So sehr man sich auch zwickt, man wacht doch nie auf. Denn all das ist wirklich passiert: Donald Trump, im Januar 2021 mit Schimpf und Schande aus Washington verabschiedet, weil er in der Parodie einer Revolution einen Mob mit seinen Anhängern auf das Kapitol kommandierte, um den friedlichen Machtwechsel zu torpedieren, sitzt nicht etwa im Gefängnis, sondern wieder im Oval Office. Dort angekommen, hat er als erstes eben jene Kapitolstürmer, die in seinem Namen Gewalt ausgeübt haben, begnadigt und lässt dafür im Gegenzug jene Beamten von FBI und Justizministerium durchleuchten, die zuvor diesen Angriff auf das Herz der amerikanischen Demokratie untersucht hatten. Unterdessen hat er Elon Musk, den reichsten Mann der Welt, der seinen Wahlkampf mit schätzungsweise 270 Millionen US-Dollar finanziert hat, mit verfassungsrechtlich unklaren Sondervollmachten ausgestattet, um den amerikanischen Behördenapparat auseinanderzunehmen.
Halten wir daher fest, was vor einem Jahr noch immer ziemlich kühn, vor fünf Jahren als möglich, aber doch unwahrscheinlich, vor einem Jahrzehnt allerdings nach einer Hollywood-Dystopie geklungen hätte: dass die USA wohl gerade dabei sind, sich aus dem Kreis der liberalen Demokratien zu verabschieden. Die entscheidende Frage aber ist eben, ob diese Kehrtwende unumkehrbar ist. Sind die USA dauerhaft auf dem Weg in die Autokratie?
Um die unbefriedigende Schlussfolgerung vorwegzunehmen: Was auf den nächsten Seiten folgt, ist eine ziemliche Kaffeesatzleserei. Die Sozialwissenschaften sind ohnehin mit einer bescheidenen Prognosefähigkeit ausgestattet. Aber in diesem Fall ist die Frage besonders diffizil, weil, so jedenfalls meine These, in Wahrheit wenige Vergleichsmaßstäbe zur Verfügung stehen – nicht einmal für Trump selbst. Die Schwierigkeit unserer Frage liegt darin, dass seine Politik sich zwar einreihen mag in andere Versuche, Demokratien autoritär zu überformen – so wie es in Ungarn, Polen, Venezuela oder der Türkei passiert ist. Aber der Staat und die Zivilgesellschaft, auf die der Autokrat Trump trifft, sind dann doch von einem anderen Kaliber.
Um zumindest eine Annäherung an diese Frage zu versuchen, gehe ich in einem Dreischritt vor: Zunächst werde ich Trumps erste Amtszeit nochmals kurz analysieren, um zu zeigen, dass die Demokratie von 2017 bis 2021 zwar unter Druck stand, aber nicht ernsthaft in Gefahr war. Dies bereitet auf den zweiten Schritt vor, in dem ich die Ausgangsbedingungen und Konstellationen der zweiten Präsidentschaft in den Blick nehme. Auf diese Weise entsteht ein drastischer Kontrast, der verdeutlicht, dass dieses Mal (fast) alles anders ist: Im Unterschied zu Trump 1.0 haben sich bei Trump 2.0 längst die Konturen eines Projektes zum autoritären Staatsumbau herausgeschält. Es gilt dabei, die Ideen, Strategien und Akteure dieses Projektes zu identifizieren. Im dritten Schritt geht es dann darum, die Immunkräfte der amerikanischen Gesellschaft und des US-Institutionensystems zu ergründen und zu fragen: Wie stehen die Chancen für das Überleben der US-Demokratie?
Trump 1.0: Rhetorischer Ausnahmezustand
Gewiss sollte man nicht den Fehler begehen, Trumps erste Amtszeit im Nachhinein zu verklären. Seine Sprache sprengte schon damals alle Dimensionen des politischen Anstandes: Die Medien bezeichnete er ganz in der Diktion eines Joseph Goebbels als "Volksfeinde". Er beschimpfte die Justiz und versuchte, das unabhängige Justizministerium zu Ermittlungen gegen seine politischen Widersacher anzustiften.
Doch blieb stets dieser Widerspruch: Rhetorisch schien Trump pro Tag einen Verfassungsbruch zu begehen; faktisch passierte aber wenig, was einen wirklich um den Schlaf brachte. Weder ignorierten er und seine Regierung die Urteile der Justiz, noch führten seine Attacken auf die "New York Times" oder CNN zu tatsächlichen Einschränkungen der Meinungsfreiheit. Und gegen die ehemalige US-Außenministerin und demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton strengte das US-Justizministerium ebenso wenig ein Verfahren an wie gegen sonst irgendjemanden, mit dem Trump über Kreuz lag und dessen Inhaftierung er im Wahlkampf noch versprochen hatte. Erst am Ende seiner Amtszeit rüttelte Trump an den checks and balances der US-Verfassung, als er mit allen Mitteln versuchte, die Wahlniederlage abzuwenden. Aber auch das misslang: Die Gerichte einschließlich des Supreme Court ließen seine teils abstrusen Klagen gar nicht erst zu, und auch seine Versuche, diverse republikanische Politiker aufzufordern, ihm die benötigen Stimmen in einzelnen Bundestaaten "irgendwo zu finden", scheiterten allesamt kläglich.
Letztlich nämlich war Trump während seiner ersten Amtszeit politisch ziemlich isoliert. Seine Inszenierung als Außenseiter entsprach insofern immerhin der Wahrheit: Er war 2017 ohne wirklich loyale Gefolgschaft ins Amt gestolpert. Er hatte zwar eine riesige Fan-Basis, aber daraus ließ sich (noch) kein politisches Personal rekrutieren. Trump blieb angewiesen auf die Personallisten des Establishments der Republikanischen Partei, auf denen sich gewiss genügend ideologisch verlässliche und stramme Konservative fanden – aber eben keine blinden Loyalisten, die seinen Antipluralismus, seine Paranoia oder seine Neigung zum Rechtsbruch teilten und mitmachten.
Trump hatte eben nicht in die Wege geleitet, was der Führer einer faschistischen Massenbewegung – den viele schon damals in ihm sahen –, natürlich sofort getan hätte: den Staatsapparat so weit wie möglich mit den eigenen Gefolgsleuten zu bestücken. Deshalb besaß er auch zum Zeitpunkt seiner Wahlniederlage 2020 keine Hebel. Für einen koordinierten Angriff auf die Demokratie hätte es in seinem Umfeld überdies ein weithin geteiltes, gemeinsames ideologisches Grundverständnis geben müssen. Das hätte bedeutet, dass Trump sich selbst ideologisch verorten und eine Idee hätte vorgeben müssen, die über ihn als Person hinausgereicht hätte. Daran aber mangelte es durchweg.
Es war insofern kein Zufall, dass sein Berater Steve Bannon rasch aus seinem engsten Kreis entfernt wurde – war er doch derjenige in Trumps Umfeld, der ein ideologisches Projekt verfolgte, das nicht allein auf Trump zugeschnitten war. Instinktiv hatte der Präsident erkannt, dass ein Ideologe wie Bannon, der als ehemaliger Betreiber der rechtspopulistischen Website "Breitbart" unmittelbaren Zugang zum Denken und zur Meinungsbildung des harten Kerns von Trumps politischer Basis besaß, eine Gefahr für seinen rein auf persönlicher Loyalität beruhenden Herrschaftsstil war. Wollte man Trumps politischen Führungsstil in seiner ersten Amtszeit analytisch einordnen, stößt man daher auf zahlreiche Widersprüche. In seinem Amts- und Politikverständnis ähnelte er eher einem vormodernen Monarchen als den Erdoğans oder Orbáns der Gegenwart – ganz zu schweigen von den Hitlers und Mussolinis der europäischen Zwischenkriegszeit.
Aber was ist, mögen nun einige einwenden, mit dem 6. Januar 2021, dem Sturm auf das Kapitol? Ist das nicht der Beweis, dass bereits Trump 1.0 einen regime change versuchte? Natürlich hat Trump gezeigt, dass ihm sein persönlicher Machterhalt über alles geht. Gleichzeitig jedoch fügte sich der Sturm auf das Kapitol in seinem Dilettantismus, seiner Ziellosigkeit, seiner Spontaneität nahtlos in diese Präsidentschaft ein. Bei der Mehrzahl jener, die an diesem Tag ins Kapitol eindrangen, handelte es sich nicht um dezidierte Antidemokraten. In ihrer bizarren Eigenwahrnehmung hielten sie sich gerade für das letzte Aufgebot zur Verteidigung der Demokratie. Sie träumten von keiner anderen politischen Ordnung, sondern davon, dass Trump die Wahlen in Wahrheit gewonnen hatte. Es gibt keinen Grund, das zu verharmlosen. Und doch bleibt festzuhalten, dass am 6. Januar 2021 keine revolutionäre Bewegung auf den Plan getreten war, die eine alternative Regierungsform etablieren wollte.
Trump 2.0: Konturen des kompetitiven Autoritarismus
Damit sind wir beim entscheidenden Unterschied zur Gegenwart. Dieses Mal ist da mehr als reine Rhetorik; der Angriff auf die Demokratie ist real. Dabei sollte man zunächst allerdings eine Option vom Tisch nehmen: Was in den USA nicht droht, ist die totalitäre Gleichschaltung. Die USA werden kein Ein-Parteien-Staat werden, und im November 2028 werden freie Wahlen stattfinden. Ebenso wird es keine Masseninhaftierung politischer Oppositioneller geben. Die "New York Times" wird auch zukünftig erscheinen und kein Propagandaministerium ihre Meinungsseite redigieren. Die USA werden nach vier Jahren Trump nicht Russland sein, geschweige denn Hitler-Deutschland oder eine andere faschistische Diktatur.
Abgesehen davon, dass eine solche Totaltransformation der amerikanischen Gesellschaft innerhalb von vier Jahren unmöglich wäre, sprengen solche Szenarien vermutlich selbst den politischen Horizont und die Absichten jener, die in Trumps zweiter Amtszeit tatsächlich das Projekt eines autoritären Staatsumbaus verfolgen. Doch ein Grund zur Entwarnung ist das nicht. Das Vorbild ist nicht Berlin 1933, sondern Budapest 2010: das Jahr, in dem der ehemals liberale ungarische Politiker Viktor Orbán zum zweiten Mal Ministerpräsident seines Landes wurde. Denn seit eben jenem Jahr arbeiten Orbán und seine rechtspopulistisch transformierte Fidesz-Partei planvoll am autoritären Staatsumbau. Fast alle, die in Trumps Umfeld an der Agenda für die zweite Amtszeit gearbeitet haben, sehen in Orbán ein Vorbild.
Da ist etwa Russell Vought, der nicht nur in seiner Rolle als Direktor des Office of Management and Budget enormen Einfluss besitzt. Er hat in den Jahren der Opposition vor allem das "Project 2025" koordiniert, eine Art Regierungsmanifest, von dem sich Trump im Wahlkampf noch pflichtschuldig distanzierte – dessen Spuren sich aber schon in den ersten zwei Monaten des Regierungshandelns überdeutlich zeigten. Denn dort wird überraschend genau beschreiben, wie der Staat instrumentalisiert werden soll, um den politischen Feind zu neutralisieren. Vought, aber auch andere Intellektuelle im Umfeld der Regierung, stehen für einen bemerkenswerten Wandel. Jahrelang konnten Konservative gar nicht paranoid genug sein, wenn es darum ging, vor der Allmacht des Staates zu warnen: "Der Staat ist nicht die Lösung, sondern das Problem", sagte etwa Ronald Reagan. In den vergangenen Jahren aber hat eine Radikalisierung stattgefunden und ist ein neuer Typus von "postliberalen" Intellektuellen aufgetreten, die den Staat und die Gesellschaft dermaßen von staatsgläubigen Bürokraten und "woken" Akademikern durchzogen sehen, dass die alten Rezepte – Schrumpfung des Staates einerseits, Rückbesinnung auf moralische christliche Werte andererseits – ihnen nicht mehr ausreichen. Jetzt geht es darum, den Staat selbst zum Instrument zu machen, um die so empfundene kulturelle Hegemonie des linken Amerikas zu brechen.
Es geht also um einen langfristigen Umbau. Eben das ist der große Unterschied zwischen der autokratischen Welle der vergangenen zwei Jahrzehnte, die Trumps Leuten als Blaupause dient, und der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts: Bis 1945 nämlich gingen Demokratien schnell, laut und offensichtlich zu Ende. Häufig bedeutete das einen Staats- oder Militärstreich, bei dem Panzer durch die Straßen rollten, Rundfunkanstalten besetzt, Parlamente aufgelöst, Regierungschefs verhaftet oder in einen sehr langen "Urlaub" geschickt wurden.
Die politischen Systeme, die in diesem Transformationsprozess entstehen, sind hybrid: Weder handelt es sich um lupenreine Demokratien, noch sind sie so repressiv und autoritär wie die Diktaturen der Vergangenheit. Unter den vielen Bemühungen, diese Regimetypen zu vermessen, sticht vor allem der Versuch der Politikwissenschaftler Steven Levitsky und Lucan Way hervor, die von einem competitive authoritarianism sprechen: ein System, in dem weiterhin freie Wahlen stattfinden, in dem jedoch das Spielfeld und die Spielregeln dermaßen verzerrt sind, dass es der Opposition mindestens stark erschwert, wenn nicht gar verunmöglicht ist, überhaupt noch Wahlen zu gewinnen. Die formale Architektur der Demokratie bleibt bestehen – Wahlen, Mehrparteiensysteme, vordergründig auch Elemente der Gewaltenteilung –, aber die Parteien an der Regierung nutzen die Macht über den Staatsapparat, um ihre politischen Gegner einzuschüchtern, zu isolieren und Teile ihrer Arbeit für illegal zu erklären.
Und so viel lässt sich bereits nach drei Monaten von Trumps zweiter Amtszeit sagen: Der Präsident und seine Gefolgsleute geben sich alle Mühe, diesem Drehbuch zu folgen. Der erste logische Schritt ist dabei der Versuch, die Behörden überhaupt erst einmal zu politisieren und damit zu Werkzeugen der eigenen Interessen zu machen. Schon in den letzten Zügen seiner ersten Amtszeit hatte Trump versucht, mit einem verfassungsrechtlich fragwürdigen Instrument namens "Schedule F" den Beamtenapparat umzubauen.
Und das ist erst der Anfang. Denn während die Trumpisten die Manipulation durch den deep state beklagen und seine Vordenker von der Zerschlagung des "Verwaltungsstaates" fabulieren, ist es in Wahrheit ihr Wunsch, den Staatsapparat für die autoritäre Umformung in Stellung zu bringen. Levitsky und Way haben jüngst dargelegt, mit welchen Methoden andere Demokratien bereits auf diese Weise ausgehöhlt wurden, und welche davon auf die USA zu übertragen wären.
Als hätten Trump und sein Team eine Gebrauchsanleitung bekommen, sind die meisten dieser Maßnahmen bereits in Ansätzen zu beobachten. So wurden Universitäten mit Auflagen belegt, deren Verletzung den Entzug von Fördermitteln nach sich zieht, und der Sender ABC hat sich schon vor der Inauguration auf einen 15 Millionen US-Dollar teuren Vergleich mit Trump eingelassen, nachdem dieser eine Verleumdungsklage angestrengt hatte. Eine besondere Gravitationskraft scheint die Regierung auf die Wirtschaftselite auszuüben. Nicht nur, aber vor allem die großen Tech-Konzerne üben sich in Opportunismus. In einem Fall von vorauseilendem Gehorsam hat etwa der Eigentümer der "Washington Post", der Amazon-Gründer Jeff Bezos, die Zeitung teilweise auf Regierungslinie gebracht, indem fortan nur noch Meinungsstücke veröffentlicht werden sollen, die die Vorzüge freier Märkte lobpreisen. Dass seine Zeitung in der Folge Hunderttausende Abonnenten verloren hat, wird er verschmerzen; wichtiger ist ihm das milliardenschwere Cloud-Geschäft mit Amazon und vor allem Staatsaufträge für seine Raketenfirma Blue Origin.
Demokratische Resilienz
Mit keiner der Maßnahmen aus dem Arsenal des kompetitiven Autoritarismus hört die Demokratie sofort auf zu existieren. Aber gerade das ist das Tückische – denn es erschwert die Entscheidung, ab wann wirklich energischer Widerstand geboten ist: Protest, ziviler Ungehorsam, vielleicht sogar ein Generalstreik. Den Bürgern in Demokratien, die sich schleichend in Autokratien verwandeln, kann es daher ergehen wie dem Frosch im sich langsam erhitzenden Kochtopf, der zunächst nicht merkt, wie die Temperatur steigt, bis es plötzlich zu spät ist. Welche Akteure und Faktoren aber sind es, die zur Resilienz der US-Demokratie beitragen?
Schlafender Riese Zivilgesellschaft
Derzeit – im Frühjahr 2025 – scheint die Opposition zu Trump 2.0 noch äußerst gering. In auffälligem Kontrast zu seiner ersten Amtszeit kam der Protest dieses Mal mit Verspätung und blieb bisher – angesichts der Dramatik der Lage – auch eher verhalten. Und dennoch bleibt festzuhalten: Grundsätzlich verfügen die USA über eine enorm vielfältige und potenziell mobilisierbare Zivilgesellschaft mit Tausenden gut finanzierten und schlagkräftigen Organisationen. Die gewaltigen Proteste im Sommer 2020 gegen Rassismus und Polizeigewalt haben gezeigt, dass die Straße ganz gewiss nicht der politischen Rechten gehört.
Insofern sind die Protesttraditionen und -ressourcen in den USA nicht zu vergleichen mit Ländern, die erst wenige Jahre demokratisch waren, bevor sie wieder autokratische Züge annahmen. Und das gilt für viele Institutionen des amerikanischen Lebens, auch für das Mediensystem, dem unrühmlichen Beispiel der "Washington Post" zum Trotz. Das gilt auch für einen anderen Anker des liberalen Amerikas, nämlich die vielen sagenhaft reichen Privatuniversitäten des Landes. Zwar kam es auch dort bereits zu einigen Kotaus, weil die Kürzung von Bundeszuschüssen in Milliardenhöhe für die Forschung durchaus Schaden anrichtet. Insgesamt aber bleiben Harvard, Yale, Princeton und viele andere mit ihren Hunderten von Milliarden an Stiftungsvermögen wichtige liberale Player.
Starke Stellung der Justiz
Nirgendwo sonst wurde die Diskrepanz zwischen Trumps Worten und seinen Taten während seiner ersten Amtszeit so deutlich wie bei seinem Umgang mit der Judikative. Denn Richter, die seiner Politik Grenzen setzten, überzog er mit maßlosen Anschuldigungen – und akzeptierte faktisch doch jedes ihrer Urteile. Schon jetzt wird deutlich, dass es dieses Mal dramatischer wird, denn die Regierung hat bereits damit begonnen, richterliche Anordnungen zu ignorieren.
Die "Dritte Gewalt" nimmt im US-amerikanischen Institutionensystem der checks and balances fraglos einen herausragenden Platz ein.
Ganz so hoffnungslos muss man die Lage allerdings nicht sehen: Als Trump 2020/21 seine Klagen wegen vermeintlichen Wahlbetrugs anstrengte, setzte es vom Supreme Court eine Zurückweisung nach der anderen. Im März dieses Jahres schließlich folgte eine scharfe Klarstellung von Chief Justice John Roberts, dem Vorsitzenden des Supreme Court, nachdem Trump seine Anhänger aufgestachelt hatte und ein Amtsenthebungsverfahren für ihm nicht genehme Richter forderte: Das Rechtssystem, so Roberts, sei zu achten, der etablierte Weg sei einzuhalten. Grundsätzlich gilt: Institutionen haben in der Regel ein Interesse am eigenen Überleben sowie an der eigenen Relevanz und Wirksamkeit, und das dürfte auch für Richter des Supreme Court gelten. Auch hier ist der Ausgang letztlich offen, aber dass Trump den Supreme Court umstandslos zum Agenten seiner Interessen macht, ist zumindest nicht ausgemacht.
Macht der Einzelstaaten
Nichts durchzog schon die Diskussion zur Gründung der Vereinigten Staaten so sehr wie die Furcht vor einer zu starken Zentralregierung. Als Konsequenz wurde in den USA ein föderaler Bundesstaat gegründet, der den Einzelstaaten große Eigenkompetenzen zuweist. Das ist fraglos ein potenzieller Schutzwall gegen Autokratisierungstendenzen, den es in stärker zentralisierten Staaten so nicht gibt.
Das Gleiche gilt für Verfassungsänderungen. Abgesehen davon, dass es hierfür auch im Kongress eine unrealistische Zweidrittelmehrheit geben müsste, müssten außerdem drei Viertel der Bundesstaaten zustimmen – auch dies scheint für Trump derzeit unerreichbar. Insofern wir aber davon ausgehen, dass Trump keine offene Militärdiktatur anstrebt, bräuchte er – wie dies eben bei Chávez, Orbán oder Erdoğan der Fall war – tatsächlich Verfassungsänderungen zur institutionellen Absicherung einer autoritären Herrschaft.
Schlussfolgerungen
Zugegeben: Weder einzeln noch in Summe kann irgendeiner dieser Punkte wirklich beruhigen. Es gibt keine noch so kluge Verfassungsordnung, die den Schutz der Demokratie garantieren kann. Der Satz von "den Institutionen", die hoffentlich halten werden, entpuppt sich bei tieferem Nachdenken als hohl: Denn es sind ja immer die Menschen in diesen Institutionen, von denen abhängt, ob die Demokratie verteidigt wird. Daher, auch wenn es reichlich pathetisch klingt: Es liegt an den Amerikanern selbst, ihre Demokratie zu verteidigen.
In dieser Hinsicht, das sollte bis hierhin deutlich geworden sein, ist durchaus Skepsis angebracht. Breiterer zivilgesellschaftlicher Protest ist bislang ausgeblieben. Aber gerade das dürfte nicht ewig so bleiben – auch weil sich die Situation in den USA in einem weiteren Punkt wesentlich von der in Venezuela oder Ungarn unterscheidet: Anders als Chávez oder Orbán ist Trump nicht besonders populär. Im März 2025 lag die Zustimmung zu seiner Amtsführung bei nicht einmal 46 Prozent – und das in der Frühphase der Präsidentschaft, die eigentlich als Honeymoon für die Amtsinhaber gilt.
Mehr noch: Die Wahl 2024 gewann er ja nicht allein dank seiner Hardcore-MAGA-Basis. Unter seinen Wählern waren auch viele, die schlicht von den Demokraten enttäuscht oder von der im Land grassierenden Inflation zutiefst verunsichert waren. In vielen Bevölkerungsgruppen interessiert man sich nicht besonders für vermeintlich "woke" Universitäten oder den Kampf um die Rechte für Transpersonen. Auch die von Trump ins Spiel gebrachte Annexion Grönlands oder Kanadas ist kein Aufreger bei jenen, die nicht wissen, wie sie ihre Kredite abbezahlen oder den College-Besuch ihrer Kinder finanzieren sollen. Fast alles, was Trump seit dem erneuten Einzug ins Weiße Haus getan hat, zielte zuvorderst darauf, seine geifernde Basis zu befriedigen. Sollte aber die Inflationsrate in den USA nicht runtergehen und werden die versprochenen Industriearbeitsplätze nicht zurückkehren, wird sich die Stimmung drehen – und spätestens dann werden sich auch den Demokraten neue Möglichkeiten zur Mobilisierung und zum Widerstand eröffnen.