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Die Grenzen der öffentlich-rechtlichen Angebote im Internet sind im Rundfunkstaatsvertrag geregelt | Medienpolitik | bpb.de

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Die Grenzen der öffentlich-rechtlichen Angebote im Internet sind im Rundfunkstaatsvertrag geregelt Christian Meier spricht mit Dr. Johannes Beermann, Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei

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Dr. Johannes Beermann, Staatsminister und Chef der Sächsischen Staatskanzlei (© Sächsische Staatskanzlei/Jörg Lange)

Was ist "Rundfunk" in der digitalen Welt?

In der digitalen Welt ist der bisherige lineare und analog verbreitete Rundfunk durch nicht-lineare Angebote (z. B. Mediatheken) ergänzt, und er kann digital verbreitet werden (z. B. Internet, DVB-T, DAB).

Wie hat die Digitalisierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Ihrer Wahrnehmung verändert?

Die neuen Telemedien ermöglichen eine zeitsouveräne Nutzung der Programmangebote, weitergehende Hintergrundinformationen und ein direktes Feedback der Zuschauer durch Chats, Kommentare etc. Die digitale Verbreitung hat die Empfangsqualität deutlich verbessert. Sie ermöglicht durch eine effektive Frequenzausnutzung außerdem eine größere Programmvielfalt als bisher.

Welche Rolle sollen die öffentlich-rechtlichen Anstalten im Internet spielen?

Die Rolle der öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote im Internet ist im Rundfunkstaatsvertrag im sogenannten Telemedienauftrag festgeschrieben. Die Sender haben im Netz den gleichen Auftrag zur Mitwirkung an der Meinungsbildung wie in Hörfunk und Fernsehen. Vor allem sollen die öffentlich-rechtlichen Telemedienangebote allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Informationsgesellschaft ermöglichen. Insbesondere jüngere Menschen sprechen sie an, weil sie deren Mediennutzungsverhalten entsprechen. Im Kern sollen die Telemedienangebote der Sendeanstalten Information, Kultur und Unterhaltung enthalten.

Haben die Öffentlich-Rechtlichen "Grenzen" bei ihrer Expansion ins Internet überschritten, wie Verleger und Privatsender sagen, und wenn ja, welche?

Die Grenzen der öffentlich-rechtlichen Angebote im Internet sind im Rundfunkstaatsvertrag geregelt. Nicht erlaubt sind zum Beispiel Werbung und Sponsoring, das Angebot von angekauften Filmen und Serien oder andere kommerziell interessante Aktivitäten, wie z. B. Musikdownloads, Anzeigenportale, Partnerbörsen etc. Diese Verbote dienen dem Schutz von privatwirtschaftlichen Internetangeboten. Sie nehmen schließlich keine Beiträge ein, sondern müssen sich am Markt refinanzieren.

Um Einzelfallstreitigkeiten wie bei der Tagesschau-App vorzubeugen, benötigen Private und Öffentlich-Rechtliche aber auch gemeinsame Vereinbarungen, die generell das Terrain abstecken, auf dem sich jeder bewegen kann, ohne dem anderen ins Gehege zu kommen. Dabei ist ein fairer Wettbewerb zu beachten. Keinesfalls darf es zur Quersubventionierung printähnlicher Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet durch den Rundfunkbeitrag kommen.

Welche Inhalte sollten die öffentlich-rechtlichen Mediatheken zeigen dürfen – und welche nicht?

In den auf der Grundlage des Rundfunkstaatsvertrages genehmigten Telemedienkonzepten sind die zulässigen Inhalte öffentlich-rechtlicher Mediatheken genau definiert. Allgemein gesagt handelt es sich dabei um strukturierte Angebote für Abrufmedien, Livestreams, Bilderserien und Multimedia-Anwendungen. Die Angebote beinhalten Sendungen und Sendungsausschnitte auf Abruf, auf eine Sendung bezogene Elemente sowie nicht sendungsbezogene Bestandteile und Archive. Angekaufte Spielfilme und Folgen von Fernsehserien, insbesondere Lizenzerwerbe aus dem Ausland, werden aufgrund des Rundfunkstaatsvertrages nicht angeboten. Der Rundfunkstaatsvertrag verlangt auch, den Jugendschutz zu beachten. Außerdem müssen die Angebote journalistisch-redaktionell veranlasst und journalistisch-redaktionell gestaltet sein.

Welche Funktionen erfüllt der Drei-Stufen-Test, hat sich das Modell als praktikabel und effizient erwiesen?

Der Drei-Stufen-Test ist das Genehmigungsverfahren für neue oder veränderte öffentlich-rechtliche Telemedienkonzepte. Unter Einbeziehung externen Sachverstandes untersuchen die Rundfunkgremien dabei den Beitrag des Angebots zum publizistischen Wettbewerb und die möglichen Auswirkungen auf andere Marktteilnehmer. Die Rechtsaufsicht hat die Aufgabe, das Ergebnis zu prüfen und zu genehmigen. Danach darf das Angebot online gehen. Der Drei-Stufen-Test musste nach Inkrafttreten des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags im Jahr 2009 auch für den gesamten Bestand der öffentlich-rechtlichen Onlineangebote und für Teletextangebote durchgeführt werden. Es ist noch zu früh für eine abschließende Meinung.

Wie bewerten sie den lang anhaltenden Konflikt um die Tagesschau-App?

Die Einzelfallentscheidung des Kölner Landgerichts aus dem vergangenen Jahr ist nicht das, was die Parteien brauchen. Davor hatte das Gericht sie bereits gewarnt. Die Parteien benötigen hingegen Planungssicherheit. Deshalb muss mit einer Regelung das Terrain abgesteckt werden, auf dem sich jede Seite bewegen kann, ohne dem anderen ins Gehege zu kommen. ARD, ZDF und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger hatten bereits einen Entwurf für eine derartige Vereinbarung ausgehandelt.

Leider ist dieser Weg dann nicht weiter beschritten worden, wobei sich die Beteiligten gegenseitig die Schuld für die gescheiterten Verhandlungen zuwiesen. Soll dauerhaft Rechtsfrieden einkehren, bleibt den Parteien nur die Rückkehr an den Verhandlungstisch. Ansonsten mutiert die App-Frage zu einer ressourcenbindenden Dauerbeschäftigungsmaßnahme für Justitiariate und Anwaltskanzleien.

Der Schwerpunkt der Tätigkeit von Verlagen und Sendeanstalten sollte aber in anderen Bereichen liegen. Im Übrigen hat das Gericht ein generelles Verbot der App abgelehnt, weil sie – entgegen der Auffassung der Verlage – das Genehmigungsverfahren nach dem Rundfunkstaatsvertrag durchlaufen habe.

Gehört der Aufbau beispielsweise einer App-Strategie zu den Aufgaben der Öffentlich-Rechtlichen?

Die Nutzung der öffentlich-rechtlichen Telemedieninhalte über Apps entspricht dem Grundsatz der Technologieneutralität, der auch von der Europäischen Kommission in der Beihilfe-Entscheidung betont wurde. Danach sollten die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Lage sein, die sich ihnen im Zuge der Digitalisierung und Diversifizierung bietenden Möglichkeiten zu nutzen. Damit die fundamentale Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in dem neuen, digitalen Umfeld gesichert wird, dürfen sie staatliche Beihilfen einsetzen, um über neue Verbreitungsplattformen audiovisuelle Dienste bereitzustellen. Ebenso hat das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seiner ständigen Rechtsprechung festgestellt, dass das Programmangebot auch für neue Inhalte, Formate und Genres sowie für neue Verbreitungsformen offen bleiben muss. Deshalb darf der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auf einen bestimmten programmlichen, finanziellen oder technischen Entwicklungsstand beschränkt werden.

Wie bewerten Sie die Rolle von Internet-Playern wie Google/YouTube und Facebook? Werden diese selber zu "Sendern"? Und was bedeutet das für unsere Medienordnung?

Es gibt weltweit einen starken Boom von Plattformen für Abrufvideos. Dieser Markt besteht aus vielen kleinen Anbietern. Ein einheitliches Angebot der deutschen Sender und Produzenten wurde bisher vom Bundeskartellamt verhindert. Insbesondere US-amerikanische Plattformgiganten werden die so vom nationalen Wettbewerbsrecht geschaffenen Lücken schließen. Letztlich werden dadurch auch die Bemühungen um einen europäischen Medienpluralismus erschwert. Auch das Ziel, europäische Produktionen und damit auch die publizistische Vielfalt zu stärken, wird derzeit konterkariert.

Fussnoten

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