Probleme von Migration und Integration dürfen nicht tabuisiert werden, sie sollten aber erst recht nicht dramatisiert werden. Werden diese Themen ausgewogen dargestellt? Wie steht es um die Nutzung der Medien durch Migrantinnen und Migranten?
Die großen Flüchtlingszahlen in Deutschland und Europa haben das Thema Migration und Integration spätestens im Sommer 2015 wieder in das öffentliche Interesse gerückt. In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder die Frage nach der Rolle der Medien im Migrations- und Integrationsprozess gestellt. In diesem Beitrag soll diese Frage differenziert aufgeworfen und mit einigen aktuellen Ergebnissen konfrontiert werden, soweit es bereits veröffentlichte sozialwissenschaftliche Studien gibt. Dafür werden drei Schwerpunkte gesetzt:
Im Abschnitt "Mediennutzung von Menschen mit Migrationsgeschichte" wird in einem ersten Schwerpunkt der Zusammenhang von Migration, Integration und Mediennutzung genauer beschrieben. Hier geht es u. a. um die Fragen,
welche Medien an welcher Stelle des Migrationsprozesses welche Bedeutung für Migrantinnen und Migranten haben und
welche Wirkungen Medien in sozialen Integrationsprozessen entfalten können.
Im Abschnitt "Mediale Repräsentation von Menschen mit Migrationsgeschichte" haben wir Forschungsergebnisse und Studien zusammengetragen, die sich vor allem mit der Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an und in den Medien beschäftigen:
Wie kommen Angehörige ethnischer Minderheiten, Menschen mit Migrationsgeschichte und Migrantinnen und Migranten aus vielfältigen Kulturen in den Massenmedien vor?
Wie wird über sie berichtet und welche Rolle spielen sie z. B. in Filmen, Shows und Fernsehserien?
Abschließend geht es um die Fragen,
wie vielfältig die Redaktionen von deutschen Massenmedien sind und
inwiefern sie in ihrer Zusammensetzung die deutsche Gesellschaft repräsentieren ("Vielfalt in deutschen Redaktionen?").
Terminologie
Einleitend ein Wort zur Nutzung der Begriffe "Migrationshintergrund", "Zugewanderte", "ethnische Minderheiten" und "Ausländer/innen": Die amtliche Statistik kennt die Bezeichnung von "Menschen mit Migrationshintergrund" etwa seit 2003. Seit 2005 taucht er in der amtlichen Bevölkerungsstatistik des Bundesamtes für Statistik und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auf. Damals ging es vor allem darum, neben den undifferenzierten und verengten Begriff des "Ausländers" eine passendere Beschreibung zu stellen. Sie soll die vielfältigen Zuwanderungs- und Aufenthaltszusammenhänge von Personen, die nicht als Deutsche mit deutschen Eltern in Deutschland geboren wurden, umfassender darstellbar macht. Heute existieren in der amtlichen deutschen Statistik eine Definition im engeren und eine im weiteren Sinne für Menschen mit Migrationshintergrund:
Definition des Bundesamtes für StatistikBevölkerung mit Migrationshintergrund
"Zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund im engeren Sinn gehören alle nach 1950 nach Deutschland Zugewanderten sowie alle in Deutschland geborenen Ausländerinnen und Ausländer. Von den Deutschen mit Migrationshintergrund, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit seit Geburt besitzen, haben nur jene einen Migrationshintergrund im engeren Sinn, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil im selben Haushalt leben, weil nur dann die für die Zuordnung entscheidende Elterninformation vorliegt. Zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund im weiteren Sinn gehören zusätzlich jene Deutschen mit Migrationshintergrund, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit seit Geburt besitzen und nicht (mehr) mit den Eltern im selben Haushalt leben. Sie sind ausschließlich durch die bislang nur 2005, 2009 und 2013 gestellten Zusatzfragen zum Migrationsstatus der nicht im Haushalt lebenden Eltern als Menschen mit Migrationshintergrund identifizierbar".
Pressemitteilung Nr. 402 v. 14.11.2014 des Bundesamtes für Statistik
Zentraler Begriff "Identität"
In den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen und auch in der öffentlichen Diskussion existieren darüber hinaus noch sehr viele weitere Definitions- und Beschreibungsversuche für Menschen und Gemeinschaften, die durch Migration, d. h. die Wanderung zwischen verschiedenen Herkunfts- und Ankunftszusammenhängen, gekennzeichnet sind. Von ethnischen Minderheiten, die zum Teil auf historischen Wanderungsbewegungen beruhen, über Kultur-, Sprach- und Religionsgemeinschaften bis hin zur Beschreibung der Migrationsgründe (Flucht, Asyl, Vertreibung, Arbeit). Aus einer sozialwissenschaftlichen Sicht ist dabei der Begriff der "Identität" zentral. Identität beschreibt das Zugehörigkeitsgefühl einer Person oder Gruppe zu einer sozialen Gemeinschaft und stellt damit im Gegensatz zu Fremdzuschreibungen anderer das Empfinden der Betroffenen in den Vordergrund.
Mediennutzung von Menschen mit Migrationsgeschichte
Anfang der 1990er Jahre geriet die Mediennutzung von Menschen mit Migrationshintergrund stärker in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Damals war insbesondere von Interesse, wie Menschen mit ausländischen Wurzeln ihr persönliches 'Medienmenu' zusammenstellen. Nutzen sie (wenn sie die Sprache erlernt haben) die deutschen Medien oder sehen, lesen, hören sie weiterhin Fernsehprogramme, Zeitungen und Radioprogramme aus ihren Heimatländern? In der Folge wurden eine ganze Reihe von Studien durchgeführt. Sie haben für verschiedene Herkunftsgruppen gezeigt, dass insbesondere ab der zweiten Generation diejenigen in der Mehrheit sind, die beide Medienwelten kombinieren. So bleiben sie einerseits mit Verwandten und Bekannten in der Heimat verbunden und andererseits über das tägliche Leben in Deutschland auf dem Laufenden .
Im Hinblick auf die deutschsprachige Mediennutzung haben sich darüber hinaus kaum migrationsbedingte Mediennutzungsmuster gezeigt. Besonders in den Befragungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zeigten sich hohe Zuwendungsraten zu den neuen digitalen Medien (Social Media, Handynutzung, Gaming), die aber in erster Linie durch die individuellen Lebensumstände in Deutschland und nicht so sehr durch ihre Migrationsgeschichte beeinflusst waren. Die letzten Einzelstudien zur Mediennutzung von Menschen mit Migrationshintergrund (z. B. die ARD/ZDF-Studie "Medien und Migranten" ) sind mittlerweile nicht mehr aktuell; sie stammen aus einer anderen Phase der Zuwanderungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland, die vor allem durch europäische Binnenmigration und Flüchtlingsaufnahmen aus den Balkanstaaten gekennzeichnet war.
Mediennutzung von Geflüchteten
Die starke Zuwanderung von Flüchtlingen u. a. aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und afrikanischen Ländern in den Jahren 2015 und 2016 ist noch zu frisch für fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse – Wissenschaft braucht Zeit. Aber schon jetzt zeichnet sich in der medialen Öffentlichkeit ein Interesse am Medienverhalten der Geflüchteten ab.
Das internetfähige Mobiltelefon (Smartphone) gehört beispielsweise bei vielen zum Erscheinungsbild und ist als individuelles, soziales und mediales Kommunikationsmedium im Flucht-, Migrations- und Integrationsprozess unverzichtbar. Wissenschaftliche Studien zur Nutzung und zum Umgang von Geflüchteten mit digitalen und/oder sozialen Medien wurden z. B. in Frankreich und Australien durchgeführt. Zentrale Ergebnisse sind, dass das Internet und Smartphones genutzt werden, um mit der Familie und Freunden in Kontakt zu bleiben und Lebenszeichen zu senden: Der Austausch mit Familienangehörigen helfe, den emotionalen Stress der Fluchtsituation verarbeiten zu können. Daneben ist das Internet wichtig, um kostengünstig Informationen über die Situation im Herkunftsland und das Ankunftsland zu bekommen. In der neuen Umgebung helfen Internet und neue Medien zudem beim Einleben und beim Erlernen der Sprache .
Auch aus Deutschland gibt es dazu erste Ergebnisse: Mit der Nutzung digitaler Medien (Internet, Computer, Handys, Smartphones, Online-Dienste wie soziale Netzwerke, Skype, YouTube u. ä., sowie Apps) vor, während und nach der Flucht von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen beschäftigt sich ein im Jahr 2015 durchgeführtes, exploratives (erforschendes) Kooperationsprojekt der Universität Vechta und des deutschen Kinderhilfswerks .
Im Rahmen des Projektes wurden 17 Leitfadeninterviews mit männlichen, minderjährigen Flüchtlingen sowie eine Gruppendiskussion mit fünf Jugendlichen in verschiedenen Städten und Bundesländern durchgeführt . Die Ergebnisse verdeutlichen die zentrale Rolle, die digitale Medien für Jugendliche in Fluchtsituationen haben: Zum einen werden dem Internetzugang für die Bewältigung der Fluchtsituation vielfältige Funktionen zugeschrieben. Apps wie WhatsApp, Skype oder Viber und soziale Medien (v. a. Facebook, und auch YouTube ) dienen dazu,
mit der Familie und dem Heimatland in Kontakt zu bleiben,
die Flucht zu organisieren (z. B. durch Kontakt zu Schleppern, digitale Karten und Navigations-Apps),
relevante Informationen zur Flucht auszutauschen
oder Notsignale zu senden.
Aber auch für die soziale Teilhabe nach der Ankunft in Deutschland, das Erlernen der deutschen Sprache sowie die Bildung allgemein kann das Internet einen Beitrag leisten, zum Beispiel mit Apps zum Deutschlernen.
Allerdings waren den Befragten speziell erstellte, fachliche Online-Angebote zur Information über Themen wie dem Asylverfahren in Deutschland nicht bekannt.
Darüber hinaus spiegelt die Befragung aber auch die spezifische Lebensphase der jugendlichen Befragten und der für sie typischen Bedeutungszuschreibung digitaler Medien wider. Die befragten jungen Flüchtlinge nutzen Apps wie WhatsApp und soziale Netzwerke – in erster Linie Facebook – wie andere Jugendliche in Deutschland auch: zum Austausch von Nachrichten im Alltag, zur Dokumentation von Freizeiterlebnissen, dem Teilen und Kommentieren von Fotos und Videos oder im Rahmen von Hobbys.
Als problematisch bewerten die Autorinnen des Forschungsberichtes die Tatsache, dass den Kindern und Jugendlichen in den Aufnahmeeinrichtungen nur eingeschränkt Zugang zum Internet bzw. zu Computern gewährt wird. Sie müssen daher einen Großteil ihres Geldes für die Kontaktpflege zur Familie ausgeben. Weil die Nutzung digitaler Medien auch problematische Seiten wie z. B. den Datenschutz hat, fordern die Autorinnen zudem eine spezifische Förderung der Medienkompetenz von unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen.
Dass die Smartphone-Nutzung für Menschen auf der Flucht auch bedenkliche Aspekte hat, betont eine transnationale Studie der Open University und France Médias Monde, in der u. a. Geflüchtete in Frankreich befragt wurden . Die Forscher kommen zu der Einschätzung, dass die Befragten oft auf ungeprüfte und unseriöse Quellen zurückgreifen müssen und dass die Smartphone-Nutzung ‚digitale Spuren’ hinterlässt. Die Befragten äußerten auch Angst davor, lokalisiert und überwacht werden zu können, z. B. durch die Regierung oder durch die nicht-staatlichen Akteure, vor denen sie geflohen sind.
Medienangebote für Geflüchtete
Aus der Sicht der Anbieter stellen die Geflüchteten eine neue Zielgruppe dar: Einige Medien haben Angebote speziell für neu nach Deutschland Zugewanderte herausgebracht. Der SWR bietet auf seiner Website "News for Refugees" (Externer Link: http://www.swr.de/international/refugees/-/id=16250052/pd8jk2/) aktuelle Nachrichten und fachliche Informationen für Geflüchtete in Deutschland an - in den Sprachen arabisch, Dari, englisch und deutsch. Auf dieser Seite finden sich auch kurze Erklär-Videos zum politischen System in Deutschland ("Was sind Landtagswahlen?") und zu praktischen Fragen des Alltags (z. B. "Wie wird der Müll richtig getrennt?", "Wie kauft man Fahrtkarten am Automaten der Deutschen Bahn?"). Andere Videos informieren über Bildungsmöglichkeiten in Deutschland (Ausbildung, Hochschule) und deren Voraussetzungen.
In der Beschreibung und Analyse der Zielgruppen deutscher Medien hat sich der gestiegene Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund mittlerweile niedergeschlagen. Lange Zeit galt für die Messung von Reichweiten und Zuschauerquoten für Radio, Presse und Fernsehen die Definition der Grundgesamtheit als "deutsche Wohnbevölkerung". Damit waren bis in das erste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts weite Teile des Medienpublikums in Deutschland von der Erfassung der Mediennutzung ausgeschlossen.
Im Jahr 2010 erfolgte dann der Wechsel zur "deutschsprachigen Wohnbevölkerung" für die Erhebung von Presse- und Radioreichweiten durch die Arbeitsgemeinschaft Media Analyse (AG.MA) und auch die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) hat mit dem Beginn des Jahres 2016 ihr Forschungssystem für die Erfassung der TV-Sehbeteiligungsquoten und Marktanteile auf die (von der Nationalität unabhängige) "deutschsprechende Bevölkerung in privaten Haushalten" umgestellt.
In diesen Erhebungen wird der Einwanderungsstatus der Befragten bisher nicht erfasst und sind die Befragungen aus technischen Gründen auf Personen in Privathaushalten beschränkt. Daher liefern die Studien keine identifizierbaren Vergleichsdaten über das Mediennutzungsverhalten von Migranten und schließen etwa Geflüchtete in Aufnahmeeinrichtungen aus Stichproben aus.
Mediale Repräsentation von Menschen mit Migrationsgeschichte
Zur Darstellung von ethnischen Minderheiten und Menschen mit Migrationsgeschichte in den Medien gibt es inzwischen zahlreiche Studien. Untersucht wird beispielsweise,
wie Ethnizität in der Berichterstattung thematisiert wird ,
in welchen Rollen und mit welchen Verhaltensweisen Menschen mit Migrationshintergrund in fiktionalen Medieninhalten gezeichnet werden oder
wie Angehörige verschiedener ethnischer Minderheiten die Repräsentation ihrer eigenen Gruppe und anderer ethnischer Gruppen in den Medien wahrnehmen und im Hinblick auf ihre soziale Identität und Integration beurteilen .
Hintergrund des Forschungsgebietes sind verschiedene theoretische Modelle zur Rolle von Massenmedien für die soziale Integration einer Gesellschaft:
Eines dieser Modelle besagt, dass eine angemessene Repräsentation von Minderheiten bei der gesellschaftlichen Mehrheit für Toleranz gegenüber den Minderheiten führen kann und dass sich die Mitglieder der Minderheit der Gesellschaft zugehörig fühlen.
Darüber hinaus gibt es auch ein Modell, das auf einen demokratietheoretischen Hintergrund zurückgreift; diesem Modell zufolge sollten in einer Demokratie alle gesellschaftlichen Gruppen mit ihren Themen, Argumenten und Meinungen in der medialen Öffentlichkeit sichtbar sein. So kann der Einzelne sich eine umfassende Meinung bilden und informierte, politische Entscheidungen treffen.
Ein weiteres Modell nimmt v. a. die Langzeitwirkungen von Massenmedien in den Blick und die Tatsache, dass Medieninhalte auf lange Sicht die Vorstellungen des Publikums über Normen und Werte kultivieren .
Die Frage, wie die Massenmedien ethnische Minderheiten darstellen, beschäftigt Forscherinnen und Forscher in Europa, den USA, Kanada, Australien und anderen Einwanderungsländern. Welche Forschungsfragen dabei konkret verfolgt werden und welche gesellschaftlichen Gruppen im Fokus der Forschung stehen, hängt dabei stark von der spezifischen Migrationsgeschichte und -situation des jeweiligen Landes ab. Entsprechend können die Ergebnisse aus verschiedenen Ländern nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden. Trotzdem kommen diese Studien häufig zu recht ähnlichen Ergebnissen, die sich zu drei 'Mustern' zusammenfassen lassen:
Marginalisierung
In der Zusammenschau empirischer Studien aus verschiedenen Ländern zeigt sich, dass Themen wie Ethnizität und Migration bzw. gesellschaftliche Minderheiten in der Nachrichtenberichterstattung insgesamt wenig präsent sind. Sogenannte Schlüsselereignisse wie die Anschläge vom 11. September oder die Publikation des Buches "Deutschland schafft sich ab" von Thilo Sarrazin führten dabei wiederholt zu einem Anstieg der medialen Berichterstattung und Kommentierung von Migrations- und Integrationsthemen .
Weitere Befunde von Fernsehanalysen sind, dass bestimmte ethnische Gruppen in fiktionalen Sendungen unterrepräsentiert sind oder häufig in Hintergrundrollen auftreten. In einer US-amerikanischen Studie wurde z. B. untersucht, wie verschiedene ethnische Gruppen in der amerikanischen Prime-Time repräsentiert sind. Ein Ergebnis ist, dass Latino-Charaktere im Vergleich zu ihrer tatsächlichen Häufigkeit in der amerikanischen Bevölkerung in den analysierten Fernsehsendungen unterrepräsentiert sind .
Für nicht-fiktionale Inhalte wurde festgestellt, dass ethnische Individuen im Vergleich zu nicht-ethnischen Individuen seltener als Moderatorinnen und Moderatoren oder Informationsquellen auftauchen (bei solchen Forschungsfragen stellt sich natürlich immer die Frage nach einem geeigneten Vergleichsmaß). In einigen Studien, wie der erwähnten Untersuchung von Monk-Turner et al., werden daher sog. Realitätsindikatoren herangezogen und z. B. der offizielle, statistische Bevölkerungsanteil einer bestimmten ethnischen Gruppe mit deren prozentualen Anteil an Charakteren in den Sendungen verglichen.
InfoNachrichtenfaktoren
Die Frage, warum bestimmte Ereignisse und Themen in den Nachrichten beachtet werden und andere nicht, hat verschiedene Theorien hervorgebracht. Eine in der europäischen Kommunikationswissenschaft sehr etablierte Theorie ist die Nachrichtenwert-Theorie: Nach dieser Theorie sind die Selektionsentscheidungen der Journalistinnen und Journalisten vor allem auf sog. Nachrichtenfaktoren zurückzuführen, die in ihrer Summe den Nachrichtenwert eines Ereignisses oder Themas ausmachen. Nachrichtenfaktoren können als Charakteristika von Ereignissen bzw. als journalistische Annahmen über diese Ereignischarakteristika verstanden werden (vgl. Schulz 1976). Zu den Nachrichtenfaktoren gehören z. B. Reichweite, Schaden, Kontroverse, Aggression/Konflikt, Prominenz, Kontinuität und Nähe. Angenommen wird, dass Ereignisse mit einem großen Nachrichtenwert mit einer höheren Wahrscheinlichkeit in den Nachrichten besprochen werden und dass dabei diejenigen Aspekte, die dem Nachrichtenfaktor entsprechen, betont werden. Studien zur Nachrichtenauswahl auf der Publikumsseite konnten zeigen, dass Nachrichtenfaktoren allgemeine Wahrnehmungskriterien sind, die menschliche Informationsverarbeitung steuern.
Quelle: Eilders 1997.
Negativ-Tendenz
Über Menschen mit Migrationsgeschichte wird häufig in negativen und konfliktbehafteten Kontexten berichtet, z. B. im Zusammenhang mit Kriminalität. Migration wird in der Berichterstattung häufiger als Gefahr dargestellt und weniger oft als gesellschaftliche oder ökonomische Chance thematisiert. Häufig wird sogar, zunächst scheinbar widersprüchlich zum oben erwähnten Befund der Marginalisierung, eine Überrepräsentation von Minderheiten in negativen Themenkontexten festgestellt.
Zu diesen Ergebnissen kamen bereits frühe Studien, aber auch neuere Inhaltsanalysen zeigen diese Negativ-Tendenz der Medien auf. Ein Vergleich der Berichterstattung zweier Lokalzeitungen über ethnische Minderheiten in den Jahren 1996 und 2006 zeigte, dass sich im Jahr 2006 die negativen und die positiven Artikel "ausgleichen": 30 % der untersuchten Artikel stellen Menschen mit Migrationshintergrund negativ dar und 30 % der Artikel stellen sie positiv dar; die restlichen 40 % fallen neutral aus. In knapp einem Drittel der Artikel werden Menschen mit Migrationsgeschichte als Kriminelle oder Straftäter dargestellt (30 %); in 41 % der Artikel werden sie dagegen als Teil der Gesellschaft, als Nachbarn oder Mitbürger thematisiert .
Ein Vergleich von Mantel- und Lokalteil der Zeitungen zeigte, dass im Lokalteil die positiven Artikel die negativen überwiegen, während es im Mantelteil andersherum ist. Die Daten aus dem Jahr 1996 ergaben, dass die negativen Artikel die positiven in beiden Zeitungen überwogen; dass 1996 in 42 % der Artikel Menschen mit Migrationsgeschichte als Kriminelle/Straftäter und nur in 19 % als Teil der Gesellschaft/Nachbarn/Mitbürger thematisiert wurden. 2006 wurde also ein positiveres Bild von Menschen mit Migrationsgeschichte gezeichnet. Der Autor zieht aufgrund dieser Ergebnisse ein ambivalentes Fazit:
QuellentextDarstellung von Migranten
Immer noch werden in rund einem Drittel aller Berichte ethnische Minderheiten als Kriminelle oder Straftäter dargestellt [...]. Dennoch hat sich das Bild im Vergleich mit der Situation von 1996 merklich aufgehellt. Beide Medien – im Besonderen aber die Westfälische Rundschau – leisten im Jahr 2006 Beiträge zur aktiven Akzeptanz ethnischer Minderheiten.
Quelle: Fick 2009: 265-266
Das Projekt "European Day of Media Monitoring" zeigt, dass die negative Kontextualisierung von Ethnizität scheinbar kein Phänomen bestimmter Länder ist: Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass Medieninhalte mit Bezug zu ethnischen Minderheiten negativer geprägt sind als andere Inhalte und dass Migrantinnen und Migranten sowie ethnische Minderheiten oft in negativen Kontexten (wie Kriminalität) thematisiert werden. Zum Teil lassen sich diese Befunde vermutlich damit erklären, dass die Nachrichtenberichterstattung untersucht wurde und dass Nachrichten nach bestimmten Kriterien ausgewählt werden (siehe Info-Kasten "Nachrichtenfaktoren").
Vor allem nach dem 11. September 2001 scheinen die Themen Migration und Integration in den Medien stärker als vorher im Zusammenhang mit Terrorismus und religiösem Extremismus thematisiert zu werden. Das Projekt "European Day of Media Monitoring" untersuchte die Print- und Fernsehberichterstattung zu den Themen ethnische Beziehungen, Migration, Asyl und Diskriminierung in den damaligen 15 EU-Mitgliedsstaaten an einem Stichtag im November 2013. Ein Ergebnis dieser Studie ist, dass Nachrichten zu den genannten Themen häufig Bezug zu religiösem Fundamentalismus/Extremismus und religiöser Identität bzw. religiösen Praktiken nehmen (insgesamt 16 % aller Nachrichtenbeiträge ). Auch qualitative Gruppeninterviews in der Schweiz mit Migrantinnen und Migranten aus der Türkei und Nordafrika stützen diese Ergebnisse: Die Befragten sehen ihre Gruppe in der Berichterstattung nach dem 11. September häufig mit dem (überwiegend negativ konnotierten) Islam in einen Kontext gestellt .
Eine Untersuchung der zwei ostdeutschen Lokalzeitungen "Nordkurier" und "Volksstimme" zeigt, dass Muslime im Jahr 2008 in der Mehrheit der untersuchten Artikel in einem sog. "Kälte- und Schädigungs-Frame" präsentiert werden : In 160 von 243 untersuchten Artikeln werden Muslime als kalt bewertet und negative Folgen ihres Handelns für andere thematisiert. Die Mehrheit dieser Artikel erschien in der Rubrik "Politik Ausland". In 83 Artikeln – also gut einem Drittel – konstatiert der Autor dagegen einen Kompetenz-Frame: In diesen Artikeln werden Muslime kompetent bewertet und ihrem Verhalten werden positive Folgen zugeschrieben. Dieser Interpretationsrahmen kommt am häufigsten in den Rubriken Politik, Feuilleton und Sport vor; bei den repräsentierten Muslimen handelt es sich oft um Prominente. In beiden Interner Link: Frames kommen Muslime überwiegend als Objekte der Berichterstattung vor – sie kommen also nicht selber zu Wort. Beide 'Berichterstattungsmuster' beurteilt der Autor im Hinblick auf eine angemessene mediale Repräsentation und gelungene mediale Integration von Muslimen als "kritikwürdig und veränderungsbedürftig" .
Stereotype
Menschen mit Migrationsgeschichte und ethnische Minderheiten werden häufig stereotypisiert dargestellt (siehe Info-Kasten "Stereotypen"). Die US-amerikanische Forschung widmete sich dabei lange hauptsächlich der Darstellung von African American in der Fernsehunterhaltung. Jüngere Studien untersuchen zunehmend auch die Repräsentation anderer ethnischer Gruppen wie z. B. der Latinos und Asian Americans. Viele Studien kommen dabei zu dem Ergebnis, dass ethnische Charaktere häufiger negativ-konnotierte Rollen einnehmen und negativ-konnotierte Verhaltensweisen zeigen. Einige aktuellere Forschungsprojekte konnten aber auch Ansätze von "counter-stereotyping" nachweisen, also den Versuch gängige Stereotype über bestimmte Gruppen in fiktionalen Inhalten zu brechen.
Während es z. B. in den USA eine lange Tradition gibt, die Darstellung von ethnischen Minderheiten in der Fernsehunterhaltung zu untersuchen , widmet sich die deutsche Forschung diesen Sendungen erst in letzter Zeit intensiver. Denn gerade fiktionalen Sendungen wird ein besonderes Potenzial zugesprochen, die Themen Migration, Integration und Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft vielfältig und kreativ umzusetzen: Journalistische Selektionskriterien (wie die Nachrichtenfaktoren, siehe Info-Kasten) kommen in Unterhaltungssendungen nicht zum Tragen und die Dauer eines Spielfilms bzw. das Format einer Serie erlauben eine intensivere Entwicklung von Themen und Charakteren.
InfoStereotyp
Im Alltagsverständnis wird eine stereotype Darstellung häufig mit einer negativen Darstellung gleichgesetzt. In der Literatur ist mit dem Stereotypen-Begriff aber ein differenziertes Konzept gemeint: Generell wird unter einem Interner Link: Stereotyp ein verallgemeinerndes Bild eines Individuums verstanden, das nicht auf den Eigenschaften des Individuums beruht, sondern auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Mit anderen Worten: Ein Individuum wird aufgrund der Tatsache, zu einer bestimmten Gruppe zu gehören, in eine Kategorie eingeordnet. Es können verschiedene Dimensionen der Stereotypisierung unterschieden werden:
Kategorisierung: Damit ist die Zuordnung von Individuen zu einer Gruppe gemeint. Dieser Aspekt von Stereotypisierung gilt als ein normaler kognitiver Wahrnehmungsmechanismus. Menschen wenden ihn unbewusst und automatisiert an, um ihrer komplexen sozialen Umwelt gerecht zu werden. Und auch in der massenmedialen Kommunikation findet sich dieser Mechanismus; er muss es sogar, weil die Komplexitätsreduktion als eine Leistung der Massenmedien gilt. Kategorisierungen wird man daher in der Berichterstattung über alle gesellschaftlichen Gruppen finden.
Wertneutrale Verallgemeinerung: Die zweite Dimension der Stereotypisierung bezieht sich auf die Zuschreibung oder Nennung von bestimmten Eigenschaften, Rollen oder Verhaltensweisen. Es kommt dabei zu einer wertneutralen Verallgemeinerung individueller Eigenschaften, die auf die gesamte ethnische Gruppe übertragen werden. Diese Dimension der Stereotypisierung kann man auch als Vorurteil bezeichnen. Negative Verallgemeinerung: Stereotypisierung kann aber auch heißen, dass Individuen und Gruppen negative Eigenschaften, Rollen oder Verhaltensweisen zugeschrieben werden.
Ein Stereotyp ist kulturell gebunden und verändert sich über die Zeit. Es kann sich auf jede soziale Gruppe beziehen und muss nicht zwangsläufig auf Minderheiten gerichtet sein. Außerdem überschneiden sich Stereotype häufig und beziehen sich z. B. auf Ethnie und Geschlecht. Wissenschaftlich untersucht werden hauptsächlich Stereotypen von Mehrheiten über Minderheiten sowie zwischen verschiedenen ethnischen Minderheiten bzw. Gruppen, obwohl natürlich auch Stereotypen über die Mehrheit existieren.
Quelle: Trebbe et al. 2016.
In einer 2012 veröffentlichten Studie wurde untersucht, wie Menschen mit Migrationsgeschichte in der Krimi-Reihe "Tatort" repräsentiert sind und dargestellt werden . Dazu wurden 100 zufällig ausgewählte "Tatort"-Folgen aus den Jahren 1970 bis 2009 untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass migrantische Figuren im "Tatort" präsent sind: In 69 von 100 zufällig ausgewählten Folgen kommt mindestens ein Akteur mit Migrationsgeschichte vor; insgesamt spielen in den untersuchten Folgen 214 Akteure mit Migrationsgeschichte eine Rolle. Von ihnen kommen etwas weniger als die Hälfte (44 %) in Folgen vor, in denen der Kriminalfall in keinem Bezug zu den Themen Migration oder Integration steht. Mit anderen Worten: Figuren mit Migrationsgeschichte gehören zum "Tatort"-'Alltag'. Über den Zeitverlauf gewinnen die Figuren mit Migrationsgeschichte zahlenmäßig an Bedeutung.
Der "Tatort" nutzt zudem sein spezifisches Potenzial, um Einblicke in ihre berufliche und private Lebenswelt zu geben und sie überwiegend als gut integriert darzustellen. Zum Beispiel präsentiert der "Tatort" wiederholt wirtschaftlich erfolgreiche Figuren mit Migrationsgeschichte, und zwar besonders in den neueren Folgen; nur 1 % der Akteure mit Migrationshintergrund werden als arbeitslos dargestellt. Auch die Sprachkompetenz der Akteure wurde in der Studie untersucht: Sofern ein Akteur mit Migrationsgeschichte einen eigenen Wortbeitrag im "Tatort" hat, ist er oder sie fast immer der deutschen Sprache mächtig. Und in den neueren Folgen (2005-2009) sprechen die meisten Akteure mit Migrationsgeschichte akzentfrei deutsch. Natürlich zeichnet der "Tatort" aber auch negativ-konnotierte Migranten-Rollen (Täter/Mittäter oder Tatverdächtige), was für ein Krimiformat allerdings auch nicht überrascht.
Vielfalt in deutschen Redaktionen?
Die Zahl der redaktionellen und freien Mitarbeiter/innen in den deutschen Medien ist weitgehend unbekannt. In Deutschland existieren – ganz im Gegensatz zu den USA als klassischem Einwanderungsland – keine systematischen Erhebungen über den Migrationsstatus der Mitarbeiter/innen im Rundfunk und in der Presse. Es ist aber ziemlich sicher, dass dieser Anteil weit unter dem Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Gesamtbevölkerung liegt. In einigen älteren, nicht repräsentativen Studien gehen die Autoren von Anteilen zwischen 1 und 4 % aus – bei einem Anteil von mehr als 20 % in der Gesamtbevölkerung. In einem Vergleich zwischen Schweden und Deutschland wird dabei auf große Unterschiede zwischen elektronischen und gedruckten Medien hingewiesen .
In der Zwischenzeit werden zunehmend Menschen mit ausländischen Wurzeln vor der Kamera sichtbar. Zudem fordern viele private und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten explizit Menschen mit Migrationshintergrund zur Bewerbung für ihre Volontariate auf. Trotzdem ist das journalistische Arbeitsfeld noch immer ein Beispiel für mangelnde Repräsentation und Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.
InfoInitiativen: Migration und Medien
Eine Initiative, die sich für mehr Vielfalt "vor und hinter den Kameras und Mikrophonen" einsetzt, sind die "Neuen Deutschen Medienmacher", ein bundesweiter und unabhängiger Verband von Journalistinnen und Journalisten sowie Medienschaffenden mit unterschiedlichen ethnischen und kulturellen Wurzeln. Das Netzwerk bietet z. B. ein Mentoring-Programm für Nachwuchs-Journalistinnen und -Journalisten mit Migrationsgeschichte an, hat ein Glossar mit Formulierungshilfen für eine differenzierte Berichterstattung erstellt und bietet Medienschaffenden einen Vielfaltfinder an – eine Plattform, mit deren Hilfe Expertinnen und Experten mit Migrationsgeschichte für Themen abseits von Migration und Integration kontaktiert werden können (Externer Link: www.neuemedienmacher.de).
Für eine differenzierte Debatte über die Themen Migration und Integration setzt sich auch der "Mediendienst Integration" ein: Die Informationsplattform stellt Medienschaffenden kostenfrei Recherchen und Statistiken zu den Themen Migration, Integration und Asyl in Deutschland zur Verfügung. Außerdem können Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft vermittelt werden. Träger des Mediendienstes ist der "Rat für Migration e. V." (Externer Link: mediendienst-integration.de).
In diesem Zusammenhang hat auch eine aktuelle Medienbefragung in Nordrhein-Westfalen ergeben, dass große Teile der Verantwortlichen in den Medien für dieses Problem noch sensibilisiert werden müssen und dass die "besonderen Fähigkeiten, die Migranten in den Journalismus einbringen könnten, (...) von den Verantwortlichen im Vergleich zu den hergebrachten Kompetenzen missachtet" werden . Insbesondere bei Menschen mit eigener Migrationserfahrung und Deutsch als Fremdsprache ist häufig die Ausdrucksfähigkeit ein Argument gegen stärkere Berücksichtigung von Zugewanderten bei der Besetzung von Moderatoren-, Redaktions- und Reporterstellen.
Schließlich sei noch ein weiterer Punkt erwähnt, der häufig von den Betroffenen in diesem Zusammenhang moniert wird: Wenn Journalistinnen und Journalisten mit Migrationshintergrund ihren Platz in einer Redaktion gefunden haben, werden sie häufig auf diese Rolle bzw. ihren Hintergrund auch beruflich festgelegt. Mit anderen Worten: Diese Person ist dann eben (fast) ausschließlich für die Berichterstattung über migrantische, ethnische, auf den Bereich Flucht, Asyl, Migration bezogene Themen zuständig. Auch in solchen Fällen kann natürlich kaum von gelungener Integration in den journalistischen Arbeitsprozess gesprochen werden.
Fazit/Ausblick
Das Forschungsfeld "Migration, Integration und Medien" zeigt, dass Medien in einem Einwanderungsland wie Deutschland wichtige Funktionen erfüllen:
für die gesellschaftliche Teilhabe von Migranten und ihren Kindern und Enkeln
sowie, im Idealfall, für gegenseitige Wahrnehmung und Akzeptanz verschiedener Gruppen und damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Sowohl in der Mediennutzungsforschung als auch im Journalismus sind Entwicklungen zu beobachten, eine veränderte, diverse gesellschaftliche Realität stärker zu berücksichtigen. Diese Entwicklungen sollten in Zukunft gut beobachtet werden: Noch gibt es in der Wissenschaft große Forschungslücken. Langzeitstudien zur medialen Darstellung von gesellschaftlicher Vielfalt und methodisch angemessene Vergleichsdaten zur Mediennutzung religiöser, sprachlich-kultureller und anderer Minderheiten fehlen. Auch wissen wir in Deutschland noch nicht ausreichend darüber Bescheid, wie Vielfalt in verschiedenen Mediengattungen und Medienangeboten, Sendungsformaten und Genres dargestellt wird. Breiter angelegte, medienübergreifende Medienanalysen könnten hier Aufschluss geben.
Auch die Forderung, die personelle Struktur der Redaktionen und Produktionsfirmen in Deutschland im Hinblick auf ihre Vielfalt und Unterschiedlichkeit stärker in den Blick zu nehmen, ist richtig und wichtig. Aus einer wissenschaftlich-analytischen Perspektive liefern solche Daten die Basis für eine breite gesellschaftliche Diskussion über Vielfalt und die soziale Integration von Migrantinnen und Migranten.
Darüber hinaus zeigen erste Studien, dass sich durch die Verbreitung und Nutzung mobiler, sozialer Medien ganz neue Perspektiven auf das Potenzial individueller und gesellschaftlicher Kommunikation erschließen. Für diejenigen, die sich im Migrationsprozess befinden oder in einem neuen kulturellen Umfeld behaupten müssen, eröffnen sich neue Möglichkeiten der sozialen Interaktion. Für Menschen auf der Flucht können sie überlebenswichtig werden.
Identität, Repräsentation und Partizipation von Menschen mit Migrationserfahrung lassen sich dabei nicht mehr getrennt für die Bereiche Medienproduktion und Medienrezeption begreifen und analysieren. Medieninhalte und Mediennutzung verbinden sich in den neuen Medien zu ganz neuen Kommunikationsformen, die nur noch wenig mit den konventionellen Vorstellungen von Öffentlichkeit, Journalismus und Massenmedien zu tun haben werden.
Dr. Joachim Trebbe ist Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienanalyse an der Freien Universität Berlin. In seiner Forschung befasst er sich u. a. mit dem Thema Migration, soziale Integration und Medien, der Fernsehprogrammforschung im deutschsprachigen Raum sowie mit Methodenentwicklung und Datenanalyse.
Dr. Sünje Paasch-Colberg ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin. Ihre Forschung umfasst u. a. die Themen Wahlen und Massenmedien, Medienwirkungsforschung sowie Migration, soziale Integration und Medien.