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Warum moderne Gesellschaften Wachstum brauchen | Wachstum | bpb.de

Wachstum Editorial Wachstum und Wachstumskritik. Eine Diskursgeschichte Warum moderne Gesellschaften Wachstum brauchen - Essay Vom falschen zum richtigen Wachstum - Essay Wir müssen schrumpfen. Wachstum als Irrweg - Essay Wohlstand jenseits von Wachstum - Essay Wachstum und Ungleichheit

Warum moderne Gesellschaften Wachstum brauchen Essay

Julia Braun

/ 12 Minuten zu lesen

Wirtschaftswachstum bleibt unverzichtbar. Es schafft Stabilität, finanziert den Sozialstaat und setzt Anreize für Innovation und technischen Fortschritt. Damit ist es Voraussetzung, um Wohlstand zu sichern und die großen Zukunftsaufgaben unserer Zeit zu bewältigen.

Immer häufiger ist von Deutschlands Wachstumsschwäche die Rede. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zeigt für die Jahre 2023 und 2024 gar ein Abgleiten in die Rezession. Auch im Jahr 2025 findet Deutschland voraussichtlich nicht aus der Stagnation und gilt damit erneut als der „kranke Mann Europas“. Es wäre das dritte Jahr in Folge ohne Wachstum. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch ersichtlich, dass Deutschland bereits 2018 – also deutlich vor der Covid-19-Pandemie – von seinem Wachstumskurs abgekommen ist.

Doch warum ist diese Stagnation, oder gar Rezession, problematisch? Schließlich argumentieren Befürworter von Postwachstum und Degrowth, dass wir uns ohnehin von der Wachstumsfixierung verabschieden sollten. Die zentrale Frage lautet daher: Weshalb ist Wirtschaftswachstum für unsere Gesellschaft überhaupt notwendig?

Die Antwort ist ebenso einfach wie vielschichtig. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, ist Wachstum wichtig, um den Lebensstandard zu erhöhen und grundlegende Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen. In hochentwickelten Volkswirtschaften wie Deutschland erfüllt Wachstum heute vor allem drei zusätzliche Funktionen: Es wirkt erstens als Stabilisator von Wirtschaft und Gesellschaft, bildet zweitens die Basis für die Finanzierung des Sozialstaats und notwendige Investitionen und ist drittens die zentrale Voraussetzung für Innovation und technischen Fortschritt.

Was ist Wirtschaftswachstum?

Wirtschaftswachstum bedeutet zunächst einmal, dass eine Volkswirtschaft im Zeitverlauf eine größere Menge und höhere Qualität an Gütern und Dienstleistungen hervorbringt als zuvor. In der klassischen Ökonomie wird Wachstum in der Regel als die Zuwachsrate des realen BIP gemessen, also dem inflationsbereinigten Marktwert aller Güter und Dienstleistungen, die innerhalb eines Jahres in einer Volkswirtschaft erzeugt werden. Besonders gebräuchlich ist das „BIP pro Kopf“, das die Wirtschaftsleistung ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl setzt und damit als Indikator für den durchschnittlichen Lebensstandard dient. Zahlreiche empirische Studien zeigen, dass dieser Indikator eng mit vielen Dimensionen des menschlichen Wohlergehens korreliert – etwa mit Einkommen, Gesundheit oder der Lebenserwartung.

Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht diesen Zusammenhang und zeigt zugleich, welch junges Phänomen Wachstum ist. Über Jahrhunderte stagnierte die Wirtschaftsleistung nahezu, der Lebensstandard im 14. Jahrhundert unterschied sich kaum von demjenigen in der Römerzeit. Erst mit der Industriellen Revolution setzte im frühen 19. Jahrhundert ein durchgreifender Wandel ein: Wirtschaftsleistung, Einkommen, Gesundheit und Lebenserwartung der Bevölkerung stiegen massiv an. Das BIP pro Kopf erhöhte sich zwischen 1820 und 2010 im Durchschnitt über alle Länder hinweg um das Zehnfache. 1820 lag die Lebenserwartung weltweit bei 29 Jahren, heute beträgt sie über 71 Jahre. Im selben Zeitraum stieg die Alphabetisierungsrate von 12 auf über 85 Prozent. Wachstum hat für viele Menschen auf der ganzen Welt einen „ungeheuren materiellen Wohlstand“ erzeugt. Auch andere Bereiche unseres Lebens haben sich positiv verändert. Die Arbeitszeiten beispielsweise sanken deutlich, sodass Menschen heute über mehr Freizeit verfügen.

Wirtschaftswachstum war historisch also die zentrale Triebkraft für steigenden Wohlstand. Zugleich darf nicht übersehen werden, dass dieser Aufstieg eng mit einem massiven Verbrauch natürlicher Ressourcen verbunden war. Genau deshalb ist seine Rolle heute so umstritten. Doch die Kritik am Wachstumsparadigma selbst ist ein Thema für wohlhabende Gesellschaften. Sie setzt erst dort ein, wo Grundbedürfnisse bereits gedeckt sind. Gleichzeitig ist klar: In ärmeren Ländern ist quantitatives Wachstum nach wie vor unverzichtbar, um Armut zu bekämpfen und elementare Bedürfnisse zu sichern. In fortgeschrittenen Volkswirtschaften, in denen alle Grundbedürfnisse – zumindest für einen großen Teil der Bevölkerung – gedeckt sind, stellt sich hingegen die Frage: Braucht es überhaupt noch Wachstum?

Wachstum als Stabilisator

Manche Stimmen argumentieren, hochentwickelte Volkswirtschaften könnten sich vom Wachstumsparadigma lösen. Doch die Realität zeigt, dass Wachstum in unserem Wirtschaftssystem ein zentraler Stabilitätsfaktor ist. Denn Wachstum sorgt dafür, dass Unternehmen investieren, neue Arbeitsplätze entstehen und Einkommen steigen. Fällt diese Dynamik weg, kehrt sich der Prozess rasch um, und Arbeitsmarkt, Staatshaushalt und die sozialen Sicherungssysteme geraten unter Druck. Der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger spricht deshalb von einem „Wachstumszwang“: Kapitalistische Volkswirtschaften benötigen Expansion, um ihre Strukturen aufrechtzuerhalten. Unternehmen investieren nur, wenn sie von zukünftiger Nachfrage ausgehen. Bleibt diese aus, bricht die Dynamik weg – mit Folgen für Beschäftigung und Wohlstand. Die aktuelle Lage in Deutschland verdeutlicht dies: Im August 2025 lag die Anzahl der Arbeitslosen bei etwas über drei Millionen – so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr. Zwar spielen dafür strukturelle Faktoren eine Rolle, doch schwaches Wachstum wirkt als Verstärker.

Darüber hinaus ist das Finanzsystem auf Wachstum angewiesen: Pensionskassen, Lebensversicherungen und private Anleger profitieren, wenn Unternehmen Gewinne machen, Aktienkurse steigen und Märkte wachsen. Ohne Wachstum würde diese Grundlage erodieren.

Wirtschaftswachstum trägt zudem entscheidend zur Finanzierung staatlicher Aufgaben bei. Steigende Einkommen und Unternehmensgewinne bedeuten höhere Steuer- und Beitragszahlungen, mit denen Renten, Gesundheitssystem, Bildung, Infrastruktur oder Verteidigung finanziert werden können. Fehlt Wachstum, verhärten sich Verteilungskonflikte. Investitionsausgaben werden häufig hintangestellt oder – wie mit dem jüngst beschlossenen kreditfinanzierten Sondervermögen für Investitionen – über Schulden finanziert. Damit steigt nicht nur die Belastung künftiger Generationen, sondern auch das Risiko politischer Polarisierung. Besonders sichtbar wird dies am umlagefinanzierten Rentensystem. Immer weniger Erwerbstätige müssen immer mehr Rentner tragen. Ohne steigende Produktivität und Einnahmen drohen die Finanzierungslücken noch größer zu werden.

Die 168. Steuerschätzung unterstreicht die Auswirkungen zäher Konjunktur auf den Staatshaushalt: Bund, Länder und Kommunen müssen 2025 mit rund drei Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen rechnen, 2026 gar mit zehn Milliarden weniger. Noch drastischer wird das Bild in der längerfristigen Betrachtung: Nach Berechnungen der Warburg Bank ging Deutschland seit 2018 durch die Abkehr vom alten Wachstumspfad rund eine Billion Euro an zusätzlicher Wertschöpfung verloren. Bei einer Steuerquote von 23 Prozent wäre dadurch genug fiskalischer Spielraum entstanden, um das Sondervermögen der Bundeswehr zu finanzieren und zugleich steigende Sozialversicherungsbeiträge zu vermeiden. Wachstum entlastet damit nicht nur die öffentlichen Haushalte, sondern auch direkt die Bürger. Es dient nicht nur als ökonomischer Stabilisator und Finanzierungsquelle, sondern entschärft gesellschaftliche Verteilungskonflikte.

Wachstum als Innovationsmotor

Ein weiterer Grund, weshalb Wachstum in hochentwickelten Volkswirtschaften unverzichtbar bleibt, liegt in seiner Rolle als Innovationsmotor. Wie uns die Geschichte lehrt, sind Innovation und die Verbreitung von Wissen entscheidende Grundlagen für technischen Fortschritt und langfristigen Wohlstand. Innovationen entstehen jedoch nicht zufällig, sie entstehen in einem Umfeld, in dem Unternehmen Anreize und Spielräume haben, in neue Ideen, Technologien und Geschäftsmodelle zu investieren.

Innovation beruht auf Entscheidungen von Unternehmern, ihre Zeit und Ressourcen in Forschung und Entwicklung zu investieren. Dies tun sie in der Regel, da sie durch sogenannte Innovationsrenten motiviert sind, also durch potenzielle Erträge, die ihnen aus neuen Technologien oder Produkten erwachsen. All das, was diese individuellen Gewinne sichert, motiviert die Unternehmer, noch mehr in Innovation zu investieren. Und was sichert diese Renten? Ein zentraler Faktor ist der Schutz des Eigentums: In Ländern mit stärker ausgeprägten Eigentumsrechten wird mehr Innovation hervorgebracht. Genauso wichtig wie solche institutionellen Sicherheiten sind die Wachstumsaussichten der Märkte selbst. Denn eine Innovation wird nur dann weiter vorangetrieben, wenn sie Nachfrage erzeugt und damit die Grundlage für ein tragfähiges Geschäftsmodell schafft. In einer florierenden und expandierenden Wirtschaft ist es für Unternehmen leichter, genügend zahlungsbereite Kunden zu finden und sich einen Platz im Markt zu erkämpfen. Ohne Wachstumsaussichten fehlt der Anreiz zu investieren.

Innovation konzentriert sich daher in jenen Märkten, die Wachstumsaussichten versprechen. Nur dort sind die Renditeerwartungen hoch genug, um riskante Investitionen in Forschung und Entwicklung zu rechtfertigen. Ein Beispiel sind Immuntherapien in der Krebsbehandlung: Zwar sind sie noch sehr teuer in der Anwendung, doch der Markt wird bereits auf rund 136 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll sich bis 2034 fast verdreifachen. Derartige Wachstumsaussichten ziehen Kapital, Talente und Ideen an – deshalb fließen Milliarden in klinische Studien und Entwicklung, mit der Folge, dass Kosten sinken und einstige Nischenprodukte zum Standard werden. Solche disruptiven Innovationen können ganze Lebensbereiche verändern. Sie schaffen damit nicht nur ökonomische Dynamik, sondern auch einen direkten gesellschaftlichen Mehrwert. Ohne die Erwartung, dass Märkte wachsen, wären solche Investitionen undenkbar.

Wenn dagegen einzelne Märkte oder gar die gesamte Wirtschaft stagnieren, sinkt die Nachfrage, und die Renditeaussichten werden kleiner. Unternehmen verzeichnen dann weniger Einnahmen, weshalb ihnen mittelfristig Spielräume für Forschung und Entwicklung fehlen und Investitionen in bahnbrechende Innovationen ungleich riskanter werden. Wer würde Milliarden in Technologien stecken, wenn die Nachfragebasis dafür fehlt? Nicht nur wird der Anreiz kleiner, Forschung zu betreiben; zugleich wachsen Spar- und Wettbewerbsdruck. Eine Studie von 2024 zeigt, dass deutsche Firmen ihre geplanten Forschungs- und Entwicklungsbudgets in Krisenzeiten drastisch kürzen und insbesondere „Frontier-Innovationen“– also besonders risikoreiche, aber potenziell bahnbrechende Projekte – verschieben oder ganz einstellen. Der Hauptgrund dafür sei der krisenbedingte zyklische Nachfragerückgang. Die Folge: Die technologische Entwicklung verlangsamt sich.

Doch Wirtschaftswachstum erleichtert nicht nur bestehenden Unternehmen das Leben. Insbesondere junge Firmen und Gründer mit gänzlich neuen Ideen sind auf Wachstum angewiesen – für Startups ist es wesentlich einfacher, in Aufschwungsphasen mit ihren Ideen und Produkten an den Markt zu gehen. Diese Beobachtung ist deshalb so wichtig, da junge und innovative Firmen für unseren langfristigen Wohlstand von besonderer Bedeutung sind. Empirische Arbeiten zeigen, dass es genau diese Firmen sind, die wirklich radikale Innovationen hervorbringen, die in der Lage sind, ganze Märkte zu verändern.

Der Ökonom und Nobelpreisträger Paul Krugman argumentiert, dass die Fähigkeit eines Landes, seinen Lebensstandard anzuheben, vor allem von seiner Fähigkeit abhängt, die Produktivität (also die Wertschöpfung je Arbeitskraft) zu steigern. In Krugmans Worten: „Productivity isn’t anything, but in the long run it is almost everything“ („Produktivität ist nicht alles, aber auf lange Sicht ist sie fast alles“). Warum ist das so? Der Grund liegt in den abnehmenden Grenzerträgen von Kapital und Arbeit. Eine Zunahme von Arbeitskräften oder Maschinen führt zwar kurzfristig zu höherem Output, doch dieser Effekt lässt sich nicht unbegrenzt steigern. Ohne Produktivitätsfortschritte würde das Wachstum irgendwann durch Bevölkerungs- oder Ressourcengrenzen gestoppt. Diese Einsicht wurde durch das sogenannte Solow-Swan-Modell in den 1950er Jahren formalisiert: Langfristiges Wachstum kann nicht allein durch Kapital- und Arbeitsakkumulation erklärt werden, sondern setzt technologischen Fortschritt – gleichbedeutend mit Produktivitätsfortschritt – voraus, für den Innovation die notwendige Bedingung ist.

Gerade für hochentwickelte Volkswirtschaften, die bereits über einen ausgeprägten Arbeits- und Kapitalstock verfügen, ist Innovation wichtig. Während Schwellenländer durch „catch-up growth“ aufholen können, indem sie bestehende Technologien übernehmen, müssen fortgeschrittene Ökonomien ständig an der technologischen Grenze operieren. Ihre Weiterentwicklung hängt entscheidend von der Fähigkeit ab, neue Ideen hervorzubringen. Empirische Untersuchungen bestätigen, dass der überwiegende Teil des Wohlstandszuwachses in Industrieländern auf Produktivitätssteigerungen beruht.

Innovation ist deshalb nicht nur wünschenswert, sondern unabdingbar. Sie sorgt dafür, dass trotz begrenzter Rohstoffe und abnehmender Skalenerträge Produktivitätsfortschritte möglich bleiben. Für eine exportorientierte Volkswirtschaft wie Deutschland sind Produktivitätsgewinne zudem entscheidend, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Gerade disruptive Entwicklungen – etwa in Biotechnologie, Digitalisierung oder Energieversorgung – transformieren ganze Sektoren und stoßen nachhaltige Produktivitätsgewinne an. Sie bilden damit die Grundlage für die Bewältigung der großen Zukunftsaufgaben, allen voran der ökologischen Transformation, die ohne kontinuierliche Effizienzsteigerungen und neue Technologien nicht zu bewältigen ist.

Voraussetzung für ökologische Transformation

Der Umbau hin zu klimaneutralen Volkswirtschaften erfordert Investitionen in bislang unbekanntem Ausmaß. Allein um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, so eine Studie von McKinsey aus dem Jahr 2021, seien pro Jahr rund 240 Milliarden Euro an Investitionen notwendig. Wachstumskritiker betonen zu Recht, dass historisches Wachstum eng mit dem Verbrauch fossiler Energieträger verknüpft war und wesentlich zum Klimawandel beigetragen hat. Doch daraus folgt nicht, dass Wachstum per se problematisch ist – es kann vielmehr Teil der Lösung sein.

Beispiele aus der Praxis zeigen, dass „grünes Wachstum“ möglich ist. Märkte für Cleantech (saubere Technologien), die sich explizit dem Schutz der Umwelt verschrieben haben, zählen heute zu den Wachstumstreibern und tragen spürbar zum BIP bei. Längst lässt sich also auch mit Klimaschutz Geld verdienen. Ökonomische Forschung belegt zudem, dass staatliche Anreize die Wachstumsaussichten auf Märkten für grüne Technologien verbessern und so privates Kapital in diese Bereiche lenken können. Durch politische Vorgaben und technologischen Fortschritt konnten zum Beispiel die Kosten für Photovoltaikmodule so stark gesenkt werden, dass sie vielerorts zur günstigsten Form der Stromerzeugung wurden.

Auch eine „absolute Entkopplung“, also ein Zustand, in dem das BIP wachsen kann, während die CO2-Emissionen sinken, zeichnet sich zunehmend ab. In der EU wuchs das reale BIP seit 1990 um rund 60 Prozent, während die CO2-Emissionen im gleichen Zeitraum um mehr als 30 Prozent sanken. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung warnt jedoch, dass dies lange nicht für alle (fortgeschrittenen) Volkswirtschaften gilt und diese Entkopplung global bislang zu langsam verläuft, um bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Damit die Transformation gelingt, müssen Investitionen in grüne Technologien und Infrastruktur deutlich ausgeweitet werden.

Stagnation und Rezession dagegen bremsen den ökologischen Fortschritt. Die Umweltökonomen Alex Bowen und Cameron Hepburn zeigen, dass ökonomische Krisen Investitionen in saubere Technologien regelmäßig verzögern oder verhindern, weil Unternehmen und Staaten unter finanziellen Druck geraten. Degrowth mag auf den ersten Blick ökologisch plausibel wirken – in der Praxis würde es den notwendigen Umbau eher blockieren.

Wachstum ist damit kein Gegensatz zu Klimaschutz, sondern seine notwendige Bedingung. Es schafft die ökonomische Basis und setzt die Innovationsanreize, um die ökologische Transformation zu finanzieren und voranzutreiben. Ökonomen wie Daniel Susskind widersprechen deshalb der Annahme, unendliches Wachstum sei auf einem endlichen Planeten unmöglich. Entscheidend sei nicht die absolute Menge der eingesetzten Ressourcen, sondern deren Produktivität. Oder, wie der Wirtschaftswissenschaftler Paul Romer 2018 in seiner Nobelpreisvorlesung betonte: Ideen sind nicht rivalisierend, sie können von vielen gleichzeitig genutzt werden. Wachstum, das auf Ideen basiert, stoße daher nicht an die materiellen Grenzen des Planeten.

Fazit

Wachstum ist mehr als eine statistische Kennziffer. Es stabilisiert unsere Volkswirtschaft, finanziert den Sozialstaat und die notwendigen Investitionen – und setzt die Anreize für Innovation, ohne die Fortschritt nicht möglich wäre. Die entscheidende Frage lautet nicht, ob wir weiter wachsen (sollten), sondern wie wir Wachstum und Innovation in die richtige Richtung lenken. Denn das Streben des Menschen, immer mehr zu wollen, besser zu werden, Neues zu schaffen, entspringt nicht staatlicher Verordnung, sondern dem Eigennutz – einer starken Triebkraft, die wir nicht unterdrücken, sondern in gemeinnützige Bahnen lenken sollten.

ist Forschungsreferentin am Walter Eucken Institut und Doktorandin an der Universität Freiburg. Ihre Dissertation im Bereich der angewandten Makroökonomie wird von Lars P. Feld betreut.