Lebensmittelsicherheit – mehr als nur ein Zustand. Herausforderungen im 21. Jahrhundert
Lebensmittel – jeder braucht sie jeden Tag, jeder genießt sie jeden Tag, jeder erwartet, dass sie sicher sind. Sie dienen der notwendigen Ernährung, aber auch dem Genuss. Noch nie war in Deutschland das Nahrungsangebot so vielfältig und so umfassend verfügbar wie heute. Die wenigsten Deutschen kennen Nahrungsmittelknappheit und staatliche Rationierungen aus eigener Erfahrung, stattdessen sind üppig gefüllte Regale in den Supermärkten eine Selbstverständlichkeit, ebenso wie das ganzjährige Angebot an exotischen Früchten, Gewürzen, Zubereitungen aus fernen Ländern zu bezahlbaren Preisen. Mit steigendem Wohlstand stieg auch der Anteil der Halbfertig- und Fertigprodukte in den Regalen, wodurch der Verbraucher die Lebensmittelzubereitung zunehmend an die Hersteller abgibt. Gleichzeitig verliert er damit die Kontrolle über die Herstellung vom Primärerzeugnis bis zum verzehrfertigen Produkt. Durch diesen Kontrollverlust entstehen Zweifel an der Qualität, aber auch an der Sicherheit der angebotenen Erzeugnisse, die trotz umfassender Informationsverpflichtungen oftmals nicht ausgeräumt werden können.Auch Ernährungsgewohnheiten unterliegen einem stetigen Wandel; so gewinnen etwa vegetarische und vegane Ernährungsformen an Bedeutung.[1] Der Verbraucher erwartet auch hier entsprechende Informationen zu den angebotenen Lebensmitteln. Daneben tauchen nahezu täglich neue Ernährungstrends oder als "Superfood" bezeichnete Produkte in den Medien und auf dem Markt auf, die zusätzlich zur Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher beitragen können.
Doppeltes Sicherheitsnetz
Sichere Lebensmittel sind Lebensmittel, die frei von schädlichen Stoffen aller Art sind. Zu schädlichen Stoffen gehören mikrobiologische Belastungen durch krankmachende Keime, durch Stoffe, die sich bei verdorbenen, verfaulten oder verschimmelten Produkten durch Keime auf oder im Lebensmittel bilden, und durch chemische Stoffe, die bei unsachgemäßer Behandlung als Rückstände oder Kontaminanten im Lebensmittel zu finden sind. Hinzu kommen Stoffe, die für bestimmte Verbrauchergruppen wie beispielsweise Allergiker eine gesundheitliche Gefahr darstellen, wenn sie nicht ausreichend gekennzeichnet sind. Alle Maßnahmen, die die Belastung mit schädlichen Stoffen verhindern, werden unter dem Oberbegriff "Lebensmittelsicherheit" zusammengefasst.Die Sicherheit von Lebensmitteln wird durch ein doppeltes Netz aus vorbeugenden Maßnahmen und Kontrollen gewährleistet. So legt die europäische und auch die nationale Lebensmittelgesetzgebung die Verantwortung für die Lebensmittelsicherheit in die Hände der Hersteller. Die Lebensmittelbasisverordnung der EU definiert den Lebensmittelunternehmer als natürliche oder juristische Person, die dafür verantwortlich ist, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts erfüllt werden.[2] Das deutsche Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) übernimmt diese Definition und dient als Dachgesetzgebung für weitere Regelungen und Verordnungen, die sich darauf gründen.[3] Beide Gesetze basieren auf dem Missbrauchsprinzip, das heißt, Erzeugnisse dürfen ohne Genehmigung hergestellt werden, müssen aber den gesetzlichen Anforderungen genügen. Damit ist der Lebensmittelunternehmer primär verantwortlich und zu Eigenkontrollen verpflichtet. Er muss individuell prüfen, ob und in welchem Maße von seinen Produkten Gefahren für die Gesundheit des Verbrauchers ausgehen können. Dazu kann er sich an spezifischen Regelungen orientieren. Sie alle sind Teil des Lebensmittelrechts, das sich in allgemeine Vorschriften, die für alle Erzeugnisse gelten, sowie horizontale und vertikale Vorschriften für einzelne Lebensmittel gliedern lässt. Die allgemeinen Vorschriften sehen neben diversen Vorgaben zur Kennzeichnung, unter anderem mit Angaben zur Herkunft, zum Ursprung, nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben und Inhaltsangaben, auch inhaltliche Regelungen zu Zusatzstoffen, Hilfsstoffen, Aromen, zu Hygiene und zu Grenz- und Höchstwerten von Kontaminanten, Rückständen, Chemikalien oder Gefahrstoffen vor. Die horizontalen Vorschriften definieren einzelne Lebensmittelgruppen wie diätetische Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, aber auch Erzeugnisse aus ökologischem Anbau über die "Ökokennzeichnung". Beispiele für vertikale Vorschriften für einzelne Lebensmittel sind das Fleischgesetz, die Käseverordnung oder die Vermarktungsnormen für Eier. Vorschriften zu Art, Umfang und Häufigkeit der Prüfungen finden sich dagegen in der Verordnung (EU) 2017/625, der Revision der EU-Kontrollverordnung, und der deutschen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Rahmen-Überwachung.[4] Diese Verpflichtungen gelten für alle Lebensmittelunternehmen unabhängig von ihrer Größe. Damit ist das erste Sicherheitsnetz geknüpft.
Das zweite Netz entsteht bei der Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Regelungen. Aufgrund der durch das Grundgesetz vorgegebenen Zuständigkeiten sind die Bundesländer dafür verantwortlich, zu kontrollieren, ob die rechtlichen Regelungen von den Herstellern auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette richtig angewandt werden. In über 400 Kreisen und kreisfreien Städten werden durch Veterinär- und Lebensmitteluntersuchungsämter Proben genommen, Betriebe überwacht und bei festgestellten Verstößen Maßnahmen vor Ort getroffen. Diese Maßnahmen bewegen sich im Rahmen von Aufforderungen zur Korrektur von Etiketten mit falscher Schriftgröße bis hin zu einer Sperrung von Waren und Betriebsschließungen. Pro Jahr werden fünf amtliche Proben pro 1000 Einwohner gezogen, das sind etwa 400000 Proben in ganz Deutschland.[5] Jede Probe wird in einem der über 30 akkreditierten amtlichen lebensmittelchemischen oder Veterinäruntersuchungsämtern auf mindestens einen Parameter untersucht. Je nach Fragestellung können auch mehrere hundert Parameter geprüft werden; so wird neben mikrobiologischen oder chemischen Analysen auch die Aufmachung und Kennzeichnung der Proben begutachtet. Die Bezirksregierungen und in manchen Bundesländern auch Landesbehörden haben die Fachaufsicht über die Veterinär- und Lebensmitteluntersuchungsämter beziehungsweise die Lebensmittelüberwachungsämter. Sie koordinieren die Planung von Überwachungs- und Untersuchungsprogrammen auf Kreisebene. Neben länderspezifischen Programmen wird ein Teil der Untersuchungen auch in bundes- und europaweiten Programmen durchgeführt.
Die zuständigen Verbraucherschutzministerien der Bundesländer sind für die Organisation der amtlichen Kontrollen in ihren Bundesländern zuständig. Sie verantworten außerdem die Gesetzgebung und die landesrechtlichen Durchführungsvorschriften der bundesweiten Regelungen.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) koordiniert die bundesweit durchgeführten Untersuchungsprogramme. Es bereitet diese Daten auf und unterstützt damit das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) bei der Berichterstattung an die EU-Kommission.