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Berufsfreiheit | Grundrechte | bpb.de

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Berufsfreiheit

Mathias Metzner

/ 3 Minuten zu lesen

Artikel 12


(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

Die Berufsfreiheit betrifft einen sehr wesentlichen Lebensbereich: Menschen ergreifen einen Beruf, um sich eine Lebensgrundlage zu schaffen; um das Geld zu verdienen, das sie für sich und ihre Familie benötigen. Andererseits erfolgt die Wahl eines bestimmten Berufs nicht allein "des Geldes wegen", sondern auch aufgrund bestimmter Begabungen, Fähigkeiten und zur Selbstverwirklichung des Menschen. Schon die Entscheidung, welche Berufsausbildung oder welches Studium angestrebt wird, geht von der Überlegung aus, welcher Beruf den eigenen Fähigkeiten und Interessen entspricht. Der Beruf ist also "Lebensgrundlage und Lebensaufgabe" zugleich. Das Grundrecht schützt die freie Wahl eines bestimmten Berufs und seine Ausübung wie auch die Wahl eines bestimmten Arbeitsplatzes. Als Vorstufe der späteren Berufsausübung wird auch bereits die Wahl der Ausbildungsstätte geschützt.

Wie kann es dann aber sein, dass beispielsweise der Zugang zu einem Studienplatz für Medizin einer Zulassungsbeschränkung unterliegt? Wieso kann ich eine Autoreparaturwerkstatt nur dann eröffnen, wenn ich eine bestimmte Berufsausbildung abgeschlossen habe? Dass nicht die völlige, uneingeschränkte Freiheit der Berufsausübung vom Grundgesetz garantiert ist, lässt sich am Wortlaut des Artikels 12 GG erkennen:
Wenn es dort heißt, dass die Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, bedeutet dies, dass jedenfalls die wesentlichen Regelungen über den Zugang und die Ausübung eines Berufes nur durch das Parlament entschieden werden können. Auch kann nicht nur, was der Wortlaut nahelegt, die Berufsausübung eingeschränkt werden. Auch Regelungen über die Berufswahl sind möglich, denn Berufswahl und Berufsausübung sind untrennbar miteinander verbunden.

QuellentextDer streitbare Appotheker

Viele wesentliche Grundrechtsentwicklungen gehen auf Verfassungsbeschwerden zurück, hinter denen erst einmal nicht mehr als die unmittelbare Betroffenheit der Beschwerdeführer steht. So war es zum Beispiel bei der grundlegenden Entscheidung zur Berufsfreiheit: Der Apotheker Karl-Heinz Röber war aus der DDR nach Bayern geflohen. Dort wollte er in den 1950er-Jahren eine Apotheke aufmachen. Er sah sich um und fand – wie er meinte – einen geeigneten Ort und einen Architekten, der ihm helfen wollte. Nur die Apothekenbetriebserlaubnis bekam er nicht. Es gebe genug Apotheken in der Umgebung, hieß es. Bei einer Überversorgung bestünde die Gefahr, dass er unbefugt Arzneimittel abgeben würde. Karl-Heinz Röber kaufte sich eine bayerische Verfassung und ein Grundgesetz und sagte: "Das hört sich anders an". Vor dem Bundesverfassungsgericht hatte er Erfolg. Die Apotheke konnte er sich zwar schließlich doch nicht leisten. Artikel 12 aber sieht seit seiner Verfassungsbeschwerde anders aus als zuvor: Die Unterscheidung zwischen subjektiven und objektiven Zulassungsvoraussetzungen und Eingriffen in die Berufsausübungsfreiheit geht auf die Apotheker-Entscheidung zurück.


Leistungsrechte und Staatsziele Wer die formalen Voraussetzungen erfüllt, also zum Beispiel Abitur hat, kann an sich einen Studienplatz verlangen. Das folgt aus der Berufsfreiheit. Das heißt aber nicht, dass der Staat unbegrenzt Plätze in allen Fächern zur Verfügung stellen muss. Sehr früh begannen Bundesländer und Universitäten aus Kosten- und Kapazitätsgründen höhere Hürden aufzustellen, zum Beispiel für diejenigen, die Medizin studieren wollten. Das Bundesverfassungsgericht verlangte 1972, dass die Vergabe solcher Studienplätze mit beschränktem Zugang bundesweit koordiniert wird.
Bekannt ist dieses sogenannte erste Numerus-clausus-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aber vor allem, weil die Richter sich dort Gedanken darüber gemacht haben, ob aus dem Recht auf Berufsfreiheit nicht auch die Pflicht des Staates folgt, eine bestimmte Anzahl von Studienplätzen zu schaffen. Das schlossen die Richter in dem Urteil zwar nicht aus. Gleichzeitig aber begrenzten sie den Anspruch auf das, "was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann". Nur wenn dieser Anspruch evident verletzt ist, kann der Einzelne klagen.
Das Gericht kam auf diesen Gedanken nicht wieder zurück, Klagen auf Schaffung neuer Studienplätze hatten keinen Erfolg. Trotzdem werden seitdem vermehrt sogenannte Leistungsrechte oder auch Teilhaberechte diskutiert. Kann also der Einzelne vom Staat nicht nur verlangen, in Ruhe gelassen zu werden (Abwehrrechte), sondern darüber hinaus unmittelbar aus den Grundrechten fordern, etwas zu bekommen? Nach der Konzeption des Grundgesetzes ist das nur sehr selten der Fall. Beispiele sind Rundfunkanstalten und Privatschulen, die als Institutionen Unterstützung verlangen können. Ein Recht des (oder in diesem Fall der) Einzelnen auf staatliche Leistung ergibt sich für Mütter aus dem Anspruch auf Schutz und Fürsorge in Artikel 6 Absatz 4.
Wie dieser Schutz allerdings aussieht, ist nicht genau definiert. Echte Leistungsrechte gibt es also kaum. Trotzdem kann der Einzelne oft konkrete staatliche Zuwendungen verlangen – immer dann, wenn der Staat überhaupt etwas gewährt. Denn dabei muss er gerecht sein. Wer also zum Beispiel glaubt, er habe zu Unrecht keinen Studienplatz bekommen, obwohl er mindestens so gute Voraussetzungen habe wie andere, die berücksichtigt wurden, kann sich auf das Gleichheitsrecht in Artikel 3 berufen. Er kann also – auch vor Gericht – verlangen, dass er so behandelt wird wie andere.
Dass das Grundgesetz so zurückhaltend dabei ist, staatliche Leistungen zu versprechen, hat mehrere Gründe: Die Grundrechte sollen unmittelbar wirken und dem Einzelnen einklagbare Rechte verschaffen. Das kann aber bei staatlichen Leistungen nicht funktionieren: Die Mittel des Staates sind begrenzt; wie viel er geben kann, ändert sich außerdem ständig. Damit würde die Entscheidung über staatliche Leistungen statt vom Gesetzgeber von dafür weniger legitimierten Richtern getroffen. Je mehr die Grundrechte außerdem versprechen, ohne es einlösen zu können, desto mehr werden sie entwertet.
Das ist auch der Grund, warum das Grundgesetz – anders als die Weimarer Verfassung, anders als die Verfassung der DDR und auch viele aktuelle Landesverfassungen – keine sozialen Grundrechte vorsieht. Solche sozialen Grundrechte können ganz unterschiedlich aussehen. Klassischerweise versteht man darunter Rechte wie das auf Arbeit oder Wohnung. Während die Gegner anführen, damit würden Hoffnungen geweckt, die der Staat nicht erfüllen kann, argumentieren Befürworter anders: Ein Recht auf Arbeit zum Beispiel soll demnach gar kein konkretes Versprechen sein. Es soll den Staat aber verpflichten, für möglichst viele Arbeitsplätze zu sorgen und den Einzelnen bei der Suche zu unterstützen. So steht es zum Beispiel in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Diskutiert wurden solche sozialen Grundrechte in Deutschland vor allem bei den Überlegungen zu Verfassungsänderungen nach der Wiedervereinigung. Die Befürworter konnten sich aber nicht durchsetzen.
Ein ähnlicher Gedanke wie hinter den sozialen Grundrechten – verstanden als Pflicht des Staates, auf ihre Verwirklichung hinzuwirken – steckt hinter den Staatszielen. Unter den vielen Aufgaben des Staates heben sie einzelne hervor. Diese müssen Gesetzgeber, Gerichte und Verwaltung dann bei ihren Entscheidungen besonders beachten. Beispiele im Grundgesetz sind das Sozialstaatsgebot in Artikel 20 oder neuerdings der Schutz von natürlichen Lebensgrundlagen oder der Tiere in Artikel 20a. Derzeit fordern manche, zum Beispiel die Förderung von Sport oder Kultur als Staatsziel in die Verfassung zu schreiben. Von den Grundrechten des Grundgesetzes unterscheiden sich auch solche Ziele – wie die sozialen Grundrechte – vor allem dadurch, dass sie dem Einzelnen keine konkreten Ansprüche geben, die er durchsetzen könnte.


Gudula Geuther

Grundsätzlich gilt: Je höher die Hürden für den Zugang und bei der Ausübung eines Berufes sind, desto gewichtiger müssen die Gründe sein, die der Gesetzgeber mit der Einschränkung verfolgt. Letztlich bedeutet dies, dass Einschränkungen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu messen sind Sehr hohe Anforderungen im Hinblick auf die Rechtfertigung gibt es bei den sogenannten objektiven Zulassungsvoraussetzungen. Diese beruhen auf Kriterien, die weder mit den Eigenschaften des Betroffenen in Zusammenhang stehen noch von ihm beeinflusst werden können. Hierzu gehören etwa Regelungen, die den Zugang zu einem Beruf von einer Bedarfsprüfung abhängig machen. Solche Regelungen sind nur zulässig, wenn sie zur "Abwehr nachweisbarer oder höchst wahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeingut zwingend geboten" sind. So entschied es das Bundesverfassungsgericht zuerst im Fall eines Apothekers, der ursprünglich keine Betriebserlaubnis bekommen sollte, weil es schon mehrere Apotheken in der Umgebung gab.

Nicht ganz so hoch sind die Anforderungen, wenn es um subjektive Zulassungsvoraussetzungen geht. Damit sind Kriterien gemeint, welche persönliche Eigenschaften oder Fähigkeiten betreffen, also etwa die persönliche Zuverlässigkeit und die fachlichen Qualifikationen, die durch bestandene Prüfungen nachgewiesen werden müssen. Solche Einschränkungen sind nur gerechtfertigt, wenn die Ausübung des Berufs ohne die Erfüllung der Voraussetzungen unmöglich oder unsachgemäß wäre oder wenn sie Schäden für die Allgemeinheit mit sich brächte.

Regelungen, die lediglich die Ausübung eines Berufs betreffen, sind wiederum unter weniger hohen Anforderungen zulässig. Für sie genügen vernünftige Gründe des Gemeinwohls. So rechtfertigt es beispielsweise der Gesichtspunkt des Arbeitsschutzes, für den Einzelhandel Ladenöffnungszeiten vorzusehen.

Art. 12 Abs. 2 und 3 GG enthalten das Verbot des Arbeitszwangs und der Zwangsarbeit. Arbeitszwang bedeutet nur die Verpflichtung zu einzelnen Tätigkeiten, Zwangsarbeit die Erbringung der gesamten Arbeitskraft des Betroffenen. Auch diese Vorschriften sind vor dem Hintergrund der massenhaften Verpflichtung zu Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Regime zu verstehen. Sie gelten allerdings nicht bei ehrenamtlichen Tätigkeiten wie etwa dem Schöffendienst, dem Einsatz als Wahlhelfer, Volkszähler oder Feuerwehrmitglied.

Mathias Metzner war wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesverfassungsgericht und im Grundrechtsreferat des Bundesministers der Justiz tätig. Er ist Vizepräsident des Externer Link: Verwaltungsgerichts Kassel.