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Migration und Migrationspolitik in Portugal | Regionalprofil Südeuropa | bpb.de

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Migration und Migrationspolitik in Portugal

Dr. Alina Esteves

/ 5 Minuten zu lesen

Portugal hat eine lange Geschichte der Auswanderung. Gleichzeitig ist das Land auch Ziel von Menschen aus verschiedenen Weltregionen. Es ist bekannt für seine liberale Einwanderungspolitik und eine starke Bilanz bei der Integration von Eingewanderten.

Demonstration in Lissabon im Herbst 2015 für die Aufnahme von Flüchtlingen. Portugal ist für seine liberale Einwanderungspolitik bekannt und bemüht sich aktiv um die Integration von Eingewanderten. (© picture-alliance/dpa)

InfoPortugal|Portugiesische Republik

Zeitzone: MEZ -1 h
Fläche: 92 226 km² (Weltrang: 109)
Einwohnerzahl: 10,3 Millionen (Stand 2019, Weltrang: 89)
Einwohnerdichte: 111 pro km² (Stand 2019)
Hauptstadt: Lissabon
Amtssprache: Portugiesisch
Verwaltungsgliederung: 18 Distrikte und 2 autonome Regionen
Städte: Lissabon, Porto, Vila Nova de Gaia, Amadora, Braga, Funchal
Autokennzeichen: P | PRT
Währung: 1 Euro = 100 Cent
Nationalfeiertag: 10. Juni
Lage: Von 36° 59' bis 42° 09' nördlicher Breite sowie von 6° 12' bis 9° 30' westlicher Länge
Höchster Punkt: Ponta do Pico, 2351 m
Klima: Warmgemäßigtes Atlantikklima, nach Süden zunehmend Mittelmeerklima
Staatsform: Semipräsidiale Republik
Staatsoberhaupt: Präsident Marcelo Rebelo de Sousa
Regierungschef/in: António Costa
Außenminister/in: Augusto Santos Silva
Botschaft: Externer Link: www.berlim.embaixadaportugal.mne.pt/pt
Legislative: Parlament mit 230 für 4 Jahre gewählten Mitgliedern
Verfassung von: 1976
Wahlrecht ab: 18 Jahre
Altersstruktur: <15 Jahre 13,3 %, 15-64 Jahre 64,4 %, >64 Jahre 22,3 % (Stand 2019)
Bevölkerungsverteilung: Stadt 65,8 %, Land 34,2 % (Stand 2019)
Bevölkerungsentwicklung: -0,1 % (Stand 2019)
Lebenserwartung: Frauen 85 Jahre, Männer 79 Jahre (Stand 2020)
Alphabetisierungsrate: Frauen 95,1 %, Männer 97,4 % (Stand 2018)
Ethnische Gruppen: Portugiesen u. a.
Religionen: Christen 84,3 %
Sprachen: Portugiesisch, Mirandés
Bruttosozialprodukt: 237,69 Mrd. US-$ (Stand 2019)
BIP-Wachstum: 2,2 % (Stand 2019)
Einkommen pro Einwohner: 23 031 US-$ (Stand 2019)
Inflationsrate: 0,3 % (Stand 2019)
Außenhandel: Import 89,92 Mrd. US-$, Export 67,06 Mrd. US-$ (Stand 2019)
Erwerbstätige pro Sektor: Landwirtschaft 5,9 %, Industrie 24,7 %, Dienstleistungen 69,4 % (Stand 2019)
Arbeitslosenquote: 6,3 % (Stand 2019)
Energieverbrauch: 2 132 kg ÖE (Stand 2014)
Länge Straßennetz: 82 909 km
Länge Eisenbahnnetz: 3 075 km

Quelle: KOSMOS Welt- Almanach 2021 © Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG.

Portugal hat eine lange Tradition als Auswanderungsland. Seit Jahrzehnten suchen Portugiesinnen und Portugiesen auf dem afrikanischen und amerikanischen Kontinent, aber auch in anderen europäischen Staaten nach einem besseren Auskommen. Die wichtigsten Siedlungsländer der portugiesischen Interner Link: Diaspora sind Frankreich, Deutschland und Brasilien. Auch die Schweiz, Luxemburg und die USA zählen zu den wichtigsten Zielländern.

Portugal ist aber ebenso ein Land, in dem mittlerweile Tausende ausländische Staatsangehörige leben, die aus einem breiten Spektrum an Ländern und Weltregionen stammen. Die portugiesische Wirtschaft ist nach dem Beitritt Portugals Interner Link: zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1986 bemerkenswert gewachsen. Die Förderung durch die Kohäsions- und Strukturfonds der EWG sowie durch ausländische Direktinvestitionen führten zu einem Wachstum von Sektoren wie Bauwesen und Telekommunikation, aber auch häuslichen Dienstleistungen, Industriereinigung und Beherbergungsgewerbe. Folglich wurde in diesen Bereichen eine beträchtliche Zahl an Arbeitskräften benötigt. Da die Nachfrage nach Arbeitskräften höher war als das inländische Angebot, wurde der Zuzug ausländischer Arbeitskräfte als praktikable Lösung betrachtet.

Abbildung 1: Auswanderung, Einwanderung und Wanderungssaldo in Portugal 1991-2019. (© bpb)

Die Einwanderung nahm in den 1990er Jahren erheblich zu. Im Jahr 2000 erreichte die Zuwanderung von ausländischen Staatsangehörigen mit 78.000 Personen einen vorläufigen Höhepunkt; zu diesem Zeitpunkt lebten rund 208.000 Ausländer/-innen im Land, was zwei Prozent der Gesamtbevölkerung entsprach. Während dieses Jahrzehnts hörte Portugal dennoch nie auf, ein Land zu sein, aus dem viele Menschen auswanderten. Allerdings ging die Abwanderung von 37.000 Personen im Jahr 1991 auf etwa 10.000 im Jahr 2000 zurück (Abb. 1). Das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts war aufgrund der Verlangsamung der Wirtschaftsleistung des Landes durch sinkende Zuwanderung gekennzeichnet. Lediglich im Zeitraum 2007-2009 wuchs die Zuwanderung leicht. Mit der Finanzkrise, die zu einem starken Wirtschaftseinbruch führte , stieg die Auswanderung zwischen 2010 und 2014 stark an: Jährlich verließen fast 50.000 Menschen das Land. Traditionelle Zielländer wie Frankreich, Deutschland oder Großbritannien wurden wieder angesteuert, aber portugiesische Auswanderer/-innen, viele von ihnen hochqualifiziert, suchten auch in Brasilien, Angola und den Golfstaaten nach Jobs. Gleichzeitig verlor Portugal an Attraktivität für ausländische Migrant/-innen, sodass der Wanderungssaldo (d.h. die Differenz aus Zu- und Abwanderung) während dieser Zeit negativ war. Die wirtschaftliche Erholung in der zweiten Hälfte der 2010er Jahre führte zu einer Umkehr dieses Trends: Seit 2017 ist der jährliche Wanderungssaldo wieder positiv.

Herkunftsländer und -regionen der Einwanderungsbevölkerung

Abbildung 2: Zahl der sich legal in Portugal aufhaltenden ausländischen Staatsangehörigen nach Herkunftsregionen 1974-2020. (© bpb)

In den frühen 1980er Jahren kamen Einwanderer/-innen hauptsächlich aus den ehemaligen portugiesischen Kolonien in Afrika wie Kap Verde, Angola, Guinea-Bissau sowie São Tomé und Príncipe. Die zunehmende Internationalisierung der Wirtschaft in den 1990er Jahren führte zu Zuwanderung aus Brasilien und Osteuropa (Ukraine, Moldawien und Russland). Seit 2010 nimmt die Zahl der Zugewanderten aus Asien zu, wobei Migrant/-innen aus China, Indien und Nepal die größten Gruppen bilden (Abb. 2).

Während 1980 der Anteil ausländischer Staatsangehöriger an der gesamten Wohnbevölkerung Portugals 0,6 Prozent betrug, erreichte er im Jahr 2000 2,0 Prozent und stieg bis 2010 auf 4,2 Prozent. Im Jahr 2020 machten die 662.095 in Portugal lebenden ausländischen Staatsangehörigen 6,4 Prozent der Bevölkerung Portugals aus. Die fünf größten Gemeinschaften im Land sind laut der portugiesischen Einwanderungs- und Grenzbehörde (Serviço de Estrangeiros e Fronteiras, SEF) Staatsangehörige Brasiliens (27,8 Prozent der ausländischen Staatsangehörigen), Großbritanniens (7,0 Prozent), Kap Verdes (5,5 Prozent), Rumäniens (4,5 Prozent) und der Ukraine (4,3 Prozent). Staatsangehörige aus EU-Mitgliedsstaaten (EU-27) (158.588) machen rund 24 Prozent der gesamten ausländischen Bevölkerung aus. Die Einwanderungsbevölkerung Portugals umfasst neben ausländischen Staatsangehörigen auch Eingewanderte, die die portugiesische Staatsangehörigkeit angenommen haben. Nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat lebten Anfang Januar 2020 insgesamt rund 1,1 Millionen im Ausland geborene Menschen (sogenannte foreign born) in Portugal (10,6 Prozent der Gesamtbevölkerung).

Einwanderungspolitik

Portugal ist für seine liberale Zuwanderungspolitik, auch im Hinblick auf Aufnahme und Integration von Flüchtlingen, bekannt. Das Land belegte den dritten Platz in der jüngsten Ausgabe des Migrant Integration Policy Index (MIPEX) 2020 – einer vergleichenden Analyse der Politiken zur Integration von Eingewanderten in 52 Ländern.

Portugals Migrationspolitik basiert auf internationalen Standards, die z.B. in internationalen Konventionen wie dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge festgelegt sind. Sie wird auch von EU-Richtlinien beeinflusst, die Portugal umsetzt, zum Beispiel in Bezug auf die Aufnahme von Flüchtlingen. Gleichzeitig bleibt die Migrationspolitik Portugals – wie auch in anderen Nationalstaaten – ein Bereich, der von der nationalen Gesetzgebung geprägt ist. So entscheidet die Legislative über Regelungen für die Einreise, den Aufenthalt und die Ausreise von ausländischen Staatsangehörigen, über die Erteilung von Visa, Regularisierungen (d.h. Einwanderern nach einer Phase der aufenthaltsrechtlichen Illegalität einen regulären Status zu ermöglichen) und die Rechte und Pflichten von Ausländer/-innen, die in Portugal leben. Das jüngste Gesetz zur Regelung der Migrationspolitik ist 2007 in Kraft getreten (Gesetz 23/2007). Es legt die Bedingungen fest, die Ausländer/-innen erfüllen müssen, um nach Portugal einreisen zu dürfen und eine befristete oder dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Jüngste Änderungen des Gesetzes haben die Einwanderung von ausländischen Staatsangehörigen, die in Portugal arbeiten, studieren, investieren oder wissenschaftliche Forschung betreiben wollen, durch die Einführung spezieller Visa erleichtert. Die wachsende Bedeutung temporärer Beschäftigung (z.B. in der Landwirtschaft, im Tourismus, im Bauwesen) führte zur Einführung eines neuen Kurzzeitvisums für Saisonarbeit. Während der COVID-19-Pandemie in den Jahren 2020/21 beschloss die Regierung, die Quotenregelung zur Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen für untergeordnete Arbeiten auszusetzen, die in Sektoren wie der Landwirtschaft, dem Hotel- und Gaststättengewerbe, dem Groß- und Einzelhandel und dem Baugewerbe besteht. Darüber hinaus hatten illegal im Land lebende Eingewanderte vorübergehend die Möglichkeit zur Regularisierung ihres Aufenthalts, sofern sie die dafür notwendigen Dokumente zwischen dem 18. März 2020 und dem 30. April 2021 einreichten. Ziel war es, ihnen den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen zu erleichtern.

Übersetzung aus dem Englischen: Vera Hanewinkel

Quellen / Literatur

Cook, Maria Lorena (2018): Portugal's Immigration and Integration Policies: a Case Apart? Journal of International Migration and Integration 19, S. 771-789.

Esteves, Alina; Fonseca, Maria Lucinda; Malheiros, Jorge (2018): Labour market integration of immigrants in Portugal in times of austerity: resilience, in situ responses and re-emigration, Journal of Ethnic and Migration Studies, 44:14, S. 2375-2391, DOI: 10.1080/1369183X.2017.1346040

Serviço de Estrangeiros e Fronteiras (2021): Relatório de Imigração, Fronteiras e Asilo 2020. Oeiras. Externer Link: https://sefstat.sef.pt/Docs/Rifa2020.pdf (Zugriff: 24.11.2021).

Solano, Giacomo; Huddleston, Thomas (2020): Migrant Integration Policy Index 2020: Main Findings, Externer Link: https://www.mipex.eu/key-findings (Zugriff: 26.05.2021).

Pena Pires, Rui; Machado, Fernando Luís; Peixoto, João; Vaz, Maria João (2010): Portugal Atlas das migrações internacionais. Lisboa: Tinta da China.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Pena Pires (2010).

  2. Esteves, Fonseca und Malheiros (2018).

  3. Serviço de Estrangeiros e Fronteiras (2021).

  4. Eurostat: Foreign-born population by country of birth, 1 January 2020 (migr_pop3ctb), Zugriff: 24.11.2021.

  5. Cook (2018).

  6. Solano, Huddleston (2020).

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 4.0 - Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International" veröffentlicht. Autor/-in: Dr. Alina Esteves für bpb.de

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Weitere Inhalte

ist Teil der Forschungsgruppe MIGRARE – Migration, Spaces and Societies am Institut für Geographie und Raumplanung der Universität Lissabon, Portugal.