Was passiert mit unserem Müll? Nationaler Müllkreislauf und internationale Müllökonomie
Über Jahrzehnte hinweg war Deutschland international Vorreiter und Vorbild im Bereich der Abfallwirtschaft: Abfälle wurden und werden in Deutschland sicher und zuverlässig entsorgt und sind praktisch keine direkte Gefahr mehr für die Bevölkerung. Deutschland ist zu Recht stolz auf seine abfallwirtschaftliche Infrastruktur mit einer differenzierten Sammelstruktur und beispielsweise technisch vorbildlichen Müllverbrennungsanlagen – tatsächlich hat kein europäisches Land höhere Verwertungsquoten: Über alle Abfälle hinweg liegt sie bei 79 Prozent, für Siedlungsabfälle weist die Abfallstatistik sogar eine Verwertungsquote von 90,1 Prozent aus.[1] Vor diesem Hintergrund galt Abfall, wie er in Deutschland anfällt (Abbildung 1), lange Zeit als technisch "gelöstes" Problem ohne weiteren Handlungsbedarf.Seit einigen Jahren erfährt die Abfallwirtschaft unter dem Schlagwort "Kreislaufwirtschaft" jedoch einen massiven Perspektivwechsel: Nach den Vorstellungen der Europäischen Kommission, die 2015 ihren Aktionsplan Kreislaufwirtschaft vorgestellt hat, sollen Abfälle in Zukunft in erster Linie als potenzieller Rohstoff gesehen werden; sowohl die in einzelnen Produkten enthaltenen natürlichen Ressourcen als auch deren ökonomischer Wert sollen am Ende der Nutzungsphase möglichst optimal erhalten bleiben. Angesichts der Rohstoffarmut in Europa sollen die Abfälle recycelt und wieder in den Produktionsprozess zurückfließen, um so auch langfristig die europäische Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen.[2]
Damit geraten jedoch auch neue Fragen in den Fokus: Was genau passiert eigentlich mit unserem Müll? Wo bleibt er, und in welchen Teilen der Welt wird er recycelt? Und wer hat dann Zugriff auf die Rohstoffe, die aus ihm zurückgewonnen werden?
Aus der klassischen Perspektive der "Entsorgungssicherheit" waren diese Fragen irrelevant, Hauptsache irgendwer kümmert sich um den Müll: Die 90,1 Prozent Verwertungsquote sagt zu diesen Fragen nichts aus. Tatsächlich wird Abfall aber immer mehr zu einem international gehandelten Wirtschaftsgut, wobei Deutschland noch nach Ansätzen und Instrumenten sucht, die tatsächlich "interessanten" Abfälle im Land zu behalten und zu verwerten: Betrachtet man die material reuse rate, die den Wiedereinsatz von Abfällen in der Industrie beziffert, so liegt Deutschland mit einer Materialwiederverwendungsrate von 11 Prozent deutlich hinter Ländern wie den Niederlanden (27 Prozent) oder Italien (19 Prozent).[3]
Die Herausforderungen und die der internationalen Müllökonomie zugrunde liegenden "Geschäftsmodelle" unterscheiden sich dabei extrem von Abfallstrom zu Abfallstrom. Vor diesem Hintergrund werde ich im Folgenden an den Beispielen Altautos und Verpackungsabfälle darlegen, wo unser Müll bleibt und was mit ihm passiert. Abschließend werde ich einige Schlussfolgerungen ziehen, was das für die Governance einer deutschen Kreislaufwirtschaft bedeutet.