Sterbehilfe – keine neue Herausforderung
Das Bemühen um eine gute palliative Versorgung Todkranker und Sterbender ist Jahrhunderte alt. Bereits um 1800 ließen die Leiden der Kranken die Forderung nach deren gezielter Verkürzung laut werden. Der Medizinhistoriker Prof. Dr. Michael Stolberg blickt bei Netzdebatte auf die Geschichte der Sterbehilfe.
Der angemessene Umgang mit den Leiden und den Sterbewünschen von todkranken Menschen wird oft als eine spezifisch neue Herausforderung beschrieben. Erst die moderne Medizin mit ihren Möglichkeiten der Lebensverlängerung und die dramatisch gestiegene Lebenserwartung hätten diese Fragen aufgeworfen. Doch schon ein kurzer Blick in die überlieferten Berichte und Erzählungen von Ärzten und Angehörigen aus vergangenen Jahrhunderten ergibt ein ganz anderes Bild. Vor allem die "Schwindsucht" – dahinter verbargen sich wohl vor allem Tuberkulose und innere Krebsleiden – sowie die "Wassersucht" – mögliche Folge von chronischem Leber-, Nieren- oder Herzversagen – waren bereits bei jüngeren Menschen gefürchtet. Dazu kam bei Älteren vermehrt jene Krankheit, die als die grauenvollste von allen geschildert wurde, der "Krebs", damals vor allem als Krebsgeschwür von Brust oder Gebärmutter diagnostiziert. Das Sterben dieser Menschen war nicht selten qualvoll, ihr Anblick für die Mitwelt schwer zu ertragen. Wenn Kranke immer schwächer oder "baufällig" wurden, wie man damals sagte, und zusehends verfielen, so war das noch ein vergleichsweise gnädiger Verlauf. Manche Patient/-innen, das wissen wir aus überlieferten Schilderungen der Angehörigen, wanden sich wochenlang in schlimmsten Schmerzen, ihre Schreie gellten Tag und Nacht durch das Haus. Andere bekamen immer schlechter Luft und erstickten schließlich langsam und qualvoll röchelnd. Krebskranke verbreiteten zuweilen einen derart unerträglichen Gestank, dass sich selbst Angehörige und Ärzte kaum mehr in die Krankenstube wagten.