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Politische Konstellationen im Südkaukasus | APuZ 42/1999 | bpb.de

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APuZ 42/1999 Strukturschwächen der russischen Innenpolitik Die Wirtschafts-und Finanzlage Rußlands vor den Dumawahlen 1999 Politische Konstellationen im Südkaukasus Die Kaukasus-Politik der Europäischen Union

Politische Konstellationen im Südkaukasus

Rainer Freitag-Wirminghaus

/ 31 Minuten zu lesen

Zusammenfassung

Kosovokrieg und neue NATO-Strategie haben auch im Südkaukasus Erwartungen ausgelöst und neue Entwicklungen beschleunigt. Obwohl die Situation in den Konfliktgebieten Abchasien und Berg Karabach keine NATO-Intervention rechtfertigen würde, war sowohl in Georgien als auch in Aserbaidschan die Erwartung groß, daß sich der Westen nach Ende des Kosovokrieges verstärkt dem Kaukasus zuwenden würde. Beide streben langfristig einen NATO-Beitritt an. Durch die sicherheitspolitische Ausrichtung der GUUAM-Allianz (Georgien-Ukraine-Usbekistan-Aserbaidschan-Moldawien) und ihre Anlehnung an die NATO ist die GUS in zwei Gruppen gespalten. Die Verhältnisse Aserbaidschans und Armeniens zu ihren jeweiligen strategischen Partnern USA und Rußland sind ambivalent. Auch Armenien möchte trotz des Ausbaus seiner militärischen Allianz mit Moskau in europäische Strukturen eingebunden werden. Möglicherweise hat der amerikanische Druck auf die Konfliktparteien am Rande des NATO-Gipfels im festgefahrenen KarabadTFriedensprozeß eine Wende eingeleitet:

I. Einleitung

Seit einigen Jahren hat das kaspische Öl und das Engagement der westlichen Ölkonzerne bei der Exploration der off-shore-Ölvorkommen die Aufmerksamkeit einer breiten Weltöffentlichkeit auf die Region des Südkaukasus gelenkt. Betroffen sind davon nicht nur Aserbaidschan -das Land, in dessen Bereich die Vorräte sich befinden sondern auch mehr oder weniger die beiden anderen Staaten des Südkaukasus, Georgien und Armenien. Begleitet wird diese Entwicklung von einer heftigen Renaissance geopolitischen Denkens, dessen Auswirkungen vom Balkan bis nach China reichen und das den Begriff des „great game“ geprägt hat Die veränderte Situation im Südkaukasus läßt sich durch folgende Merkmale kennzeichnen: -Der Südkaukasus und die Region um das Kaspische Meer sind durch ihre Energieressourcen zu einem geostrategisch wichtigen Gebiet geworden, in dem sich ein Kampf um Einflußsphären zwischen Rußland, der Türkei, Iran und dem Westen abspielt. -Dabei hat Rußland deutlich an Einfluß verloren, und die USA haben eine führende Rolle übernommen. -Auf der einen Seite haben sich strategische Allianzen mit westlicher Orientierung außerhalb der GUS gebildet, auf der anderen Seite steht die strategische Partnerschaft zwischen Rußland und Iran mit Armenien. -Diese Allianzen sind jedoch keine festen Blöcke. Während die Zusammenarbeit zwischen Aserbaidschan und Georgien sich aus­ weitet, hat Armenien eine Sonderrolle eingenommen. Alle drei südkaukasischen Länder verstehen sich jedoch als Teil Europas und wollen in europäische Strukturen eingebunden werden. -Die ethnischen Konflikte in Aserbaidschan (um Berg Karabach) und Georgien (Abchasien) sind eingefroren, aber nicht gelöst.

-Der Faktor Öl bestimmt die weitere wirtschaftliche und sozioökonomische Entwicklung in Aserbaidschan, in geringerem Maße auch im Transitland Georgien und beeinflußt dadurch entscheidend die Gesamtentwicklung des Süd-kaukasus einschließlich Armeniens.

-Durch ihre westliche Ausrichtung entsteht Druck auf die Staaten hinsichtlich wirtschaftlicher Transformation und Demokratisierung.

-In Aserbaidschan und Georgien wird der Prozeß der politischen Transformation beeinflußt durch die in den kommenden Jahren akut werdende Nachfolgefrage (Aliyev und Schewardnadze) und die daraufhin zu erwartenden politischen Wirren.

Der Kosovokrieg hat sowohl den Westen für die Situation im Kaukasus sensibilisiert als auch im Südkaukasus Entwicklungen beschleunigt und Erwartungen ausgelöst. Der Kaukasus scheint die nächstfolgende Problemregion zu sein. In Georgien und Aserbaidschan erwartet man die Lösung der gewaltsamen Konflikte durch die NATO, beide Staaten haben erklärt, den langfristigen NATO-Beitritt anzustreben. Alle drei südkaukasischen Staaten haben für ihre eigenen Vertriebenen und Minoritäten den Vergleich mit den Kosovo-Albanern in Anspruch genommen und sehen sich in der Rolle der Opfer. Während Aserbaidschan die ethnische Säuberung im Kosovo durch Belgrad mit der Vertreibung der Aseris aus Berg Karabach gleichsetzt dies würde dann eine NATO-Intervention auch in Berg Karabach rechtfertigen, sieht Armenien den Kampf der Kosovo-Albaner parallel zu dem der Karabach-Armenier für nationale Unabhängigkeit. Präsident Schewardnadze ver­ glich Belgrads Aggression mit der ebenfalls zu bestrafenden Vertreibung von 250 000 Georgiern aus Abchasien, das ebenso wie Berg Karabach inzwischen de facto trotz der fehlenden internationalen Anerkennung alle Anzeichen eines unabhängigen Staates besitzt. Auch die Abchasier können sich mit den Kosovaren in ihren Unabhängigkeitsbestrebungen identifizieren.

Die Tatsache, daß die NATO-Führung die Spekulationen über eine Einmischung im Südkaukasus ablehnt, bedeutet nicht, daß sie sich nicht verstärkt um die Region kümmern will. Das neue strategische Konzept für das 21. Jahrhundert sieht schließlich die Ausweitung von NATO-Missionen und aktivem Krisenmanagement in der euro-atlantischen Region vor, überall dort, wo ethnische und religiöse Rivalitäten, territoriale Konflikte, ver-, schleppte Reformen, Verletzung von Menschenrechten und die Auflösung von staatlichen Strukturen regionale Instabilität hervorrufen, alles Merkmale, die man auf die Zustände im Kaukasus zutreffen.

Nach dem neuen NATO-Konzept möchte man von Fall zu Fall entscheiden und mögliche Interventionen nicht auf militärische Aktionen beschränken, doch auf jeden Fall gerüstet sein für Spannungen an der Peripherie der NATO, die zu Krisen führen könnten und eine Reaktion erforderlich machen. Einerseits betont die neue NATO-Strategie die Verantwortlichkeit für die Peripherie Europas, andererseits scheut man nach der Kosovo-Erfahrung das Risiko einer neuen Eskalation und Verstrickung. Erschwert wird die Situation durch die Unberechenbarkeit der russischen Politik und die Notwendigkeit der Einbeziehung Rußlands, das die Region als sein Einflußgebiet betrachtet.

II. Das Öl als politischer Faktor

Allerdings wurde das Interesse des Westens am Südkaukasus nicht durch die Tatsache ausgelöst, daß dieses Gebiet an der Peripherie Europas liegt, sondern vor allem durch die Ölvorkommen. In der Region um das Kaspische Meer einschließlich Georgiens als Transitland hat dies zu mancherlei überzogenen Erwartungen der schnellen Überwindung des wirtschaftlichen Niedergangs geführt. Die geostrategischen Interessen der USA haben zu einem erheblichen Teil zu dieser Euphorie des neuen Ölbooms beigetragen, zusammen mit übertriebenen Schätzungen der vorhandenen Reserven Es wird noch Jahre dauern, bis der wirkliche Umfang der Vorkommen feststeht.

Im vergangenen Jahr erlitten die Hoffnungen Aserbaidschans einen schweren Rückschlag. Die Erkenntnis, daß die optimistischen Schätzungen wohl zu hoch waren, der Fall der Ölpreise und erfolglose Probebohrungen ließen zwei Konsortien ihre Projekte wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit einstellen und das Hauptkonsortium AIOC (Azerbaijan International Operating Company), das Konsortium des „Jahrhundertvertrages“ von 1994, seine Ausgaben kürzen. Bisher ist das AIOC das einzige Konsortium, das Öl produziert und exportiert. Schon ist ein Teil der ausländischen Mitarbeiter wieder aus Baku abgereist, und man redet bereits vom Ende des Ölbooms. Hinzu kommt die ungelöste Pipelinefrage. Die seit 1998 in Betrieb befindliche Pipeline ins russische Noworossijsk ist aufgrund ihrer Streckenführung durch Tschetschenien die meiste Zeit außer Betrieb. Seit mehreren Jahren ist die Pipelinefrage zum wichtigsten Objekt der Streitigkeiten der beteiligten Kräfte geworden, ohne daß bisher wirkliche Durchbrüche erzielt werden konnten. Da die benötigten Pipelines lang und damit teuer sind, entsteht neben dem Problem der Finanzierung noch das Problem der Konkurrenzfähigkeit des kostenintensiven kaspischen Öls, erst recht bei niedrigem Ölpreis. Da Investitionen in Pipelines sich erst auf lange Dauer amortisieren, setzt der Erfolg eine stabile politische Lage voraus. Doch die Gefährdung der Pipeline Baku-Noworossijsk durch die tschetschenischen Rebellen weist auf den größten Unsicherheitsfaktor sämtlicher Pipelinevorschläge hin: der Kampf um die Routen steht in Wechselwirkung mit den Konflikten der Region Sicher wäre der Aufbau eines multiplen Pipelinesystems für die Region von Bedeutung, doch dies ist zum jetzigen Zeitpunkt weder finanzierbar, noch würde es voll ausgelastet sein. Auch eine Hauptpipeline -der hauptsächliche Streitpunkt der letzten Jahre -entweder in die Türkei nach Ceyhan oder durch Ausbau der neuen Route Baku-Supsa nach Georgien scheint in weite Ferne gerückt zu sein, da deren Kapazität, wenn überhaupt, erst in einigen Jahren benötigt wird.

Es wäre jedoch verfrüht, schon vom Ende des kaspischen Traumes zu reden. Weitere Bohrungen werden nach vorsichtigen Schätzungen mindestens das doppelte wie die Nordsee produzieren. Wenn etwa fünf Prozent der globalen Versorgung aus dem Kaspischen Meer käme, würde das der Region reichliche Einkünfte bringen. Auf jeden Fall hat der Ölboom die politische Landschaft im Südkaukasus entscheidend verändert. Schon durch die Anzahl der Vertragsabschlüsse ist Baku als Metropole des Kaspischen Meeres zum Zentrum der Öldiplomatie geworden Die Verträge mit den westlichen Ölfirmen haben Aserbaidschans außen-politischer Orientierung eine deutliche Richtung gegeben. Aserbaidschan gehört zu den Ländern, die nach westlicher Auffassung dem russischen Hegemonialanspruch und dem iranischen Einfluß in der Region entgegentreten sollten. Außerdem wirken die geknüpften Verbindungen zu Israel als eine Erweiterung der Achse Washington-Ankara-Tel-Aviv. Auch Israel hofft über Ceyhan zukünftig kaspisches Öl zu beziehen. Baku wird seitdem von Washington wie auch von London als strategischer Partner bezeichnet. Im Zuge der sich entwickelnden amerikanisch-russischen Rivalität im Kaukasus ist nach amerikanischer Vorstellung Aserbaidschan neben der Türkei eine entscheidende Rolle zur Konsolidierung der Region zugedacht. Nach der einseitigen protürkischen Ausrichtung des Präsidenten Elibey hat man von seinem Nachfolger Alijev nach seiner Machtübernahme 1993 eine pro-russische Politik erwartet. Doch sowohl die Enttäuschung über die anhaltenden armenischen Eroberungen auch nach Bakus GUS-Beitritt als auch russische Forderungen nach Militärstützpunkten führten zu einer deutlichen Hinwendung zum Westen als Garant der Unabhängigkeit.

Paradoxerweise haben die erfolglosen Probebohrungen nach Öl kürzlich eine neue Dynamik ins nachlassende Interesse am „great game“ gebracht.

Die dabei entdeckten großen Gasvorräte können Aserbaidschan zum viertgrößten Gasexporteur nach Rußland, Iran und Turkmenistan in der Region machen. Noch streiten sich die Experten darüber, ob dies eine positive Entwicklung anzeigt. Eine unter amerikanischer Ägide beschlossene transkaspische Gasleitung von Turkmenistan soll über Baku in die Türkei laufen, und zwar parallel zur geplanten Ölpipeline Baku-Ceyhan. Wenn nun Aserbaidschan in den Kreis der Konkurrenten für den größten Erdgasmarkt in der Region, die Türkei, eintritt, könnte dies für Turkmenistan bedeuten, ins Abseits gestellt zu werden, da es geographisch am ungünstigsten liegt. Auch das ehrgeizige russische Projekt des Baus einer Unterwasserpipeline durch das Schwarze Meer nach Samsun könnte der neuen Situation zum Opfer fallen. Ob für den türkischen und darüber hinaus für den europäischen Markt Platz für drei (mit Iran vier) Exporteure und mehrere Pipeline-projekte ist, erscheint zweifelhaft.

Die US-Strategie, die bisher mit der transkaspischen Pipeline neben Aserbaidschan auch Turkmenistan an den Westen zu binden beabsichtigt hat, setzt auf Spezialisierung, indem sie Aserbaidschan als Ölproduzenten und Turkmenistan hauptsächlich als Gasversorger festzulegen versucht. Durch die Entdeckung der Gasvorkommen wird diese Strategie herausgefordert. Baku möchte sich als zukünftiger Gasexporteur nicht mit einer Rolle als Transitland für turkmenisches Erdgas zufrieden geben Für Turkmenistan spricht, daß die Entwicklung im Gassektor weiter fortgeschritten ist.

Die Geschichte der Ölausbeutung hat gezeigt, daß Öl weder Stabilität noch Demokratie zwangsläufig mit sich bringt. Aserbaidschan könnte zum Rohstofflieferanten der transnationalen Multis degradiert werden mit einer Vernachlässigung anderer Sektoren. 1996 hat der Ölsektor 70 Prozent der gesamten Investitionen absorbiert *Eine Diversifizierung der Wirtschaft ist absolut notwendig, da eine einseitige Ausrichtung auf das Öl eine Abhängigkeit von den starken Schwankungen des Ölpreises nach sich ziehen würde. Eine gerechte Verteilung erfordert eine aktive Zivilgesellschaft in einer stabilen Demokratie. Beispiele wie Nigeria zeigen, daß enorme Ölprofite und der Niedergang der allgemeinen Lebensbedingungen sich nicht ausschließen.

III. Die wirtschaftliche Lage

Zum Ungleichgewicht der Wirtschaft in Aserbaidschan treten andere Faktoren hinzu, die einen Teil der ausländischen Investoren wieder abziehen läßt. Dazu gehören hohe Steuern, wenige Vergünstigungen und die alles durchdringende Korruption. Erschwerend für die wirtschaftliche Konsolidierung sind die Kriegsfolgen; Aserbaidschans Gebietsverluste im Karabachkrieg betragen 20 Prozent, davon mehr als die Hälfte fruchtbares Ackerland. Erst Mitte der neunziger Jahre setzte ein zaghafter wirtschaftlicher Aufschwung ein, doch der Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ist lediglich auf die bescheidenen Erfolge der Erdölwirtschaft zurückzuführen, die der Masse der Bevölkerung nicht zugute kommen. 1998 betrug das durchschnittliche Realeinkommen nur 25 Prozent des Niveaus von 1990 Der Privatisierungsprozeß in Aserbaidschan ist -abgesehen von Tadschikistan -am wenigsten fortgeschritten in der GUS, der Anstieg der Kriminalität jedoch am höchsten. Die Verarmung der Bevölkerung läßt die Nachfrage nach Konsumgütern sinken, was ausländische Investoren abschreckt. Die mangelnde Diversifizierung birgt in sich die Gefahr der Überschwemmung mit billigen Konsumgütern aus Westeuropa. Die erheblich höhere Steigerung des Handelsvolumen im Vergleich mit Georgien und Armenien ist auf den Ölexport zurückzuführen. Ebenso kommt die Liberalisierung des Handels nach Vorgaben internationaler Organisationen nur der Erdölwirtschaft, den internationalen Konzernen und einer schmalen Elite von Geschäftsleuten zugute. Der Fall der Ölpreise 1998 hat zu starken Verlusten bei der Deviseneinnahme geführt mit negativen Auswirkungen auf das gesamte Wirtschaftsleben.

Die Gründe des ökonomischen Niedergangs sind für die drei südkaukasischen Staaten die gleichen gewesen: schlechte geopolitische Lage, unterentwickelte Infrastruktur, kaum konkurrenzfähige Industrie, ethnische Konflikte, innenpolitische Krisen sowie Wirtschaftsblockaden. Da der Einbruch in Südkaukasien am stärksten war, zählen die drei Staaten, die in der UdSSR zu den wohlhabendsten gehörten, zu den ärmsten Ländern in der GUS -mit dem überwiegenden Teil der Bevölkerung am Rande des Existenzminimums. Von 1991 bis 1994 ging die Wirtschaftsleistung um mehr als die Hälfte zurück, die Zuwachsraten seit 1995 von über fünf Prozent sind nur eine bescheidene Erholung. Gehörte Korruption schon zu Sowjetzeiten zum Alltag, so ist diese mit ihren Folgen der Schattenwirtschaft, Drogenhandel usw. infolge des sinkenden Lebensstandards und der strukturellen Schwäche der Staates noch gestiegen.

In Armenien führen zwar das Vorhandensein von europäisch ausgebildeten Administratoren und Geschäftsleuten sowie die beispielhafte und im Vergleich zu den Nachbarn erfolgreichere Privatisierung, besonders in der Landwirtschaft (1997 70 Prozent des BIP aus dem nichtstaatlichen Sektor), zur Einschätzung, daß Armenien in seinen Transformationsbemühungen am besten abschneidet, doch auch hier leben 50 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Der ökonomische Tiefpunkt bis 1993 wurde überwunden; bis zur russischen Finanzkrise im August 1998 konnten die Exporte um 28 Prozent gesteigert werden Man bemüht sich auch um die Reorientierung der Exporte in Richtung EU und Iran, Wie in den anderen GUS-Staaten ist die wirtschaftliche Macht in den Händen der alten Eliten geblieben, gibt es eine alte bzw. neue Klasse von Eigentümern, die ihr Kapital durch Zukäufe von Anteilscheinen stetig vergrößert.

Georgien kann potentiell langfristig einen bescheidenen Wohlstand erreichen. Voraussetzung ist, daß die politischen Probleme gelöst werden. Für ein Land, das 1993 durch Bürgerkrieg und ethnische Konflikte am Rande des Abgrundes und der Auflösung stand, ist die relative Erholung bemerkenswert. Bis 1995 war die Industrieproduktion auf 15, 8 Prozent des Niveaus von 1989 gesunken Die Zuwachsraten des BIP in der Stabilisierungsphase 1995-1998 verschweigen aber, daß nur ein Bruchteil der alten Leistung erreicht ist und die meisten Staatsbetriebe still stehen. Von entscheidender Wichtigkeit für die Zukunft ist der Transit des Öls aus Baku über die neue Pipeline nach Supsa. Zukünftige Prosperität im Südkaukasus ist abhängig von der Lösung der Konflikte und vom Ausmaß an regionaler Integration und Kooperation. Keines der drei Länder stellt einen ausreichend großen Markt dar, der für große ausländische Investitionen attraktiv erscheint. Regionale Kooperation und ökonomische Interaktion sind nicht nur unerläßlich für die Stabilität, sondern auch für die Erholung von der wirtschaftlichen Misere. Dann könnte der Südkaukasus auch zur wirtschaftlichen Brücke zwischen Europa und Zentralasien werden.

IV. Allianzen und außenpolitische Orientierung

Die unterschiedlichen Reaktionen der einzelnen GUS-Länder auf die NATO-Intervention im Kosovo haben wachsende politische Diskrepanzen in der GUS widergespiegelt. Während Moskaus harsche Kritik an der NATO von Weißrußland, Armenien, Kasachstan und Kirgistan im wesentlichen geteilt wurde und die Ukraine als orthodoxes Land verhaltene Kritik äußerte, haben Georgien, Aserbaidschan und Usbekistan das Vorgehen der NATO vorbehaltlos gebilligt. Auch der Blitzbesuch des russischen Sonderbeauftragten Tschernomyrdin vor seiner Belgrad-Mission konnte sie davon nicht abbringen. Die Brüskierung Moskaus ging noch weiter: Ausgerechnet am Rande des NATO-Gipfels in Washington zum 50. Geburtstag der NATO wurde die bis dahin unter dem Namen GUAM (Georgien-Ukraine-Aserbaidschan-Moldawien) bekannte Allianz durch den Beitritt Usbekistans erweitert und konsolidiert (GUUAM), sozusagen unter Schirmherrschaft der NATO. Gleichzeitig haben Usbekistan, Aserbaidschan und Georgien ihre Mitgliedschaft im Kollektiven Sicherheitsvertrag der GUS gekündigt Ursprünglich eine informelle, konsultative Organisation mit offiziell rein ökonomischen Zielen, erklärterweise kompatibel mit der GUS, hat GUUAM eine eindeutige sicherheitspolitische Ausrichtung erhalten, wenngleich noch ohne vertragliche Grundlage. Sie ist als Gegengewicht zur russischen Militärpräsenz in der Region und als langfristige Perspektive eines Sicherheitskonzepts außerhalb von GUS-Strukturen konzipiert Besonders die Partnerschaft zwischen Georgien und Aserbaidschan möchte die Integration beider Länder und des Kaukasus in europäische Sicherheitsstrukturen vorantreiben. Man hofft, ein ähn-lieh spezielles Verhältnis zu EU und NATO zu bekommen wie die Baltischen Staaten.

Inzwischen läßt sich auch offiziell der strategische Aspekt nicht mehr herunterspielen Auf bilateraler Ebene Unterzeichneten Georgien, Aserbaidschan und die Ukraine NATO-GUUAM Kooperations-Abkommen. Die Institutionalisierung der wirtschaftlichen und strategischen Kooperation wird weiter voranschreiten. Vorgesehen sind ein gemeinsames kaspisch-mitteleuropäisches Öltransportprojekt, eine joint peacekeeping Operation in Abchasien unter der Ägide der OSZE oder der UN und die Expansion gemeinsamer militärischer Ausbildungs-und Versorgungsprogramme, letztere besonders wichtig für Georgien im Hinblick auf Kooperation mit der Ukraine im Marinebereich. Zu den Zielen der Gemeinschaft zählen die gemeinsame Konfliktlösung auf der Basis der territorialen Integrität und Unverletzlichkeit bestehender Grenzen, der Kampf gegen Separatismus, ethnische Intoleranz und gegen religiösen Extremismus (wichtig für Usbekistan) sowie die Verhinderung der Aufrüstung in Konfliktgebieten.

GUUAM ist damit noch kein Konkurrent der GUS, doch ist diese jetzt in zwei Gruppen gespalten: sechs Länder (Rußland, Armenien, Kasachstan, Kirgistan, Weißrußland and Tadschikistan), die weiterhin durch den Vertrag von Taschkent gebunden sind, und die fünf GUUAM Staaten, die sich außerhalb der GUS nach Westen orientieren. Ob der Enthusiasmus der GUUAM-Staaten gerechtfertigt ist, muß sich noch herausstellen. Während in Georgien und Aserbaidschan die vorherrschende Stimmung eindeutig prowestlich ist, bleibt dies für die Ukraine und Moldawien eher fraglich. Beide haben Probleme mit starken russischen Minderheiten und weniger Vertrauen in westliche Schutzfunktionen, Allerdings befinden sich die GUUAM-Staaten noch in der Phase, in der man die gemeinsamen Interessen definiert, die sich in erster Linie um die Lösung aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von Rußland und das Zurückdrängen seines militärischen Einflusses drehen. Schon bei den nächsten Machtwechseln in der Ukraine oder Aserbaidschan könnte sich jedoch diese Konstellation ändern.

Indirekt wird diese Allianz von der EU durch das Projekt des „Euroasiatischen Transportkorridors“ (TRACECA -Transport Corridor Europe-Caucasia-Asia) unterstützt, das durch neue Pipelines, Straßen und Eisenbahnen Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Aserbaidschan, Georgien und die Ukraine durch eine Ost-West-Achse verbinden soll. Zwar ist Rußland nicht ausdrücklich ausgeschlossen, doch läuft dieses Konzept auf eine Umgehung Rußlands hinaus. Wichtig ist diese Konzeption einer „Neuen Seidenstraße“ auch für die Sicherheit zukünftiger Pipelines. Im Gegensatz zur GUS verbinden die GUUAM-Mitglieder tatsächliche gemeinsame Interessen. Während Aserbaidschan, später auch Usbekistan, Öl und Gas liefern, können Georgien, die Ukraine und Moldawien Exportrouten anbieten So hat zur Zeit der gemeinsame Schutz des Euroasiatischen Transportkorridors Vorrang in den Plänen der GUUAM-Staaten. Im April 1999 führten Georgien, Aserbaidschan und die Ukraine gemeinsame Manöver zum Schutz der neuen Pipeline Baku-Supsa im Rahmen des NATO-Programms der „Partnerschaft für den Frieden“ durch. Mit Hilfe der NATO soll ab 2001 eine georgische Friedens-truppe gebildet werden. Anfang August fand in der Ukraine ein gemeinsames Manöver der NATO mit den GUUAM-Staaten statt, bei dem ihre Verteidigungsminister ein gemeinsames Protokoll Unterzeichneten

Zwangsläufig ergibt sich aus der Interessenlage dieser Allianz auch eine verstärkte Kooperation mit der Türkei, so daß die russische Furcht, daß GUUAM für die türkischen Interessen ein trojanisches Pferd in der GUS sei, nicht ohne Grundlage ist. Während Georgien die militärische Kooperation mit der Türkei ausbaut, reformiert Baku seine Armee mit türkischer Hilfe und nach türkischem Standard und spekuliert sogar auf Militärstützpunkte. Anfang 1999 schlug Aliyevs Präsidentschaftsberater Guluzade öffentlich die Einrichtung von Militärstützpunkten mit US-, NATO-oder türkischen Kräften auf der Apscheron-Halbinsel vor.

Obwohl die Pipeline Baku-Supsa selbst eine Alternative für die Hauptpipeline darstellt, unterstützt Georgien aus strategischen Gründen gemeinsam mit Aserbaidschan und der Türkei die Route Baku-Ceyhan durch georgisches Territorium. Für Georgien ist die Türkei Transportbrücke nach Europa und inzwischen auch größter Handelspartner. Die seit 1997 intensivierte Kampagne Washingtons für Ceyhan ist der deutlichste Ausdruck der gemeinsamen Interessenlage der USA und der neuen unabhängigen Staaten. Das Problem dabei ist, daß westliche Interessen nicht homogen sind.

Die US-Regierung denkt in strategischen Kategorien, die Öl-Gesellschaften denken wirtschaftlich und favorisieren den georgischen Hafen Supsa mit einem Weitertransport durch den Bosporus oder eine Kombination bei der Rußland, Georgien und Iran beteiligt sind. Der niedrige Ölpreis und die Ungewißheit über den tatsächlichen Umfang der Vorräte und zukünftiger Produktion lassen sie von Investitionen in großangelegte und kostspielige Projekte Abstand nehmen Washington beharrt auf der Pipeline Baku-Ceyhan als Teil und Ergänzung des Eurasischen Energietransportkorridors entlang der Ost-West-Achse. Eine weitere Konzentration von Energieträgern im Persischen Golf soll verhindert werden. Letzteres wäre durch eine Pipeline nach Iran gegeben, wie sie einige US-Gesellschaften fordern. Eine Pipeline Baku-Ceyhan wäre also in erster Linie eine politische und strategische Pipeline, die man auch bauen würde, wenn sie ökonomisch nicht rentabel ist. Die USA wollen den Energiestrom an Rußland vorbeilenken und mit Hilfe der kaspischen Energieressourcen die Türkei zum Stabilitätsanker in der Region machen, ihr wirtschaftliches Wachstum fördern und durch die Route Baku-Ceyhan Aserbaidschan, Georgien und die Türkei an den Westen binden.

Als Reaktion Moskaus auf die intensivierte Kooperation Bakus mit Washington schlossen Ruß-land und Armenien Ende August 1997 einen Freundschaftsvertrag mit weitreichender militärischer Kooperation, nachdem schon zwischen 1994 und 1996 auf inoffiziellem Wege umfangreiche Waffenlieferungen an Armenien gegangen waren. Die militärische Kooperation ist im Grunde eine militärische Allianz; ebenso ist der sich gegenwärtig vollziehende Aufbau eines Flugabwehrsystems in Armenien de facto eine vorgeschobene Komponente der russischen Luftwaffe. Die Aufrüstung Armeniens durch Rußland muß in Baku als Bedrohung empfunden werden, sowohl im Hinblick auf die Transportwege des Öls als auch auf den ungelösten Konflikt um Berg Karabach. Das Angebot an die NATO, in Aserbaidschan einen Stützpunkt einzurichten, war ein Ausdruck dieser Furcht. Die gegenwärtige Aussichtslosigkeit dieser Idee zeugt davon, daß Baku weder in der Türkei noch im Westen, seien es die USA oder die NATO, eine Schutzmacht hat, die es vorbehaltlos militärisch unterstützen würde. Zudem sind die Interessen keineswegs eindeutig. Als z. B.der frühere armenische Präsident Ter-Petrosjan eine Annäherung an die Türkei anstrebte, um die Isolierung Armeniens in der Region zu lockern, stieß dies nicht nur in türkischen Geschäfts-, sondern auch in türkischen Regierungskreisen auf Entgegenkommen. Eine Normalisierung der türkisch-armenischen Beziehungen hätte die Balance im Kaukasus zuungunsten Rußlands beinflussen und der Türkei mehr Einfluß sichern können. Sie scheiterte nicht nur an innenpolitischen Gegensätzen in Armenien, sondern letztlich an der starren Haltung Aserbaidschans. Von Baku vor die Wahl gestellt, zwischen einem Grenzübergang nach Armenien und der Pipeline nach Ceyhan zu wählen, entschied sich Ankara für letztere.

Noch komplizierter wird die Lage, wenn man die Erweiterung der russisch-armenischen Kooperation durch so unterschiedliche Länder wie Iran und das NATO-Mitglied Griechenland betrachtet. Iran war schon im Karabach-Konflikt auf Armeniens Seite und mit Rußland in einer strategischen Partnerschaft durch gemeinsame Interessen -in erster Linie die Fernhaltung des Westens aus der Region -verbunden. Die Aufrechterhaltung des Karabachkonflikts kommt diesen Interessen entgegen. Die Ankündigung Griechenlands und Irans im Juli 1999, ein miltärisches Kooperations-Abkommen mit Armenien schließen zu wollen, wurde nicht nur von der Türkei und Aserbaidschan als Drohung empfunden, sondern auch als ein Schlag gegen die NATO-Politik auf dem Balkan und im Kaukasus gewertet. Militärische Zusammenarbeit zwischen Armenien und Griechenland gibt es schon seit 1996, auch eine enge ökonomische Kooperation. 1997 und 1998 wurde durch Treffen auf hoher Ebene die wirtschaftliche Kooperation zwischen Iran, Armenien und Griechenland auf trilateraler Ebene ausgebaut. Eine Kooperation auf militärischer Ebene erscheint somit nicht ohne Logik. Athen hat die NATO-Intervention nur widerwillig gebilligt und fühlt sich durch türkische Militärhilfe für Albanien herausgefordert. Für Iran ist dies eine willkommene Herausforderung an die USA, die fürchten, Iran könne durch die militärische Kooperation mit Griechenland an westliche Militärtechnologie gelangen. Armenien als Brücke zwischen Griechenland, Iran und Rußland, lenkt durch diese Allianz die Aufmerksamkeit Washingtons noch stärker auf den Konflikt mit Aserbaidschan.

Die Allianz wäre komplett, würde auch Georgien ihr beitreten. Tatsächlich wurde auch Georgien zu Beginn der trilateralen ökonomischen Kooperation zur Teilnahme eingeladen *Allerdings hat sich Tbilissi auf einen Kurs festgelegt, indem es sich als ein wichtiges Glied in der Kooperation zwischen GUUAM und NATO sieht. Ein Schwenk Georgiens würde diese Partnerschaft sprengen und erscheint unwahrscheinlich.

Armenien sieht Georgien als natürlichen Verbündeten und bemüht sich -auch mit Blick auf die Häfen Georgiens -die Beziehungen zu intensivieren. Gerade die Außenpolitik Armeniens lebt von ihrem Widerspruch zwischen einer multipolaren Vision und der Betonung der Orientierung an Rußland bzw. am Iran als Gegensatz zur Achse Aserbaidschan-Türkei-Israel. Für den armenischen Außenminister Oskanian ist Komplementarität die Basis der Außenpolitik. Sie beinhaltet einerseits die Gleichzeitigkeit der militärischen Allianz mit Moskau, andererseits enge Beziehungen zur NATO durch das Programm der „Partnerschaft für den Frieden“, mit anderen Worten die Notwendigkeit, zu allen Akteuren in der Region gute Beziehungen zu unterhalten. Dies kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Außenpolitik Jerewans vorwiegend reaktiv ist, was durch die westliche Ausrichtung Georgiens und Aserbaidschans gefördert wird. Die Versuche, von der an Rußland orientierten Politik wegzukommen zu einer Diversifizierung und ausgewogeneren Politik speziell gegenüber der Türkei, scheiterten letztlich bisher an der Fixierung auf den Karabachkonflikt. Auch das Verhältnis zu Iran ist nicht frei von Widersprüchen. Letztlich ist Irans Interesse an Armenien durch Aserbaidschan bestimmt, denn der eingefrorene Karabachkonflikt kommt den Interessen Irans entgegen. Im Grunde ist Aserbaidschan für Iran das wichtigere Land, das Teheran wegen seiner westlichen und säkularen Aus-richtung und der großen aserischen Bevölkerungsgruppe im eigenen Land mit großem Mißtrauen beobachtet.

V. Der Südkaukasus und die NATO

Sowohl in Georgien als auch in Aserbaidschan war die Erwartung groß, daß der Westen nach Ende des Kosovokrieges sich verstärkt dem Kaukasus zuwenden würde. Zeitgleich zur NATO-Intervention haben beide Staaten erklärt, daß sie langfristig NATO-Mitglieder werden wollen. Beide wissen, daß die Verwirklichung nicht auf der Tagesordnung steht. Zumindest in Tbilissi glaubt man jedoch, dies könnte in der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts geschehen. Ein Schritt in diese Richtung ist die Ausweitung der Einbeziehung Georgiens in das Programm der „Partnerschaft für den Frieden“. In mehrenen Stellungnahmen hat Schewardnadze klargemacht, daß die Frage des NATO-Beitritts nur eine Frage der Zeit ist, die in Brüssel durchaus ernstgenommen wird, und daß das Verhalten Rußlands -von Anfang an die Ursache der georgischen Westorientierung -diesen Prozeß beinflussen und beschleunigen kann Letzterer sieht einerseits eine stärkere US-Präsenz in der südkaukasischen Region und andererseits die Integration in europäische politische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Strukturen mit dem Ziel der vollen Mitgliedschaft in der EU vor.

Georgiens Bemühungen, sich der russischer Hegemonie zu entziehen und dem westlichen Bündnis beizutreten, treffen allerdings noch auf ein vorerst unüberwindbares Hindernis. Die Stationierung russischer Truppen im Land wurde 1995 vereinbart, der Vertrag wurde allerdings nie vom georgischen Parlament ratifiziert, die allgemeine Stimmung im Lande lehnt ihn ab bzw. fordert die Schließung der russischen Militärstützpunkte. Den Abzug der letzten russischen Grenztruppen hat man Anfang Juli 1999 gefeiert. US-Militärhilfe stärkt die eigene Grenzkontrolle mit Helikoptern, gemeinsame Manöver von georgischen und US-Bodentruppen sind geplant. Die Türkei sekundiert dabei den USA mit Trainingsprogrammen in der Türkei und seit 1998 mit Hilfe von über zehn Mio.

US-Dollar für die georgische Verteidigung Dann gibt es noch die GUS-Friedenstruppen, die vorwiegend aus russischen Kräften bestehen. Zwar werden sie von Tbilissi als Verbündete der Separatisten betrachtet, aber Georgien kann auch nicht auf sie verzichten. Man fürchtet, daß Moskau die abchasische Karte erneut ausspielen könnte, wenn man die militärischen Verbindungen mit Rußland löst. Da die Abchasen Rußland als Garanten für ihre de facto Unabhängigkeit sehen, ist es kaum möglich, die russische Präsenz unter GUS-Mandat durch ein UN-oder OSZE-Mandat mit vorwiegend „neutralen“, etwa ukrainischen Truppen zu ersetzen.

So kann Georgien einerseits nicht hoffen, Abchasien zurückzugewinnen, solange Rußland die Teilung unterstützt, andererseits nimmt die NATO keine neuen Mitglieder mit ungelösten ethnischen Konflikten auf. Der Verlust Abchasiens scheint in beiden Szenarien Realität zu werden: sowohl mit russischen Truppen im Land und ohne Hoffnung auf einen NATO-Beitritt als auch bei einer Befreiung von russischen Stützpunkten und Festigung der NATO-Beziehung.

Auf dem Weg in westliche Strukturen ist Georgien schon ein Stück weiter als Aserbaidschan. Baku hat zwar inzwischen den Status eines permanenten Beobachters der Parlamentarischen Versammlung der NATO erhalten, aber noch nicht wie Georgien die assozierte Mitgliedschaft erlängt. Ähnliches gilt für den Europarat, in den Georgien im Gegensatz zu Aserbaidschan Ende April aufgenommen worden ist. Dennoch sieht sich Baku nach Präsidentenberater Guluzade durch seine Annäherung an die NATO als Führungskraft in der Region. Beide Staaten haben kleine Kontingente für die KFOR Friedenstruppe im Kosovo unter NATO-Befehl zur Verfügung gestellt, das aserbaidschanische Kontingent unter der Flagge der UN und der Türkei. Die neue Formel der GUUAM-Staaten im Dialog mit der NATO soll 19 + 5 (NATO-Mitgliedstaaten + 5 GUUAM-Staaten) lauten.

Nach dem etwas voreiligen Wunsch nach einem NATO-Stützpunkt in Aserbaidschan und der damit unausgesprochenen Hoffnung auf Hilfe zur Lösung des Konflikts mit Armenien sowie der verhaltenen Reaktion von seiten der NATO hat Baku seine Haltung modifiziert. Angesichts der vorsichtigen Politik Washingtons, eine Polarisation zu verhindern und den armenisch-aserbaidschanischen Dialog unter westlicher Führung voranzutreiben, liegt die Betonung jetzt mehr auf der Bedeutung der Hilfe des Westens beim Aufbau der staatlichen und wirtschaftlichen Strukturen. Dies verweist auf die schwache Stelle in der strategischen Partnerschaft zwischen den USA und Aserbaidschan. Zwar wird die Westorientierung von breiten Teilen der Bevölkerung sowie von verschiedenen politischen Lagern getragen, doch Zweifel an ihrer Festigkeit sind erlaubt. Die Prinzipientreue aserbaidschanischer Politiker ist schwer einzuschätzen, vieles liegt unter der Oberfläche verborgen, die vorhandenen Iran-und Rußland-orientierten Kräfte halten sich zurück. Mit Unverständnis wird registriert, daß die US-Regierung den Abschnitt 907 des US Freedom Support Act von 1992, der direkte ökonomische und militärische Hilfe verbietet, solange die Blockade Aserbaidschans gegenüber Armenien aufrecht erhalten wird, auch nicht mit Unterstützung der Öllobby beseitigen kann. Drei Versuche, den Paragraphen abzuschaffen, sind trotz erheblicher Bemühungen der Regierung durch die armenische Lobby im Kongreß vereitelt worden.

Noch härter trifft es die Aseris, daß der Kongreß im Juli 1999 beschlossen hat, der de facto unabhängigen Republik Berg Karabach für das Jahr 2000 20 Mio. US-Dollar an Hilfe zukommen zu lassen, was in aserbaidschanischen Augen einer politischen Anerkennung gleichkommt. Verglichen mit den Hilfsleistungen für Armenien und Georgien erhält der strategische Partner Aserbaidschan nur einen Bruchteil. Armenien ist nach Israel der zweitgrößte Pro-Kopf-Empfänger von US-Hilfe. So spielt sich ein nicht unwichtiger Teil der kaukasischen Politik im US-Kongreß ab. Unter diesen Umständen ist es möglich, daß ein Teil der politischen Kräfte auch eine andere Ausrichtung diskutiert, was von Rußland oder von Iran durch Gesten einer Änderung ihrer Haltung gegenüber Baku verstärkt werden könnte. Tatsächlich liegt den USA die Beziehung zu Armenien zur Zeit besonders am Herzen, denn der US-Einfluß im Kaukasus auf Kosten Moskaus ist abhängig von einer Lösung des Karabach-Konflikts. Da Armenien in seinem Wunsch nach einer West-Orientierung nicht frei agieren kann, muß man mit dem Land diplomatisch umgehen.

VI. Neue Hoffnung auf Konfliktlösung?

Das Konfliktlösungsmodell, das Georgien und Aserbaidschan für den Südkaukasus vorschwebt, beinhaltet nicht unbedingt die Anwendung von Gewalt wie im Kosovo. Es sieht aber die führende Rolle der NATO vor, die dafür zu sorgen hätte, daß der Prozeß der ethnischen Säuberung mit der Rückkehr der Flüchtlinge rückgängig gemacht werden müßte. Darüber hinaus sollte ein Kompromiß zwischen den sich widerstreitenden Prinzipien der territorialen Integrität und des Selbstbestimmungsrechtes der Völker gefunden werden und Rußland in einer untergeordneten Rolle zur Kooperation veranlaßt werden. Nach Ansicht von Guluzade müßte den armenischen Besatzungstruppen ein Ultimatum gestellt werden, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen; im Falle einer Nichtbeachtung sollten punktuelle Angriffe gestartet werden, zu denen Baku auf seinem eigenen Territorium das Recht hätte

Baku verspricht sich von der NATO mehr als von der OSZE, was nicht verwunderlich ist, denn sowohl die OSZE-Konferenz von 1996, die die territoriale Integrität Aserbaidschans ausdrücklich hervorgehoben hat, als auch der OSZE-Friedensplan von 1997 waren den Intentionen Bakus entgegengekommen, scheiterten aber an der starren Haltung der Armenier. Dagegen war der OSZE-Friedensplan von November 1998, der einen gemeinsamen Staat von Aserbaidschan und Berg Karabach vorgeschlagen hat, wieder stärker auf armenische Positionen zugeschnitten und wurde von Baku nicht akzeptiert. Die Reaktion der NATO-Führung auf die von Baku geäußerten Wünsche war erst einmal eine klare Absage mit dem Hinweis, daß nach wie vor die OSZE und ihre Minsk-Gruppe für den Konflikt zuständig sei. Obwohl die Möglichkeit einer NATO-Assistenz im Friedensprozeß offen gelassen wurde, wird sie sich unter den jetzigen Umständen nicht militärisch engagieren.

Hier stellt sich die Frage, ob sich -trotz aller Gemeinsamkeiten -der Kosovokonflikt mit den Konflikten in Abchasien und Berg Karabach vergleichen und das Konfliktlösungsmodell übertragen läßt. Der entscheidende Unterschied ist, daß sich die Haltung der internationalen Gemeinschaft zu Belgrad nicht mit der zu irgendeinem Akteur im Südkaukasus vergleichen läßt. Während die NATO-Intervention im Kosovo eine direkte Antwort auf die ethnische Säuberung war, konnten die Konflikte in Abchasien und Karabach seit 1994 durch Waffenstillstandsabkommen eingefroren werden. Obwohl es in Karabach immer wieder zu Verletzungen der Feuerpause kam, gibt es keine Situation, die eine Aktion zur unmittelbaren Rettung von Menschenleben rechtfertigen würde.

Die Ausgangslage im Konflikt um Karabach vor dem Kosovokrieg war, daß Baku den Karabach-Armeniern den höchstmöglichen Status an Autonomie auf der Grundlage der Prinzipien des OSZE-Gipfels von 1996 anbot, während letztere Autonomie innerhalb Aserbaidschans ablehnten und nicht hinter die Prinzipien des „gemeinsamen Staates“ des letzten Friedensplanes zurückgehen wollten Obwohl die armenischen Karabacher diese Lösung einer losen Staatengemeinschaft mit Aserbaidschan -mit eigener Armee, finanziellen und staatlichen Strukturen -annehmen würden, haben sie ihren Traum von einer kompletten Unabbhängigkeit nicht aufgegeben. Sie verweisen auf eine funktionierende Demokratie, die allerdings wirtschaftlich ohne Armenien nicht bestehen könnte.

Wenn auch die NATO nicht direkt die OSZE ersetzen wird, so hat doch möglicherweise der NATO-Gipfel Bewegung in den Friedensprozeß gebracht, vielleicht sogar eine Wende eingeleitet. Auf amerikanischen Druck und als Ergebnis des Treffens von Madeleine Albright mit den Präsidenten Aliyev und Kocharjan am Rande des NATO-Gipfels sind Treffen beider Präsidenten im Juli und August 1999 in Genf zustande gekommen. Ein direktes Verhandeln beider Seiten unter westlicher Ägide setzt vielleicht einen tatsächlichen Friedensprozeß in Gang. Überraschenderweise haben beide Verzicht geleistet: Aliyev auf die vollständige Einlösung der Deklaration von Lissabon, Kocharjan auf die vollständige Verwirklichung des „common-state“ Vorschlags. Das ganze läuft auf eine Modifizierung des OSZE-Friedensplanes von November 1998 hinaus, so daß Baku ihn akzeptieren kann, ohne daß der eigentliche Kern des Plans sich ändert. Wichtig ist, daß beide Seiten die Notwendigkeit eines Kompromisses klar ist, wobei im Prinzip die Hauptlast des Kompromisses bei Baku liegt. Hier scheint sich die Einsicht in der internationalen Gemeinschaft durchzusetzen, daß ein starres Festhalten an den vorhandenen staatlichen Strukturen zugunsten flexibler politischer Arran­ gements zu ersetzen sei. Noch hat Baku dieser Kompromißlinie nicht offiziell zugestimmt, einiges deutet aber auf die Bereitschaft Aliyevs hin, in einer festgefahrenen Situation unter dem Druck Armeniens, Rußlands und Irans einerseits und des Westens andererseits Kompromisse zu schließen. Gibt man dem Druck des Westens nach, winkt als Preis für die Niederlage im Karabachkonflikt der für das Land notwendige Anstieg ausländischer Investitionen auch außerhalb des Ölsektors.

Doch auch angesichts der verbreiteten Konflikt-müdigkeit im Land wird es schwierig sein, einen unpopulären Friedensschluß der Bevölkerung mit solch vagen Aussichten zu präsentieren. Ob sie diese „schmähliche Friedensregelung“ gutheißen wird, ist zweifelhaft. Das Gegenteil könnte eintreten: Diese Art der Friedensregelung könnte die zerstrittene Opposition einen und zu Massendemonstrationen gegen die Regierung veranlassen. Doch nicht nur in Aserbaidschan stößt eine Kompromißlösung auf heftigen Widerstand, auch die Führung Berg Karabachs verwirft jegliches Abweichen vom „common state“ -Prinzip und fordert das Recht für Karabach, die militärische Verteidigung an Armenien oder einen dritten Staat -das wäre Rußland -delegieren zu können. Eine andere Frage ist, ob die am 30. Mai 1999 gewählte neue Regierung Armeniens, die stärker an Moskau orientiert ist als Präsident Kocharjan, und das neue Parlament bereit sind, einer Kompromißlösung zuzustimmen.

VII. Transformation und Demokratisierung

Die Stabilität und Sicherheit aller drei Staaten ist heute verbunden mit der pro-westlichen Ausrichtung Aserbaidschans und Georgiens und ihrer strategischen Bedeutung für den Westen. Diese Ausrichtung ist keineswegs für alle Zeiten gegeben. Obwohl Demokratisierung und Menschenrechte eingefordert werden, beruht sie zu einem großen Teil auch auf der Unterstützung der autoritären Systeme. In Fällen von Machtwechseln etwa oder enttäuschten Erwartungen kann sich die Situation schnell ändern. Deshalb wird das Schicksal des Kaukasus von den zu erwartenden Nachfolgewirren nach Schewardnadzes und Aliyevs Rückzug möglicherweise entscheidend beeinflußt werden. Alternativen zur europäischen Integration sind entweder eine Rückkehr in die Arme Rußlands, das aber zur Zeit wenig anzubieten hat außer sei-nem Machtanspruch, oder eine stärkere Orientierung an der Türkei und Iran. Ob die momentane Orientierung nach Westen auf einem festen Fundament steht, wird sich erst in den kommenden Jahren erweisen. Westliche Ausrichtung heißt auch Druck auf die neuen Staaten hinsichtlich wirtschaftlicher Transformation und Demokratisierung. Mit der Unabhängigkeit ist der Staat unter Modernisierungsdruck geraten: Heute geht es um eine zumindest formale Anpassung an Grundprinzipien demokratischer Verfaßtheit, die die traditionellen Strukturen der Gesellschaft in ihrem Bestand gefährden und aufbrechen lassen. Noch sind -allerdings weniger ausgeprägt als in Zentralasien -Clan und Großfamilie die dominierenden Orientierungsmuster der sozialen Organisation im Südkaukasus. Die Lebenswelt der Menschen ist immer noch stark bestimmt von lokalen und regionalen Zusammenhängen. Die tiefe Verankerung des Klientelismus -zumindest in Aserbaidschan -geht einher mit einem populistischen Autoritarismus, der sich durch die Behauptung legitimiert, daß nur durch Nutzbarmachung paternalistischer Strukturen durch einen charismatischen Führer, der das System durch ein personales Beziehungsgeflecht zusammenhält, eine gewisse Stabilität erhalten werden könne. Auf diesen Netzwerken basiert politische Herrschaft, deren Legitimationsgrundlage traditionelle Loyalitäten und materielle Leistungen bilden und die als Hauptakteure im politischen Leben den Aufbau unabhängiger ziviler und politischer Institutionen behindern.

Wie die USA so hat sich auch die EU verpflichtet, bei der Transformation zur Marktwirtschaft und Demokratie und der Stärkung der Unabhängigkeit unterstützend zu wirken. In der Pipelinepolitik befürwortet sie ein multiples Pipelinesystem ohne besondere Präferenzen für eine bestimmte Route sowie Entscheidungen nach kommerziellen Erwägungen; sie ist nicht bestrebt, Rußland und Iran auszugrenzen. Sie leistet durch die OSZE, das TACIS-Programm (Technical Assistence for the CIS) und durch bilaterale Partnerschafts-und Kooperationsabkommen die größte Aufbauhilfe in dieser Region. Im Gegensatz zu den USA zeichnet die EU-Politik dabei aus, daß sie keine strategischen Interessen äußert. Somit verfolgen die EU-Länderauch keine gemeinsame Strategie. Das hauptsächliche europäische Interesse liegt darin, eine Infrastruktur aufzubauen, die die Region mit Europa verbindet.

Mit der Ratifizierung und dem Inkrafttreten eines 1996 Unterzeichneten Partnerschafts-und Kooperationsabkommen zwischen der EU und den drei Staaten wird die Zusammenarbeit weiter vertieft. Das Abkommen soll nicht nur den Handel und die Investionen anregen und die regionale Kommunikation und Infrastruktur fördern, sondern auch den Dialog hinsichtlich der Demokratisierung und des Schutzes der Menschenrechte vertiefen. Letztere sind Voraussetzungen für die Integration in europäische Strukturen.

Während Georgien durch seine Aufnahme in den Europarat im April 1999 den beiden anderen Staaten auf diesem Wege ein Stück voraus ist, wird an Aserbaidschan kritisiert, daß die heutige Stabilität um den Preis autoritärer Maßnahmen der Regierung erreicht wurde. Die Parlamentswahlen von 1995 und die Präsidentschaftswahlen von 1998 haben nicht die von der OSZE gestellten Kriterien erfüllt, während die Abschaffung der Todesstrafe und die zumindest offizielle Abschaffung der Zensur Schritte in die richtige Richtung darstellen. Die für Dezember 1999 angesetzten Kommunalwahlen sind deshalb für das Land von enormer außenpolitischer Bedeutung, denn sie könnten über die Aufnahme Aserbaidschans in den Europarat entscheiden, der Aserbaidschan und Armenien gleichzeitig aufnehmen möchte und möglicherweise Anfang 2000 darüber entscheiden will.

Auch die Parlamentswahlen in Armenien am 31. Mai 1999 haben in ihrer Durchführung zwar eine Verbesserung gegenüber früheren Wahlen ergeben, jedoch noch nicht den OSZE-Standard erreicht. Im Grunde besitzt Armenien wenig Alternativen zu einem Reformkurs. Das Land ist zutiefst abhängig von Finanzspritzen westlicher Institutionen. Ob aber allein durch Druck westlicher Regierungen und Finanzorganisationen der Kreislauf von undemokratischen Herrschaftsformen, Nationalismus und gewaltsamen ethnischen Auseinandersetzungen unterbrochen werden kann, scheint weiterhin fraglich.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. dazu: Rainer Freitag-Wirminghaus, Geopolitik am Kaspischen Meer. Der Kampf um neue Energieressourcen. Sonderveröffentlichung des Bundesinstituts für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Januar 1998, 49 Seilen: ders., „Great Game“ am Kaspischen Meer, in: Internationale Politik und Gesellschaft, (1998) 4, S. 388-402, ders., Südkaukasien und die Erdöl-Problematik am Kaspischen Meer, in: Gerhard Mangott (Hrsg.), Brennpunkt Süd-kaukasus. Aufbruch trotz Krieg, Vertreibung und Willkür-herrschaft?, in: Laxenburger Internationale Studien, 14 (1999), S. 247-282.

  2. Die Niederlage im Karabachkrieg hat zur Vertreibung

  3. Wahrscheinlich übertriebene Schätzungen der gesamten off-shore-Reserven des Kaspischen Meeres gehen bis zu 200 Mrd. Barrel, andere Schätzungen bewegen sich zwischen 75 bis 90 Mrd. Die Angaben des US-State Department zeigen die große Spanne zwischen nachgewiesenen und vermuteten Ressourcen auf. Hier geht man von gesicherten 15, 6 Mrd. Barrel und von weiteren möglichen 163 Mrd. aus. Vgl. U. S. Department of State, Caspian Region Energy Development Report, Washington, D. G, April 1997, S. 4. Vgl. auch Friedemann Müller, Ökonomische und politische Kooperation im Kaspischen Raum, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43-44/98, S. 26-36. Müller schätzt die kaspischen Vorkommen auf ca. fünf Prozent der Weltreserven. Andere Schätzungen siehe: Middle East Economic Survey (MEES) vom 27. Juli 1998, A 7-All; RFE/RL, Energy politics in the Caspian and Russia, July 1998; Central Asia: How vast are the riches in the Caspian? http: //Externer Link: http://www.rferl.org/nca/special/caspian/index. html.

  4. Die Pipeline Baku-Noworossijsk verläuft durch die Gebiete der Lesgier in Aserbaidschan und Rußland, die georgische Pipeline nach Supsa durch Adscharien. Eine Pipeline nach Ceyhan müßte durch kurdische Gebiete laufen und den Süden Georgiens, in denen eine starke armenische Minderheit lebt und russische Truppen stationiert sind.

  5. Bis April 1999 wurden 20 „production sharing“ Verträge geschlossen mit insgesamt ca. 50 Mrd. US-Dollar an Investitionen.

  6. Baku, das sich mit Aschchabad auch um ein Ölfeld in der Mitte des Kaspischen Meeres streitet, will seine Zustimmung zür transkaspischen Pipeline nur geben, wenn es die Möglichkeit zum eigenen Gasexport bekommt.

  7. Vgl. EIU Country Report 3rd quarter 1997, Azerbaijan. The Economist Intelligence Unit, S. 8.

  8. Vgl. EIU Country Profile: Azerbaijan, 1998/99, S. 19.

  9. Vgl. BBC Monitoring Europe -Political, Supplied by BBC Worldwide Monitoring, May 18, 1999; President sums up first „difficult" year, in: Snark news agency, Yerevan, in Russian 1300 GMT, 5 May 1999.

  10. Vgl, Economic Survey of Europe, S. 201, zit. nach: Vladimir Vertlib, Die wirtschaftliche Dimension des Süd-kaukasus, in: G. Mangott (Hrsg.) (Anm. 1), S. 139-213 und 148.

  11. Im Vertrag von Taschkent von 1992 waren die Ukraine, Moldawien sowie das neutrale Turkmenistan von Anfang an keine Mitglieder.

  12. Die strategische Partnerschaft äußerte sich in der gemeinsamen Ablehnung der Revision des KSE-Vertrages über konventionelle Truppen in Europa, in der Moskau zusätzliche Militärposten in Flankenzonen zugestanden wurden.

  13. In einem Pressebericht Mitte Mai sprach der georgische stellvertretende Verteidigungsminister von der militärischen Kooperation innerhalb GUUAMs aufgrund gemeinsamer strategischer Interessen. Georgia Backs, Military Co-operation in Regional Group, in: HABARLAR-L Digest 830. habarlar-l@usc.edu. INTERFAX, 0809 GMT, 11 May 1999.

  14. Die Ukraine baut eine Pipeline von Odessa nach Brody mit Verbindung zur Druzhba Pipeline nach Mitteleuropa.

  15. Vgl. HABARLAR-L Digest 991, habarlar-l@usc.edu. GUUAM Defense Ministers Sign a Protocol in Ukraine, in: AssA-Irada news bulletin for 9 August, Baku, August 7, 1999, AssA-Irada.

  16. Von Januar 1997 bis Juli 1998 fiel der Ölpreis von 24 auf 12 US-Dollar pro Barrel. Die Gewinne des AIOC über 30 Jahre Laufzeit waren bei einem Ölpreis von 21 US-Dollar pro Barrel auf 40 Mrd. US-Dollar geschätzt worden, bei einem Ölpreis von 12 US-Dollar pro Barrel wären es nur 10 Mrd. US-Dollar. Der Präsident des AIOC, John Leggate, schätzt den Unterschied zwischen der billigsten und der teuersten Pipehnelösung auf 500 Mio. US-Dollar im Jahr. Vgl. Stephen Kinzer, Caspian oil pipeline suffers a setback, in: New York Times vom 28. November 1998. Die Zuspitzung der Auseinandersetzung zwischen den Interessen Washingtons, Ankaras und Bakus einerseits und der Ölgesellschaften andererseits schlug sich in wiederholten Verschiebungen der Entscheidung des AIOC über die Hauptpipeline nieder.

  17. In diesem Zusammenhang ist auch der Besuch des griechischen Präsidenten Konstandinos Stefanopoulos im Mai 1999 in Tbilissi zu sehen.

  18. Schewardnadze hat die mehrfachen Anschläge und Attentatsversuche gegen seine Person immer mit bestimmten Kreisen in Rußland in Verbindung gebracht und als deren Gründe die georgische Westorientierung und Energiepolitik genannt.

  19. Vgl. RFE/RL Newsline vom 8. Juni 1999.

  20. Vgl. Nato urged to settle Azerbaijani-Armenian conflict, in: Interfax Russian News vom 10. Juli 1999.

  21. Die Hauptprinzipien des Gipfels 1996 in Lissabon sehen die territoriale Integrität, einen hohen Grad der Selbstbestimmung und Sicherheitsgarantien für die gesamte Bevölkerung Karabachs einschließlich der vertriebenen Aseris vor. Für die Vorschläge des letzten OSZE-Friedensplanes macht die Führung in Baku Moskau verantwortlich. In der Minsker Gruppe der OSZE führen Rußland, die USA und Frankreich den Vorsitz. Die aserbaidschanische Opposition macht die mangelnde Demokratisierung in Aserbaidschan für den Rückschlag verantwortlich.

Weitere Inhalte

Rainer Freitag-Wirminghaus, Dr. phil., geb. 1948; wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Orient-Instituts Hamburg. Zahlreiche Veröffentlichungen über Zentralasien, Kaukasus, Türkei, russische Nahostpolitik sowie energiepolitische Fragen.