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Nataša Kandić (geb. 1946) | Mapping Memories of Good Will | bpb.de

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Nataša Kandić (geb. 1946) Belgrad (Serbien)

Dubravka Stojanović

/ 4 Minuten zu lesen

Der 1992 von Nataša Kandić gegründete „Fonds für humanitäres Recht“ sammelt Dokumente über Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Er spielte eine Schlüsselrolle bei der Aufarbeitung von Verbrechen im Kosovo-Krieg und der Gerechtigkeit nach dem Zerfall Jugoslawiens. 2008 gründete Kandić „za REKOM“, ein Netzwerk zur Dokumentation von Kriegsverbrechen.

Nataša Kandić (© Superstudio Zagreb und Vedran Klemens)

Ereignis

Die Antikriegsbewegung in Belgrad war Ausgangspunkt für die Gründung einer Reihe wichtiger zivilgesellschaftlicher Organisationen. Eine der wichtigsten ist der „Fonds für humanitäres Recht“, der bis heute aktiv ist. Gegründet wurde er 1992 von Nataša Kandić, mit dem ursprünglichen Ziel, Dokumente über Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen zu sammeln. Kandić hatte bis 2012 den Posten der Direktorin inne und ist bis heute in dieser Organisation tätig. Der „Fonds für humanitäres Recht“ ist eines der wichtigsten Dokumentationszentren; sein Archiv besteht aus etwa drei Millionen Dateien, Dokumenten sowie Video- und Audioaufnahmen. Zu Beginn des Krieges im Kosovo eröffnete der Fonds sein Büro in Priština; er war eine der wenigen Beobachtungsmissionen, die auch während der NATO-Bombardierungen ihren Betrieb nicht einstellte und weiterhin Daten über begangene Kriegsverbrechen sammelte. Nach dem Krieg wandte sich der „Fonds für humanitäres Recht“ dem Thema Gerechtigkeit in der Transformationszeit nach dem Zerfall Jugoslawiens zu. Er spielte eine Schlüsselrolle bei den Gerichtsverhandlungen wegen Kriegsverbrechen, die vor den Gerichten in Serbien, weiteren Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens und in Den Haag verhandelt wurden. Besonders wichtig waren dabei die Dokumente, die der Fonds für die Prozesse wegen Sexualverbrechen in der Gegend von Foča in Ostbosnien gesammelt hatte. Der Fonds vertrat über 1.000 Opfer vor Gericht bei Prozessen um Reparationszahlungen. Er befasste sich mit der Feststellung von Verantwortlichkeit staatlicher Organisationen und erstattete Anzeigen wegen Kriegsverbrechen, außerdem setzte er sich dafür ein, die Personen, die Kriegsverbrechen verdächtigt wurden, von staatlichen Posten zu entfernen. Gemeinsam mit Bekim Blakaj und dem „Fonds für humanitäres Recht Kosovo“ rief Nataša Kandić das Projekt „Erinnerungsbuch Kosovo“ ins Leben, dessen Ziel die Dokumentation aller Verbrechen im Kosovo-Krieg war. Nataša Kandić begründete gemeinsam mit Vesna Teršelič und Mirsad Tokača im Jahr 2008 „za REKOM“, eine Organisation, die sich die Feststellung von Kriegsverbrechen und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen zum Ziel gesetzt hat. Dieses Netzwerk umfasst etwa 2.000 Organisationen, die daran arbeiten, die Opfer der Kriege der 1990er Jahre in Listen zu erfassen. Diese Aufgabe war von den einzelnen Staaten verabsäumt worden. Wegen ihrer Arbeit ist Nataša Kandić täglich Angriffen ausgesetzt, und ihre Sicherheit ist auch heute nicht gewährleistet: Sie setzt sich weiterhin für die Aufdeckung bisher unbekannter Verbrechen und ihrer Urheber ein.

Biografie

Nataša Kandić wurde 1946 in Kragujevac (Serbien) geboren. Sie studierte Soziologie an der Philosophischen Fakultät in Belgrad. Seit ihrer Studienzeit war sie in der Dissidentenbewegung aktiv, und seit dem Beginn der Jugoslawienkriege engagierte sie sich in der Antikriegsbewegung. Sie organisierte im Frühherbst 1991 den Belgrader Antikriegsmarathon, bei dem Kerzen für alle Kriegsopfer vor dem Präsidentenamt in Belgrad entzündet wurden; außerdem war sie Mitglied des „Zentrums für Antikriegsaktion“. Nach dem Kriegsausbruch in Bosnien-Herzegowina gründete sie den „Fonds für humanitäres Recht“ und leitete damit eine Nichtregierungsorganisation. Deren Zweck war es, Beweise für Kriegsverbrechen zu sammeln und rechtliche Schritte zur Ahndung ihrer Urheber zu setzen sowie Reparationszahlungen an die Opfer zu erwirken. Während der Kriege unternahm sie Reisen in verschiedene Kriegsgebiete: Sie hoffte, dass jeder Kontakt in schwierigen Zeiten die Möglichkeit eines Dialogs nach dem Krieg in sich tragen würde. Sie betonte, sie dürfe keine Angst zeigen, weil sie die Angst der Menschen gespürt habe, denen sie begegnet war. Nataša Kandić erwarb sich in den Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens große Autorität und Respekt, doch in Serbien wird sie verfolgt, steht permanent unter Druck und befindet sich in ständiger Gefahr. Sie erhielt mehr als 20 regionale und internationale Auszeichnungen.

Auszeichnungen

  • 1999: Martin Ennals Award für Menschenrechtsverteidiger: Verliehen von Amnesty International, Human Rights Watch und weiteren Organisationen für außergewöhnlichen Mut im Einsatz für Menschenrechte.

  • 2004: Homo Homini Award: Verliehen von der Stiftung für Menschen in Not (People in Need) für ihren Einsatz für Menschenrechte.

  • 2005: Ehrenbürgerin von Sarajevo: Für ihre Verdienste um die Aufklärung des Genozids von Srebrenica.

  • 2009: Schwarzkopf-Europa-Preis: Ausgezeichnet für ihren unermüdlichen Einsatz für Frieden und Verständigung in Südosteuropa.

  • 2012: Friedenspreis des Kosovo Friedensinstituts (KIP)

  • 2013: Hrant-Dink-Preis – Preis für Einzelpersonen im Kampf für Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden

  • 2018: Goldene Karte des Kosovo (Hartën e Artë të Kosovës): Ausgezeichnet für ihre Arbeit zur Aufklärung von Kriegsverbrechen im Kosovo.

  • 2023: BBC 100 Women: Ausgewählt als eine der 100 einflussreichsten Frauen weltweit.

Links

Erinnerungsspuren

Externer Link: https://www.youtube.com/watch?v=9SfjY8utVp8

Weitere Inhalte

Dubravka Stojanović ist Professorin für Geschichte an der Universität Belgrad. Ihre Forschungsinteressen umfassen Modernisierungs- und Europäisierungsprozesse in Südosteuropa, Ideengeschichte, Demokratisierungsprozesse in Serbien sowie das Verhältnis von Geschichte und Erinnerung. Sie ist auch an der Geschichtsdarstellung in Schulbüchern beteiligt. Stojanović ist Mitglied vieler international renommierter Ausschüsse und Forschungsinstitutionen und wurde mit dem französischen Verdienstorden Chevalier de l'Ordre national du Mérite ausgezeichnet.