Zur Geschichte von Black America
Black Community, Abolitionismus und Antiabolitionismus
Noch zu Zeiten der Sklaverei entstand ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert die black community. Als Zentren dienten zum einen freie Schwarze, vor allem Pfarrer der evangelikalen black church, zum anderen Sklaven, die – wie etwa Kutscher oder Hausdiener – über ein gewisses Maß an Beweglichkeit verfügten und Nachrichten von Plantage zu Plantage verbreiten konnten. Auf Großplantagen organisierten die Sklaven außerdem nachts ein afrikanisch-synkretistisch geprägtes religiöses und kulturelles Eigenleben mit afrikanischer Musik, Gesängen und Zeremonien. Es gelang den Sklaven sogar, so etwas wie ein geregeltes Familienleben mit eigenen Hochzeitszeremonien aufrechtzuerhalten, das indes durch die zahllosen Vergewaltigungen schwarzer Frauen durch Sklavenhalter und Aufseher sowie durch den ungehemmten Verkauf schwarzer Familienmitglieder erheblich beeinträchtigt wurde.[17] Zudem zog die sexuelle Rivalität durch Sklavinnen den Zorn weißer Plantagenherrinnen nach sich, die mitunter zu unmenschlichen Strafen für die "Konkurrentinnen" führten. Von einer Solidarität zwischen weißen Frauen und schwarzen Sklavinnen war wenig zu spüren.[18]Daneben formierte sich Widerstand: Aufstände, wie der von Denmark Vesey 1823 und Nat Turner 1831, waren selten. Dafür finden sich Belege von Sabotage, Brandstiftung, Giftanschlägen und Morden. Viele schwarze Mütter trieben ihren Nachwuchs ab, um ihm das Schicksal der Sklaverei zu ersparen.[19] Vielfach jedoch diente die Flucht als Mittel der Wahl. Im Laufe des frühen 19. Jahrhunderts etablierten sich reguläre Fluchtlinien aus dem Süden bis in den Norden und nach Britisch-Nordamerika (Kanada), die Underground Railroad, an der vielfach Quäker ebenso wie umherreisende freie Schwarze, darunter viele Frauen, etwa Harriet Tubman oder Sojourner Truth, wichtige Rollen spielten.[20] Die Südstaatler setzten dagegen das Fugitive Slave Law von 1850 durch, das ihnen erlaubte, flüchtige Schwarze inmitten des sklavenfreien Nordens festzunehmen. Die daraus resultierenden menschlichen Tragödien, darunter öffentliche Selbstmorde ganzer schwarzer Familien, intensivierten bei einer einflussreichen und wortgewaltigen Minderheit im Norden die abolitionistischen Ressentiments gegenüber Sklaverei und Pflanzeraristokratie im Süden.
Bereits in der Amerikanischen Revolution (1765–1783) hatte die Sklavenfrage zu Unstimmigkeiten und politischen Friktionen geführt. Nicht dass die Emanzipation der Sklaven für irgendeinen Revolutionär im Zentrum seiner Überlegungen gestanden hatte – im Gegenteil. Eines der ersten Opfer der Revolutionäre in South Carolina war ein freier Schwarzer gewesen, der Kaufmann Thomas Jeremiah.[21] Ihm hatte man vorgeworfen, einen Sklavenaufstand geplant zu haben. Im Laufe der Revolution setzten sich lediglich im Norden und Westen die Gegner der Sklaverei durch. Und letztlich führte der Gründungskompromiss – der Missouri-Kompromiss von 1820 – in der Sklavenfrage zu einer strukturellen Sollbruchstelle in der neuen Union. [22]
Ab den 1820er Jahren intensivierte sich die daraus resultierende Krise, die schließlich in den 1830er Jahren definitiv seitens der Antiabolitionisten in Gewalt umschlug, als 1837 der erste Abolitionist im Mittelwesten gelyncht wurde. Um 1830 kam der radikale Abolitionismus auf, der eine sofortige und entschädigungslose Freilassung aller Sklaven forderte.[23] Nordstaatliche Evangelikale erklärten die Sklaverei zur Sünde, Südstaatler nannten sie dagegen ein Institut göttlichen Rechts. Nun spalteten sich die protestantischen Religionsgemeinschaften, und ab 1850 zerfiel das Parteiensystem. 1854 setzte in Kansas ein blutiger Vorbürgerkrieg ein, in dem sich der Terrorist John Brown durch besondere Gewaltakte hervortat, die im Norden zum Teil hymnisch gefeiert wurden. 1860 versuchte er vergeblich, eine Sklavenrevolte in Virginia zu initialisieren, was zu seiner Hinrichtung führte.[24] Parallel dazu radikalisierte sich der Süden. Als dann 1860 der moderate Abolitionist und Republikaner Abraham Lincoln wegen der Spaltung der Demokraten zum Präsidenten der USA gewählt wurde, traten die meisten Sklavenstaaten aus der Union aus – ein Akt, der in den Bürgerkrieg mündete.
Lincoln hatte ursprünglich nur die Ausdehnung der Sklaverei in den Westen verhindern wollen, nahm dann aber die Sezession zum Anlass, am 1. Januar 1863 mit der Emanzipationsproklamation die Sklaverei in den abtrünnigen Gebieten aufzuheben. Dies befreite zwar faktisch erst einmal keinen einzigen Sklaven, führte aber alsbald zu einer Massenflucht von den Plantagen. Gerade diese Massenflucht erbitterte die Sklavenhalter, die sich stets als mildtätige, paternalistisch-wohlwollende Herren gesehen hatten. Hinzu kam bei Lincoln unter dem Eindruck des führenden schwarzen Intellektuellen seiner Zeit, Frederick Douglass, ein Meinungswandel, der nicht allein die Emanzipation, sondern auch die bürgerliche Gleichstellung der befreiten Schwarzen anstrebte. Nach dem Mord an Lincoln 1865 nahmen die radikalen Republikaner diese Position auf und garantierten den Schwarzen neben der Freiheit Bürgerrechte und Wahlrecht. Daraufhin koalierte die liberale weiße Frauenbewegung mit rassistischen Demokraten, um mit den Frauen ein Gegengewicht zu den Stimmen der Schwarzen zu bilden.[25] Rassismus blieb konstitutiv für die amerikanische Gesellschaft, selbst für ihr progressives Segment.