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Die stille Revolution von unten Wandlungsprozesse im ländlichen Raum Chinas | APuZ 50/1995 | bpb.de

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APuZ 50/1995 Veränderungen in einem „strategischen Dreieck“ Zum gewandelten Verhältnis Chinas gegenüber Rußland und den USA Die Volksrepublik China und Taiwan. Die Gratwanderung zweier chinesischer Staaten zwischen Politik und Wirtschaft Die stille Revolution von unten Wandlungsprozesse im ländlichen Raum Chinas Von Mao zu Deng: Chinas Wandel vom Totalitarismus zum Autoritarismus Politische Opposition innerhalb und außerhalb Chinas. Programme, Ziele und Rolle

Die stille Revolution von unten Wandlungsprozesse im ländlichen Raum Chinas

Thomas Heberer

/ 28 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Ein relativ erfolgreicher Reformprozeß bewirkt einen rasanten Wandel Chinas von unten, vornehmlich in den ländlichen Regionen. Dieser soziale Wandel kommt vor allem in wirtschaftlicher Privatisierung, der Ökonomisierung von Politik und Bürokratie, der Herausbildung neuer Schichten und Eliten, im Wandel von Werten und Einstellungen sowie in der Entstehung von Interessenorganisierung zum Ausdruck. Es findet ein gesellschaftlicher Pluralisierungsprozeß statt, der zur Aufweichung und Veränderung des politischen Systems in China führt.

I. Einleitung

Tabelle 1: Schichtenordnung nach den Faktoren politische und ökonomische Macht, Sozial-und Lokalprestige sowie pretialer Status in den Landstädten (Zhen) *

Das Jahr 1989 war das Jahr des Zusammenbruchs des Realsozialismus sowjetischer Prägung. Sein Resultat verdeutlichte das weitgehende Versagen der Sozialwissenschaften, die eine solche Entwicklung nicht einmal ansatzweise prognostiziert hatten. Die Ursachen hierfür sind unter anderem theoretischer Natur. So waren, unter dem Einfluß der Totalitarismustheorie, die sozialistischen Systeme nicht unter dem Aspekt des Wandels, sondern unter dem Aspekt der Stagnation untersucht worden. Ein totalitäres System galt ohne prinzipielle systemische Transformation als nicht wandelbar.

In sozialistischen Ländern schien ein starker Staat einer schwachen Gesellschaft gegenüberzustehen, wobei das System die Menschen vereinzelte und gegenüber dem Staat machtlos werden ließ. Entsprechend dominierten in den Analysen zentrale Institutionen und Akteure sowie makroökonomische Prozesse. Der gesellschaftliche Alltag, informelle Protestströmungen in der Bevölkerung -im Falle Chinas speziell der Landbevölkerung -blieben weitgehend ausgespart. Dies hat zwar unter anderem damit zu tun, daß entsprechende Informationen über Jahrzehnte hinweg spärlich und Feldstudien nicht möglich waren. Aber die berühmte „Kremlastrologie“, das Starren auf das Politbüro, versperrte den Blick auf Protestverhalten und Veränderungsprozesse von unten.

Der Beitrag ist Ergebnis des gemeinsam mit Prof. Dr. Taubmann (Universität Bremen) durchgeführten und von der VW-Stiftung geförderten Forschungsprojektes „Ländliche Urbanisierung in der VR China“. Im Rahmen dieses Projektes wurden 1993 und 1994 zwei dreimonatige Feld-forschungen in sieben Landstädten (zhen) in sechs Provinzen durchgefuhrt. Die Ergebnisse erscheinen in Kürze in einer umfangreichen Publikation.

Im folgenden Beitrag geht es um den spontanen Veränderungsprozeß von unten -in China. Entscheidende Triebkraft des Wandels ist die bäuerliche Bevölkerung, die den eigentlichen Reform-prozeß in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, zunächst in Armutsgebieten, in Gang gesetzt hatte. Der Erfolg dieser Entwicklung bewirkte die Unterstützung von oben und führte zu einem Reformprogramm. Damit wurde eine Büchse der Pandora geöffnet: Der wirtschaftliche Wandel, der auf dem Land primär in der Rückkehr zu privaten Bewirtschaftungsformen bestand, veränderte das soziale Gefüge grundlegend. Neue Schichten und Eliten entstanden, Einstellungen und Werte wandelten sich, die Landbevölkerung begann sich zu organisieren. Der Gesellschaftswandel hat zugleich eine Veränderung des politischen Systems von unten her eingeleitet.

II. Wandel der Eigentumsstruktur

Tabelle!: Veränderungen der bäuerlich-ländlichen Denk* und Verhaltensmuster

Die Wirtschaftsreformen brachten eine deutliche Hinwendung zu privatem Eigentum und Eigentumsmischformen. Erster Privatisierungsschritt war die von den Bauern eingeleitete Abschaffung der Kollektivwirtschaft und die Rückkehr zu familiärer Bewirtschaftung. Die Dekollektivierung führte zur Freisetzung einer riesigen Zahl von Arbeitskräften (China spricht offiziell von 150 bis 200 Millionen Menschen), denen der Zugang zu den staatlichen Betrieben verwehrt war und die daher lediglich privat tätig werden konnten Dies war der Grund, weshalb Partei und Staat der raschen Entwicklung des Privatsektors nichts entgegenzusetzen vermochten, sondern alle Privatisierungsschritte hinnehmen mußten. Die Privatisierung ging vom Land und von den Bauern aus, von Kleinhandel und Kleinhandwerk zu Großhandel und größeren Agrar-und Industrieunterneh-1 men. Offiziell sind folgende Bereiche als Privat-sektor erfaßt: -21, 866 Millionen „Individualunternehmen" (getihu) mit 37, 76 Millionen Arbeitskräften, -rund 432000 registrierte „Privatunternehmen" (siren qiye) mit 6, 48 Millionen Erwerbspersonen, -22, 844 Millionen als „privatwirtschaftlich tätig“ erfaßte ländliche Unternehmen mit 65, 776 Millionen Arbeitskräften, -79 000 private „wissenschaftlich-technische Unternehmen“ mit 1, 505 Millionen Erwerbspersonen und -207000 mit ausländischem Kapital betriebene Unternehmen mit 23, 36 Millionen Beschäftigten

Dies ergab (1994) die Gesamtzahl von 45, 428 Millionen Unternehmen mit 134, 881 Millionen Erwerbspersonen. Nicht erfaßt ist hierbei der schattenwirtschaftliche Bereich, das heißt der nichtregistrierte, illegale Sektor sowie mithelfende Familienangehörige, Personen mit Zweitberuf, „Moonlighters“, die abends einer zweiten Berufs-tätigkeit nachgehen, und die große Zahl von Unternehmen, die nominell staatliche oder kollektive sind, sich tatsächlich aber in Privatbesitz (vornehmlich im ländlichen Bereich) befinden. Die Schattenwirtschaft soll annähernd so groß sein wie der offizielle Sektor. Von daher dürften bereits weit über 200 Millionen Arbeitskräfte im Privat-sektor tätig sein (etwa ein Drittel aller Erwerbspersonen), wobei weder Mischformen und quasi-private Bewirtschaftung von Staats-und Kollektivbetrieben noch die von den Bauernhaus-halten wieder privat betriebene Landwirtschaft berücksichtigt wurden.

Die politische Führung einigte sich Anfang der achtziger Jahre auf den Kompromiß, selbständige Tätigkeit nur in begrenztem Umfang zuzulassen. Doch innerhalb weniger Jahre wurde der Privat-sektor zum Hauptentwicklungsfaktor. Um den Kompromiß nicht brüchig werden zu lassen, versuchen die Befürworter einer Ausweitung privater Wirtschaftsaktivitäten die Privatisierung mit verschiedenen Bezeichnungen zu verschleiern, wie „Bürgerwirtschaft“, „vom Volk betriebene Wirtschäft“, „Familienwirtschaft“, „Haushaltswirtschaft“ oder „Hofwirtschaft“. Es mehren sich die Stimmen, die nicht mehr zwischen Eigentumssektoren unterscheiden, sondern alle Betriebe ungeachtet ihrer Eigentumsform neutral als „Unternehmen“, ihre Betreiber als „Unternehmer“ bezeichnen wollen Von daher läßt sich von einem Prozeß schleichender Privatisierung sprechen.

Der Privatisierungsprozeß begann auf dem Land, wo der private Sektor bereits absolut dominiert, und pflanzt sich nun in die Städte hinein fort. Im urbanen Raum bleibt zunächst der Staatssektor vorherrschend, private Wirtschaftstätigkeit konzentriert sich dort im tertiären, also Dienstleistungssektor.

Der wachsende Anteil von Parteimitgliedern an der Privatunternehmerschaft und der Versuch, die Unternehmer in Parteiaktivitäten einzubinden, werden die ideologische und organisatorische Aushöhlung der Partei beschleunigen, weil hier eine Gruppe mit ökonomischer Interessenausrichtung und monetärem Machtpotential entscheidenden Einfluß auf die künftige Politikgestaltung nehmen wird. Nicht umsonst hat ein Papier der Abteilung Einheitsfront des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) im Jahre 1994 darauf hingewiesen, daß der Kauf politischer Ämter, von Wählerstimmen und von Funktionären durch Privatunternehmer in den ländlichen Regionen immer ernstere Formen annimmt, wobei sich diese Phänomene bereits in die Städte auszubreiten beginnen

III. Die Folgen der ökonomischen Entwicklung: Wandlungsprozesse auf der gesellschaftlich-politischen Ebene

1. Ökonomisierung der Politik

Markt und Privatwirtschaft haben zu einer Ökonomisierung der Politik geführt. Im Mittelpunkt der heutigen Parteitätigkeit steht die Wirtschaft. Entsprechend wurde nicht nur die Unterweisung in Marktwirtschaft zum Ausbildungsziel der Partei-schulen erklärt, darüber hinaus schrieb das Partei-organ Volkszeitung, nur wer ein guter Unternehmer sei, könne auch ein guter Parteikader sein. Um die aufgeblähte Bürokratie abzubauen, werden Funktionäre auf dem Land seit einigen Jahren aufgerufen, sich als Manager oder Privatunternehmer zu betätigen. Immer mehr Kader wandern in die Wirtschaft ab, vornehmlich die Fähigsten, da die Einkommen dort beträchtlich höher sind als in der Verwaltung.

Der Markt hat Gemeinde-und Dorffunktionäre, die es nicht verstanden, in die Wirtschaft umzusteigen oder die lokale Ökonomie zu beleben, an das untere Ende der Einkommensskala katapultiert. Bedeutete Anfang der achtziger Jahre ein Einkommen aus Verwaltungs-und Parteitätigkeit ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, so ist heute das Gegenteil der Fall. Die Einkommen der Gemeinde-und Dorfkader sind seit dieser Zeit kaum gestiegen, in ärmeren Regionen fehlt das Geld, um sie regelmäßig und rechtzeitig bezahlen zu können. Zugleich steht die soziale Versorgung der Dorf-kader im Ruhestand vor dem Zusammenbruch. Dazu kommen wachsende Anforderungen an die Gemeinde-und Dorfparteisekretäre: Es sind nicht mehr nur planwirtschaftliche Anordnungen von oben nach unten weiterzuleiten, es ist nicht mehr nur für die Erfüllung von Normen zu sorgen, es bleibt in den Dörfern nicht mehr bei der Schlichtung von Familien-und Nachbarschaftsstreitigkeiten; gefragt sind heute die erfolgreiche Errichtung und Verwaltung von Industriebetrieben, die Akquirierung von Finanzmitteln im Interesse der Gemeinden und Dörfer sowie die Lösung von Materialbeschaffungs-, Produktions-und Absatzproblemen. Hinzu kommt, daß die Fähigen unter den Dorfkadern zunehmend als Wanderarbeiter, Händler und Unternehmer die Dörfer verlassen und damit für die Partei-und Verwaltungstätigkeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Allein in einer Gemeinde in der Provinz Hubei haben bis 1993 von 513 Dorfkadern 120 ihr Amt aufgegeben, davon 47 Dorfparteisekretäre und 29 Dorfvorsteher. Gründe dafür waren unter anderem: niedrige Einkommen, zunehmender Druck von Seiten der höheren Verwaltungsorgane wie von Seiten der bäuerlichen Bevölkerung und zunehmende Gewalttätigkeit und Racheakte von Bauern gegenüber Dorfkadern . Aufgrund wachsender Schwierigkeiten und Anforderungen, ideologischen Drucks von oben, niedriger Einkommen sowie wachsenden Drucks seitens der Bauernschaft, die sich durch die Funktionäre immer weniger vertreten fühlt bzw.deren Agieren zunehmenden Widerstand entgegensetzt, geben immer mehr Dorfkader ihre Tätigkeit in Partei und Verwaltung auf. Bis zu 90 Prozent von ihnen wollen chinesischen Untersuchungen zufolge ihre Ämter niederlegen und in der Wirtschaft Geld verdienen

Massive Rekrutierungsprobleme gibt es auch bei der Partei. Die Volkszeitung beklagte Ende 1994, daß immer weniger junge Leute auf dem Land zum Eintritt in die Partei bereit seien. Aufgrund der Unfähigkeit vieler Funktionäre, von Korruption, Änderung der Wertvorstellungen der Jugend, des Konservatismus älterer Parteimitglieder gegenüber Privat-und Marktwirtschaft, Handel und Geldverdienen besitze die Partei kaum noch Anziehungskraft Resultat des Machtverlustes der Partei ist, daß diese zunehmend Schwierigkeiten hat, geeignete Funktionäre für die Dörfer zu finden, so daß die Zahl der Dörfer ohne Parteikader zunimmt.

2. Das Entstehen neuer sozialer Schichtung und neuer lokaler Eliten

Privatisierungsprozesse, die Ökonomisierung von Politik und Wirtschaft, Nutzung von Markt-und Spekulationschancen, illegale, halblegale und schattenwirtschaftliche Tätigkeiten sowie räumliche und Einkommensdifferenzierungen haben das Schichtengefüge verändert. Auf dem Lande verstärken die wesentlich höheren Einkommen im Nichtagrarsektor die Unterschiede bei den Einkommen und im Lebensstandard. Die zunehmende Stratifikation, also Schichtung, hat nicht nur ökonomische, sondern auch soziale, politische und bewußtseinsmäßige Folgen. Der Markt hat neue Quellen für Macht geschaffen, auch wenn diese Macht sich zunächst nur ökonomisch äußert.

Unseren Untersuchungen zufolge existieren in den ländlichen Regionen derzeit 13 Schichten (s. Tab. 1).

Trotz regionaler Unterschiede läßt sich feststellen, daß auf der Kreis-und Gemeindeebene die politische Führung nach wie vor wichtigster Machtfaktor ist, auch wenn sie nicht mehr alle lokalen Ressourcen und Aktivitäten kontrolliert. Allerdings wird das Prestige dieser Gruppe immer stärker an den Erfolgen bei der Entwicklung von Wirtschaft und der Erhöhung des lokalen Lebensstandards gemessen. In der Prestigeskala der ländlichen Bevölkerung, so zeigen unsere Umfragen unter Beschäftigten in der ländlichen Industrie, bleibt die politische Elite der Wissenselite (Personen mit höherer Bildung), die mit Abstand das höchste Sozialprestige besitzt, sowie den Managern größerer nicht-privater und den Eigentümern größerer Privatbetriebe nachgeordnet. Manager und größere Privatunternehmer nehmen aufgrund ihrer Einkommen, ihrer unternehmerischen Fähigkeiten und ihres ökonomischen Gestaltungswillens zunehmend Vorbildfunktion ein. Zwar gilt dies abgeschwächt für die letzteren, weil durch sie am offenkundigsten das weitgehend egalitäre und auf traditionellen Statussymbolen beruhende Dorfgefüge durchbrochen wird und die lokale Bürokratie in ihnen zum Teil „ausbeuterische“ Elemente sieht, die sich auf Kosten des Gemeininteresses bereichern. Durch Leistungen, Zuwendungen und „Spenden“ an Bedürftige, an die lokale Gemeinschaft, an Funktionäre und Organisationen versuchen sie aber ihr Image aufzubessern und sich unentbehrlich zu machen.

Auch der Begriff des „Bauern“ ist zu differenzieren. Wir meinen damit Personen, die primär Kleinlandwirtschaft betreiben, nicht aber agrarische Unternehmer, die Clanälteren und Dorf-funktionäre, die einen höheren Status besitzen. Betreiben sie Landwirtschaft im großen Stil, sind sie Privatunternehmer im Agrarsektor. Der Status der Kleinlandwirte bleibt dagegen gering, soweit sie primär familienbetriebener Kleinlandwirtschaft nachgehen und keine Initiativen zur Verbesserung des Lebensstandards außerhalb des Agrarsektors unternehmen. Beschäftigte in ländlichen Kollektiv-oder Privatbetrieben, die die Lage in Familie oder Landwirtschaft in den Nichtagrarsektor zwingt, haben im Berufsimage einen niedrigeren Status als Bauern, nicht aber hinsichtlich des pretialen Status (gemeint sind die Möglichkeiten der Einflußnahme mittels materieller und finanzieller Einkommen und Vermögenswerte). Sie erzielen zwar höhere Einkommen, daraus folgt aber noch keine soziale Absicherung. Zudem wurde die Selbständigkeit zugunsten von Lohnabhängigkeit aufgegeben. Der Begriff „Bauer“ muß allerdings noch in anderer Weise differenziert werden: Bauern können mehreren Schichten angehören, etwa wenn sie einen Teil ihrer Arbeitszeit als Dorfkader, als Lohnabhängige in einem nichtagrarischen Unternehmen oder im privaten Kleinsektor tätig sind. Entscheidend wirkt hier die Tätigkeit, die hauptsächlich ausgeübt wird (die langfristig den größten Teil der Arbeitszeit beansprucht) und aus der längerfristig der größte Teil des Einkommens stammt.

Bei den Beschäftigten in den kollektiven und privaten ländlichen Betrieben muß statusmäßig unterschieden werden zwischen den Angestellten, die in Verwaltung oder Management tätig sind, und den in der Produktion beschäftigten Arbeitern. Die ersteren genießen einen höheren Status und setzen sich, vor allem in Dorf-und Privat-betrieben, häufig aus Verwandten und Freunden des Betriebsleiters zusammen. Die Arbeiter dagegen werden vielfach aus anderen Dörfern rekrutiert, um innerhalb der Dorf-oder Clangemeinschaft keine Status-und Hierarchieprobleme aufkommen zu lassen.

Am Ende der Skala rangieren die Wanderarbeiter, die nicht der Gemeinschaft angehören, der das Unternehmen zugehörig ist, die in der Regel aus Armutsgebieten kommen, von der lokalen Gemeinschaft als Gruppe mit dem niedrigsten sozialen Status angesehen werden und vielfältiger Diskriminierung unterliegen.

In den Dörfern existiert diese soziale Differenzierung in eingeschränkter Form. Wo die Clanverbände stark sind, genießt die Wissenselite (Clanälteste, religiöse Persönlichkeiten) den höchsten Status. Ansonsten entspricht die Schichtungshierarchie weitgehend der oben beschriebenen. Überhaupt sind die einzelnen Schichten nicht homogen: Bauern differenzieren sich je nach Bodenbesitz und -qualität, Anbauauswahl, Inputmöglichkeiten, Marktzugang, Zahl der Arbeitskräfte u. a. m. Ländliche Kader teilen sich in verbeamtete Staatskader, die vom Staat Gehälter und Sozialleistungen erhalten, in leitende Dorfkader mit festen Gehältern, die ganz oder teilweise von der Produktion freigestellt wurden, und in einfache Dorfkader mit geringen Zuschüssen. Innerhalb der Privatunternehmerschaft reicht das Spektrum von kleinen Familienbetrieben mit geringen Einkommen bis zu Mittel-und Großbetrieben sowie Multimillionären. Es ist allerdings noch zu früh, von Klassen zu sprechen. Zwar weisen die einzelnen Schichten gemeinsame Merkmale auf, etwa was Eigentum, Kontrolle über gesellschaftliche Ressourcen und Einkommen anbelangt, aber die Schichtung befindet sich noch in einem Stadium der Fluktuation und Entwicklung.

3. Neue Lokaleliten

Politische und ökonomische Führungsschicht bilden die wichtigsten Eliten. Die neuen ländlichen Eliten setzen sich aus erfolgreichen industriellen oder agrarischen Unternehmern zusammen, die es zu Wohlstand gebracht haben. Ehemalige Funktionäre, Personen mit guten Beziehungen zur Bürokratie, aus den Streitkräften ausgeschiedene Soldaten, aber auch Angehörige vorrevolutionärer Eliten bzw.frühere Privatunternehmer stellen das Gros dieser Unternehmer. Sie alle verfügen in der Regel über einen gewissen Bildungs-und Erfahrungshintergrund bzw. über gute Beziehungen zur örtlichen Bürokratie. Ihre Erfahrungen und unternehmerischen Fähigkeiten werden ebenso akzeptiert wie ihre Rolle als Arbeitgeber und Wohltäter im Interesse der Gemeinschaft. Da sie öffentliche Projekte finanzieren, in wachsendem Maße am lokalen Steueraufkommen beteiligt sind und Arbeitsplätze schaffen, bemühen sich die lokalen Regierungen um ihre Unterstützung und Förderung. Allmählich werden solche Personen -zunächst auf der Dorfebene -von der Gemeinschaft als natürliche Führungskräfte angesehen, wobei es unerheblich ist, ob es sich um Parteifunktionäre handelt oder nicht.

Auch die dörflichen Parteifunktionäre verfügen über gute Verbindungen zur übergeordneten Bürokratie, die ihnen einerseits günstige Versorgungs-und Absatzkanäle ermöglichen, es ihnen andererseits erlauben, als Vermittler zwischen Bürokratie und Dorf aufzutreten. Von daher ist es nicht verwunderlich, daß ehemalige Parteifunktionäre oder Personen mit verwandtschaftlichen Verbindungen zu höheren ländlichen Kadern einen wichtigen Teil der größeren bzw. mächtigeren Privatunternehmer stellen. Solche Verbindungen werden teils über Heiratspolitik (Ehen zwischen Angehörigen von Privatunternehmern und Funktionären) hergestellt oder existieren bereits über Clanzugehörigkeit. Privatunternehmer ohne wirtschaftliche Anbindung sind von dieser Entwicklung benachteiligt.

Es sind also keineswegs immer Parteivorsitzende und Bürgermeister, die in den Dörfern das höchste Ansehen und den größten Einfluß besitzen. Unsere Untersuchungen ergaben, daß vielmehr Clanvorsteher, erfolgreiche ländliche Unternehmer und Landwirte oder Personen mit überlokalen Funktionen und Kontakten von der Gemeinschaft anerkannte Prestigeträger sind.

Der ökonomische und soziale Wandel, Stratifikation und Elitenwandel haben das ländliche Sozial-gefüge grundlegend verändert. Obwohl es seit 1949 durchgängig soziale Schichtung gegeben hat, gibt es gravierende Unterschiede zwischen der Schichtung vor Beginn der Reformen und danach. Davor handelte es sich um eine Schichtung, die politische Kriterien zur Grundlage hatte, wobei Parteimitgliedschaft, Kaderrang, Klassenherkunft und ideologische Standfestigkeit Voraussetzung der Elitezugehörigkeit waren und Personen, die den „Klassenfeinden“ zugerechnet wurden, wie ehemalige Großgrundbesitzer, reiche Bauern und deren Angehörige sowie Angehörige der ehemals politischen Elite, zur untersten Schicht zählten. Familienherkunft und Klassenstatus waren weitgehend identisch. Heute hingegen handelt es sich zunehmend um eine Schichtung, die stärker ökonomischen Prämissen (wirtschaftlicher und unternehmerischer Erfolg) folgt.

Die genannten Veränderungen der lokalen Macht-und Sozialstrukturen bedeuten bereits einen Wandel des politischen Systems. Die systemische Veränderung besteht darin, daß diese neuen Eliten aufgrund ökonomischer Zusammenhänge und nicht im Zuge politischer Prozesse Eingang in die Führungsschicht gefunden haben. Sie repräsentie31 ren neue Werte, neue Statussymbole, neue politische und wirtschaftliche Interessen und Zielsetzungen, die den ursprünglichen Zielsetzungen und Intentionen der Partei zuwiderlaufen.

Die heute primär ökonomische gegenüber der früher ideologischen Ausrichtung der Funktionäre begünstigt den Aufstieg wirtschaftlich erfolgreicher Parteikader und damit den Elitenwandel. Lokal bleiben die Kader zunächst politische Entscheidungselite. Die Wirtschaftsmanager florierender Betriebe, zum Teil auch größere Privatunternehmer, spielen gesellschaftlich eine wachsende Rolle, an politischen Entscheidungsprozessen sind sie derzeit aber eher marginal beteiligt. Allerdings sind sie führend im Lebensstandard. Ökonomische Macht allein bringt also keineswegs automatisch ein Mehr an politischer Macht mit sich. Nach wie vor sind in den ländlichen Regionen die Parteiführungen dominant, sind sie der Wirtschaftselite übergeordnet. Von daher hat sich ein Dualismus von politischer und wirtschaftlicher Macht herausgebildet, bei dem politische nicht automatisch wirtschaftliche Macht und die letztere nicht per se politische mit sich bringt. Doch wirtschaftliche Macht drängt nach politischer Macht, nicht zuletzt zur Durchsetzung ökonomischer Interessen und zur Erhöhung des gesellschaftlichen Status. Die neuen Eliten verkörpern ökonomische Interessen, entwickeln zugleich aber soziales und auch politisches Partizipationsinteresse und versuchen mittels ihres pretialen Machtpotentials Einfluß auf die künftige Politik-gestaltung zu nehmen.

4. Wertewandel

Mit dem sozialen Wandel setzte ein Prozeß des Einstellungs-und Wertewandels ein. Einheitliche generationen-oder schichtenübergreifende Einstellungen und Wertvorstellungen begannen sich aufzulösen. Für den Zusammenhalt der Gesellschaft positive Einstellungen und Werte verlieren ihre Wirkung zugunsten stärker individualistisch geprägter. In diesem Veränderungsprozeß spielt die Entwicklung der Privatwirtschaft eine eminente Rolle, denn sie fördert Werte wie Wettbewerbsdenken, Kreativität, Verantwortlichkeit, Zuverlässigkeit, Effizienz, Disziplin oder Pünktlichkeit Auch die Haltung gegenüber den bisherigen Werten sowie deren Rangordnung wandelt sich bzw. bestehende Werte werden um-oder neu gedeutet.

Dieser Wandlungsprozeß vollzieht sich rascher unter der Jugend, in den Städten in entwickelteren Regionen mit höherem Grad sozialer Mobilität sowie unter Wanderarbeitern und anderen ländlichen Arbeitskräften, die in nichtagrarische Sektoren übergewechselt sind.

Obgleich es hinsichtlich des ökonomischen Entwicklungsstandes bzw.der politischen Lage eines Ortes, des Bildungsgrades und Alters der Befragten zum Teil gravierende Unterschiede gibt, lassen sich aus unserer Befragung der Belegschaften ländlicher Betriebe folgende Schlußfolgerungen ziehen:

Erstens: Im gesellschaftlichen Leben spielt die Familie wieder offen die dominierende Rolle. Individualistisches Denken und Verhalten nehmen zwar zu, bleiben aber dem Familiensinn noch nachgeordnet. Der Status der Familie und die Zukunft der Kinder gelten als zentrale Fragestellungen bei der Zukunftsplanung. Allerdings hat sich die Bedeutung der Familie von einer sozialen zu einer primär ökonomischen Interesseneinheit gewandelt.

Zweitens: Soziale Ungleichheit und Stratifikation werden akzeptiert, die Haltung gegenüber dem Prozeß ist indessen ambivalent, weil egalitäre Vorstellungen von Harmonie und sozialer Gemeinschaft dadurch verletzt werden. Der Urbanisierungsprozeß hat traditionelle Vorstellungen vom „autarken Dorf“ bereits weitgehend zerstört und familienbezogenen Wohlstand stärker in den Mittelpunkt der Interessen gerückt. Das Interesse an einer Verbesserung der materiellen Lebensverhältnisse ist deutlich. Der Wechsel in nichtagrarische Tätigkeitsbereiche und die damit verbundenen Momente Migration und Ausweitung bzw. Differenzierung sozialer Kontakte haben zur Veränderung der Einstellungen und Werte beigetragen.

Drittens: Verschiedene Eigentumsformen werden akzeptiert und als gleichberechtigt begriffen. Handel und Warenwirtschaft finden eine neue und positivere Bewertung. Dies ist eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung von Markt und Privat-sektor auf dem Lande.

Viertens: Höchstes Image besitzen die „Wissenden“, das heißt wissenschaftlich-technische Fachkräfte. Nicht der hart arbeitende Bauer ist Vorbild auf dem Lande, nicht der „rote“ Experte, der Kader, sondern der gut ausgebildete Fachmann. Eine solche Einstellung fördert den Wunsch nach Bildung für die eigenen Nachkommen und läßt nur noch den fachlich versierten Funktionär Akzeptanz finden. Insgesamt zeigt sich, daß der Fachmann und der Unternehmertyp Vorbilder auf dem Land sind, nicht der Arbeiter, Bauer oder Funktionär. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Unternehmer der Manager eines nicht-privaten oder der Eigentümer eines größeren privaten Betriebes ist.

Fünftens: In der Haltung gegenüber den Kadern drückt sich Skepsis aus, ob sie den gegenwärtigen wirtschaftlichen Erwartungen gerecht werden können. Das selbstherrliche oder korrupte Verhalten vieler lokaler Funktionäre bereitet den Nährboden für diese Skepsis. Und Skepsis gegenüber den Funktionären bedeutet Skepsis gegenüber der Partei.

Sechstens: Die Rolle der Partei bei akuten Problemlösungen am Arbeitsplatz wird eher gering eingeschätzt. Dies kommt bei Jüngeren und Gebildeteren besonders deutlich zum Ausdruck.

Siebtens: Beziehungen spielen auch weiterhin eine zentrale Rolle in Alltag und Leben.

Achtens: Im Antwortverhalten manifestieren sich letztlich die zunehmende Differenzierung des Weltbildes der Landbevölkerung, ein wachsendes Problembewußtsein und der damit einsetzende Wandel vom „ting hua“, bäuerlichen Hinnehmen und Erdulden, zum „canyu“, dem wachsenden Wunsch nach Mitspracheformen.

Im folgenden wollen wir die Veränderung der bäuerlich-ländlichen Denk-und Verhaltensmuster aufgrund unserer Umfrageergebnisse verdeutlichen (s. Tab. 2).

Das partielle Heraustreten aus Landwirtschaft und Dorf, Tätigkeiten in Landstädten und Industriebetrieben und die damit verbundene Erweiterung des Weltbildes und der sozialen Kontakte bewirken eine Aufweichung der bäuerlich-ländlichen Subkultur. Dies drückt sich zunächst in der Ausweitung interpersoneller, also zwischenmenschlicher Kontakte und dorfübergreifender Erkenntnisse und Erfahrungen, sodann in der Teilnahme am Marktgeschehen, in Investitionen und Unternehmertätigkeiten, schließlich in dem Wunsch nach materiellem Wohlstand, besserer Ausbildung für den Nachwuchs sowie in zunehmender Empathie (Einfühlungsvermögen) aus.

Die Wertvorstellungen der Menschen haben sich differenziert. Werte wie Aufopferung für das Kollektiv und altruistisches Verhalten im Sinne bäuerlich-proletarischer Modellhelden finden auch unter der ländlichen Bevölkerung kaum mehr Resonanz. Dem Familisierungs-, Individualisierungs-und Privatisierungsprozeß entspricht es, den Wert des Lebens stärker in Konsum, in familiärem und privatem Glück, in außeragrarischen Berufsfeldern, in der Maximierung des Einkommens oder in Kontemplation zu suchen. Das Verständnis großer Teile der Bevölkerung von „Marktwirtschaft“ als Ökonomisierung des gesamten Denkens und Handelns, als Vermarktung aller Dinge und Personen sowie Unterwerfung sämtlicher sozialer Bereiche und Tätigkeiten unter Profitinteressen beschleunigt die Zersetzung herkömmlicher Werte.

5. Die Herausbildung von Interessenvereinigungen

Privatisierung, Markterfordernisse und berufliche Differenzierung haben ländliche Interessenvereinigungen in großer Zahl entstehen lassen. Daß die Organisierungsinitiative vom Land ausgeht, zeigt sich nicht nur an der Vielzahl formeller (offiziell angemeldeter) ländlicher Vereinigungen, sondern auch am Wiederentstehen informeller, traditioneller Organisationen. So bilden sich auf lokaler Ebene unabhängige oder halbunabhängige Ver33 bände, wie Landsmannschaften, Clans, religiöse Vereinigungen (Untergrundkirche), Geheimgesellschäften, Berufsverbände und autonome Künstlervereinigungen. In den Städten schließen sich Bauern auf der Grundlage gleicher Interessen ebenfalls zu traditionellen (und inoffiziellen) Organisationen und Vereinigungen zusammen, vornehmlich zu Landsmannschaften und Bettler-banden bis hin zu kriminellen Vereinigungen mit mafiaähnlichen Strukturen, die Unternehmen betreiben, Schutzgelder und Straßengebühren einfordern und teilweise relativ große Gebiete kontrollieren Wie weit das geht, zeigt eine Untersuchung über zugewanderte Straßenhändler in Peking, die landsmannschaftlich organisiert sind: Auf dem Tianwaitan-Markt in Peking z. B. stammten Anfang der neunziger Jahre 70 Prozent der Händler aus Yiwu (Provinz Zhejiang). Sie kontrollierten nicht nur einen Großteil des Großhandels mit kleinem Alltagsbedarf, sondern waren auch als Interessenverband (Landsmannschaft) organisiert. Solche Landsmannschaften beziehen meist gleiche Wohnquartiere und bilden auf diese Weise relativ geschlossene Migrantengemeinschaften Die informelle Organisation reicht bis in den geschäftlichen Bereich hinein. So sind z. B. Vereinigungen von Privathändlern entstanden, die zum Mittel kollektiver Abwanderung von einem Markt zu einem anderen greifen, um sich gegen Schikanen und Schröpfung durch Verwaltungsbeamte zu wehren. Selbst (illegale) Gewerkschaften der Wanderarbeiter haben sich gebildet, die Streiks und Demonstrationen organisieren Wie in anderen Entwicklungsländern auch, führte die Zersplitterung der Bauern in den Städten zur spontanen Bildung von Vereinigungen auf der Grundlage lokaler, ethnischer oder berufsmäßiger Herkunft.

Autonome Organisationen dieser Art, die an traditionellen Strukturen anknüpfen, weisen darauf hin, daß es ein wachsendes Bedürfnis der Bauernschaft nach Organisation in selbständigen Vereinigungen gibt. Da es sich, wie bei den Händlern, um Berufsvereinigungen handelt, können diese durchaus als Vorläufer autonomer Vereinigungen begriffen werden. Autonom sind sie, weil der Staat sie nicht kontrollieren kann. Da sie illegal sind, vermögen sie keinen direkten Einfluß auf den Staat auszuüben. Dieser gerät aber zunehmend unter Druck, derartige Interessenvereinigungen zuzulassen, um Kontrolle über sie ausüben und ihre Tätigkeiten gegenüber kriminellen Handlungen abgrenzen zu können. Ansonsten drohen solche Untergrundaktivitäten in kriminelles Fahrwasser abzugleiten.

Was die formellen (registrierten) Vereinigungen anbelangt, so soll es im Oktober 1993 bereits 1460 auf nationaler, 19600 Zweigvereine und lokale Vereinigungen auf Provinz-und über 160000 auf Kreisebene gegeben haben sowie 1, 46 Millionen bäuerliche Fachvereinigungen, davon 120000 agrartechnische mit 4, 5 Millionen Mitgliedern Ein Vereinigungsgesetz von 1989 verlangt für die Anmeldung allerdings die Zwischenschaltung einer „Bürgschaftsinstitution“. Nur eine offizielle Stelle (Behörde, Parteiinstitution, Unternehmen) kann den Antrag auf Anerkennung eines Vereins stellen. Sie muß zugleich die Funktion eines Aufsichtsorgans ausüben, ihre Leitung kann für Fehlverhalten der Vereinigung zur Verantwortung gezogen werden (Bürgschaftsorganisation).

Aus dieser Konstellation darf nicht geschlossen werden, Verbände und Vereinigungen würden nur die Interessen von Partei und Staat vertreten. In einer Gesellschaft, in der die unabhängige Existenz von Parallelstrukturen nicht erlaubt ist, sind Interessenvertretung und Teilnahme an Verhandlungsprozessen zwischen Staat und Interessengruppen ohne solche Verwebungen nicht möglich. Die chinesische Gesellschaft bedarf einer solchen Verflechtung, weil zum einen nur so ein gewisses Maß an Partizipation gesellschaftlicher Gruppen ermöglicht wird (wobei wir mit Partizipation meinen, daß die Interessengruppen in politische Diskussionsprozesse eingebunden werden und damit zumindest indirekt an Entscheidungen beteiligt sind). Zum anderen können Vereine auch über die ihr vorgeordnete staatliche Bürgschaftsorganisation Einfluß auf die Politik nehmen

Unsere Untersuchungen haben gezeigt, daß in den Kreisen und Gemeinden rein quantitativ fachlich-berufliche Vereinigungen (inkl. Unternehmervereinigungen) vor Hobby-, Sport-und Kulturvereinigungen dominieren. Nun wäre es falsch, daraus auf einen völlig unpolitischen, staatstragenden Charakter zu schließen. Der Name einer Organisation sagt nur wenig über ihren Einfluß aus. Dazu einige Beispiele: Die „Gesellschaft zur Erforschung der Arbeit des Volkskongresses“ im Kreis Wuxi (Provinz Jiangsu) z. B. machte der Kreisregierung Vorschläge zur funktionellen Stärkung dieser Institution, um durch Einbindung der Delegierten in das lokale Entwicklungsprogramm eine stärkere Aufgabenteilung und größeren Konsens zu erreichen. Dies stärkte die Rolle des Volkskongresses gegenüber Partei und Regierung und ist daher als eine wichtige politische Aufgaben zu werten. Die „Vereinigung für nationale Minderheiten“ bemühte sich um Interessenvertretung der lokalen Angehörigen ethnischer Minoritäten und diente so über die staatlichen Nationalitätenkommissionen hinaus als Interessenvereinigung. Sie griff Konfliktfälle auf, verhandelte mit den Behörden, suchte Konflikt-lösungen und brachte gravierende Fälle in die Presse. Die „Studiengesellschaft für Disziplinkontrolle“ in Guanghan (Provinz Sichuan) untersuchte Möglichkeiten der Eindämmung von Korruption in den städtischen Parteiorganisationen und machte Vorschläge, die unter anderem die Einbeziehung der Öffentlichkeit und stärkere Unabhängigkeit der Medien vorsahen. Die „Studiengesellschaft für Umweltwissenschaft“ (Kreis Wuxi) entwickelte Umweltschutzprogramme und meldete den lokalen Behörden Quellen der Umweltverschmutzung. Aus Ostasien wie aus Osteuropa wissen wir, daß solche Vereinigungen den Grundstock für spätere autonome Umweltbewegungen bilden können.

Eine wichtige Rolle spielen die fachlich-beruflichen Vereinigungen. Sie unterbreiten der Lokal-bürokratie nicht nur ökonomische und fachpolitische Vorschläge, sondern bemühen sich auch um eine Verbesserung der sozialen Stellung der jeweiligen Berufsgruppen und um eine entsprechende Public-Relations-Politik. Die Konsumentenvereinigungen, die es inzwischen landesweit gibt, gehen Beschwerden privater Konsumenten nach und tragen Kritik in die Medien. Die große Zahl von Vereinen für Kunst-und Kulturschaffende sowie von künstlerisch-kulturellen Freizeitvereinen zeigt, daß die offiziellen Künstlervereine an Anziehungskraft verloren haben und alternative Vereinigungen nicht nur notwendig geworden sind, sondern auch von den Behörden toleriert werden, um das Ausweichen in informelle Zirkel und damit den völligen Kontrollverlust zu verhindern.

Vereinigungen wirken also als Interessen-, gesellschaftliche Kontroll-, Bildungs-und Freizeitorganisationen, die partikulare Interessen gegenüber dem Staat vertreten oder zumindest partielle gesellschaftliche Autonomie ihm gegenüber repräsentieren. Hinzu kommt, daß Vereine durchaus demokratischer funktionieren können als die Gesamtgesellschaft und somit als „Schule der Partizipation“ im kleinen zu wirken vermögen.

Organisationen im oben beschriebenen Sinne werden erlaubt, solange diese nicht offen politische Interessen vertreten. In autoritären Systemen nimmt der Begriff des Politischen zwangsläufig eine andere Gestalt an. Nicht politische Betätigung im Sinne der Verfolgung eines politischen Programms oder offener politischer Ziele ist hier Aktionsfeld der Interessengruppen, sondern die Einbringung von Interessen und Zielsetzungen in den Verhandlungsprozeß mit dem Staat. Nicht die Pressuregroupwird angestrebt, sondern ein Verband, der über Beziehungen und Netzwerke, formell und informell, durch Verhandlung und Konsens Einfluß nimmt und auf diese Weise -traditionaler politischer Kultur entsprechend -für die Umsetzung von Interessen in Politik sorgt. In diesem Sinne ist die Übermittlung von Anliegen (auch ökonomischer und sozialer Natur) durch Interessengruppen per se politisch. Die Durchsetzung von Gruppeninteressen hat zugleich Auswirkungen auf das gesamte Gemeinwesen, da sich weitere Interessengruppen zur Verwirklichung ihrer Ziele veranlaßt sehen und um Partizipation an gesellschaftlichen Entscheidungen bemühen. In autoritären Gesellschaften wie China gibt es (noch) keine andere Möglichkeit zur Äußerung und Durchsetzung von Gruppeninteressen als über die oben beschriebenen Kanäle. Die Entwicklung in der ehemaligen Sowjetunion und in anderen ehemals sozialistischen Ländern hat gezeigt, daß in Phasen politischen Umbruchs sich über Interessenvereinigungen rasch alternative Strukturen herausbilden können. Diese können sich zu Parteien oder Proto-Parteien entwickeln oder als Ad-hoc-Gruppen lokale Einflußsphären besetzen, die von der Kommunistischen Partei nicht mehr ausfüllbar sind. Selbst Parteiorganisationen wenden sich dann gegen die Partei, um sich als Alternative gegenüber diesen Interessenvereinigungen anzubieten und das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen

IV. Zusammenfassung: Sozialer Wandel und politischer Veränderungsprozeß

Fassen wir die Entwicklung im Sinne des politischen Systemwandels zusammen, so hat mit dem Reformprozeß zugleich ein Prozeß gesellschaftlicher Pluralisierung und Atomisierung eingesetzt. Die Privatisierung, mit der Bildung von Kleinbetrieben, erleichtert den Wandlungsprozeß und damit die „stille Revolution von unten“ Dieser Prozeß führt nicht automatisch zum Zusammenbruch des politischen Systems, höhlt es aber in seiner bestehenden Form aus.

Die entscheidende Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die, ob aus der neuen Wirtschaftselite eine Mittelklasse entsteht, die -wie in Taiwan oder Südkorea -Trägerin ökonomischer und politischer Veränderungen und damit zugleich eines Demokratisierungsprozesses werden könnte. Über Marktentfaltung, Privatwirtschaft, stärkere Autonomie der Gesellschaft gegenüber dem Staat, Elitenwandel, die Entstehung unabhängiger Interessenvereinigungen und die Herausbildung einer „Mittelklasse“ werde, so die Hoffnung, längerfristig ein Demokratisierungsprozeß eingeleitet. Wan Runnan, Vorsitzender der Exilorganisation „Föderation für ein Demokratisches China“ und vor seiner Flucht nach der gewaltsamen Niederschlagung der städtischen Protestbewegung am 4. Juni 1989 Chef einer großen privaten Computerfirma, spricht bereits heute von der „neuen Mittelklasse“, durch die in China eine parteiunabhängige Gegen-kultur entstanden sei, die letztlich zur Entstehung einer „civil society“ führen werde Der Terminus „Mittelklasse“ bezieht sich dabei auf die „neue Mittelschicht“ d. h. auf Gruppen wie Privatunternehmer, höhere und mittlere Angestellte und Beamte, große Teile der Intelligenz sowie freie Berufe, die es heute in zunehmendem Maße wieder gibt (Anwälte, Ärzte, Künstler, Schriftsteller u. a.). Auf China bezogen, werden die Hoffnungen auf die am schnellsten wachsende, wohlhabendste und an Einfluß gewinnende Schicht der Unternehmer und Manager gesetzt.

Nun gibt es eine Reihe von Gründen, die für, aber auch eine Reihe, die gegen eine solche Annahme sprechen. Tatsächlich ist eine Schicht entstanden, deren Träger (größere Privatunternehmer und Manager größerer Betriebe) gemeinsame ökonomische Interessen und Ziele verfolgen und spezifische Vorstellungen einer Gesellschaftsentwicklung sowie partizipatorisches Interesse entwickeln. Die Gegenargumente lauten, es handele sich bei diesem Teil der Mittelschicht um eine weitgehend heterogene Gruppe ohne gemeinsame Interessen die chinesischen Privatunternehmer setzten sich mehrheitlich aus Personen mit niedrigem Bildungsstand und geringem gesellschaftlichen Prestige zusammen; sie seien nur an „ökonomischer Demokratie“ (der Freiheit, Unternehmen gründen und betreiben zu können) interessiert, nicht aber an politischer als Schicht seien sie gegenüber der Dominanz der Partei zu schwach, um politische Veränderungsprozesse in Gang setzen zu können

Zwar umfaßt die Mittelschicht heterogene Gruppen, wie Personen mit und ohne Eigentum, freie Berufe und Lohnabhängige, Parteifunktionäre wie Parteilose, Intellektuelle wie Personen mit geringem Bildungsstand. Das Gemeinsame besteht aber darin, daß es sich überwiegend um Personen mit einem höheren Grad an Bildung, Ausbildung oder beruflicher Erfahrung handelt, denen an einer freien Entfaltung in ihrem Tätigkeitsfeld gelegen ist, die an sozialem Aufstieg interessiert sind und aufgrund ihrer Aktivitäten ein Selbstbewußtsein entwickelt haben, das nach einem größeren Maß an Partizipation strebt. Dies besagt nicht, daß diese Gruppe in jedem Fall einheitlich agiert. Sie sieht sich aber auf der Basis einer Interessenkoalition zu gemeinsamem Handeln veranlaßt.

Daß Privatunternehmer generell einen niedrigen Bildungsstand hätten, läßt sich durch unsere Untersuchung nicht bestätigen. Dies mag für die kleinen Händler und Handwerker zutreffen, nicht aber auf die größeren Unternehmer. Ähnliches gilt für die Manager nichtprivater Betriebe. Die Auffassung, Privatunternehmer seien nur an ökonomischer Demokratisierung interessiert, geht von einem statischen Bild aus. Von ihrer Erwerbstätigkeit her muß das ökonomische Interesse zunächst zentral sein. Chancengleichheit (etwa in Bezug auf den staatlich-kollektiven Sektor), Rechtssicherheit und Sicherung der Erwerbschancen sind für stabile Geschäftstätigkeit unabdingbar. Offenes politisches Agieren hingegen, etwa in Form von Kandidaturen bei Wahlen, politisch oppositionellem Verhalten o. ä., könnte sich nicht nur negativ auf die Geschäftstätigkeit auswirken, sondern auch persönliche Folgen für die jeweiligen Akteure nach sich ziehen. Andererseits sind die Organisation in Interessenvereinigungen sowie die Mitarbeit in Volkskongressen und anderen Institutionen Ausdruck politischer Aktivitäten. Kritiker der politischen Abstinenz verwechseln politische Tätigkeit oft fälschlicherweise mit der in demokratischen Gesellschaften. Und was das Sozialprestige der größeren Privatunternehmer anbelangt, so ist es auf dem Lande bereits recht hoch und im urbanen Raum im Steigen begriffen.

Die Gegenargumente gehen letztlich von einem statischen Klassenbegriff aus, weshalb wir es vorziehen, den Begriff Mittelschicht (statt Mittel-klasse) zu verwenden. Die chinesische Unternehmerschaft befindet sich noch im Prozeß der Herausbildung. Die Bedingungen herkömmlicher Mittelschichten, wie deren feste Einbettung in das gesellschaftliche Macht-, Prestige-und Einkommensgefüge, befinden sich noch in der Entwicklung. Gleichwohl entwickeln die Unternehmer, wie wir gezeigt haben, Interessen und Aktivitäten, die über das rein Ökonomische hinausgehen. Dies heißt nicht, daß sie allein das politische System verändern werden. Dazu bedarf es einer breiteren Interessenkoalition. Sie tragen aber zur grundlegenden Umgestaltung von unten her bei. Zwar scheint wirtschaftliche Demokratisierung zunächst mit einer Ein-Partei-Herrschaft vereinbar zu sein, gleichwohl darf der Synergieffekt auf den politischen Wandel nicht unterschätzt werden. Und letztlich tragen die Unternehmer zur Sprengung des herkömmlichen Systems und seiner Grenzen bei, müssen sich Partei und Bürokratie immer mehr in ihrer Blockierung dieser Schicht zurücknehmen. Es ist jedoch zu berücksichtigen, daß Privateigentum allein nicht ausreicht, um die Mittel-schicht zu einer starken Kraft werden zu lassen. Es bedarf zugleich der Schaffung eines Rechtssystems, das den Unternehmern Schutz bietet und ihrem Aufstieg förderlich ist. Die Bemühungen um rechtliche Absicherung ihrer Erwerbsbedingungen durch Interessenvereinigungen tragen dazu bei. Und ökonomische Rechtssicherheit ist letztlich ein Schritt hin zu politischer Rechtssicherheit.

Auch wenn die erwähnte Hoffnung Wan Runnans verfrüht ist und die chinesischen Unternehmer mit dem frühen europäischen Bürgertum wenig gemeinsam haben, so läßt sich nicht leugnen, daß die durch die Wirtschaftsreform hervorgerufene Motivation, Mobilität und der Drang nach radikalem gesellschaftlichen Wandel weitgehend auf die stärkere Privatisierung von Wirtschaftstätigkeiten zurückzuführen sind. Dieses Klima hat sich auch auf die Privatisierung anderer Bereiche befruchtend ausgewirkt.

Aus dem oben Dargelegten geht hervor, daß sich am deutlichsten erkennbare Veränderungen im politischen Bereich in den ländlichen Gebieten zeigen: durch abnehmende Handlungsmöglichkeiten von Partei und Staat, deren Rückzug aus dem Dorf, Wandel der Funktion örtlicher Bürokratien und einsetzenden Elitenwechsel sowie durch eine größere Autonomie der ländlichen Gesellschaft. Die Überlagerung der Politik durch die Ökonomie, die Erosion der Ideologie und die Zersetzung der Organisationsstruktur der Partei aufgrund wirtschaftlicher Sachzwänge und sich ausbreitender Korruption nagen am Führungsanspruch der Kommunistischen Partei Von daher verstärken sich die Anzeichen für die Notwendigkeit eines Ideologie-bzw. Legitimationswechsels und so die Möglichkeit zur Auflösung monolithischer Partei-konzeptionen (in Richtung Meinungspluralismus in der KP als Voraussetzung neuer Organisationsstrukturen) sowie der Wunsch neu aufkommender Schichten nach Partizipation in politischen Prozessen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ursache dafür ist die seit den fünfziger Jahren abnehmende Pro-Kopf-Anbaufläche. Die Kollektivwirtschaft hat den (ineffizienten) Einsatz einer Überzahl ländlicher Arbeitskräfte im Ackerbau einige Zeit kaschiert, die Dekollektivierung hat dieses Problem dann wieder in den Vordergrund gerückt.

  2. Dies sind Betriebe mit weniger als acht Arbeitskräften.

  3. Dies sind Betriebe mit mehr als sieben Arbeitskräften. Dazu insgesamt: Thomas Heberer, Die Rolle des Individualsektors für Arbeitsmarkt und Stadtwirtschaft in der Volksrepublik China, Bremer Beiträge zur Geographie und Raumplanung, Bremen 1989; Willy Kraus, Private Unternehmerschaft in der Volksrepublik China, Hamburg 1989.

  4. Vgl. dazu Gongren Ribao (Arbeiterzeitung) vom 17. 3. 95 und Zhongguo Gongshang Bao (Zeitung für Industrie und Handel) vom 26. 5. 95.

  5. Vgl. Huang Rutong, Siying jingji lilun zuotanhui zongshu (Überblick über eine Tagung über die Theorie der Privat-wirtschaft), in: Jingjixue Dongtai (Wirtschaftswissenschaftliche Trends), (1994) 5, S. 26f.

  6. Vgl. Lu Yusha, Xin zibenjia de zhengzhi yaoqiu (Politische Forderungen der neuen Kapitalisten), in: Dangdai (Gegenwart), Hongkong, (1994) 6, S. 4-5.

  7. Vgl. Renmin Ribao (Volkszeitung) vom 11. 5. 93.

  8. Vgl. Lu Xueyi, Chongxin renshi Zhongguo nongmin wenti (Die chinesische Bauemfrage neuerlich verstehen), in: Xu Jingze (Hrsg.), Shehuixue Zhongguohua (Sinisierung der chinesischen Soziologie), Jinan 1991, S. 192ff.

  9. Vgl. Renmin Ribao vom 22. 11. 94.

  10. Daß der Individualisierungsprozeß bei den Privatwirtschaftenden am deutlichsten zutage tritt, zeigt sich in einer entsprechender Umfrage. Vgl. Li Yingfeng, Qingnian geti gongshanghu xinli quxiang de liang zhong xing (Zwei Arten psychologischer Trends bei jungen Individualwirtschaftenden), in: Zhongguo Gongshang Bao vom 27. 5. 91.

  11. Beispiele dafür in: Thomas Heberer (Hrsg.), Yaogun Yinyue: Jugend-, Subkultur und Rockmusik in China. Politische und gesellschaftliche Hintergründe eines neuen Phänomens, Münster-Hamburg 1994.

  12. Zu den zehn Momenten traditionaler Denk-und Verhaltensmuster vgl. Everett M. Rogers, Modemization among Peasants, New York u. a. 1969, S. 19ff.

  13. Vgl. Hu Hai, Dangqian Guangdong nongcun zhi’an wenti chengyin ji duice (Ursachen und Maßnahmen bezüglich der gegenwärtigen Probleme im Bereich der öffentlichen Sicherheit in den ländlichen Gebieten der Provinz Guangdong), in: Zhengfa Xuekan (Zeitschrift für Politik und Recht), (1994) 2, S. 2.

  14. Vgl. Shi Xianmin, Beijing shi getihu de fazhan licheng ji leibie fenhua (Entwicklungsprozeß und Differenzierung der Individualhaushalte in der Stadt Peking), in: Zhongguo Shehui Kexue (Sozialwissenschaften Chinas), (1992) 5, S. 37.

  15. Vgl. Hu Hai (Anm. 13), S. 1.

  16. Vgl. Jude Howell, Interest Groups in Post-Mao China. Civil Society or Corporatism?, Paper prepared for Presentation at the XVIth World Congress of the International Political Science Association, August 21-25, 1994 in Berlin, S. 9; Jiang Liu/Lu Xueyi/Dan Tianlun (Hrsg.), Shehui lanpishu. 1994-1995 nian Zhongguo shehui xingshi fenxi yu yuce (Gesellschaftliches Blaubuch. Analyse und Prognose der gesellschaftlichen Lage Chinas 1994/95), Peking 1995, S. 316; China Daily vom 7. 5. 93.

  17. Abgedruckt in: Renmin Ribao vom 9. 11. 89. Kommentar: Yan Shi/Jiang Jie/Li Youfa/Wang Kangping, Ruhe yu minzheng jiguan da jiaodao (Wie mit den Organen für Zivil-angelegenheiten in Kontakt kommen), Peking 1991, S. 243ff.

  18. Die Organisationssoziologie hat bereits früh auf die Rückwirkungen von Verflechtungen zwischen staatlichen Institutionen und Vereinigungen, sogenannten „Tangentenbeziehungen“, hingewiesen und gezeigt, daß die Interaktion zwischen ihnen das Gesamtgefüge beeinflußt und verändert.

  19. Vgl. dazu: Vera Tolz, Informal Groups and Soviel Politics in 1989, in: Radio Liberty Report on the USSR, 1 (1989) 47, S. 4-7, und Anne White, Social Movements. Unofficial Associations and Social Welfare in Novosibirsk, in: Detente, (1989) 16, S. 26-30.

  20. So Ivan Szelenyi, Socialist Entrepreneurs. Embourgeoisement in Rural Hungary, Oxford 1988, S. 5. Anmerkung der Redaktion: Siehe auch den Beitrag von Xuewu Gu, Von Mao zu Deng. Chinas Wandel vom Totalitarismus zum Autoritarismus, in diesem Heft.

  21. Vgl. Wan Runnan, Hoffnung auf den Mittelstand. Interview mit Wan Runnan, in: Das neue China, (1991) 5, S. 32f. Wan unterschätzt die Probleme bei der Herausbildung einer „civil society“ in postsozialistischen Gesellschaften, zumal die politische Kultur sich als weiteres Hindernis auf dem Weg zu einer „civil society“ erweisen dürfte. Letzteres heißt nicht nur Autonomie und Unabhängigkeit vom Staat, sondern auch Schutz individueller Rechte sowie unabhängiger Bereiche des sozialen Agierens. Anmerkung der Redaktion: Vgl. hierzu auch den Beitrag von Ding Ding. Politische Opposition innerhalb und außerhalb Chinas, in diesem Heft.

  22. Im Unterschied zur alten Mittelschicht: Bauern, Gewerbetreibende, Handwerker, freie Berufe.

  23. Vgl. Hsin-Huang M. Hsiao, Discovering East Asian Middle Classes: Formation, Differentiation, and Politics, in: ders. (Hrsg.), Discovery of the Middle Classes in East Asia, Taipei 1993, S. 9; Lau-Fong Mak, The Rise of the Singapore Middle Class: An Analytic Framework, in: H. -H. M. Hasiao, ebd., S. 312ff.; David Wank, From State Socialism to Community Capitalism: State Power, Social Structure, and Private Enterprise in a Chinese City, Ann Arbor 1993, S. 295ff.

  24. Vgl. z. B. Ole Bruun, Business and Bureaucracy in a Chinese City. An Ethnography of Private Business Households in Contemporary China, Berkeley 1993, S. 3f.

  25. Vgl. An Chen, Democratic Experimentation under Party Dictatorship: A Study of China’s Political Reforms 1979-89, Ann Arbor 1993, S. 363f.; Zheng Yongnian, Development and Democracy: Are they Compatible in China?, in: Political Science Quarterly, (1994) 2, S. 258.

  26. Zur Korruption vgl. Thomas Heberer, Korruption in China. Analyse eines politischen, ökonomischen und sozialen Problems, Opladen 1991.

Weitere Inhalte

Thomas Heberer, Dr. rer. pol., geb. 1947; Studium der Politologie, Ethnologie, Sinologie, Soziologie und Philosophie an den Universitäten Frankfurt am Main, Göttingen, Mainz und Heidelberg; Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Ostasien und stellvertretender Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Ostasien-Pazifik-Studien an der Universität Trier. Veröffentlichungen u. a.: Korruption in China. Analyse eines politischen, ökonomischen und sozialen Problems, Opladen 1991; Droht dem chinesischen Reich der Zerfall? Bedrohung durch wachsende Nationalitätenunruhen, Berichte des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien (BIOST), Köln 1991; Transformation des chinesischen Systems oder sozialer Wandel? Eine Untersuchung zum Verhältnis von ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Wandlungsprozessen, Berichte des BIOST, Köln 1993; (Hrsg.) Yaogun Yinyue: Jugend-, Subkultur und Rockmusik in China. Politische und gesellschaftliche Hintergründe eines neuen Phänomens, Münster 1994; (Hrsg.) Mao Zedong -Der unsterbliche Revolutionär? Versuch einer kritischen Neubewertung anläßlich des 100. Geburtstages, Hamburg 1995.