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Glossar | Sowjetunion I: 1917-1953 | bpb.de

Sowjetunion I: 1917-1953 Editorial Phänomen Sowjetunion Der Sieg der Bolschewiki Stalinismus Karten Zeittafel Glossar Literaturhinweise und Internetadressen Impressum

Glossar

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Von Bolschewiki bis Zentralkomitee

Bolschewiki (von russ. "bolsche" = mehr; etwa = Mehrheitler), d. h. der Teil der 1903 gespaltenen Russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (RSDRP), der unter Führung Lenins bei einer Parteitagsabstimmung die Mehrheit bekam; der andere Teil wurde Menschewiki genannt. Fortsetzer der B.: KPdSU.

Duma (eigtl. = der Gedanke, im weiteren Sinne: beratendes Gremium); nach der Revolution von 1905 das durch indirektes Zensuswahlrecht gewählte, gesetzgebende Repräsentantenhaus. Nach dem Rücktritt des Zaren stellte die Duma im März 1917 eine Provisorische Regierung auf. Nach der Oktoberrevolution 1917 wurde sie aufgelöst.

Februarrevolution 27.2. (12.3.) 1917; Sturz des Zarismus in Russland, gefolgt von einer wenige Monate dauernden Doppelherrschaft aus einer von der Duma getragenen Provisorischen Regierung und den damit konkurrierenden Sowjets.

Gosplan Staatliche Plankommission, zeitweilig auch als Staatliches Plankomitee bezeichnet. Gegründet 1921 war Gosplan die zentrale Behörde der Sowjetunion für die Wirtschaftsplanung, darunter die Erarbeitung der Fünfjahrpläne.

GULag Hauptverwaltung der sowjetischen Gefangenen- und Arbeitslager unter Leitung des NKWD.

Intelligenzija Begriff für die Angehörigen der gebildeten Schicht (Nicht-Geistliche) in Russland, seit der Mitte des 19. Jh. immer mehr im Sinne radikal-demokratischer Oppositioneller verstanden.

Kadetten Abk. für Angehörige der Konstitutionell-demokratischen Partei (auch: Partei der Volksfreiheit), 1905 gegründet war diese Partei zunächst die wichtigste Trägerin des russischen Liberalismus und an der Provisorischen Regierung 1917 beteiligt.

Kalender In Russland wurde nicht wie im Einzugsbereich der lateinischen Kirche die Gregorianische Kalenderreform 1582 durchgeführt. Der bis Februar 1918 weitergeltende Julianische Kalender ("alten Stils") hinkte also gegenüber dem im übrigen Europa gültigen ("neuen Stils") im 16. und 17. Jh. um 10 Tage, im 18. Jh. um 11, im 19. um 12 und im 20. Jh. um 13 Tage nach. Die "Oktoberrevolution" fand somit am 25. Oktober alten Stils statt, das ist am 7. November neuen Stils.

Kolchos (der oder das, auch: die Kolchose): Abk. für Kollektivnoje chosjajstwo (Kollektivwirtschaft), ein landwirtschaftlicher Genossenschaftsbetrieb. Im Laufe der gewaltsamen Zwangskollektivierung wurde zwischen 1929 und 1931 fast die Gesamtheit der bäuerlichen Wirtschaften der Sowjetunion in Kolchosen umgewandelt.

Komintern Abk. für Kommunistische Internationale, gegründet 1919 als Zusammenschluss aller kommunistischen Parteien der Welt mit dem Ziel, die Idee des Kommunismus zu fördern und zu verbreiten. 1943 wurde sie aufgelöst.

Komsomol Abk. für Kommunistischer Bund der Jugend, gegründet 1917 mit dem Ziel, die sow. Jugend nach den Idealen des Kommunismus zu erziehen. Die Organisation hatte großen politischen Einfluss. Aus ihr rekrutierte sich die Elite der Parteimitglieder.

Konstruktivismus Stilrichtung der modernen Architektur, die vor allem in der Sowjetunion in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren verbreitet war. Sie bevorzugt schlichte geometrische Formen und legt den Schwerpunkt auf die Funktion.

Kosaken (turktatarisch "kosak" = freier Mensch): Freie Wehrbauern, die seit dem 15. Jh. meist vor dem Druck des russ. Leibeigenschaftssystems in die südruss. Steppe geflohen waren, unter gewählten Atamanen oder Hetmanen Reiterheere bildeten und im Zarenreich des 19. und 20. Jh. als Elitetruppen galten.

KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion): Fortführung der Partei der Bolschewiki. Ihre Vorläufer sind die Exilgruppe "Befreiung der Arbeit" 1883 in Genf gegründet, und die "Russische Sozialdemokratische Arbeiterpartei" (RSDRP), gegründet 1898 in Minsk; Namensänderungen: 1917 RSDRP(B) (Zusatz "B" = Bolschewiki); 1918 Russische Kommunistische Partei der Bolschewiki (RKP (b)); 1925 WKP(b) = Allunions Kommunistische Partei der Bolschewiki; 1952 KPdSU.

Kulaken (eigtl.: kulak = Faust); abwertende Bezeichnung für Mittel- oder Großbauern in Russland. Der "Kampf gegen die Kulaken" richtete sich im Zuge der Zwangskollektivierung 1929-1931 gegen die im Rahmen der NÖP zu mäßigem Wohlstand gekommenen Bauern, die ihre Betriebe nicht kollektivieren lassen wollten. Ihr Widerstand wurde durch Repressionen, Enteignung und Massendeportationen gebrochen.

Menschewiki analog zu Bolschewiki die Gruppe marxistischer Sozialdemokraten, die bei der Parteispaltung 1903 in einer Abstimmung die Minderheit (mensche = weniger) erhielt. Sie widersetzten sich dem straffen Zentralismus, den die Bolschewiki unter Lenin anstrebten und vertraten demokratischere Prinzipien. Nach der Februarrevolution gehörten sie sowohl der Provisorischen Regierung als auch den Sowjets an. Nach dem Sieg der Bolschewiki im Oktober 1917 wurden sie ausgeschaltet.

Narodniki (von russ.: "narod" = Volk, in etwa übersetzbar mit "Volksfreunde", "Populisten"); seit den 1860er-Jahren Bezeichnung für eine politische Richtung in der russischen Intelligenzija, die unter Fortentwicklung der bäuerlichen Traditionen in Russland eine neue, nichtkapitalistische Gesellschaft aufbauen wollte und dabei teilweise zu terroristischen Mitteln griff. Fortsetzer der N. sind die Sozialrevolutionäre.

NÖP (oder auch NEP = Neue ökonomische Politik): 1921 auf dem X. Parteikongress der RKP(b) verkündete Wirtschaftspolitik, die beschränkte privatkapitalistische Elemente enthielt, um der katastrophalen Wirtschaftssituation abzuhelfen. Beendet durch die Ära der Fünfjahrpläne (ab 1928).

NKWD Seit der Stalinzeit Name der sowjetischen Geheimpolizei-Organisation. Sie wurde 1917 unter dem Namen "Außerordentliche Kommission" (Abk.: Tscheka) gegründet und später öfter umbenannt: 1922 Staatliche politische Verwaltung (GPU); 1923 OGPU; 1934 Nationalkommissariat für innere Angelegenheiten (NKWD); 1941 Nat.-Komm. für Staatssicherheit (NKGB); 1946 Ministerium für Staatssicherheit (MGB); 1954 Komitee für Staatssicherheit (KGB).

Oktoberrevolution Sturz der Provisorischen Regierung und Machtergreifung durch die Bolschewiki in der Nacht vom 25.10. auf den 26.10 (julianischer Kalender) bzw. 7.11. auf den 8.11. (gregorianischer Kalender) 1917, die anschließend unter Lenin eine "Provisorische Arbeiter- und Bauernregierung" (Rat der Volkskommissare) bilden.

Oktobristen Mitglieder der Partei "Bund des 17. Oktober", die 1905 in Russland gegründet und Ende 1917 aufgelöst wurde. Als Anhänger der konstitutionellen Monarchie waren sie nach der Februarrevolution 1917 an der Provisorischen Regierung beteiligt.

Politbüro vom Zentralkomitee gewähltes Führungsorgan der Kommunistischen Partei; im Oktober 1917 gegründet, wurde es seit März 1919 zur festen Institution und umfasste seither den inneren Kern der Parteiführung, 1952 wurde es vorübergehend aufgelöst und 1966 erneut gegründet.

Prawda (russ., "Wahrheit"), russische Tageszeitung, von Lenin aus dem Exil gegründet, ab 1917 zentrales Parteiorgan der KPdSU.

Proletariat Im antiken Rom Bezeichnung für Menschen, die als einzigen Besitz ihre Kinder hatten (von lat. proles = Nachkommen). Im Zuge der Industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts fand der Begriff Anwendung auf die Industriearbeiterschaft, die allein mit ihrer Arbeitskraft ihre Existenz bestreiten musste. Karl Marx sah das Proletariat im Gegensatz zur besitzenden Klasse, der Bourgeoisie.

Provisorische Regierung Nach der Abdankung des Zaren zwischen Februar- und Oktoberrevolution von Liberalen und gemäßigten Sozialisten getragen; zunächst unter Fürst Lwow, dann unter Kerenski, Teil der "Doppelherrschaft" neben dem Petrograder Rat der Arbeiter- und Soldatendeputierten.

Revisionismus (von lat. revidere = etwas überprüfen, in Frage stellen, neu bewerten). In den Anfängen der Sozialdemokratie wurde darunter die Abkehr vom ursprünglichen theoretischen Marxismus verstanden, in der Sowjetunion wurden damit Abweichungen von der jeweils vorherrschenden kommunistischen Sichtweise bezeichnet.

Sowchos (der oder das; auch: die Sowchose): Abk. für Sowjetskoje chosjajstwo (Sowjetwirtschaft), ein Staatsgut ohne bäuerliches Landeigentum, in dem die Landarbeiter wie Industriearbeiter entlohnt werden. Von geringerer Bedeutung als die Kolchosen.

Sowjets (wörtl. = Räte): Während der Revolution von 1905 zum ersten Mal aufgetretene "Soldatenräte"; nach der Februarrevolution "Arbeiter- und Soldatenräte", die Duma und Provisorischer Regierung die Macht streitig machten. Das Militär-Revolutionskomitee der St. Petersburger Sowjets unter Leitung von Trotzki war Träger der Oktoberrevolution. In der Sowjetunion waren auf örtlicher, regionaler und staatlicher Ebene die Sowjets, die gewählt, in der Kandidatenaufstellung aber von der KPdSU bestimmt werden, Träger der Staatsgewalt.

Sozialistischer Realismus Kunstrichtung mit betonter Wirklichkeitsnähe, ohne Abstraktion und Ästhetisierung, die bevorzugt Themen aus dem Arbeitsleben und der Technik des sozialistischen Alltags behandelt und von Zukunftsoptimismus geprägt ist. Sie wurde 1932 vom Zentralkomitee der KPdSU als Richtlinie für Literatur, bildende Kunst und Musik beschlossen.

Sozialrevolutionäre Partei 1902 aus Anhängern der Narodniki-Bewegung gegründet; zielte diese politische Gruppierung vor allem auf einen Agrarsozialismus ab. Nach der Oktoberrevolution unterstützte ein Teil der Sozialrevolutionäre zunächst die bolschewistische Herrschaft, die Sozialrevolutionäre wurden aber bald ausgeschaltet.

Stileklektizismus Ein neues Kunstwerk oder Bauwerk vereint unterschiedliche Stilelemente aus der Vergangenheit, die der Künstler oder Architekt nach eigenem Ermessen ausgewählt hat.

Totalitarismus politische Herrschaft, die die uneingeschränkte Verfügung über die Beherrschten und ihre völlige Unterwerfung unter ein (diktatorisch vorgegebenes) politisches Ziel verlangt. Totalitäre Herrschaft, erzwungene Gleichschaltung und unerbittliche Härte werden oft mit existenzbedrohenden (inneren oder äußeren) Gefahren begründet, wie sie zunächst vom Faschismus und vom Nationalsozialismus, nicht zuletzt auch im Sowjetkommunismus Stalins von den Herrschenden behauptet wurden.

Trotzkisten Bezeichnung für die Anhänger Lew Trotzkis (eigentlich Leo Bronstein, 1878-1940). Der Weggefährte Lenins unterlag in den 1920er-Jahren im innersowjetischen Machtkampf Josef Stalin, wurde 1929 ins Exil gezwungen und 1940 in Mexiko von einem Sowjetagenten ermordet. Ausgangspunkt des Machtkampfs war eine Uneinigkeit über die Auslegung der marxistisch-leninistischen Theorie. Während sich Trotzki für die "permanente", weltweite Revolution einsetzte, vertrat Stalin die Fokussierung auf den "Sozialismus im eigenen Land".

Volkskommissar In der Sowjetunion von 1917 bis 1946 Bezeichnung für eine Person, die das Amt eines Ministers ausübte – der Begriff sollte sich von der als bürgerlich abgelehnten, geläufigeren Bezeichnung abheben. Der Rat der Volkskommissare bildete die Regierung.

Weiße Truppen im russischen Bürgerkrieg, die gegen die Bolschewiki, die "Roten", kämpften.

Zentralkomitee (ZK) nach den Statuten der KPdSU höchstes Parteiorgan zw. den Parteitagen, von denen es gewählt wird und denen es verantwortlich ist.