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„Man kann einen Reichsbürger nicht überzeugen“ | Reichsbürger | bpb.de

Reichsbürger Editorial Wer sind die Reichsbürger? „Man kann einen Reichsbürger nicht überzeugen“. Von Fantasietiteln bis zur Kettensäge: Ein Gespräch mit Andreas Ferkau über Einschüchterung, Behördenalltag und die Grenzen von Bürgerfreundlichkeit Verschwörungsideologischer Souveränismus und Rechtsextremismus Die Prozesse gegen die Gruppe Reuß. Einblicke in das Denken der Angeklagten Ideologische Brücken. Über den Zusammenhang von Esoterik, Rechtsextremismus und dem Reichsbürgermilieu Exportierte Staatsverweigerung? Zum globalen Einfluss der US-amerikanischen Sovereign Citizens Vom Kontrollverlust zur Ideologie. Psychosoziale Dynamiken der Rekrutierung von Reichsbürgern

„Man kann einen Reichsbürger nicht überzeugen“ Von Fantasietiteln bis zur Kettensäge: Ein Gespräch mit Andreas Ferkau über Einschüchterung, Behördenalltag und die Grenzen von Bürgerfreundlichkeit

Andreas Ferkau

/ 11 Minuten zu lesen

Herr Ferkau, Sie haben viele Jahre im kommunalen Außendienst gearbeitet und sind heute unter anderem in der Aus- und Weiterbildung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes tätig. Wann sind Sie erstmals mit Reichsbürgern oder Staatsverweigerern in Berührung gekommen?

– Zum ersten Mal bin ich sogenannten Reichsbürgern etwa 2012 oder 2013 begegnet. Damals gab es in Magdeburg einen selbsternannten „Reichskanzler“, einen älteren Herrn, der eine Wäscherei betrieb und behauptete, sein Geschäft sei „exterritoriales Gebiet“. Das hieß, die Behörden hätten dort keinen Zutritt.

Wie zeigt so jemand typischerweise seine Gesinnung? Was erlebt man da konkret?

– Viele Reichsbürger zeigen ihre Haltung offen – durch Schilder, Plaketten oder Urkunden. Fährt man zu ihnen, sieht man oft alte kaiserliche Reichsadler oder Aufschriften wie „Deutsches Reich“, „Grafschaft XY“ oder „Selbstverwaltung XY“. Und die Menschen sagen es einem auch direkt: Nach der Begrüßung kommt meist sofort der Satz, man habe hier keine Rechte, sei „Personal der BRD GmbH“ – eben diese Standardformulierungen. Da ist kein Spielraum für Missverständnisse, man merkt sofort, woran man ist.

Der Umgang mit Reichsbürgern ist für viele Beschäftigte in Verwaltungen eine große Belastung. Wie genau äußert sich das?

– Die Kolleginnen und Kollegen schildern die Probleme meist in zwei Bereichen: Zum einen gibt es persönliche Bedrohungen, die vor allem Mitarbeitende im Außendienst betreffen, beispielsweise beim Ordnungsamt, bei der Polizei – also bei der Gefahrenabwehr. Gerichtsvollzieher geraten besonders häufig in Gefahr, da sie Wohnungen oder Häuser betreten müssen. Reichsbürger neigen dazu, solche Einsätze zu filmen, ins Internet zu stellen oder die Mitarbeitenden in Fallen zu locken. Teilweise kommt es zu Übergriffen und körperlicher Gewalt. Die Mehrheit der Beschäftigten arbeitet allerdings im Innendienst, beispielsweise im Bürgerbüro, in der Stadtkasse, im Sozialamt oder im Jobcenter. Dort ist es weniger körperlich gefährlich, sondern eher psychisch belastend. Manche verweigern beispielsweise die Zahlung der Hundesteuer, da sie sich als „Graf von XY“ sehen, für den die Gesetze der BRD nicht gelten. Dann drohen sie mit absurden Strafen in Goldmark und reden von Kriegsverbrechen. Das ist natürlich völlig wirr, aber für die Mitarbeitenden trotzdem belastend. Ein erklärtes Ziel der Reichsbürger ist es, Behörden mit massenhaft unsinnigen Anträgen oder seitenlangen Schreiben lahmzulegen.

Also das, was gemeinhin als „Papierterror“ bezeichnet wird?

– Der Staatsschutz bezeichnet es als „Vielschreiberei“. Die Behörden erhalten seitenlange Texte ohne jeden inhaltlichen Wert, oft 30, 40 Seiten oder mehr. Manche fügen sogar Haarproben oder blutige Fingerabdrücke auf den Schreiben bei, da sie glauben, dass ein Schreiben nur mit einem „Blutzeichen“ gültig ist. Es kommt sogar vor, dass Zähne oder Haare aufgeklebt werden. Typisch ist auch, dass sich diese Personen nicht selbst als Reichsbürger bezeichnen. Einen Bezug zum „Dritten Reich“ vermeiden die meisten. Selbst wenn sie die Existenz der Bundesrepublik leugnen oder sich als „Graf von irgendwas“ ausgeben, bezeichnen sie sich lieber zum Beispiel als „Querdenker“, „Systemaussteiger“ oder „Alternative“. Der Begriff „Reichsbürger“ ist ohnehin unscharf. Es gibt alles Mögliche – vom Reichskanzler bis zum Selbstverwalter. Ihnen allen ist nur gemeinsam, dass sie die Existenz der Bundesrepublik leugnen. Aber sie sind keine einheitliche Bewegung. Wenn man fünf Reichsbürger an einen Tisch setzt, hat man sechs Meinungen. Sie haben allenfalls ein stilles Übereinkommen, sich gegenseitig nicht öffentlich zu widersprechen. Einige Reichsbürger wollen das „Deutsche Reich“ wiedererrichten, andere wie Peter Fitzek ein „Königreich Deutschland“. Das widerspricht sich natürlich. Für die Behörden ist das von Vorteil, da es keine geschlossene Front gibt.

Wie sollen Behörden mit dieser Vielschreiberei umgehen?

– Ideal wäre es, gar nicht erst darauf zu reagieren, aber das fällt Behörden schwer. Wir haben den Anspruch, immer und überall bürgerfreundlich zu sein und auf jedes Schreiben zu antworten. Genau das nutzen Reichsbürger aus. Man sollte kurz und sachlich antworten, etwa: „Ihr Schreiben wurde zur Kenntnis genommen, es enthält jedoch keine relevanten Angaben zum Vorgang“ – und dann nichts weiter. Wer in eine Diskussion einsteigt, hat verloren, denn daraus kann schnell eine lebhafte Brieffreundschaft entstehen.

Wie können Behörden sicherstellen, dass sie trotzdem korrekt handeln?

– Das Hauptproblem besteht darin, dass wir rechtlich verpflichtet sind, jedes Schreiben sachlich und objektiv zu prüfen. Wenn also ein 40-seitiger Brief eingeht, muss geprüft werden, ob darin ein Antrag enthalten ist. Ignorieren ist rechtlich schwierig. Trotzdem rate ich in meinen Schulungen immer: Nicht auf Diskussionen einlassen! Man kann einen Reichsbürger nicht überzeugen, das ist schlicht unmöglich. Wenn jemand wie Peter Fitzek fest daran glaubt, ein König zu sein, können Sie ihm auch zehnmal das Gegenteil beweisen, es bringt nichts.

Welche Kompetenzen sind in Ihren Mitarbeiterschulungen wichtiger: rechtliches Wissen, kommunikative Stärke oder der historische Hintergrund?

– Eigentlich alles. Das größte Problem ist heute, dass sich viele Menschen – nicht nur in der Verwaltung – kaum noch mit Politik beschäftigen. Viele wissen gar nicht mehr, wie unser Staat aufgebaut ist. Und genau das nutzen Reichsbürger aus. Wer kein Hintergrundwissen hat, kann leicht mit scheinbar logischen, aber falschen Argumenten überzeugt werden.

Wie nutzen Reichsbürger dieses Unwissen aus?

– Wenn jemand behauptet, der Bundespräsident werde gar nicht demokratisch gewählt, und der Gesprächspartner kennt sich mit der Verfassung nicht aus, dann wirkt das auf den ersten Blick plausibel. Deshalb sind Grundkenntnisse im Staatsrecht und in Politik wichtig. Aber selbst wenn man alles weiß, nützt es im direkten Gespräch mit Reichsbürgern wenig. Sie lassen sich nicht überzeugen. Das Wissen ist nur für das eigene Sicherheitsgefühl wichtig, um innerlich gefestigt zu bleiben. Die wichtigste Kompetenz ist es deshalb, nicht in endlose Diskussionen zu geraten. Das halten viele für unfreundlich, aber das Gegenteil ist der Fall. Wenn man Reichsbürgern stundenlang zuhört, während draußen andere Bürger warten, ist das letztlich unfreundlich gegenüber allen anderen.

Sind Begegnungen mit Reichsbürgern mittlerweile zum Alltag für Behörden geworden?

– Nicht überall, aber in bestimmten Bereichen sehr häufig. Vor allem zwei Bereiche sind betroffen: Erstens die Finanzverwaltung, beispielsweise Stadtkassen, Vollstreckung, Ordnungswidrigkeiten und Verkehrsdelikte. Überall dort, wo es ums Geld geht, treten Reichsbürger besonders häufig auf. Zweitens der Vollstreckungsbereich, also Kolleginnen und Kollegen, die Bußgelder eintreiben oder Maßnahmen durchsetzen, etwa wenn ein Hund nach einem Beißvorfall eingezogen werden muss.

Gibt es dabei auch offene Bedrohungen oder Übergriffe?

– Ja, wir hatten beispielsweise einen Fall, in dem jemand mit einer Holzlatte ins Amt kam, weil sein Hund eingezogen werden sollte. Solche Situationen sind zwar selten, aber sie kommen vor. In sozialen Einrichtungen wie dem Jobcenter sieht es anders aus. Dort reißen sich viele Reichsbürger zusammen, weil sie Leistungen beantragen müssen. Das Bürgergeld nehmen sie gerne an, auch wenn sie den Staat ablehnen.

Gibt es regionale Unterschiede?

– Nein, das ist ein deutschlandweites Phänomen. So hatte das „Königreich Deutschland“ zwar seinen Ursprung in Wittenberg, Sachsen-Anhalt, war aber bundesweit aktiv. Meist handelt es sich ohnehin um Einzelpersonen, die sich Fantasietitel wie „Ritter“, „Gräfin“ oder „Freie Reichsgräfin“ geben. Daneben gibt es lose Gruppierungen wie „Freie Sachsen“ oder „Preußische Provinz Sachsen“. Solche Strukturen existieren auch in Bayern, Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen.

Gibt es ein typisches Profil von Reichsbürgern?

– Typischerweise sind Reichsbürger Männer über 50 Jahren, die häufig finanzielle Probleme haben – oft ohne stabile familiäre Bindungen. Viele sind wirtschaftlich oder beruflich gescheitert und suchen in diesen Ideologien Halt oder Bedeutung. Es gibt auch Frauen, die jedoch nur etwa ein Drittel ausmachen. Man findet die Reichsbürger im ganzen Bundesgebiet, in Berlin, Hamburg, München, Köln, Magdeburg oder Aschaffenburg. Das spielt keine Rolle.

Ist es also weniger eine Frage der Region als vielmehr der persönlichen Lebenslage?

– Ja, und es ist auch kein Phänomen von Ungebildeten. Es gibt Rechtsanwälte, die solche Ansichten vertreten ebenso wie Ärztinnen. Es hat also nichts mit fehlender Bildung zu tun, sondern eher mit dem Gefühl, im Leben herabgesetzt worden zu sein. Es gibt psychologische Studien zu Reichsbürgern. Darin kommt man unter anderem zu dem Ergebnis, dass viele Reichsbürger unter Verfolgungswahn, Größenwahn oder sogenannter Querulanz leiden. Das bedeutet, dass sie sich an Kleinigkeiten hochziehen. Wenn irgendwo zehn Cent fehlen, würden Sie oder ich sagen: „Ach, komm, steck ein.“ Ein Reichsbürger würde ein vierzigseitiges Schreiben verfassen, um darzulegen, warum diese zehn Cent eine entscheidende Rolle spielen. Das führt dann auch zu Konflikten mit den Behörden. Oft beginnt es mit etwas völlig Unbedeutendem: Jemand geht mit seinem Hund spazieren, ohne ihn anzuleinen. Das Ordnungsamt spricht ihn an: „Leinen Sie bitte Ihren Hund an.“ Es geht gar nicht um ein Bußgeld. Für diesen Menschen ist das jedoch der Auftakt, um zu erklären, dass das Grundgesetz, ebenso wie das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, die Kommunalverfassung und damit auch die Hundesatzung ungültig sind. Viele Reichsbürger haben ein sogenanntes Scheinwissen. Damit können sie Mitarbeitende beeindrucken, die juristisch nicht geschult sind. Sie zitieren Paragrafen, interpretieren diese jedoch falsch.

Welche Änderungen sind rechtlich, organisatorisch oder politisch notwendig, damit Behörden und Beschäftigte besser geschützt und zugleich handlungsfähig sind?

– Im Grunde müsste die politische Ebene sagen: „Wir antworten nicht mehr auf alles, wir gehen dagegen vor.“ Ein einfaches Beispiel: Ein Reichsbürger parkt falsch, bezahlt das Bußgeld nicht, und schon entsteht ein endloses Verfahren. Es geht um 55 Euro, aber 20 Mitarbeitende sind damit beschäftigt, weil ständig neue Schreiben hin- und hergehen.

Wie könnte dieser bürokratische Aufwand verringert werden?

– Aus praktischer Sicht wäre eine echte Halterhaftung hilfreich. Der Halter des Autos bezahlt, egal, wer gefahren ist. In anderen europäischen Ländern gibt es das längst. In Frankreich beispielsweise ist es unerheblich, wer auf dem Foto zu sehen ist, wenn man geblitzt wird. Es zählt das Kennzeichen, und der Halter muss zahlen. Bei uns muss hingegen jeder Einzelfall bis ins Detail geprüft werden, was den Reichsbürgern in die Karten spielt. Ein zweiter Punkt betrifft den Aspekt der Bürgerfreundlichkeit. Es gibt Verwaltungen, die auf 30- oder 40-seitige Reichsbürger-Schreiben mit ebenso umfangreichen Antworten reagieren. Das kostet enorme Zeit, die für Unsinn aufgewendet wird. Man müsste sich trauen, zu sagen: „Darauf antworten wir nicht mehr.“ In Bayern gibt es zum Beispiel eine entsprechende Dienstanweisung: Wenn jemand beleidigend schreibt, wird nicht mehr geantwortet. In anderen Bundesländern wie Berlin oder Hamburg ist das anders: Dort bekommt man oft trotzdem eine Antwort, selbst wenn man den Sachbearbeiter beschimpft.

Was wünschen Sie sich für Ihre Kolleginnen und Kollegen?

– Meiner Meinung nach müssen Mitarbeitende sich nicht beleidigen, bespucken oder angreifen lassen. Wichtig ist, dass sie das Gefühl haben, Rückendeckung zu bekommen – vom Stadtrat, vom Gemeinderat, vom Landtag und von ihrer Verwaltung. Das fehlt vielen. In meinen Schulungen höre ich oft, dass sich Mitarbeitende allein gelassen fühlen. Ich glaube, zwei Dinge wären wichtig: Erstens sollte rechtlich geprüft werden, ob wirklich für jede Kleinigkeit alles bis ins Detail ermittelt werden muss – Stichwort Bürokratieabbau. Zweitens sollte man den Mitarbeitenden den Rücken stärken.

Wenn Sie diese Beispiele erzählen, muss man ja manchmal schmunzeln. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass man die Sache unterschätzt, weil vieles so absurd wirkt.

– Ja, das stimmt. Wenn Sie sich Videos im Internet ansehen, in denen sich beispielsweise Herr Fitzek zum König krönen lässt, dann muss man natürlich lachen. Aber das war auch eine Schwäche der Behörden am Anfang. In den 2000er Jahren hat man sie belächelt und als Spinner oder Karnevalsverein abgetan. Der Wendepunkt kam Mitte der 2010er Jahre, als Reichsbürger begannen, sich mit Waffengewalt gegen Vollstreckungen zu wehren. Spätestens da wurde vielen Menschen und auch den Behörden klar, dass es kein harmloses Phänomen ist.

Kann das Schmunzeln also gefährlich werden?

– Das Problem ist: Die Reichsbürger glauben ihren eigenen Unsinn. Wenn Sie jemanden auslachen, der davon überzeugt ist, im Recht zu sein, provozieren Sie ihn. Er fühlt sich nicht ernst genommen und reagiert entsprechend ungehalten. Gerade bei den sogenannten Selbstverwaltern, also jenen, die zum Beispiel eigene Grafschaften gründen, ist das Ganze häufig auch mit Gewalt verbunden – und mit Geld. Das „Königreich Deutschland“ etwa hatte deutliche sektenartige Züge. Nach außen wirkt es wie eine schräge Karnevalsaufführung: Leute in Uniformen, Rollenspiel, Reichskanzler-Titel. Doch wenn man hinter die Fassade schaut, merkt man schnell, dass es um viel Geld geht, um Millionenbeträge. Wer sich damit auskennt, lacht irgendwann nicht mehr. Es mag auf den ersten Blick komisch wirken, doch der Hintergrund ist höchst problematisch.

Gibt es eine Erfahrung aus Ihrer Außendienstzeit, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

– Ja, mit einem Reichsbürger aus Magdeburg. Die Stadt hat etwa 220000 Einwohner, aber auch Randgebiete, in denen Schafe weiden und nur ein paar Häuser stehen. Dort besaß dieser Mann ein großes Grundstück. Es lag in einer Art Kleingartenanlage mit kleinen Holzhäuschen. Er hatte um sein Grundstück – natürlich baurechtswidrig – eine Art Festung aus Europaletten errichtet, mit Zinnen und Schießscharten, wie bei „Game of Thrones“. Vorne hatte er einen Zwinger gebaut. Betritt man das Tor, steht man in einem umschlossenen Innenhof. Wenn man dort hineingeht, kann er hinter einem das Tor schließen – man ist also „eingezwungen“. Ein Nachbar hatte ihn wegen Tierquälerei angezeigt: Er würde seine Schafe nicht füttern und kein Wasser geben. Wir sind also mit dem Veterinäramt rausgefahren. Es gab weder eine Klingel, noch einen Briefkasten. Also standen wir vor dieser Palettenmauer mit dem Metalltor und klopften. Die Tür ging auf, er kam heraus und hielt mir eine laufende Kettensäge dicht neben den Kopf. Dann fragte er: „Was ist Ihr Begehr?“

Wie reagiert man in einer solchen Situation?

– In solchen Momenten sollte man auf keinen Fall so reagieren, wie es die Person erwartet. Ich sagte nur: „Machen Sie mal die Kettensäge aus, ich höre Sie nicht richtig.“ Das war sicher nicht die Reaktion, mit der er gerechnet hatte. Ich bin bis heute überzeugt: Wäre ich weggelaufen, hätte er zugeschlagen. Deshalb ist es so wichtig, nicht so zu reagieren, wie sie es provozieren wollen. Er schaltete die Kettensäge aus. Die Tiere waren in Ordnung, und die Situation beruhigte sich. Die Kettensäge wurde sichergestellt, da er sie als Waffe benutzt hatte.

Was zeigt dieser Vorfall über die Taktik von Reichsbürgern im Umgang mit Behörden?

– Reichsbürger wollen einschüchtern. Sie wollen erreichen, dass Behörden Angst haben, bei ihnen etwas durchzusetzen – und leider funktioniert das manchmal auch. Gerade das ist gefährlich. Wenn die Bevölkerung merkt, dass jemand nur ein Schild mit der Aufschrift „Reichsbürger“ an der Tür braucht, damit niemand mehr zu ihm kommt, ist das verheerend. Genauso ist es, wenn jemand mit einem Kampfhund – etwa einem Rottweiler – einschüchtert, während andere Bürgerinnen und Bürger wegen Kleinigkeiten sanktioniert werden. Wenn der Eindruck entsteht, dass Oma Gerda, die ihren Pudel falsch angemeldet hat, das volle Programm bekommt, beim Reichsbürger sich aber keiner traut, untergräbt das die Glaubwürdigkeit der Verwaltung – und das wäre fatal.

Das Interview führte Lorenz Abu Ayyash am 20. Oktober 2025.

war bei der kommunalen Verwaltung in Magdeburg tätig und ist seit 2023 Dozent am Studieninstitut für kommunale Verwaltung Sachsen-Anhalt e.V. Externer Link: https://www.sikosa.de