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Oben Editorial Deutsche Eliten: Die wahre Parallelgesellschaft? "Elite" im 20. Jahrhundert We are the 1%: Über globale Finanzeliten Reichtum und seine philanthropische Verwendung Reichtum in Deutschland und den USA Steuern: Von oben für unten? Prominenz: Entstehung, Erscheinung, Darstellung Faszination Adel – Problem der Demokratie?

Steuern: Von oben für unten?

Constanze Elter

/ 14 Minuten zu lesen

Die da oben" – so lautet eine weit verbreitete Formulierung, wenn es um Steuergerechtigkeit und Steuerverteilung geht. "Die da oben" zahlen zu wenig, "die da oben" können Steuern vermeiden, "die da oben" sollte der Staat stärker zur Kasse bitten. Gerade erst sorgte der Fall des früheren FC Bayern-Managers Uli Hoeneß dafür, dass die Debatte um mehr Steuergerechtigkeit erneut angefacht wurde. Sein Gerichtsverfahren sowie Selbstanzeigen und neue sogenannte Steuer-CDs mit Daten anderer Steuerhinterziehungen heizen die Diskussion um eine immer stärker ausgeprägte Ungleichverteilung von Vermögen und Einkommen an; zugleich werden die Forderungen nach weiteren vermögensbezogenen Steuern lauter.

So erfragten Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg in einer aktuellen Studie die Meinung von deutschen Arbeitnehmern über das Steuersystem. Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie die derzeitige Gestaltung des Systems für eher nicht gerecht halten – vor allem, was die Höhe der Steuersätze und die Steuervergünstigungen anbetrifft. Nur 34 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass das Finanzamt alle Bürger gleich behandelt.

Vereinfachung war gestern

Dass Politik sich auf die Suche nach einem gerechten System machen sollte, wurde bereits im Bundestagswahlkampf 2013 deutlich: Anders als 2005 und 2009 drehte sich die Diskussion weniger um Steuerreformen und Vereinfachung, sondern um grundlegende Fragen der Gerechtigkeit. Bei den vorangegangenen Bundestagswahlen hatte noch bei fast allen Parteien die Forderung nach einer Entlastung bei Steuern und Abgaben im Zentrum gestanden. Nun sollten Gerechtigkeitslücken geschlossen und Steuern erhöht werden.

Hintergrund dieser Entwicklung ist, dass die Vermögensschere in Deutschland in den vergangenen Jahren immer weiter aufgegangen ist. Eine Studie der Deutschen Bundesbank beispielsweise kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung einen Anteil von 59,2 Prozent am Nettovermögen aller Haushalte besitzen. Im Durchschnitt verfügen private Haushalte in Deutschland über ein Nettovermögen von 195.200 Euro – das Bruttovermögen in Form beispielsweise von Immobilien, Lebensversicherungen, Fonds oder Schmuck abzüglich der Schulden. Aussagekräftiger ist jedoch der Median, also der Punkt, an dem eine Hälfte der Haushalte ärmer und die andere reicher ist als der Medianhaushalt. Dieser liegt bei einem Nettovermögen von 51.400 Euro und damit deutlich unter dem Durchschnittswert.

Gut ein Fünftel hat kein Vermögen

Auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung kam in seinem Jahresgutachten 2013/2014 zu dem Ergebnis, dass die Ungleichheit in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zugenommen habe. Von ähnlichen Resultaten auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) berichtet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Demnach machte das Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland 2012 insgesamt 6,3 Billionen Euro aus, im Schnitt belief sich das individuelle Nettovermögen auf 83.000 Euro und war damit nur wenig höher als zehn Jahre zuvor. Ältere Menschen und Selbstständige verfügen über höhere Vermögensbestände, Männer haben mehr Nettovermögen als Frauen. Gut ein Fünftel aller Erwachsenen kann kein eigenes Vermögen aufweisen und sieben Prozent aller Erwachsenen haben mehr Schulden als Vermögen.

Eine gängige Methode, um die Verteilung von Vermögen zu messen, ist der sogenannte Gini-Koeffizient. Diese Kennzahl, entwickelt vom italienischen Statistiker Corrado Gini, liegt zwischen 0 und 1. Ein Wert von 0 besagt, dass alle verglichenen Haushalte das gleiche Vermögen besitzen, ein Wert von 1 bedeutet, dass ein Haushalt oder eine Person über das ganze Vermögen verfügt. In Deutschland liegt der Wert laut DIW bei 0,78; die Deutsche Bundesbank kommt auf einen Koeffizienten von 0,76. Damit ist in Deutschland das Vermögen anders verteilt als in Frankreich (0,68) oder Italien (0,61). Nur in den USA fällt der Gini-Koeffizient noch höher aus (0,87).

Individueller Schuldenberg wächst

Immobilien spielen eine große Rolle für den Vermögensaufbau, sorgen aber auch für einen hohen Schuldenstand. Allerdings haben in anderen Bereichen die Kredite ebenfalls zugenommen: Die DIW-Untersuchung notiert, dass der Anteil der Personen, die Schulden haben, im vergangenen Jahrzehnt auf 32 Prozent gestiegen ist. Dies resultiere daraus, dass Konsumentenkredite in der Zahl stark zugenommen hätten.

Je höher das Einkommen, umso höher ist in der Regel auch das Vermögen. Das verfügbare Einkommen ist deutlich gleichmäßiger verteilt als das Vermögen. Im Jahr 2012 lag der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers nach Angaben des Statistischen Bundesamts bei 3391 Euro pro Monat; Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld sind hier nicht berücksichtigt. Abweichungen und Unterschiede gibt es vor allem zwischen den einzelnen Branchen, aber auch zwischen den Regionen. Die Bruttomonatsverdienste sind zwar in den vergangenen Jahren angestiegen, der Reallohnindex jedoch hat sich insgesamt nur wenig verändert und tendierte zuletzt sogar nach unten. Für 2013 zeichnet sich laut Daten des Statistischen Bundesamts ein geringer Reallohnverlust ab: Die Nominallöhne sind in den ersten drei Quartalen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwar um 1,4 Prozent gestiegen, aber auch die Verbraucherpreise erhöhten sich um 1,6 Prozent. Das bedeutet, dass selbst bei steigenden Bruttomonatsverdiensten die gestiegenen Verbraucherpreise die positive Gehaltsentwicklung aufheben. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland bei den Einkommen damit hinter Frankreich, den Niederlanden oder Dänemark. Rund ein Drittel der deutschen Haushalte kann sich nach eigener Aussage unvorhergesehene Ausgaben nicht leisten (vgl. Tabelle in der PDF-Version). Das obere Ende der Gehaltsskala zeigt ein anderes Bild: Rückt man beispielsweise die Bezüge der Top-Manager in den Fokus, verdient ein Vorstandsmitglied heute etwa 53-mal so viel wie ein durchschnittlicher Angestellter in einem DAX-Unternehmen. 1987 bezog der Vorstand gerade 14-mal so viel Gehalt. Dass innerhalb der Gesellschaft die Frage nach gerechterer Verteilung aufgeworfen wird, ist aus diesem Blickwinkel nachvollziehbar.

Gerechtigkeit: eine Frage der Definition

Entscheidend ist, wie in diesem Zusammenhang "gerecht" definiert wird. Schon die sprachliche Ebene bleibt hier eher vage: Der Duden definiert Gerechtigkeit als das "Prinzip eines staatlichen oder gesellschaftlichen Verhaltens, das jedem gleichermaßen sein Recht gewährt". Was das für die Spreizung von Einkommen und Vermögen bedeutet, welche Abstände hier als zulässig und gerecht empfunden und akzeptiert werden, hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Auf der einen Seite ist zu beobachten, dass seit den 1980er Jahren hohe Einkommen tendenziell stärker akzeptiert werden – möglicherweise, weil Konsum- und Statusorientierung zugenommen haben und nicht nur Top-Manager, sondern auch Musiker und Sportler hohe Einkommen beziehen. Auf der anderen Seite trugen die Ereignisse und Entwicklungen der Finanzkrise, das Fehlverhalten von Managern und Finanzakteuren sowie die von vielen Menschen als unzureichend empfundene (steuerliche) Beteiligung besonders Vermögender in den von der Krise betroffenen Staaten dazu bei, dass die Forderung nach stärkerer Umverteilung lauter wurde. Diejenigen, die oben in der Einkommens- und Vermögenspyramide stehen, sollten mehr Lasten schultern.

Wer aber als reich gilt und wer nicht, ist eine Frage der Abgrenzung – und diese ist nach durchaus unterschiedlichen Kriterien denkbar: Neben finanziellen Kriterien wie Einkommen und Vermögen spielen soziokulturelle Merkmale, etwa der Bildungsstand oder der Erwerbsstatus, sowie subjektive Aspekte von Wertvorstellungen eine Rolle. All das sind Faktoren, die in Zahlen nur schwer darstellbar sind. Aber selbst bei der Ermittlung der finanziellen Kennzahlen sind Wirtschaftswissenschaftler mit Problemen konfrontiert – ein Faktor, der sich unter anderem in den unterschiedlichen Ergebnissen der einzelnen Studien widerspiegelt. So stellt das Sozialversicherungsvermögen bei der gesetzlichen Rentenversicherung einen wichtigen Vermögensbestandteil der privaten Haushalte dar, lässt sich aber aufgrund der in Entgeltpunkten gezählten Ansprüche kaum messen. Bei selbst genutzten Immobilien, die in Deutschland an der Spitze der privaten Vermögensbestände stehen, stellt sich wiederum die Frage der Bewertung: Unterschiede ergeben sich hier naturgemäß in der individuellen Betrachtung des Besitzers und dem Marktwert, der in Statistiken nur schwer abzubilden ist.

Steuerpolitik als Verteilungsinstrument

So bleibt die Antwort auf die Frage, wann eine bestimmte Einkommens- und Vermögensverteilung gerecht ist, letztlich der Politik überlassen. Eine Korrektur der Einkommensverteilung wird von einigen Ökonomen dann als sinnvoll erachtet, wenn sie die gesellschaftliche Wohlfahrt steigert – selbst wenn dadurch die Effizienz gemindert und das Sozialprodukt verringert wird. Steuern sind hier in einem politischen System meist das Mittel der Wahl, weil sie nicht nur dazu dienen, Leistungen für das Gemeinwesen zu finanzieren, sondern auch soziale Unterschiede innerhalb einer Gesellschaft ausgleichen und Geld mit Blick auf soziale Gerechtigkeit umverteilen sollen.

Die Konzepte, welche die politischen Parteien und verschiedene wissenschaftliche Institute hierzu vorlegen, sind nicht systemverändernd, sie bewegen sich innerhalb des bestehenden deutschen Steuersystems. Im Kern geht es um die Einkommensteuer, die Erbschaft- und Schenkungsteuer, die seit 1997 ausgesetzte Vermögensteuer sowie die Abgeltungsteuer für Kapitaleinkünfte. Daneben hat die Debatte um die Einführung einer Finanztransaktionssteuer neue Nahrung erhalten.

Im Bundestagswahlkampf 2013 spielte der Tarif der

Einkommensteuer

noch eine große Rolle, ist er doch eine einfach zu drehende Stellschraube im System, um Personen mit hohem Einkommen prozentual und absolut stärker zu belasten. Vor der Regierungsbeteiligung und der Koalition mit der Union befürwortete die SPD daher, die Einkommensteuer anzuheben. Im Koalitionsvertrag ist davon nicht mehr die Rede. Die Grünen gingen in ihrem Steuerprogramm noch einen Schritt weiter: Demnach sollte der Spitzensteuersatz nicht nur von derzeit 45 auf 49 Prozent steigen, sondern bereits wesentlich früher greifen als jetzt. Derzeit bewegt sich der Einkommensteuertarif oberhalb des Grundfreibetrags von 8354 Euro (2014) in einer Progressionszone mit ansteigenden Grenzsteuersätzen von 14 bis 42 Prozent. Dabei gilt der Steuersatz von 42 Prozent ab einem zu versteuernden Einkommen von 52.882 Euro. Ab einem zu versteuernden Einkommen von 250.731 Euro wird der Spitzensteuersatz von 45 Prozent angesetzt. Unter Experten sind die Folgen hoher Einkommensteuersätze umstritten. Einige Wissenschaftler sind der Ansicht, hohe Steuersätze lähmten die Arbeits- und Leistungsanreize der Betroffenen, andere argumentieren, dass Hochsteuerländern die Abwanderung von Hochqualifizierten drohe.

Vermögensabgabe international gefordert

Aus diesem Grund rücken vermögensbezogene Steuern in den Blickpunkt der Debatte. Eine Spielart dieser Steuern ist die einmalige

Vermögensabgabe

, eine Steuer, die sowohl die Linken als auch die Grünen befürworten. Nach einem Entwurf der Grünen soll eine solche Abgabe auf alle unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen natürlichen Personen in Deutschland angewandt werden – mit einem persönlichen Freibetrag in Höhe von einer Million Euro. Für Betriebsvermögen ist ein zusätzlicher Freibetrag von fünf Millionen Euro vorgesehen. Die Vermögensabgabe ist laut diesem Konzept mit einem Steuersatz von 15 Prozent belegt, zahlbar in zehn Jahresraten à 1,5 Prozent. Im internationalen Kontext votiert derzeit beispielsweise die Bundesbank für eine Vermögensabgabe mit der Begründung, dass auf diese Weise die hohe Staatsverschuldung in den betroffenen Ländern – etwa Griechenland oder Italien – begrenzt werden könnte. Bereits im Herbst hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) eine Vermögensabgabe in Höhe von zehn Prozent ins Spiel gebracht. Experten des IWF verwiesen darauf, dass eine solche Steuer attraktiv sei, wenn keine Ausweichmöglichkeit gegeben und die Abgabe einmalig sei. Dies sei jedoch nicht als politischer Vorschlag zu verstehen, sondern nur als Gedankenspiel.

Eine Vermögensabgabe für Deutschland lehnt die Bundesbank wiederum jedoch genauso ab wie verschiedene Wirtschaftswissenschaftler. Unterschiedlicher sind die Ansichten, wenn es um eine mögliche Wiederbelebung der

Vermögensteuer

geht. Diese hatte die Bundesregierung 1997 nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt. Die Vermögensteuer wurde bis zur Beteiligung der Sozialdemokraten an der Bundesregierung in der SPD diskutiert. Eine rot-grüne Länderinitiative vom Mai 2012 sah eine Steuerpflicht für natürliche und juristische Personen mit einem Steuersatz von ein Prozent vor – bei einem persönlichen Freibetrag von zwei Millionen Euro und einer Freigrenze für Kapitalgesellschaften in Höhe von 200.000 Euro. Die Linke plädiert für eine Vermögensteuer mit einem Steuersatz von fünf Prozent, anzuwenden auf Vermögen über einer Million Euro, ergänzt durch eine Vermögensabgabe. CDU/CSU hatten in ihrem Regierungsprogramm eine Vermögensteuer ausgeschlossen. Begründung: Dafür müssten die Vermögensverhältnisse von 80,2 Millionen Menschen ermittelt werden, zudem würden mittelständische Unternehmen belastet. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD wird die Vermögensteuer nicht mehr erwähnt.

Vermögensteuer mit historischer Tradition

Eine Abgabe auf Vermögen wäre in Deutschland nichts Neues. Bereits 1913 wurde sie über drei Jahre unter dem Etikett eines "Wehrbeitrags" erhoben und erwirtschaftete 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das sogenannte Reichsnotopfer von 1919 mit Steuersätzen zwischen zehn und 65 Prozent scheiterte weitgehend: Für die Finanzverwaltung war es fast unmöglich, die Vermögenswerte zu ermitteln. Zudem lösten die hohen Steuersätze eine Steuerflucht aus. 1949 wurde erneut eine Vermögensabgabe eingeführt. Diese zielte auf diejenigen, die vom Krieg nicht so stark betroffen und geschädigt worden waren.

Die allgemeine Vermögensteuer in Deutschland wurde wiederum 1997 ausgesetzt: Das Bundesverfassungsgericht sah in der unterschiedlichen Behandlung von Grund und Immobilien im Vergleich zu anderen Vermögenswerten einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Der Gesetzgeber verzichtete auf eine Reform, die Vermögensteuer wird seitdem nicht mehr erhoben. Auch unter Wirtschaftswissenschaftlern gilt die allgemeine Vermögensteuer inzwischen als Auslaufmodell. Dies vor allem, weil Personen mit großem Vermögen ebenso große Möglichkeiten haben, der Steuerbelastung auszuweichen: Wer über großes Vermögen verfügt, hat in der Regel auch Wohnsitze im Ausland, was den Schritt über die Grenze leicht macht. Zudem muss das gesamte Vermögen in regelmäßigen Abständen bewertet werden, was Kosten mit sich bringt und Kapazitäten in der Finanzverwaltung bindet. Hier stellt sich die Frage, ob Aufwand und mögliche wirtschaftliche Schäden im Verhältnis zum Mehrertrag stehen, der erzielt werden kann. Dies dürfte der Grund dafür sein, warum zahlreiche Länder – unter anderem Österreich und Dänemark – die Vermögensteuer abgeschafft haben. Eine Vermögensteuer gibt es der Definition nach derzeit noch in Frankreich und der Schweiz sowie in Luxemburg, in dem die Steuer jedoch nur juristische Personen trifft. In Deutschland käme bei einer Wiederbelebung der Vermögensteuer hinzu, dass die Einnahmen den Ländern zustehen. Somit wären zusätzliche Verteilungswirkungen zwischen den einzelnen Bundesländern zu berücksichtigen.

Abgesehen von der Vermögensteuer werden derzeit in Deutschland noch andere vermögensbezogene Steuern erhoben. Dazu zählen die

Erbschaft- und Schenkungsteuer

, die Grundsteuer, die Grunderwerbsteuer und die Bankenabgabe. Das Aufkommen aus diesen Steuerarten macht allerdings nur vier Prozent der gesamten Steuereinnahmen aus, 2012 waren es – trotz eines aktuellen Anstiegs bei der Erbschaftsteuer – 24,3 Milliarden Euro. Die OECD hat deshalb angemahnt, dass Deutschland Möglichkeiten zur Besteuerung nicht nur von hohem Einkommen, sondern auch von Vermögen stärker nutzen sollte.

Erbschaftsteuer ohne verfassungsrechtlichen Bestand

Aber auch das Erbschaftsteuerrecht musste in der jüngsten Vergangenheit bereits mehrfach reformiert werden – und landete ebenso oft vor dem Bundesverfassungsgericht. Bereits 1997 hatten die Karlsruher Richter die unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe für Immobilien, Grundbesitz, Betriebsvermögen oder Aktien über Bord geworfen. Knapp zehn Jahre später stand die Reform wieder auf dem Prüfstand – und wieder stufte das Bundesverfassungsgericht die Bewertungsregeln als verfassungswidrig ein, das Gesetz verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. 2008 kam die nächste Erbschaftsteuerreform – dieses Mal mit pauschalisierenden Bewertungsvorschriften, hohen persönlichen Freibeträgen und steuerlichen Vergünstigungen für selbst genutztes Wohneigentum und für Unternehmen. So kann beispielsweise Betriebsvermögen in der Regel bis zu einem Wert von einer Million Euro steuerfrei vererbt werden; wenn die Lohnsumme binnen zehn Jahren 1000 Prozent der Lohnsumme des Erbjahres nicht unterschreitet, fällt ebenfalls keine Steuer an. Experten kritisierten bereits damals, dass das reformierte Erbschaftsteuerrecht klientelbezogen sei und bestimmte Gruppen entlaste. Der Bundesfinanzhof sah dies ähnlich und legte dem Bundesverfassungsgericht das Thema erneut vor. Eine Entscheidung haben die Karlsruher Richter für das erste Halbjahr 2014 angekündigt. Welche Richtung der Gesetzgeber danach in Sachen Erbschaftsteuer beschreiten wird, bleibt offen. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung ist dazu lediglich Folgendes festgehalten: "Die Erbschaftsteuer ermöglicht in ihrer jetzigen Ausgestaltung den Generationswechsel in den Unternehmen und schützt Arbeitsplätze. Sie bleibt den Ländern als wichtige Einnahmequelle erhalten." Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium wird in einem aktuellen Gutachten konkreter: Eine Reform der Erbschaftsteuer mit gleichmäßiger Belastung aller Vermögensklassen sei das zieladäquate Instrument, um Vermögenskonzentration durch große Erbschaften zu vermeiden. Mit einer reformierten Erbschaftsteuer seien Umverteilungsziele in jedem Fall besser zu erreichen als mit einer Vermögensteuer.

Aktuell bilden die

Grundsteuer und die Grunderwerbsteuer

die bleibende Basis der vermögensbezogenen Steuern in Deutschland. Das Aufkommen daraus steht den Gemeinden zu. Dass die Einnahmen hieraus im internationalen Vergleich eher gering ausfallen, ist vor allem den veralteten Werten geschuldet, die der Besteuerung zugrunde liegen. Ökonomen argumentieren, dass die Grundsteuer ein hohes Potenzial besitzt, da die steuerlichen Ausweichmöglichkeiten gegen Null gehen. Eine Bewertung von Immobilien und Grundstücken näher am Verkehrswert könnte daher langfristig hohes Steueraufkommen sichern.

Kapitaleinkünfte: privilegierte Besteuerung

Daneben gibt es auch andere Bereiche im deutschen Steuersystem, die noch einmal der Gerechtigkeitsprüfung unterzogen werden könnten. Ein Beispiel dafür, dass Steuervereinfachung nicht zwingend mehr Steuergerechtigkeit herstellt, ist die

Abgeltungsteuer:

Einkünfte aus Kapitalvermögen werden pauschal mit 25 Prozent besteuert – unabhängig davon, wie hoch das zu versteuernde Einkommen des Steuerpflichtigen ist.

Dabei sollen Steuerzahler, die sich in der gleichen wirtschaftlichen Lage befinden, auch gleich belastet werden – damit wird die horizontale Steuergerechtigkeit gewährleistet. Die vertikale Steuergerechtigkeit wiederum soll sicherstellen, dass Steuerzahler in unterschiedlichen wirtschaftlichen Lagen auch unterschiedlich Steuern zahlen müssen. Unter Ökonomen wird daher die Forderung laut, Kapitaleinkünfte in die persönliche Einkommensteuer wieder einzugliedern, um auf diese Weise sowohl horizontale als auch vertikale Steuergerechtigkeit herzustellen.

Steuersystem: Spielball der Umverteilungspolitik

In der Debatte um vermögensbezogene Steuern und Umverteilung über das Steuersystem bleiben aktuell allerdings einige Punkte außer Acht. Zum einen ist das Steuersystem in der öffentlichen Wahrnehmung gefangen zwischen den Polen Gerechtigkeit und Transparenz. Individuelle Steuergerechtigkeit wird ebenso häufig eingefordert wie die Vereinfachung des Systems; die persönliche Lage jedes Einzelnen soll genauso berücksichtigt werden wie das System verständlich sein soll. Zudem soll es Leistungsanreize setzen, Familien fördern und besondere Lebenssituationen nicht außer Acht lassen. Möglicherweise wird damit dem Steuersystem zu viel aufgebürdet. Zum anderen ist nicht klar, ob sich tatsächlich Verteilungsgerechtigkeit einstellt, wenn an einer bestimmten Stellschraube im Steuersystem gedreht wird. Neue, möglicherweise ungewollte Verteilungswirkungen könnten entstehen, die dann wiederum neue steuerliche Ansätze erfordern.

Unstrittig ist, dass es für den Zusammenhalt einer Gesellschaft langfristig förderlicher ist, Einkommen und Vermögen fair zu verteilen. Massive Ungleichheiten und ein Auseinanderdriften des finanziellen Status Quo führen nicht nur zu politischen Debatten, sondern mittelfristig unter Umständen zu sozialen Spannungen. Allerdings liegt es an der Politik, auch jenseits des Steuersystems weitere Ansätze zu finden und über andere politische Instrumente nachzudenken, um Verteilungsgerechtigkeit herzustellen. Das Steuersystem allein wird dies auf Dauer nicht leisten können.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Steuern ja, aber einfacher!, 17.3.2014, Externer Link: http://www.idw-online.de/de/news577876 (18.3.2014).

  2. Vgl. Deutsche Bundesbank, Vermögen ungleicher verteilt als Einkommen, 21.3.2013, Externer Link: http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Themen/2013/2013_03_21_vermoegen_
    ungleicher_verteilt_als_einkommen.html
    (11.3.2014).

  3. Vgl. Markus M. Grabka/Christian Westermeier, Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in Deutschland, in: DIW Wochenbericht, 9 (2014), S. 151–164.

  4. Vgl. ebd., S. 156; Deutsche Bundesbank (Anm. 2).

  5. Vgl. Statistisches Bundesamt, Verdienste und Arbeitskosten. Reallohnindex und Nominallohnindex, Wiesbaden 2013.

  6. Vgl. Dirk Eisenreich/Elke Spegg, Die Einkommenssituation privater Haushalte in Baden-Württemberg im europäischen Vergleich, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, (2013) 9, S. 32–36.

  7. Vgl. Hagen Krämer, Spitzeneinkommen zwischen ökonomischem und normativem Marktversagen, in: Karlsruher Diskussionsbeiträge, 1 (2013), S. 1–25.

  8. Duden. Die deutsche Rechtschreibung, Berlin u.a. 201326.

  9. Siehe Richard Layard, Die glückliche Gesellschaft, Frankfurt/M.–New York 2005.

  10. Vgl. M. M. Grabka/C. Westermeier (Anm. 3), S. 154.

  11. Vgl. H. Krämer (Anm. 7), S. 2f.

  12. Siehe Constanze Hacke, Steuern und Finanzen, Informationen zur politischen Bildung Nr. 288, hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2012, S. 4.

  13. Vgl. dies., Eine Frage der Gerechtigkeit. Die Steuerkonzepte der Parteien im Wahlkampf, 17.12.2012, Externer Link: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/hintergrundpolitik/2000268 (1.3.2014).

  14. Vgl. Alfred Boss et al., Einkommensteuertarife in der Bundesrepublik Deutschland und ihre Folgen für die Belastung ausgewählter Haushaltstypen, Kiel 2013.

  15. Vgl. Vermögensteuer und Vermögensabgabe im Wahlkampf 2013 – Renaissance einer alten Einnahmequelle?, in: SteuernTransparent, 1 (2013), S. 2–9.

  16. Vgl. Kommt die Reichensteuer gegen Staatspleiten?, in: Die Welt vom 27.1.2014.

  17. Vgl. Dietmar Neuerer, Angriff auf die Reichen, in: Handelsblatt vom 5.11.2013.

  18. Vgl. A. Boss et al. (Anm. 14), S. 10

  19. Vgl. CDU/CSU, Gemeinsam erfolgreich für Deutschland. Regierungsprogramm 2013–2017, Berlin 2013, S. 17f.

  20. Vgl. C. Hacke (Anm. 13).

  21. Vgl. Stefan Bach/Margit Schratzenstaller, Höhere "Reichensteuern": Möglichkeiten und Grenzen, in: Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung, 1 (2013), S. 5–12.

  22. Vgl. Julia Mey, Die Vermögensteuer im internationalen Vergleich, Bayreuth 2013.

  23. Vgl. Brigitte Unger, Sieben Vorschläge für eine Stärkung vermögensbezogener Steuern in Deutschland, WSI Report 13/2014.

  24. Vgl. ebd., S. 8.

  25. Vgl. Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, Externer Link: http://www.bundesregierung.de/Content/DE/StatischeSeiten/Breg/koalitionsvertrag-inhaltsverzeichnis.html (21.2.2014).

  26. Vgl. Besteuerung von Vermögen – eine finanzwissenschaftliche Analyse, in: Monatsbericht des Bundesministeriums der Finanzen, 20.12.2013, Externer Link: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Monatsberichte/2013/12/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-7-besteuerung-von-vermoegen.html?view=renderPrint (21.2.2014).

  27. Vgl. B. Unger (Anm. 23), S. 11.

  28. Vgl. Wolfgang Scherf, Vermögensteuer: Steuergerechtigkeit und zusätzliches Steuereinkommen oder Belastung für den Standort Deutschland?, in: ifo Schnelldienst, 14 (2013), S. 3–6.

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M.A., geb. 1968; Inhaberin von "Steuern – leicht gemacht!", Steuerjournalistin, Dozentin und Moderatorin.E-Mail Link: ce@constanze-elter.de Externer Link: http://www.constanze-elter.de