Die Frage, welche Rolle der Staat in der Wirtschaft übernehmen sollte, bildet den Kern eines seit langem geführten wirtschaftspolitischen Diskurses. Die ordoliberale Denkschule, die Anfang der 1930er Jahre an der Universität Freiburg entstand, unterscheidet dafür zwei grundlegende Formen von Wirtschaftspolitik:
Vertreter des Ordoliberalismus propagieren, dass sich der Staat auf die Ordnungspolitik konzentrieren sollte. Walter Eucken, einer der prominentesten Vertreter, beschrieb prägnant, welche Rolle sich die Ordoliberalen für den Staat vorstellen: „Staatliche Planung der Formen – ja; staatliche Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses – nein.“
Es gibt zwei zentrale Begründungen dafür, dass der Staat sich auf die Schaffung von Rahmenbedingungen konzentrieren sollte: das Wissensproblem und die Gefahr der Vereinnahmung des Staats durch Einzelinteressen.
Preissignale statt zentraler Steuerung
In einer Wirtschaft ist das relevante Wissen über Bedürfnisse, Ressourcen, Technologien und lokale Bedingungen auf unzählige Individuen und Unternehmen verteilt. So haben beispielsweise die Entscheider im Unternehmen detailliertes Wissen über Betriebsabläufe und können sich rasch an Veränderungen von Nachfrage, Wettbewerbsumfeld oder Technologien anpassen. Diese Dezentralität von Wissen macht es unmöglich, dass eine zentrale Planungsinstanz bessere Entscheidungen treffen kann als die Marktteilnehmer selbst.
In der Marktwirtschaft wird dieses dezentrale Wissen über Preise aggregiert. Preise fungieren als Informationssignale, die die Knappheit von Ressourcen sowie die Präferenzen und Bewertungen der Marktteilnehmer widerspiegeln. Durch die Preisbildung werden knappe Ressourcen dorthin gelenkt, wo sie den höchsten Nutzen erzielen. Preise dienen auch als Feedbackmechanismus. Änderungen in Angebot und Nachfrage führen zu Preisänderungen, die wiederum die Marktteilnehmer veranlassen, ihre Entscheidungen entsprechend anzupassen. Steigen beispielsweise die Preise für Endprodukte wie vegane Lebensmittel, signalisiert dies eine wachsende Nachfrage – für Unternehmen ist das ein Hinweis, das Angebot auszuweiten. Gleichzeitig können steigende Preise, etwa für Energie, ein Anreiz für Unternehmen und Privatpersonen sein, weniger Energie zu verbrauchen. Aufgrund der Informationsfunktion von Preisen ist die Marktkonformität von Eingriffen so wichtig. Sobald Preise durch staatliche Aktivität beeinflusst werden, können sie nicht mehr das dezentrale Wissen widerspiegeln.
Vereinnahmung durch Einzelinteressen?
Zweitens besteht die Gefahr, dass der Staat von Einzelinteressen vereinnahmt wird. Dieses Problem entsteht, wenn bestimmte Gruppen – etwa Unternehmen, Branchen, Gewerkschaften oder politische Akteure – versuchen, staatliche Maßnahmen zu ihren Gunsten zu beeinflussen, häufig auf Kosten des Allgemeinwohls. Beispiele sind die Errichtung von Marktzutrittsbarrieren, um Wettbewerber fernzuhalten, oder von Subventionen, die nicht aus volkswirtschaftlichen Gründen, sondern aufgrund politischer Einflussnahme gewährt werden. Durch die Bevorzugung einzelner Gruppen oder Unternehmen wird der freie Wettbewerb verzerrt. Das ist besonders problematisch, da einmal etablierte Maßnahmen oder Vorteile oft schwer rückgängig zu machen sind.
Der Vereinnahmung des Staats kann entgegengewirkt werden, wenn es klare Regeln gibt, die verhindern, dass Machtkonzentrationen entstehen oder bestehen bleiben. Beispiele sind
Dabei soll der Staat keinesfalls nur ein
Marktkonformität und Subsidiarität
Auch sollte der Staat unter Beachtung der bereits genannten Kriterien Maßnahmen vornehmen, um soziale Teilhabe zu ermöglichen. Elemente der Sozialpolitik sollen dem Subsidiaritätsprinzip folgen und die Rahmenbedingungen so setzen, dass die Menschen sich selbst helfen können. Daraus ergibt sich eine hohe Bedeutung für
Die Prinzipien des Ordoliberalismus – wie Marktkonformität und Subsidiarität – sind auch heute relevant und bieten Orientierung bei der Lösung der aktuellen Herausforderung, wie der Bekämpfung des Klimawandels, der Digitalisierung oder des demographischen Wandels. Beispielsweise ist CO2-Bepreisung als marktkonformes Instrument zentral zur Reduktion von CO2-Emissionen. In der digitalen Wirtschaft besteht eine hohe Gefahr der Marktkonzentration, die es aufzulösen gilt. Wichtig ist, dass die Prinzipien nicht starr angewendet werden. Vor dem Hintergrund des Gedankens, dass die Wirtschaft für die Menschen da ist, und nicht umgekehrt, soll im Rahmen des Konzepts ein sinnvoller Ausgleich zwischen persönlicher Freiheit, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sicherung und Wachstum angestrebt werden.