlich voll und ganz dem Gemeinschaftsrecht unterstellen: Keine Regierung würde den völlig freien Verkehr von EU-Bürgern auf ihrem Hoheitsgebiet zulassen, bevor man sich in der Union nicht vollends auf eine gemeinsame Ein-reisepolitik für Drittstaatsangehörige geeinigt hat. Da diese Absicht nicht konsensfähig war, kam man überein, jedenfalls die Visapolitik in den EG-Vertrag zu integrieren.
In der Visapolitik sind übrigens schon weitreichende Fortschritte gemacht worden: Zur Umsetzung des neuen Artikel 100c des EG-Vertrages hat die Kommission dem Rat im Dezember 1993 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Bestimmung derjenigen Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, vorgelegt Im Juli dieses Jahres hat sie einen Richtlinienvorschlag verabschiedet, der die Schaffung eines einheitlichen Formats für Visa vorsieht Damit hat die Kommission ihre „Hausaufgaben“ im Bereich der Visapolitik fristgerecht erledigt.
IV. Das Verfahren der Zusammenarbeit in der Asyl-und Einwanderungspolitik
Im Bereich des Titels VI des EU-Vertrages beschließt der Rat in der Zusammensetzung der Innen-und Justizminister einstimmig, außer in Verfahrensfragen und in den Fällen, in denen Artikel K. 3 (Verfahren der Zusammenarbeit) ausdrücklich eine andere Abstimmungsregel vorsieht. Auf der Verwaltungsebene werden die Arbeiten des Rates durch einen aus hohen Beamten bestehenden Koordinierungsausschuß (vgl. Artikel K. 4) unterstützt
Der Rat kann auf Initiative eines Mitgliedstaates oder der Kommission -gemeinsame Standpunkte festlegen, die von den Mitgliedstaaten in internationalen Organisationen oder bei internationalen Konferenzen, an denen sie teilnehmen, vertreten werden (Artikel K. 5) -gemeinsame Maßnahmen annehmen -soweit sie sich als wirksamer erweisen als Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten -, die für die Mitgliedstaaten bei ihren Stellungnahmen und ihrem Vorgehen bindend sind, und -Übereinkommen ausarbeiten, die er den Mitgliedstaaten zur Annahme empfiehlt.
Die Kommission hat, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten, ein Initiativrecht (außer im Bereich Strafsachen, Zoll-und Polizeiwesen), und sie wird umfassend an den Arbeiten im Bereich von Titel VI beteiligt (Artikel K. 4, Abs. III) Sie kann vom Rat verbindlich dazu aufgefordert werden, geeignete Untersuchungen vorzunehmen und ihm entsprechende Vorschläge zu unterbreiten (Artikel K. 8 EUV, Artikel 152 EGV)
Das Europäische Parlament hat Informations-und Konsultationsrechte (Artikel K. 6)
Der Europäische Gerichtshof übt seine Jurisdiktion nur dann aus, wenn zwischen den Mitgliedstaaten ausgehandelte Abkommen dies vorsehen (Art. L., Art. K. 3, Abs. IIc)
V. „Vergemeinschaftung“ der Innen-und Justizpolitik?
Das in Maastricht gewählte Modell ist nicht statisch, sondern enthält eine Öffnung in Richtung auf eine weitergehende Vergemeinschaftung. Diese Möglichkeit wird durch die Vorschrift des Artikel K. 9 EUV eröffnet („passereile“). Danach kann, wenn der Rat dies einstimmig auf Initiative der Kommission oder eines Mitgliedstaates beschließt, auf die meisten Politikbereiche des Titel VI (außer Strafsachen, Zoll-und Polizeiwesen) Artikel 100c EGV angewandt werden. In der Folge würde für die betreffenden Materien das „übliche“ Gemeinschaftsverfahren gelten. Bei diesem Beschluß handelt es sich um eine Vertragsänderung aufgrund weitergehender Souveränitätsübertragung, die der Annahme durch die Mitgliedstaaten entsprechend ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften bedarf.
Priorität genießt in diesem Zusammenhang die Asylpolitik, wie sich aus der „Erklärung zur Asyl-frage“ in der Schlußakte zum Unionsvertrag ausdrücklich ergibt. Die Kommission hat sich, wie dort vorgesehen, bereits mit der Frage befaßt, ob die Union ihre Asylpolitik auf der Grundlage von Artikel 100c EGV statt auf der Grundlage der Bestimmungen von Titel VI EUV fortsetzen sollte, und im November 1993 dem Rat einen Bericht über ihre Auffassung vorgelegt Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, daß es unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Unionsvertrages (1. November 1993) verfrüht sei, die Anwendung von Artikel K. 9 EUV vorzuschlagen. Angesichts der zahlreichen Vorteile, die damit verbunden wären, plädiert sie dafür, diese Frage zu einem späteren Zeitpunkt und anhand weiterer Erfahrungswerte mit der gemeinsamen Asylpolitik erneut zu prüfen. Diese Schlußfolgerung wurde beim Rat der Innen-und Justizminister im November 1993 von den Vertretern der Mitgliedstaaten unterstützt, die sich darauf verständigten, die Frage vor Ende 1995 wieder aufzugreifen.
Drei Vorteile ergeben sich aus einer weitergehenden Vergemeinschaftung der Asylpolitik: -die uneingeschränkte Beteiligung des Europäischen Parlamentes und damit eine verbesserte demokratische Kontrolle, -die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofes für eine einheitliche Auslegung der zu ergreifenden Maßnahmen und -ein potentiell schnellerer Entscheidungsprozeß. Denn die fehlende „Vergemeinschaftung“ bedeutet auch, daß sich das zur Verfügung stehende Rechtsinstrumentarium auf völkerrechtliche Vereinbarungen beschränkt. Sie weisen aufgrund des erforderlichen Ratifizierungsverfahrens in den nationalen Parlamenten gegenüber den gemeinschaftsrechtlichen Verfahren Nachteile auf. Zudem bietet Artikel 100c EGV eine größere Vielfalt von Rechtsinstrumenten (Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen und Beschlüsse) und führt damit zu größerer Rechtssicherheit und transparenteren Auslegungsmöglichkeiten, als dies im Bereich von Titel VI EUV gegeben ist.
VI. Ausblick
Im Ergebnis hat die nunmehr in den Unionsvertrag eingebettete intergouvernementale Kooperation zu einer intensiveren Zusammenarbeit geführt.
Die vorher informelle Zusammenarbeit der zuständigen Minister und Arbeitsgruppen ist mit den Tagungen der Innen-und Justizminister, die seit dem 29. /30. November 1993 unter dem Dach der Union stattfinden, institutionalisiert und auf eine vertragliche Grundlage gestellt worden.
Die durch den Vertrag über die Europäische Union eingegangenen stärkeren politischen Verpflichtungen haben jedoch noch zu keinem allzu deutlichen Fortschritt geführt. Die Europäische Kommission hat zwar seit Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages -soweit es ihre vertraglichen Vollmachten erlauben -die Lösung einiger wichtiger Themen der Innen-und Justizpolitik, insbesondere Asyl und Einwanderung, in Angriff genommen. Zu nennen sind vor allem der Bericht über die Überführung der Asylpolitik in die Gemeinschaftskompetenz, der Vorschlag für eine Verordnung zur Bestimmung der visums-pflichtigen Drittstaatsangehörigen, der Richtlinienvorschlag für die Schaffung eines einheitlichen Visums, der geänderte Entwurf für das Abkommen über das Überschreiten der Außen-grenzen und die Mitteilung über die Asyl-und Zuwanderungspolitik. Aber es bleibt immer noch zu wünschen, daß den Mitgliedstaaten bei den Regierungskonferenzen 1996, die sich mit der Revision des Unionsvertrages befassen, der „große Sprung“ gelingt und die Innen-und Justizpolitik in das Kernstück des Vertrages, den EG-Vertrag, integriert wird. Bundeskanzler Helmut Kohl hat dies als eine seiner Prioritäten für die '96er Konferenz im Hinblick auf eine weitere „Vertiefung“ der Union genannt. Gute Gründe sprechen dafür: Die Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens würde nicht nur zur Transparenz des Gesamtwerkes beitragen, sondern auch die Politik der Union in den Bereichen Justiz und Inneres dem Bürger verständlicher machen und somit zu einer besseren Akzeptanz beitragen. Die demokratische Kontrolle durch das Europäische Parlament wäre sichergestellt wie auch die umfassende rechtsstaatliche Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof.x.
Axel R. Bunz, geb. 1942; Studium der Sozialwissenschaften und Publizistik in Göttingen; berufliche Tätigkeiten in den Bereichen Wissenschaft, Journalismus, Politikberatung, nationale und internationale Verwaltungen; seit Juli 1993 Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik Deutschland in Bonn. Veröffentlichungen u. a.: (zus. mit Uwe Roth) EG-Kommunal. Handbuch für Kommunalpolitiker und lokale Medien, Bonn 1992% (zus. mit Michael Grüning u. a.) Nachdenken über Europa, 3 Bände, Berlin 1992/1993; (Hrsg.) Euro-Guide. Loseblattsammlung, 2 Bände, Köln 1994. Caroline Neuenfeld, geb. 1965; Jurastudium in Bonn; seit 1992 Referentin in der Vertretung der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik Deutschland in Bonn.
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