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Zu diesem Heft | Das politische System der USA | bpb.de

Das politische System der USA Zu diesem Heft Die USA – eine Demokratie im Ringen um ihre Prinzipien Konkurrenz und Kontrolle: horizontale Gewaltenteilung Konkurrenz und Kontrolle: vertikale Gewaltenteilung Konkurrenz und Kontrolle: temporale Macht durch Wahlen Mittler zwischen Zivilgesellschaft und Politik Aktuelle Herausforderungen Glossar Karten Literatur und Onlineangebote Impressum

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Editorial

Nach dem Wahlsieg Joe Bidens zum 46. US-Präsidenten im November 2020 hofften viele Menschen in und außerhalb der Vereinigten Staaten auf eine Versöhnung der beiden politischen Lager, die sich in den vergangenen Jahren in den USA gebildet haben und deren Spaltung weiter fortgeschritten ist. Die Realität ist aber eine andere: Das politische System, das lange von vielen bewundert wurde und als Vorbild diente, steht unter Stress.

Bereits die Verfassung von 1787 hielt die Versprechen nicht ein, die Thomas Jefferson 1776 in einem Entwurf der Unabhängigkeitserklärung zur Grundlage des neuen Staatswesens erklärt hatte: " … dass alle Menschen gleich und unabhängig geschaffen sind, dass sie, weil sie gleich geschaffen sind, natürliche und unveräußerliche Rechte besitzen, zu denen die Erhaltung des Lebens und Freiheit und das Streben nach Glück gehören. " Gemeint waren damals nur Weiße Männer, alle anderen – Schwarze, Indigene und Frauen – waren ausgeschlossen. Dies wirkt bis heute nach, wie nicht zuletzt die "Black Lives Matter"-Bewegung in den vergangenen Jahren gezeigt hat.

Die Gesellschaft ist laut den neuesten Zahlen des US-Census von 2020 noch vielfältiger geworden. Immer mehr gesellschaftliche Gruppen fordern Mitsprache ein und – um dies umsetzen zu können – letztendlich auch eine Reform des politischen Systems. Damit lösen sie Abwehr bei all denjenigen aus, die ihre Vormachtstellung gefährdet sehen. Sie versuchen diese Forderungen auf demokratisch legalem Wege abzublocken, etwa durch den Neuzuschnitt von Wahlkreisen, um der potenziellen Anhängerschaft des politischen Gegners den Zugang zur Wahl zu erschweren.

Das politische System der USA beruht auf checks and balances, auf Machtkonkurrenz und Machtkontrolle, sowohl horizontal wie vertikal und temporal. Damit die amerikanische Demokratie "funktioniert", ist allerdings eine Zusammenarbeit der verschiedenen Ebenen unabdingbar. Zurzeit ist eher eine ideologische Verhärtung zu beobachten, Kompromisse scheinen kaum mehr aushandelbar. Dies mindert die Möglichkeiten, im Sinne des Gemeinwohls überparteilich zu regieren.

Ein Merkmal demokratischer Systeme ist die gewaltfreie Machtübertragung an eine neue Regierung. Der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 durch radikalisierte Anhänger Donald Trumps, die dessen Niederlage nicht hinnehmen wollten, kann als deutliches Warnzeichen gelten.

Biden steht vor der schweren innenpolitischen Aufgabe, die Polarisierung in Politik, Gesellschaft, Medien und Kultur zu überwinden und die Gesellschaft zu einen. Wenig hilfreich ist die Spaltung innerhalb der Demokratischen Partei zwischen moderaten und progressiven Positionen. In der Republikanischen Partei scheint der Einfluss Trumps dagegen nahezu ungebrochen; selbst seine Rückkehr ins Weiße Haus kann nicht ausgeschlossen werden. Dies würde dann möglicherweise – so der neokonservative Autor und Politikberater Robert Kagan – "zumindest zeitweise die Abschaffung der amerikanischen Demokratie, wie wir sie kennen" bedeuten.

Wie stabil das politische System der USA tatsächlich ist, dürfte sich bei der Präsidentschaftswahl 2024 zeigen.

Jutta Klaeren