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Historische Entwicklungen | Rumänien | bpb.de

Rumänien Hintergrund Entwicklung Zuwanderung seit 1990 Staatsbürgerschaft Flucht und Asyl Irreguläre Migration Aktuelle Entwicklung Herausforderungen Literatur

Historische Entwicklungen

István Horváth

/ 4 Minuten zu lesen

Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert war Rumänien vorwiegend ein Auswanderungsland. In dieser Zeit erfolgten die ersten Abwanderungen größeren Umfangs im Kontext der großen Auswanderungswellen von Osteuropa nach Nordamerika, darunter vor allem Bevölkerung aus Siebenbürgen (1918 an Rumänien angeschlossen).

Migration vor der Zeit des Kommunismus

Allein im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wanderten eine viertel Million Menschen aus dieser damals noch zu Österreich-Ungarn gehörenden Provinz in die USA aus, wobei die Gesamtbevölkerung um 1900 bei 4,8 Millionen lag.

Im Gefolge der territorialen Veränderungen während des Ersten und Zweiten Weltkrieges ergaben sich in Rumänien Verschiebungen von großen Bevölkerungsgruppen. Zwischen 1918 und 1922 verließen 200.000 Ungarischstämmige das Gebiet von Siebenbürgen (das von Ungarn an Rumänien übergeben worden war). Als Konsequenz des Wiederanschlusses des nördlichen Teils an Ungarn im Jahr 1940 und im Rahmen eines Abkommens zwischen Ungarn und Rumänien über einen Bevölkerungsaustausch verließen 220.000 Menschen rumänischer Abstammung den Norden von Siebenbürgen und zogen in Gebiete, die nun unter rumänischer Herrschaft standen. Zur selben Zeit zogen 160.000 Ungarn von rumänischen in ungarische Gebiete. Während des Zweiten Weltkrieges wurde ein Großteil der jüdischen Bevölkerung, die in dem Gebiet des heutigen Rumäniens lebte, von rumänischen oder ungarischen Behörden deportiert; die Hälfte von rund 780.000 Juden in Rumänien wurde durch den Holocaust vertrieben oder getötet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden etwa 70.000 Deutschstämmige in die Sowjetunion deportiert und viele weitere innerhalb Rumäniens zwangsumgesiedelt.

Die Zeit des Kommunismus (1947-1989)

Rumänische Auswanderer, absolute Zahlen 1957-1989 (bpb) Lizenz: cc by-nc-nd/2.0/de

Während der kommunistischen Herrschaft vertrat die rumänische Regierung eine überaus restriktive Ausreisepolitik, durch die der Bewegungsspielraum der Bürger ins Ausland erheblich eingeschränkt wurde. Reisepässe wurden von der Polizei einbehalten und es bedurfte einer behördlichen Genehmigung, um Reisedokumente zu bekommen. Wer sich zur Ausreise bei den verschiedenen ausländischen Botschaften in Rumänien bewarb, setzte damit seine bürgerlichen und wirtschaftlichen Rechte aufs Spiel, war stigmatisiert und wurde von der Obrigkeit schikaniert. Trotz der unnachgiebigen Einstellung des Regimes reisten relativ viele Menschen zu jener Zeit auf legalem Wege aus. Diese Tatsache ist weniger widersprüchlich, als es auf den ersten Blick scheint, da es nicht die Absicht der restriktiven Politik war, Auswanderung gänzlich zu verhindern. Vielmehr wollte man durch die Beschränkung der Ausreisemöglichkeiten die Abwanderung kontrollieren, während man gleichzeitig bestimmten Gruppen die Ausreise gewährte (siehe unten). Indem die Ausreise begrenzt wurde, hoffte die Regierung, die Zahl der von Rumänen im Ausland gestellten Asylanträge zu reduzieren, da sie befürchtete, durch eine große Zahl von Asylanträgen diskreditiert und von ausländischen Regierungen wie von der verbleibenden Bevölkerung als rechtmäßige Vertretung eines funktionierenden politischen Systems in Frage gestellt zu werden.

Ethnische Zusammensetzung der ausgewanderten Bevölkerung (1975-1989) verglichen mit der ethnischen Zusammensetzung der rumänischen Bevölkerung (Volkszählung von 1977)

Anteil an der Gesamtbevölkerung (Volkszählung von 1977)Anteil an der Auswandererbevölkerung (1977-1989)
Rumänen 87,5%35,5%
Deutsche 1,6%44,2%
Ungarn 7,9%12,8%
Juden 0,1%5,5%
Andere 3,3%2,1%

Quelle: Institutul National de Statistica (INS)

Ethnische Minderheiten (Juden, Deutsche und Ungarn) waren unter den legalen Auswanderern aus Rumänien während des Kommunismus deutlich überrepräsentiert. Beispielsweise machten Deutschstämmige laut der Volkszählung von 1977 nur 1,6 % der Bevölkerung aus, sie stellten aber 44 % der Auswanderer zwischen 1975 und 1989.

Die Auswanderung rumänischer Juden setzte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ein und die Mehrheit der jüdischen Gemeinde (zwischen 300.000 und 350.000 Menschen) wanderten während der kommunistischen Herrschaft nach Israel oder in die USA aus. Die Emigration der Deutschen wie auch der Juden war vom kommunistischen Regime klar geregelt. Anders der Fall bei der Bevölkerung ungarischer Abstammung: Von 1985 an emigrierte diese Minderheit in großer Zahl ins benachbarte Ungarn, die große Mehrheit von ihnen illegal (unerlaubte Grenzüberschreitung, Aufenthalt in Ungarn ohne gültige Genehmigung etc.). Ihre Ausreise war nicht von rumänischen Behörden genehmigt worden, die mögliche negative Folgen für das internationale Ansehen durch größere, unkontrollierte Abwanderung befürchteten.

Einige Möglichkeiten zur temporären Migration, etwa zu Bildungs- und Arbeitszwecken, standen der rumänischen Bevölkerung schon während der kommunistischen Ära offen. Temporäre Arbeitsmigration wurde ausschließlich vom Staat geregelt und eine große Zahl rumänischer Arbeiter ging in den Mittleren Osten, insbesondere an den Persischen Golf, wo der Arbeitsmarktzugang strikt reguliert und der Nachzug der Familie verboten war.

Die Zuwanderung ausländischer Migranten blieb zur Zeit des Kommunismus eher begrenzt, da jeder Fremde – vor allem aus "feindlichen" Ländern – von der Obrigkeit als potenzielle Bedrohung betrachtet wurde. Ausländische Besucher wurden genau überwacht, auch wenn sie nur Freunde oder Familienmitglieder besuchten; Rumänen waren gesetzlich verpflichtet, jeden Ausländer, den sie bei sich beherbergten, den Behörden zu melden.

Es gab jedoch auch einige Ausnahmen vom Generalverdacht gegenüber Fremden: ausländische Studierende, insbesondere aus dem Mittleren Osten und aus afrikanischen Staaten, waren seit den 1970er Jahren an rumänischen Universitäten zahlreich vertreten. Ihren höchsten Stand erreichte die Zahl ausländischer Studierender im Jahr 1981 mit 16.900 Studierenden, was etwa 7-8 % aller an rumänischen Universitäten eingeschriebenen Studierenden entsprach.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Siehe Varga E. (1998).

  2. Siehe Münz (2002).

  3. Siehe Stola (1992).

  4. Siehe Rotman (2004).

  5. Siehe Pledna (2001).

  6. Siehe INS (2006) und SOPEMI (1994).

  7. Siehe Mueller (1999).

  8. Siehe Salt (1989).

  9. Siehe SOPEMI (1994).

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