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Saranda Bogujevci (geb. 1985) | Mapping Memories of Good Will | bpb.de

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Saranda Bogujevci (geb. 1985) Podujevo (Kosovo)

Radina Vučetić

/ 4 Minuten zu lesen

Am 28. März 1999 ermordete die serbische Einheit „Skorpione“ in Podujevo 14 Frauen und Kinder der Familien Bogujevci und Durići. Saranda Bogujevci überlebte schwer verletzt. Trotz der unermesslichen Tragödie und des erlittenen Traumas steht Saranda mit ihrer ganzen Persönlichkeit für den Dialog und nicht für den Hass; sie repräsentiert die Stimme einer neuen Generation im Kosovo.

Saranda Bogujevci (© Superstudio Zagreb und Vedran Klemens)

Ereignis

Das Verbrechen von Podujevo am 28. März 1999

Vier Tage nach Beginn der Bombenangriffe der NATO auf die Republik Jugoslawien, am 28. März 1999, fiel in der Rahman-Morina-Straße 7 in Podujevo die berüchtigte serbische paramilitärische Einheit „Skorpione“, auch bekannt durch ihre Beteiligung am Genozid in Srebrenica, in den Hof der Familie von Halim Gashi ein. Die Einheit ermordete 14 Frauen und Kinder der Familien Bogujevci und Durići. Die Mitglieder der „Skorpione“ trieben zuerst die Menschen in eine Ecke des Hofes zusammen und brachten dann 19 von ihnen hinter das Haus. Dort begannen sie mit den Erschießungen – zuerst die Mütter, dann die Kinder. Das jüngste Opfer war zwei Jahre alt, das älteste 72. Bei diesem Massaker wurde Saranda Bogujevci von 16 Gewehrskugeln getroffen. Mit schweren Verletzungen der Wirbelsäule, des rechten Beines und des linken Armes blieb sie in dem Haufen an Leichen liegen. Darunter waren der Körper ihres jüngeren Bruders, dessen Kopf zerschmettert worden war, sowie die Leichen ihrer Mutter, eines weiteren Bruders und ihrer Großmutter. Neben Saranda haben auch die Kinder ihres Onkels das Massaker überlebt – Jehona, Fatos, Genc und Lirija.

Die überlebenden Kinder wurden zuerst im Krankenhaus von Priština versorgt; von dort wurden sie nach Eintreffen der NATO-Streitkräfte im Kosovo zur weiteren medizinischen Behandlung nach Großbritannien verlegt, wo sie dauerhaft blieben. Nach dem erlittenen Trauma war es für sie eine enorme Herausforderung, eine echte Heldentat nach Belgrad zu reisen. Im Juli 2003 waren Saranda, Fatos, Jehona und Lirija die ersten Kinder in der Geschichte, die vor einem Gericht für Kriegsverbrechen aussagten (vor dem Senat für Kriegsverbrechen in Belgrad und vor einem serbischen Richter), womit sie notwendige Hinweise und somit Beweise für die Anklage eines Mitglieds der „Skorpione“, Saša Cvjetan, erbrachten. Sie kamen im Dezember 2008 wieder nach Belgrad, um gegen fünf weitere Mitglieder der „Skorpione“ auszusagen, die des Mords an ihrer Familie beschuldigt wurden. Fünf Mitglieder der „Skorpione“ wurden zu Gefängnsistrafen zwischen 15 und 20 Jahren verurteilt. Da jedoch 15 oder 16 von ihnen an dem Verbrechen beteiligt waren, dauert der Kampf von Saranda und ihrer Familie um Gerechtigkeit immer noch an.

Saranda, Fatos und Jehona Bogujevci kamen 2013 erneut nach Belgrad, diesmal als Kuratoren der Ausstellung „Bogujevci/Visual History, Hommage an alle Familien und Kriegsopfer“, in der sie „ihre Geschichte vom Massaker, Leiden, Genesung und insbesondere von ihrem unaufhaltsamen und engagierten Feldzug zu Wahrheit und Gerechtigkeit erzählten, in ihren eigenen Worten, durch Interviews, Fotos und Filme.“ Die Ausstellung war als Rekonstruktion der Ereignisse von 1999 konzipiert und zeigte anschaulich, dass Wahrheit und Gerechtigkeit das Böse besiegen können. Sie wurde in der Galerie „Podroom“ des Belgrader Kulturzentrums (Kulturni centar Beograda) gezeigt. Trotz der unermesslichen Tragödie und des erlittenen Traumas steht Saranda mit ihrer ganzen Persönlichkeit für den Dialog und nicht für den Hass; sie repräsentiert die Stimme einer neuen Generation im Kosovo.

Zitat

Sie schossen eine ganze Minute lang.
Fatos Bogujevci, Jehona Bogujevci und Saranda Bogujevci hatten die Kraft, das Wissen und das Können, hinzuschauen, sich diesen Tag anzuschauen und das Leben vor diesem Tag, schließlich: ihr Kinderleben, jenes, an das man sich am besten erinnert, und dieses Leben öffentlich zu machen, zum Preis des Schmerzes, den die Wahrheit bringt.

Vielleicht wird uns diese Ausstellung anregen, nie wieder Dinge zu sagen wie ‚das, was passiert ist‘, ‚die Ereignisse, die geschehen sind‘ , ‚die gestrigen Ereignisse in der Stadt‘, ‚die Ehre erweisen‘, ‚die Ehre erweisen‘ ... Lasst uns nicht ‚die Ehre erweisen‘. Lasst uns ehren. Die Toten.

Biografie

Saranda Bogujevci wurde 1985 in Podujevo geboren, in der damaligen Autonomen Provinz Kosovo, die innerhalb der Republik Serbien zur Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien gehörte. Eine kurze Zeit (1990–1992) lebte sie mit ihrer Familie in Schweden. Nach dem Massaker in Podujevo im Jahr 1999, das sie überlebte, kam sie zur weiteren medizinischen Behandlung nach Großbritannien und blieb dauerhaft in Manchester. Sie studierte an der Metropolitan University in Manchester am Institut für Interaktive Künste und war nach ihrem Abschluss als visuelle Künstlerin und Kuratorin tätig. Parallel zu ihrer künstlerischen Tätigkeit wurde sie auch Aktivistin im Kampf für Menschenrechte und die Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft. Nach ihrer Rückkehr in den Kosovo 2014 begann ihre politische Karriere. Eine kurze Zeit war sie Leiterin der Abteilung für Kultur, Jugend und Sport in der Gemeinde Priština. Als Mitglied der Bewegung „Selbstbestimmung“ (Vetёvendosje) war sie ab 2017 Abgeordnete im Parlament des Kosovo. 2021 wurde sie zur Vizepräsidentin der Generalversammlung des Kosovo gewählt. Sie ist zudem die Repräsentantin des Landes in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

Erinnerungsspuren

Nach ihrer Zeugenaussage vor Gericht in Belgrad erkannte die Stiftung Anne Frank die mutige Tat der Kinder-Zeugen und verlieh an Saranda, Fatos, Jehona, Lirija und Genc Bogujevci den ersten internationalen Anne-Frank-Preis für Zivilcourage.

Saranda und Jehona Bogujevci initiierten die Errichtung einer Gedenkstätte in Podujevo – des Manchester Peace Parks – in Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden, dem Manchester Aid Kosovo sowie Freiwilligen und Künstlerinnen und Künstlern aus dem Kosovo. Auf dem Gelände des Parks befindet sich auch ein Denkmal für die Opfer vom 28. März 1999.

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Weitere Inhalte

Radina Vučetić ist Professorin für Geschichte des 20. Jahrhunderts und Leiterin des Zentrums für Amerikastudien an der Universität Belgrad. Sie hat sechs Bücher veröffentlicht, ist Mitherausgeberin von drei Monografien und hat zahlreiche Buchkapitel und Artikel über die jugoslawische Geschichte und den Kalten Krieg verfasst. Ihre Forschung wurde durch zahlreiche internationale Stipendien unterstützt.