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Tough an der Wahlurne | MAGA | bpb.de

MAGA Editorial Auf dem Weg in den autoritären Staat? Gefährdungen und Selbstbehauptung der US-Demokratie America First. Zur Geschichte US-amerikanischer Nationalismen Make The Donald Great Again. Trumps Aufstieg und Comeback in einer polarisierten Gesellschaft Tough an der Wahlurne. Zur Rolle von Männlichkeit in der amerikanischen Politik Could This Be Great? Trump als Chance Noch Alliierte oder schon Gegner? Europas schwieriger Balanceakt im Zeitalter von Trump 2.0 Make China Great Again. Trump und der Systemkonflikt zwischen den USA und China

Tough an der Wahlurne Zur Rolle von Männlichkeit in der amerikanischen Politik

Monika L. McDermott

/ 17 Minuten zu lesen

Trumps Wahlsiege 2016 und 2024 sind auch auf eine Krise der Männlichkeit zurückzuführen. Die Globalisierung und die Ausweitung von Frauen- und Minderheitenrechten haben ihr zugesetzt. Trumps hegemoniale Männlichkeit verfängt zunehmend auch bei Minderheiten.

Die Verbindung von Männlichkeit und politischer Macht hat in den USA eine lange Tradition. Das zeigt sich nicht zuletzt beim höchsten Amt des Landes, dem Präsidenten. Viele Präsidenten pflegten ihr Image als tough guy und eine damit verbundene spezifische Form des männlichen Auftretens. So präsentierte sich der Republikaner Theodore "Teddy" Roosevelt (1901–1909) gern als Gewehr schwenkender Abenteurer hoch zu Ross im damaligen "Wilden Westen". Der Demokrat Lyndon B. Johnson (1963–1969) oder "LBJ", wie er allgemein genannt wurde, gab sich als good ol’ boy, als kumpelhafter Typ aus dem ländlichen Texas, der kein Blatt vor den Mund nahm, wenn es um seine Männlichkeit ging, die er stolz "Jumbo" nannte. Selbst Ronald Reagan (1981–1989), der sich ursprünglich als Schauspieler einen Namen gemacht hatte – nicht gerade der härteste oder männlichste aller Berufe – erfand sich neu und zeigte sich im Präsidentschaftswahlkampf als Cowboy, der den Kommunisten die Stirn bot. George W. Bush kaufte zur Vorbereitung auf seine Wahlkampagne ums Weiße Haus im Jahr 2000 sogar eine Ranch in Texas, damit Reporter ihn mit seinem Pick-up oder beim Roden von Gestrüpp fotografieren konnten – eine wahrhaft männliche Betätigung.

Das soll nicht heißen, dass nur harte Kerle Präsident der USA werden können, doch es hat denjenigen, die dieses Image pflegten, sicher nicht dabei geschadet, die Öffentlichkeit für sich einzunehmen – und schließlich an die Macht zu kommen. So gaben bei einer Umfrage, die im März 1971 zu Richard Nixon erstellt wurde, 63 Prozent der Befragten an, dass ihr idealer Präsident in Bezug auf die Fähigkeit, hart durchzugreifen (toughness), auf einer Skala von 1 bis 7 über dem Mittelwert liegen sollte, und 93 Prozent wünschten sich das in Bezug auf seine Stärke (strength).

Ein tough guy zu sein, ist zwar nur ein Aspekt der Maskulinität, er war in der US-amerikanischen Kultur und ihrer Vorstellung von Männlichkeit aber schon immer von maßgeblicher Bedeutung. In jüngerer Zeit haben jedoch viele in den USA, vor allem Männer, das Gefühl, diese Männlichkeit sei in Gefahr. Im Zuge der Globalisierung sank die Zahl der Stellen für typisch "männliche" Arbeit in den USA massiv – etwa im Bereich der gewerkschaftlich organisierten Fabrikarbeit. In Verbindung mit der zunehmenden wirtschaftlichen Macht und Unabhängigkeit der Frauen sehen viele dadurch traditionelle Geschlechterrollen bedroht. Der backlash gegen diese Entwicklung, vor dem Hintergrund der männlichen Führungstradition in den USA, bot ideale Bedingungen für Donald Trumps Wahl 2016 – und bietet sie bis heute.

Im Folgenden werde ich einige dieser Aspekte näher betrachten, um den Aufstieg Trumps und seiner "Make America Great Again"-Bewegung (MAGA) zu erklären. Zunächst jedoch beginne ich mit einer kurzen Definition von Männlichkeit und erläutere, wie der Begriff in diesem Beitrag verwendet wird.

Männlichkeit in den USA

Große Teile der amerikanischen Politikwissenschaften hinken bei der Unterscheidung zwischen Geschlecht und Gender anderen Disziplinen wie der Soziologie und der Psychologie hinterher, auch wenn sich allmählich Fortschritte zeigen. Einstweilen wird auf die Definitionen und Maßstäbe verwandter Fachgebiete zurückgegriffen. Wie in der Psychologie und Soziologie wird auch in diesem Beitrag Geschlecht nicht als biologische Unterscheidung zwischen Männern, Frauen und anderen definiert, sondern als soziales Konstrukt (gender), das zuweilen die biologischen Geschlechter (sex) unter Druck setzt, sich den kulturell definierten Geschlechterrollen anzupassen. Dies ist vor allem in den USA der Fall.

In ihrem maßgeblichen Werk über Maskulinität definiert die Soziologin Raewyn Connell das Ideal maskuliner Männlichkeit als eine "hegemoniale Männlichkeit", die zwar viele anstreben, aber, wenn überhaupt, nur wenige erreichen. Hegemoniale Männlichkeit beschreibt Männer an der Spitze der sozialen Geschlechter- oder Männlichkeitshierarchie. Connell beschränkt dieses Ideal auf Männer, obgleich es nach anderen Maßstäben auch bei Frauen zu beobachten ist. Obwohl Connell selbst kein zählbares Maß anlegt, wird dieses Konzept in den Sozialwissenschaften inzwischen häufig verwendet, um zu messen, wie stark in einer bestimmten Kultur männliche Stereotype unterstützt werden. Das "perfekte männliche Ideal" ist dadurch zum Maßstab geworden, um die relative Männlichkeit eines Individuums zu beurteilen.

Eine weitere Form der Bemessung von Männlichkeit, die sich mit dem Konzept der hegemonialen Männlichkeit deckt, ist die sogenannte Männlichkeitsideologie: Sie steht für das Ausmaß, in dem eine Person an den idealisierten männlichen Prototyp beziehungsweise an die traditionelle männliche Geschlechterrolle glaubt. Aus ihr entwickelten Psychologen das Male Role Norms Inventory (MRNI, deutsch etwa: Inventar männlicher Rollennormen), das mithilfe eines standardisierten Fragebogens erhoben wird. Die Maßstäbe hierfür berücksichtigen in der Regel verschiedene Teilbereiche, vor allem Selbstvertrauen und Härte, Vermeidung von Weiblichkeit, die Bedeutung von Status und Leistung sowie Aggression.

Bei Wahlen bevorzugen US-Amerikanerinnen und -Amerikaner regelmäßig Politiker, die Züge dieser "idealen Männlichkeit" aufweisen. Dieses Verhalten liegt zum Teil in der Ansicht begründet, dass Männer eben Männer und Frauen eben Frauen sein sollten – beide im traditionellen Sinne: Die Männer sollen das Geld nach Hause bringen und die Frauen sich um Haushalt und Kinder kümmern. Tatsächlich sind die Amerikaner dafür bekannt, dass sie klare und getrennte Geschlechterrollen für Männer und Frauen befürworten. So zeigt auch die Forschung, dass Menschen in amerikanischen und europäischen Kulturen eher dazu neigen, Merkmale deutlich stärker in "männliche" und "weibliche" Kategorien einzuteilen als Menschen in asiatischen oder afrikanischen Kulturen, in denen geschlechtsspezifische Merkmale nicht so scharf getrennt sind. Erfolgreiche US-Politiker sind daher, wie bereits angesprochen, häufig Personen, die sich zumindest im Auftreten besonders männlich geben.

Bedrohte amerikanische Männlichkeit

In seinem Buch "Of Boys and Men" befasst sich der Sozialwissenschaftler Richard Reeves mit den Schwierigkeiten, mit denen amerikanische Jungen und Männer heute konfrontiert sind: Jungen hinken bei der Bildung hinterher, erreichen im Vergleich zu Mädchen einen niedrigeren Notendurchschnitt und machen seltener einen Abschluss. Das hat dazu geführt, dass sich die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Bildung umgekehrt haben. Während Männer in den 1970er und 1980er Jahren bei College- und höheren Abschlüssen in der Mehrheit waren, liegen seit den 1990er Jahren die Frauen vorne. Heute ist der Anteil der Frauen, die einen Hochschulabschluss machen, 40 Prozent höher als bei den Männern. Auch auf dem Arbeitsmarkt haben Männer zu kämpfen, weil sie vom Stellenabbau im Zuge der Rezession 2007 bis 2009 deutlich stärker betroffen waren. Darüber hinaus ist auch die Vaterrolle zunehmend einem Wandel unterworfen und bietet weniger Stabilität. Da viele Männer den Familienunterhalt nicht mehr allein bestreiten, weichen traditionelle Familienstrukturen auf. Gleichzeitig gibt es kaum Unterstützung für Männer, mit dieser neuen Realität umzugehen.

In der Folge fühlen sich viele Männer "entmannt" oder zumindest in ihrer Männlichkeit bedroht. Da Männer, insbesondere weiße Männer, das Machtgefüge in den USA traditionell dominiert haben, mag vielen ihre privilegierte soziale Stellung nur recht und billig vorgekommen sein. Die angespannte wirtschaftliche Situation lässt diese Veränderungen nun weitaus gravierender erscheinen. Die im 20. und 21. Jahrhundert aufgekommenen Bewegungen für die Rechte von Afroamerikanerinnen und Afroamerikanern, Frauen und der LGBTQ+-Community wurden daher als zusätzliche Bedrohung für die Stellung weißer Männer aufgefasst. Als diesen Gruppen mehr Rechte eingeräumt wurden, begannen weiße – und auch andere – Männer, sich Sorgen um ihre eigenen Rechte zu machen, weil sie glaubten, es handele sich um eine Art Nullsummenspiel. Wenn Männern ihre privilegierte Position nie bewusst war, erscheint es ihnen also wie eine ungerechte Zurücksetzung, wenn diese Bevorteilung – ob tatsächlich oder nur in ihrer Wahrnehmung – zu erodieren beginnt.

Der backlash ließ nicht lange auf sich warten: Viele weiße Männer sahen in anderen Gruppen und allgemein in einer progressiven Politik – als Quelle verschiedener Bürgerrechtsbewegungen – eine Bedrohung ihrer Männlichkeit. In einigen wenigen Fällen war diese Reaktion extrem und führte zu Gewalt. Im Großen und Ganzen aber führte sie vor allem zu Wut und Unzufriedenheit. Diese Stimmung verschärfte sich vermutlich auch deshalb weiter, weil 2008 erstmals ein Schwarzer zum US-Präsidenten gewählt wurde: der Demokrat Barack Obama, Sohn einer weißen amerikanischen Mutter und eines kenianischen Vaters.

Kurz vor Ende seiner zweiten Amtszeit folgte ein weiterer politischer Schock für das männliche Selbstverständnis: 2016 wurde Hillary Clinton zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten gekürt. Clinton war nicht nur die erste Frau, die von einer großen Partei nominiert wurde, sondern auch eine Kandidatin, die aufgrund ihrer Bekanntheit und Erfahrung durchaus Erfolgsaussichten hatte. Dies war die ultimative Kränkung für Männer, die ohnehin das Gefühl hatten, sie hätten ihre traditionelle Rolle in der Gesellschaft eingebüßt – was den männlichen backlash weiter befeuerte.

Dieser zeigt sich jüngst auch im neu entfachten Eifer, mit dem konservative Amerikanerinnen und Amerikaner traditionelle Geschlechterrollen verteidigen. Fast die Hälfte der amerikanischen Männer war 2024 der Meinung, dass Frauen wieder ihre traditionelle gesellschaftliche Rolle einnehmen sollten. Darüber hinaus vertreten fast acht von zehn republikanischen Männern und über zwei Drittel der republikanischen Frauen die Ansicht, die amerikanische Gesellschaft sei "zu weich und weiblich" geworden. All diese Emotionen – die gefühlte "Entmännlichung" der Männer, die Wut und die Unzufriedenheit – sowie der Wunsch nach traditionellen Geschlechterrollen boten Ansatzpunkte im Wahlkampf des vergangenen Jahres. Wer so empfand, war bereit für einen Kandidaten, der Menschen wie sie in den Vordergrund stellen würde, der Männern die Aufmerksamkeit zuteilwerden ließ, die sie ihrer Meinung nach verdienten, und gleichzeitig die Opposition als Schreckgespenst oder Monster darstellte, das ihnen das alles eingebrockt hatte.

Trumps erster Triumph: MAGA 2016

Donald Trump – Milliardär, Geschäftsmann, Playboy und ehemaliger Reality-TV-Star – hatte schon einige Zeit mit dem Gedanken geliebäugelt, sich als Präsidentschaftskandidat aufstellen zu lassen, bevor er sich 2016 schließlich wirklich dafür entschied. In Interviews nannte er den wesentlichen Grund für seine Kandidatur: Aufmerksamkeit und Ansehen. Das Streben nach der Präsidentschaft hatte er schon länger als Selbstvermarktungsstrategie genutzt – eine mögliche Kandidatur hatte er bereits 1987 erwähnt, als sein Buch "The Art of the Deal" erschien. Indem er immer wieder darüber sprach und mit seinem Namen und seinen groß angelegten unternehmerischen Aktivitäten auffiel, blieb er als (potenzieller) politischer Akteur präsent, wenn auch zunächst nur am Rande. 2016 schien sowohl aus persönlicher wie geschäftlicher Perspektive der richtige Zeitpunkt gekommen. Dank der Reality-TV-Show "The Apprentice" und dem damit verbundenen Promi-Status war er einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Und er wusste, dass die Präsidentschaftskandidatur, selbst wenn er die Wahl nicht gewinnen sollte, ihm neue geschäftliche Möglichkeiten eröffnen würde. Er hatte also sowohl die Mittel als auch ein Motiv.

Und er hatte eine günstige Wahlgelegenheit. Trump hatte stets das Leben eines Alphamännchens geführt – umgeben von viel Geld, schönen Frauen und mit der Einstellung, die Welt liege ihm zu Füßen. Im Grunde verkörperte er das Bild des hegemonialen amerikanischen Mannes, das viele Männer anstrebten. Damit schien er perfekt geeignet für die Rolle des Anführers, den das Land nach Ansicht vieler, meist weißer, Männer brauchte. Und, ein weiterer wichtiger Faktor: Er folgte auf den ersten Schwarzen US-Präsidenten. In vielerlei Hinsicht war Trump der Gegenentwurf zu Obama. Er hatte es sich zu einer Art Hobby gemacht, Obama zu bekämpfen, und ging dabei sogar so weit, dessen US-Staatsbürgerschaft infrage zu stellen, um ihn für die Präsidentschaft zu diskreditieren. Trump betrat außerdem zu einem Zeitpunkt die Bühne, als die Tea-Party-Bewegung – in erster Linie weiße "patriotische" Gegner von Obamas Politik und Präsidentschaft – gerade von ihr abtrat. Und wer wäre für einen hegemonialen Mann im Kampf um die Präsidentschaft besser als Gegner geeignet als eine starke und maskulin wirkende Frau?

Donald Trump passte sich den Gegebenheiten nahezu perfekt an, indem er sich ungeniert mit seinen geschäftlichen und sexuellen Erfolgen brüstete. Seine berüchtigte Aussage über das Begrapschen von Frauen ("grab ’em by the pussy") oder das Theater, dass er angesichts der Behauptung machte, er habe kleine Hände – womit ein Konkurrent, der heutige Außenminister Marco Rubio, nahelegen wollte, dass Trump kleine Geschlechtsteile habe –, erinnerten an Lyndon B. Johnson und dessen Umgang mit seiner Männlichkeit. Dahinter stand das Bedürfnis, als "echter Mann" wahrgenommen zu werden, und nicht als das verwöhnte, unsportliche, reiche Kind, das er in Wirklichkeit gewesen war. Diese besondere Form der sexuellen Männlichkeit in Verbindung mit seinem offensichtlichen beruflichen Erfolg und seinen Kontakten zur Welt der Reichen und Schönen machte Trump zur Verkörperung hegemonialer Männlichkeit.

All die genannten Faktoren boten ihm im Wahlkampf 2016 Möglichkeiten, die sich in anderen Wahljahren vielleicht nicht ergeben hätten. In gewisser Weise war Trump der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Keiner seiner Konkurrenten in den Vorwahlen der Republikanischen Partei wusste die Wut der weißen Männer, die in jener Zeit unter (und häufig auch an) der Oberfläche brodelte, so zu nutzen wie Trump. Er stand für eine andere Art von Politiker, weil er kein Politiker war, und hob sich damit von seinen Konkurrenten ab. Er nahm kein Blatt vor den Mund und sprach mehr oder weniger ungefiltert aus, was ihm in den Kopf kam. Doch keine Peinlichkeit und kein Tabubruch fiel auf ihn zurück, wie es bei anderen Kandidaten, deren Persönlichkeit weniger gefeiert wurde, wohl der Fall gewesen wäre. Stattdessen fand er damit genau bei denjenigen Anklang, die nur darauf warteten, endlich offen darüber zu diskutieren, was mit den USA angeblich nicht stimmte: bei wütenden Männern. Trumps hegemoniale Männlichkeit und deren unverhohlene Zurschaustellung – von unflätigen Bemerkungen über Frauen bis hin zur offenen Ablehnung politischer Korrektheit oder gar der Androhung körperlicher Gewalt gegen Demonstranten bei seinen Auftritten – waren Balsam für Männer mit einer beschädigten Männlichkeit.

Der vielleicht erfolgreichste Faktor in Trumps Wahlkampf war sein Slogan, den er von Ronald Reagans Kampagne 1980 übernommen hatte: "Make America Great Again". Obwohl er sehr vage blieb, auf welche Zeit sich dieses "Wieder" bezog und wie diese Größe damals ausgesehen hatte, weckte Trump damit nostalgische Sehnsüchte bei all jenen, die sich eine Zeit zurückwünschten, als Männer in ihren Augen noch Männer sein durften. Trump erlaubte den weißen Männern, die Opfer zu sein, als die sie sich selbst wahrnahmen – er gab ihnen praktisch die ausdrückliche Genehmigung dafür. Damit stand er in deutlichem Kontrast zur Demokratischen Partei und der politischen Linken, die die Klagen weißer Männer – ob nun zu Recht oder zu Unrecht – als anstößig empfanden. Und das alles sprach nicht nur weiße Männer an, sondern die Arbeiterklasse im Allgemeinen: junge Wähler, die sich Sorgen um ihr wirtschaftliches Auskommen und ihre berufliche Zukunft machten, und diejenigen mit geringerer Bildung. In vielen dieser Gruppen waren auch Frauen, die sich Sorgen um die Ausrichtung des Landes und die traditionellen Geschlechterrollen machten – denn auch viele Amerikanerinnen glauben an die Männlichkeitsideologie und unterstützen traditionelle männliche und weibliche Rollen.

Dass Trump viele weiße männliche Stimmen erhielt, zeigt die Nachwahlbefragung 2016: Im Vergleich zum 2012 unterlegenen republikanischen Kandidaten Mitt Romney legte Trump 2016 unter den Männern um fünf Prozentpunkte zu. Außerdem gewann er gegenüber 2012 fünf Prozentpunkte in der jüngsten Wählergruppe (18- bis 29-Jährige), zehn Prozentpunkte unter Wählern mit einem College- oder Junior-College-Abschluss und erstaunliche 14 Prozentpunkte bei Weißen ohne College-Abschluss. Trump erzielte auch einen hohen Stimmenzuwachs bei Wählern mit niedrigem Einkommen. Sein Erfolg im Rust Belt, dem einstigen Industriezentrum im Nordosten der USA, wo viele Männer ihre Arbeit verloren hatten, gründete auf diesem Zuwachs und verschaffte ihm die erforderlichen Wahlmännerstimmen, obwohl er nicht die Mehrheit aller Wählerstimmen (popular vote) für sich verbuchen konnte.

Alles in allem sicherte Trump sich die "Männlichkeitsstimmen" (masculinity vote), also derjenigen, die jemanden wie ihn geradezu herbeigesehnt hatten. Laut einer Untersuchung der Psychologen Theresa K. Vescio und Nathaniel E.C. Schermerhorn war hegemoniale Männlichkeit – gemessen als Männlichkeitsideologie – sowohl bei den Wahlen 2016 als auch 2020 ein wesentlicher Faktor für die Stimmabgabe zugunsten Trumps. Bei der Wahl 2020 schien die breite Öffentlichkeit allerdings genug zu haben von seiner unverhohlenen Maskulinität und Negativität. Einer Studie des Pew Research Center zufolge waren 2019 mehr als acht von zehn US-Bürgerinnen und -Bürgern der Ansicht, dass die politische Debatte in den USA sehr negativ, weniger respektvoll und weniger faktenbasiert geworden sei. Vielleicht hatte sich Trump mit seinem Versprechen, in Washington den "Sumpf trockenzulegen", selbst ein Bein gestellt. Nun war schließlich er der amtierende Präsident und wurde für das geringe Vertrauen in die Regierung und die Unzufriedenheit damit, wie die Dinge angegangen wurden, verantwortlich gemacht.

Wiederaufstieg von MAGA 2024

Die Wahl 2024 wies zahlreiche Parallelen zur Wahl 2016 auf. Die Unzufriedenheit unter weißen Männern bestand nach wie vor, womöglich war sie sogar noch gewachsen. Zudem glaubten viele, 2020 sei Trump der Wahlsieg gestohlen worden. Darüber hinaus trat Trump wieder gegen eine Frau an, dieses Mal gegen eine Kandidatin mit indisch-afrokaribischen Vorfahren. Kamala Harris stieg erst spät in den Ring, nachdem Präsident Joe Biden sieben Wochen vor dem Wahltag zurückgezogen hatte. Trump hatte nicht nur erneut weibliche Konkurrenz, sondern auch wieder den Vorteil, nicht der aktuelle Amtsinhaber zu sein. Harris versuchte zwar, sich von Bidens Wirtschaftspolitik zu distanzieren, hatte damit jedoch keinen Erfolg.

Und so konnte Trump mit seiner MAGA-Botschaft erneut punkten, vor allem bei der Arbeiterklasse. Doch auch in einstigen Hochburgen der Demokraten gewann Trump bei männlichen People of Color verblüffend viele Stimmen hinzu. Zum ersten Mal verfing sein Appell an die Männlichkeit auch jenseits der angestammten weißen Wählergruppe. Zwischen 2016 und 2024 hatte sich für Männer in den USA nicht viel geändert, der Negativtrend hatte sich allenfalls noch verschärft. Von Arbeitsplatzverlusten waren weiterhin überwiegend Männer betroffen, während die Beschäftigungsquote bei Frauen gestiegen war.

Arbeitsplätze und Wirtschaft waren 2024 die dominierenden Wahlkampfthemen – was sich für Amtsinhaber häufig nachteilig auswirkt. Gerade erwerbslosen Männern erschien Trump als Heilsbringer. Und dieses Mal stieß er ethnische und andere Minderheiten nicht mit saloppen Sprüchen vor den Kopf, die viele als rassistisch oder zumindest als Provokation betrachteten, sondern setzte sich für ihre Sache ein – auch wenn er sich dabei nicht politisch korrekt ausdrückte. Beim TV-Duell gegen Biden im Juni 2024 sagte Trump über Einwanderer: "Sie nehmen Black jobs, sie nehmen Hispanic jobs, aber das Schlimmste, was in unserer Geschichte passieren wird, das werdet ihr erst noch sehen." Trump bemühte sich, seine Position auszubauen, um auch bei denen anzukommen, die nicht zu seiner weißen männlichen Stammwählerschaft gehörten. Und die Strategie ging auf.

Trumps hegemoniale Männlichkeit zog auch bei Schwarzen Männern und Latinos. Mit Harris als Gegenkandidatin hatte Trump es zwar bei Schwarzen Frauen schwerer – sie konnten Harris mehr abgewinnen als Biden –, gleichzeitig legte er aber bei Schwarzen Männern im Vergleich zu 2016 um acht Prozentpunkte auf nun 21 Prozent zu. Das ist bei Weitem nicht die Mehrheit, jedoch eine deutliche Verbesserung. Sein Abschneiden unter lateinamerikanischen Männern war noch verblüffender: Hier gewann Trump mit einem Vorsprung von zehn Prozentpunkten vor Harris und schaffte damit eine deutliche Trendwende, denn 2016 hatte er hier noch 31 Prozentpunkte hinter Clinton gelegen. Bei den Latinas steigerte sich Trump 2024 von 25 auf 39 Prozent und lag damit nur noch 19 Prozentpunkte hinter Harris – in einer Gruppe, bei der er acht Jahre zuvor noch 44 Prozentpunkte hinter Clinton gelegen hatte. Auch in anderen Hochburgen der Demokraten konnte Trump mit seiner männlichen MAGA-Botschaft Harris Stimmen abjagen. Seine Unterstützung bei People of Color mit geringer formaler Bildung stieg im Vergleich zu 2016 um 14 Prozentpunkte auf 34 Prozent. Und bei den jüngsten Wählerinnen und Wählern konnte er den Vorsprung der Demokraten auf 11 Prozentpunkte begrenzen – 2016 hatte er noch 19 Prozentpunkte betragen.

Unter den jungen Wählerinnen und Wählern ließ sich bei der Wahl 2024 eine große geschlechterspezifische Diskrepanz ausmachen – was vor allem an den jungen weißen Männern lag, die in Scharen zu Trump strömten. Er lag in dieser Gruppe 28 Prozentpunkte vor Harris. Überhaupt fiel das Wahlergebnis 2024 bei jungen Wählerinnen und Wählern stärker republikanisch und konservativ aus als üblich. Da ist es auch kein Zufall, dass Trump zum ersten Mal die Mehrheit der Erstwählerinnen und -wähler von sich überzeugen konnte.

Dabei wurde er unter anderem von seinem Sohn Baron unterstützt, der selbst im College-Alter war und seinem Vater riet, die vielen Podcasts zu nutzen, die nicht zuletzt auch aufgrund der Männlichkeitskrise in den USA wie Pilze aus dem Boden geschossen sind. Und so trat Trump in etablierten Podcasts wie dem von Joe Rogan auf, aber auch in neueren, die als hang-outs for bros gelten, und nutzte sie als politische Plattform und reichweitenstarkes Megafon. Bislang gibt es noch keine wissenschaftlichen Studien zu diesen Podcasts, ihrer Hörerschaft und ihrem Einfluss auf Trumps Stimmenanteil – doch war es sicher nicht von Nachteil, unzufriedene junge Männer auf diese Weise anzusprechen.

Fazit

Wie schon festgestellt, war Donald Trump vermutlich der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort, um die Krise der amerikanischen Männlichkeit für sich zu nutzen. Die Daten und Fakten sprechen jedenfalls dafür. Trumps Auftreten im Wahlkampf – das übrigens, so berichten Beobachter, auch nicht anders sei als sein sonstiges Auftreten – war extrem maskulin.

Dafür wird häufig, zum Teil auch in akademischen Kreisen, der Begriff "toxische Männlichkeit" verwendet. Das Problem ist nur, dass es keine wissenschaftliche Definition dieser "toxischen Männlichkeit" gibt. Der Begriff ist zudem ein normatives Statement, doch in den Sozialwissenschaften ziehen wir es vor, diese Art von Werturteil zu vermeiden. Vielleicht wäre "Hyper-Maskulinität" der bessere Ausdruck, um Trumps Selbstinszenierung zu beschreiben. Ob nun definiert in Hinblick auf Persönlichkeitsmerkmale, männliche Idealformen oder die Männlichkeitsideologie – Trumps Verhalten liegt auf jeden Fall am äußersten Ende der Skala männlicher Performance.

Aus dem Englischen von Heike Schlatterer, Pforzheim.

ist Professorin für Politikwissenschaften an der Fordham University, New York. Zuletzt erschien von ihr als Herausgeberin "Masculinity in American Politics" (NYU Press 2025).