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Make The Donald Great Again | MAGA | bpb.de

MAGA Editorial Auf dem Weg in den autoritären Staat? Gefährdungen und Selbstbehauptung der US-Demokratie America First. Zur Geschichte US-amerikanischer Nationalismen Make The Donald Great Again. Trumps Aufstieg und Comeback in einer polarisierten Gesellschaft Tough an der Wahlurne. Zur Rolle von Männlichkeit in der amerikanischen Politik Could This Be Great? Trump als Chance Noch Alliierte oder schon Gegner? Europas schwieriger Balanceakt im Zeitalter von Trump 2.0 Make China Great Again. Trump und der Systemkonflikt zwischen den USA und China

Make The Donald Great Again Trumps Aufstieg und Comeback in einer polarisierten Gesellschaft

Manfred Berg

/ 17 Minuten zu lesen

Trumps Siegeszug ist nur vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen politischen und gesellschaftlichen Polarisierung der USA zu verstehen, die auch den Charakter der Parteien veränderte. Wie die amerikanische Demokratie in Zukunft funktionieren kann, ist offen.

Als Donald Trump im Juni 2015 seine Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Republikanischen Partei verkündete, war er für die amerikanische Öffentlichkeit kein Unbekannter. Seit den 1970er Jahren hatte sich der Immobilienunternehmer, Reality-TV-Moderator und Lebemann mit waghalsigen Geschäften, saftigen Skandalen und einer unbezähmbaren Prahl- und Prunksucht den Status einer "Berühmtheit" – einer celebrity – erworben. Auch seinen politischen Ehrgeiz kannten die Amerikaner bereits, denn immer wieder hatte er sich als Kandidat für das höchste Staatsamt ins Gespräch zu bringen versucht. Nur nahm ihn niemand ernst. Ende 1999 spottete der Kommentator Mark Shields: "Das einzige Hindernis, das zwischen Donald Trump und der Präsidentschaft steht, ist das gute Urteilsvermögen des amerikanischen Volkes."

Siebzehn Jahre später machten knapp 63 Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger Trump zum 45. Präsidenten der USA. Zunächst hielten viele Kommentatoren ihn für einen Zufallspräsidenten, der seinen Überraschungserfolg dem indirekten Wahlsystem der USA verdankte. Sein Vorsprung im Electoral College ermöglichte ihm den Einzug ins Weiße Haus, obwohl er landesweit drei Millionen Stimmen hinter der Demokratin Hillary Clinton lag. Mit seiner Abwahl 2020 schien der "Spuk" dann aber vorbei zu sein. Angesichts des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021, den Trump angezettelt hatte, um die Zertifizierung seiner Wahlniederlage zu verhindern, war völlig unvorstellbar, dass er eine politische Zukunft haben könnte. Doch am 5. November 2024 gelang ihm ein historisches Comeback, als ihn die Amerikaner erneut zu ihrem Präsidenten wählten, dieses Mal sogar mit einer knappen Mehrheit der popular vote. Nach dem Demokraten Grover Cleveland 1892 ist Trump erst der zweite Präsident, dem die Wiederwahl nach vorheriger Abwahl gelang. Unsere Gegenwart, soviel steht schon jetzt fest, wird als The Age of Trump – das Zeitalter Donald Trumps – in die Geschichte eingehen.

Wie konnte es dem Milliardär und Erzkapitalisten Trump gelingen, sich unter dem Schlachtruf "Make America Great Again!" (MAGA) zum Führer einer Bewegung aufzuschwingen, deren Massenbasis (zunächst vor allem) die weiße Arbeiter- und untere Mittelklasse bildet? Wie schaffte er es, die Republikanische Partei, die sich gerne "Grand Old Party" (GOP) nennt, dem konservativen Establishment zu entwinden, zu einem nationalistisch-populistischen Kampfbund zu machen und einen Personenkult um sich zu inszenieren? Trumps Siegeszug ist nur vor dem Hintergrund der jahrzehntelangen politischen und gesellschaftlichen Polarisierung der USA zu verstehen, die auch den Charakter der amerikanischen Parteien radikal veränderte. Darüber hinaus profitierte er davon, dass ihn seine Gegner fortgesetzt unterschätzten und die US-Institutionen nach seinem Putschversuch 2021 eklatant versagten. Derzeit steht Trump im Zenit seiner Macht, aber die Zukunft der MAGA-Bewegung ist ungewiss.

Triebkräfte der Polarisierung

Nach dem Zweiten Weltkrieg sahen sich die USA als Staatsbürgerkultur, in der ein breiter "liberaler Konsens" herrschte. Doch in den 1960er Jahren zerbrach dieser Konsens über den Vietnamkrieg, den "Rassenkonflikt" und die Kulturrevolution der Radical Sixties. Im späten 20. Jahrhundert veränderten dann Globalisierung, Masseneinwanderung, der radikale Wandel der sozialen Werte und der Geschlechterrollen sowie die Medienrevolution die Gesellschaft und Politik fundamental. Die beiden großen Parteien, die lange als austauschbar galten, sortierten sich in identitätspolitische Lager. Seit den 1990er Jahren repräsentieren die Demokraten das multiethnische, liberale und säkulare Amerika der Großstädte und Küstenstaaten, die Republikaner das traditionalistische, überwiegend weiße, ländliche und religiöse Milieu. Im Kern liegt der Polarisierung ein seit Jahrzehnten schwelender Konflikt über die nationale Identität und die Grundwerte der USA zugrunde.

Der soziale, demografische und kulturelle Wandel der US-Gesellschaft seit dem späten 20. Jahrhundert ist maßgeblich von der Globalisierung angetrieben worden. Diese, so lautet eine sozialwissenschaftliche Diagnose, habe den alten Klassenkonflikt zwischen Kapital und Arbeit durch einen neuen Antagonismus zwischen gebildeten, liberal denkenden und mobilen "Modernisierungsgewinnern" einerseits und "Modernisierungsverlierern" der alten Arbeiter- und Mittelschichten andererseits ersetzt. In vergleichender Perspektive stellt sich Trumps Aufstieg als die amerikanische Variante der nationalpopulistischen Revolte gegen die Globalisierung dar, die seit dem frühen 21. Jahrhundert die liberalen westlichen Demokratien erschüttert. Die Globalisten hätten das Volk verraten, so die populistische Botschaft, der Nationalstaat müsse endlich wieder die Kontrolle über die Politik, die Wirtschaft und die Grenzen übernehmen. Nicht nur in den USA, auch in Westeuropa kam es zu einer massiven Abwanderung der alten Arbeiterklasse ins rechtspopulistische Lager. Im Zweiparteiensystem der USA klaffte die Repräsentationslücke besonders weit, weil das Establishment beider Parteien lange Zeit eine liberale Einwanderungspolitik und den Freihandel unterstützte, obwohl Republikaner und Demokraten sich gleichzeitig erbitterte Kulturkriege lieferten.

Transformation der US-Parteien

Die Wurzeln der parteipolitischen Polarisierung reichen in die 1960er Jahre zurück, als sich der weiße Süden und die weißen Arbeiter- und Mittelschichten von der Demokratischen Partei abzuwenden begannen, weil sie sich als Verlierer der liberalen Bürgerrechtspolitik der Kennedy-Johnson-Administrationen fühlten. Nach Richard Nixons Wahlsieg 1968 diagnostizierte der republikanische Stratege Kevin Phillips "eine populistische Revolte der amerikanischen Massen (…) gegen die Mandarine des liberalen Establishments" und empfahl der GOP, sich auf den weißen Süden zu konzentrieren. Diese sogenannte Southern Strategy umfasste auch ein Bündnis mit evangelikalen Wählern, die sich in einer säkularen und freizügigen Gesellschaft immer mehr als bedrängte Minderheit empfanden. Unter Führung Ronald Reagans erzielte diese neue republikanische Koalition in den 1980er Jahren glänzende Erfolge, ohne allerdings einen neuen konservativen Konsens etablieren zu können. Nach dem Ende des Kalten Krieges verfolgte die GOP dann eine Polarisierungsstrategie, die auf den Kampf gegen big government und den angeblichen Verfall von Moral, Religion und Patriotismus setzte. Die Partei geriet immer mehr in den Bann ihrer radikalen Basis und der medialen Scharfmacher von "Fox News" und Talk-radio-Formaten.

Auch die Demokraten veränderten sich ab den 1960er Jahren grundlegend. Die Partei rückte zunächst nach links und verlor zunehmend an Rückhalt in der weißen Arbeiterschaft und im Süden. Daran änderte auch die vierjährige Präsidentschaft des glücklosen Jimmy Carter ab 1977 nichts. In den 1990er Jahren unter Bill Clinton passte sich die Partei, die sich traditionell als Interessenvertretung der kleinen Leute verstand, dem neoliberalen Zeitgeist an und vollzog, wie die amerikanische Linke insgesamt, einen Paradigmenwechsel von der Klassen- zur Identitätspolitik, in deren Mittelpunkt die Rechte ethnischer und sexueller Minderheiten stehen. Die Gewerkschaften wurden entmachtet, während reiche Spender und linke Gruppen, die Reparationen für die Sklaverei und offene Grenzen für Einwanderer forderten, an Einfluss gewannen. Kritiker beklagten, dass sich die Partei von der Arbeiterklasse ab- und stattdessen den "Yuppies" zugewendet habe, doch spiegelte die neue demokratische Wählerkoalition die demografischen Trends der multiethnischen und postindustriellen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts wider. Während die republikanische Basis überproportional aus älteren, weißen, auf dem Land lebenden und evangelikalen Wählern bestand, waren die Demokraten in den Segmenten stark, deren Anteil an der Wählerschaft beständig stieg: ethnische Minderheiten, gebildete Weiße, Frauen und junge Wähler. Ihr demografischer Vorteil, so das Kalkül der Parteistrategen, werde der Partei langfristig eine strukturelle Mehrheit sichern. Barack Obamas Wahlsiege 2008 und 2012 schienen diese Prognosen zu bestätigen.

Auch die republikanische Führung sah die Notwendigkeit, die Partei für Minderheiten zu öffnen, doch ließ sich der Kurswechsel nicht gegen die eigene Basis durchsetzen. Ein wichtiger Grund dafür war das Vorwahlsystem, das beide Parteien seit den 1970er Jahren eingeführt hatten, um die Kandidatenauswahl zu demokratisieren. Aber die alten "Parteibosse", so sehen es die Skeptiker, waren eben auch Torwächter, die radikalen Außenseitern meist den Weg verstellten. Tatsächlich haben die primaries vor allem die Rolle der ideologisch motivierten Aktivisten gestärkt, mit der Folge, dass die Kandidaten vor allem die Basis hofieren (müssen), statt sich um Wechselwähler zu bemühen. Der Machtverfall des Establishment-Konservatismus war bereits am Ende der Amtszeit von George W. Bush 2009 evident, mit Trumps Auftritt trat er in eine akute Phase.

Von der Tea Party zu MAGA

Die Große Rezession von 2008/09 setzte ein lange angestautes Wut- und Protestpotenzial unter Amerikas Wählern frei. Auf der Linken manifestierte es sich in der kurzlebigen Occupy-Wall-Street-Bewegung, auf der Rechten in der sogenannten Tea Party. Die Tea Party – benannt nach der Boston Tea Party von 1773, einem Schlüsselereignis der Amerikanischen Revolution – formierte sich 2009 im Protest gegen die Krisenpolitik der Obama-Administration, die ihre Anhänger als vermeintlichen Einstieg in den Sozialismus ablehnten. Anfangs galt die Bewegung vielen Beobachtern als Geschöpf reaktionärer Medien und Milliardäre, aber bald zeigte sich, dass sie über eine starke Gefolgschaft unter den Republikanern verfügte. Ihre Anhänger wollten keine eigenständige Partei, sondern revoltierten gegen die sogenannten RINOs – "Republicans in name only" – womit alle Republikaner gemeint waren, die zu Kompromissen mit Obama bereit sein könnten.

Eric Cantor, der republikanische Fraktionsführer im Repräsentantenhaus, verlor 2013 überraschend die Vorwahl gegen einen unbekannten Tea-Party-Kandidaten, weil er durch moderate Äußerungen in der Einwanderungspolitik das Missfallen der Rechtspopulisten erregt hatte. Allerdings fehlten der Tea Party organisatorische Stabilität und ein nationaler Führer. In diese Lücke stieß Trump, der sich bereits als lautstarker Sponsor der "Birthers" in Stellung gebracht hatte. Diese behaupteten wahrheitswidrig, Barack Obama sei nicht in den USA geboren und daher nicht für das Präsidentenamt qualifiziert. Bis zu einem Fünftel der Wähler schenkte den "Birthers" dennoch Glauben.

Das Klischee von der "feindlichen Übernahme" der GOP durch Trump führt in die Irre, denn MAGA war keine neue, von Trump geschaffene Bewegung, sondern repräsentierte, wie schon die Tea Party, den aktivistischen Kern der Republikanischen Partei. Wie schnell der politische Aufsteiger die Parteibasis auf seine Person einzuschwören vermochte, war allerdings überraschend. Trump erwies sich als begnadeter Demagoge, der seinen Anhängern eine "alternative Wirklichkeit" bot, in der ihre emotionalen Wahrheiten und ihre Wut Resonanz fanden. "Wut ist in Ordnung!", lautete sein Credo, "Wut und Energie sind, was dieses Land braucht!" Seine Anhänger empfanden seine Vulgarität und Provokationen nicht nur als politisch befreiend, sondern auch als unterhaltsam. Auch weil Trump wie ein Entertainer auftrat, genoss er pausenlose Medienaufmerksamkeit.

Vor allem profitierte Trump davon, dass er fortgesetzt unterschätzt wurde. Die Vorstellung, die amerikanischen Wähler könnten einen politischen Scharlatan ohne jede Erfahrung in öffentlichen Ämtern zum mächtigsten Mann der Welt machen, erschien schlicht absurd. Das republikanische Partei-Establishment ignorierte ihn zunächst. Als er im Mai 2016 überraschend als Sieger der Vorwahlen feststand, erklärten sich mehrere Parteigranden und "prinzipienfeste" konservative Intellektuelle zu "Never Trumpers", doch blieben sie in der Partei isoliert.

Bei Liberalen und Progressiven herrschte die Überzeugung, dass Amerika mit der Präsidentschaft Obamas die Schwelle zur multiethnischen Demokratie überschritten habe und es kein Zurück in die alten Zeiten weißer, männlicher Vorherrschaft mehr geben könne. Die vermeintliche Gewissheit, dass Trump nur der clowneske Wiedergänger einer untergegangenen Epoche sei, spiegelte sich 2016 in der Kandidatur Hillary Clintons. Nach dem ersten Afroamerikaner im Amt sollte nun erstmals eine Frau Präsidentin werden. Die unerwartet starke Konkurrenz, die ihr der "demokratische Sozialist" Bernie Sanders in den Vorwahlen machte, legte jedoch ihre Schwachstellen bloß. Clinton pflegte gute Beziehungen zur Wall Street und war bei den working classes ziemlich unbeliebt. Ihre berüchtigte Schmähung der Trump-Wähler als die "Bedauernswerten" (deplorables), die in ihren rassistischen, sexistischen und homophoben Vorurteilen gefangen seien, werteten Kritiker nicht zu Unrecht als Beleg dafür, wie weit sich die Demokraten von den einfachen Leuten entfernt hatten. Es war kein Zufall, dass die Kandidatin die Wahl vor allem in den Staaten des Rust Belt verlor. Mit Clintons Scheitern platzte auch die Illusion von der unschlagbaren Obama-Koalition. Demografie war eben kein Selbstläufer, denn Trump zeigte, dass mit der Mobilisierung der weißen Arbeiter- und Mittelschichten durchaus Wahlen zu gewinnen waren.

Das Comeback

Auch nach seinem überraschenden Wahlsieg nahmen viele Kommentatoren Trump nicht wirklich ernst. Bald verfestigte sich das Bild vom "Chaos-Präsidenten", der unterunterbrochen seinen Größenwahn ausleben wollte, aber mit der Macht wenig anzufangen wusste. Jedoch blieb Trump mit scharfem Machtinstinkt der Strategie treu, die ihn ins Weiße Haus geführt hatte. Seine hemmungslose Demagogie und grandiose Selbstinszenierung erfüllten immer auch den Zweck, seinen Anhängern zu beweisen, dass er nach wie vor ihr Mann war. Vor allem behielt Trump das Ziel fest im Blick, sich mit allen Mitteln die Wiederwahl zu sichern. Im Wahlkampf 2020 ließ er keinen Zweifel daran, dass er eine Niederlage nicht akzeptieren werde, und tat alles, um die Integrität der Wahl zu diskreditieren.

Wie weit Trump zu gehen bereit war, sah indes kaum jemand voraus. Mit seiner Lüge von der gestohlenen Wahl, seinen Versuchen, Wahloffizielle zu erpressen, und mit dem von ihm angezettelten Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 stürzte er die amerikanische Demokratie in die schwerste Krise seit dem Bürgerkrieg. Daran, wie die US-Institutionen mit dem Putschversuch durch einen abgewählten Präsidenten umgehen würden, musste sich zeigen, wie wehrhaft Demokratie und Rechtsstaat waren. Eine Rückkehr an die Macht schien nach diesem Schurkenstück ausgeschlossen. Doch die Geschichte von Trumps Comeback begann bereits im Januar 2021. Es ist die Geschichte des fortgesetzten Versagens seiner Gegner und der amerikanischen Institutionen, und sie belegt, wie fest Donald Trump die GOP weiterhin im Griff hatte.

Meinungsumfragen zufolge glaubten drei Viertel der republikanischen Wähler an Wahlbetrug, und nicht mal ein Drittel schrieb Trump eine Mitverantwortung für den Sturm auf das Kapitol zu. Die republikanische Führung im Kongress verweigerte sich dem von der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi eingeleiteten Amtsenthebungsverfahren mit dem Argument, Trump sei ja nicht mehr im Amt. Dieser wiederum drohte, bei den nächsten Vorwahlen gegen alle Abweichler Wahlkampf zu machen. Lediglich sieben republikanische Senatoren stimmten für das Impeachment, sodass die für eine Verurteilung erforderliche Zweidrittelmehrheit klar verfehlt wurde. Anschließend boykottierten die Republikaner den Untersuchungsausschuss zum 6. Januar 2021. Die beiden Trump-Gegner Liz Cheney und Adam Kinzinger, die in dem Gremium mitgearbeitet hatten, wurden praktisch aus der Partei geworfen, weil sie sich an einer von den "Demokraten inszenierten Verfolgung einfacher Bürger beteiligt [hätten], die an einem legitimen politischen Diskurs teilnahmen".

Derweil benötigte das US-Justizministerium zweieinhalb Jahre, bis es Trump wegen seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol anklagte. Da war freilich längst absehbar, dass Trump gute Chancen auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur hatte und der Prozess kaum vor den Wahlen beginnen würde. Erwartungsgemäß hatte der Ex-Präsident den Obersten Gerichtshof angerufen, der sich mit seiner Entscheidung ebenfalls viel Zeit ließ. Das Urteil, das der Supreme Court schließlich am 1. Juli 2024 verkündete, gewährt Trump zwar nicht die verlangte "totale Immunität", steckt die Grenzen der präsidialen Immunität jedoch so weit, dass sie in der Praxis kaum mehr erkennbar sind. Damit war klar, dass keines der gegen Trump laufenden Verfahren bis zu den Wahlen im November zu einem rechtskräftigen Urteil führen würde. Mit seinem Wahlsieg haben sich alle Anklagen erledigt, weil ein amtierender Präsident nicht der Strafverfolgung ausgesetzt werden darf.

Inzwischen hatte sich Trump in den republikanischen primaries mühelos durchgesetzt. Der Mordanschlag, dem er im Juli 2024 nur um Haaresbreite entging, machte ihn in den Augen vieler Anhänger endgültig zum Instrument der Vorsehung. Dagegen mussten die Demokraten den altersschwachen Präsidenten Joe Biden zum Verzicht drängen, nachdem die Fernsehdebatte mit Trump zweieinhalb Wochen zuvor für Biden zum Desaster geraten war. Die Partei nominierte im Schnellverfahren Vizepräsidentin Kamala Harris, die zumindest die Partei hinter sich bringen und das Rennen wieder offener gestalten konnte. Die Aussicht auf einen knappen und umstrittenen Wahlausgang, den fast alle Meinungsforscher prognostizierten, schürte Ängste vor neuer Gewalt, denn Trump ließ durchblicken, dass er eine Niederlage nicht akzeptieren werde. Nicht nur Linke und Liberale, auch viele prominente Konservative warnten davor, eine Wiederwahl Trumps werde die Verfassung, die Demokratie und die Sicherheit der USA gefährden. Es half nichts: Eine knappe Mehrheit der Wähler wollte ihn zurückhaben.

Landesweit trennten Trump und Harris nur etwa 2,3 Millionen Stimmen beziehungsweise 1,5 Prozentpunkte. Gleichwohl war die Niederlage für die Demokraten demoralisierend, denn Trump gewann alle sieben swing states und erzielte starke Einbrüche in demokratische Hochburgen und bei den ethnischen Minderheiten. Zudem eroberten die Republikaner den Senat und behaupteten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus. Die USA sind elektoral weiterhin in zwei fast gleichstarke Lager gespalten, aber das Winner-takes-all-Prinzip, wonach der Wahlsieger in einem Bundesstaat auch bei knappem Ausgang alle Wahlmännerstimmen erhält, sorgt dafür, dass Trump die ganze Macht zufällt.

Trumps Wahlsieg war gewiss auch den strategischen Fehlern der Demokraten und der Unbeliebtheit der Biden-Administration geschuldet. Präsident Biden hielt zu lange an seiner Kandidatur fest, und Harris konnte die Wählerbasis der Partei nicht ausreichend mobilisieren; Harris erhielt rund sechs Millionen Stimmen weniger als Biden 2020. Zudem setzten die Demokraten auf die falschen Themen. Die Abtreibungsfrage interessierte nicht mehr so stark wie bei den Zwischenwahlen 2022, und die Warnungen vor der Gefährdung der Demokratie zeigten kaum Wirkung. Demgegenüber gelang es dem Herausforderer, die Themen Inflation und illegale Immigration ins Zentrum zu rücken. Trump selbst war gar nicht besonders populär. Viele Wähler bekannten, ihn nicht zu mögen, aber wegen seiner angeblichen Wirtschaftskompetenz dennoch zu wählen. Ein moderater Republikaner, so die Einschätzung von Meinungsforschern, hätte sogar Aussichten auf einen Erdrutschsieg gehabt.

Trumps Triumph und die Zukunft von MAGA

Dennoch war die Präsidentschaftswahl 2024 kein normaler demokratischer Machtwechsel, der zustande kam, weil die Wähler das Land auf dem falschen Weg sahen und eine unpopuläre Administration dafür abstraften, dass sie die Probleme der "normalen Menschen" nicht in den Griff bekommen hatte. Dass mehr als 77 Millionen Wähler für einen Kandidaten stimmten, der vier Jahre zuvor einen Putschversuch unternommen hatte und keinen Hehl aus seiner Absicht machte, wie ein gewählter Diktator zu regieren, offenbart eine akute Legitimationskrise der liberalen Demokratie. In einer Umfrage von 2023 erklärten fast 40 Prozent aller US-Amerikaner und fast 50 Prozent der Republikaner, das Land brauche einen starken Führer, der sich auch über Regeln hinwegsetzt, um das Richtige zu tun. Trump gab ihnen genau dieses Versprechen.

Der 47. Präsident der USA, an dieser Einsicht führt seit dem 5. November 2024 kein Weg mehr vorbei, ist der authentische Führer einer starken nationalistischen Bewegung, die ihn zweimal ins Weiße Haus getragen hat. Trumps Siege belegen, dass der Nationalismus, die erfolgreichste Integrationsideologie der Moderne, im Zeitalter der Globalisierung eine kraftvolle Renaissance erlebt. Inzwischen lässt sich der Schlachtruf "Make America Great Again!" auch nicht mehr einfach mit "Make America White Again!" gleichsetzen. Schon 2016 und 2020 genoss Trump, ungeachtet seiner rassistischen Ausfälle gegen Immigranten, beachtliche Unterstützung bei Hispanics. Im vergangenen Jahr erhielt er spektakuläre 45 Prozent der hispanischen Stimmen. Auch bei Afroamerikanern konnte er dazugewinnen und kam auf rund 17 Prozent.

Noch bis vor Kurzem glaubten die meisten Politikwissenschaftler, die Republikaner seien in der demografischen Falle gefangen und würden sich ethnischen Minderheiten nicht öffnen können. Aber erstens denken auch viele Angehörige von Minderheiten, entgegen dem Bild, das sich progressive Akademiker gerne von ihnen machen, in Fragen wie Abtreibung, gleichgeschlechtlicher Ehe und Transgender-Rechten konservativer als angenommen. Und zweitens sind sie als Angehörige der Arbeiterklasse ebenfalls von Deindustrialisierung und Ressourcenkonkurrenz mit neuen Immigranten betroffen und deshalb für Trumps America-First-Nationalismus empfänglich, sofern dieser einigermaßen "farbenblind" daherkommt.

Zeichnet sich also eine "Trump-Koalition" ab, die sich, ähnlich wie die New-Deal-Koalition der Demokraten Mitte des 20. Jahrhunderts, auf die gemeinsamen ökonomischen Interessen der "kleinen Leute" gründet? Dass mehr als 60 Prozent der Wähler ohne College-Abschluss für Trump gestimmt haben, macht MAGA objektiv zur Bewegung der working classes, während die Demokraten immer mehr zur Partei der gebildeten und gutverdienenden Eliten werden. Traditionelle Demokraten fordern seit Längerem eine Rückbesinnung auf Wirtschaftswachstum und Chancengleichheit und eine Abkehr von politischer Korrektheit, Identitätspolitik und offenen Grenzen. Wie die Demokraten wieder zur "Partei des Volkes" werden können, steht freilich dahin. Die Biden-Administration betrieb seit 2021 eine wirtschaftsnationalistische Investitions- und Infrastrukturpolitik und distanzierte sich von Neoliberalismus und Globalisierung, dennoch gewann Trump bei den working classes weiter an Unterstützung.

Dass die Arbeiter- und unteren Mittelschichten die elektorale Basis der Republikaner bilden, bedeutet indessen nicht, dass die GOP, traditionell die Partei der Wirtschaft und des Marktradikalismus, tatsächlich Politik für die breite Bevölkerung macht. Bereits vor zwanzig Jahren beklagte der Journalist und Historiker Thomas Frank in seinem Buch "What’s the Matter with Kansas?", der neue populistische Konservatismus sei eine "Bewegung der Arbeiterklasse, die der Arbeiterklasse historischen Schaden" zufüge. Die Steuergeschenke, die Trump in seiner ersten Amtszeit verteilte, kamen in erster Linie oberen Schichten zugute, und seit dem 20. Januar 2025 kann man sich erneut kaum des Eindrucks erwehren, dass die Stimmen der working classes die Plutokratie an die Macht gebracht haben, die nun ihre Ideen von einem Anarchokapitalismus umzusetzen versucht. Allerdings dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die Basis der MAGA-Bewegung gegen den direkten politischen Einfluss der Tech-Milliardäre aufbegehrt, die eigentlich die globalistische Elite repräsentieren und von Einwanderung und Freihandel profitieren. Die MAGA-Nationalisten dagegen stehen für rigide Einwanderungsbeschränkungen und Protektionismus. Ihr Vordenker Steve Bannon polemisiert bereits kräftig gegen den "Technofeudalismus" und Elon Musk, der als Tesla-Chef zum reichsten Mann der Welt und in der zweiten Trump-Administration zu einem der engsten Berater des Präsidenten geworden ist. Vermutlich wird es nicht allzu lange dauern, bis die XXL-Egos von Musk und Trump aneinandergeraten.

Bislang ist Trumps Führungsanspruch unangefochten, aber angesichts seines Alters und seiner begrenzten Amtszeit stellt sich die klassische Frage nach der Zukunft einer Bewegung, der ihr Führer abhandenkommt. Vor den Wahlen hofften Liberale ebenso wie traditionelle Konservative, dass MAGA im Falle einer Niederlage Trumps zerfallen werde. Andere Beobachter bewerteten die Nominierung von JD Vance zum Vizepräsidentschaftskandidaten dagegen als Signal, dass dieser Trumps politisches Erbe antreten solle und MAGA kein kurzlebiger Personenkult bleiben, sondern sich als dauerhafte nationalistisch-populistische Kraft etablieren werde. Zugleich wird seit Langem darüber spekuliert, ob Donald Trump, dem nicht zu Unrecht ein vormodernes Verständnis von Macht und Herrschaft nachgesagt wird, nicht doch eine Familiendynastie anstreben könnte.

Wer auch immer Trumps politisches Erbe antreten wird: Es wird vergiftet sein. Dass die Grand Old Party in absehbarer Zeit wieder zu einer respektablen konservativen Partei werden wird, erscheint höchst unwahrscheinlich. Schon vor Trump hatten sich die Republikaner radikalisiert, doch spätestens mit ihrer Reaktion auf den 6. Januar 2021 haben große Teile der Partei den demokratischen Konsens aufgekündigt. Wie die amerikanische Demokratie unter diesen Umständen in Zukunft funktionieren kann, ist eine offene Frage.

ist Curt-Engelhorn-Stiftungsprofessor für Amerikanische Geschichte am Historischen Seminar der Universität Heidelberg.