Wäre der Täter mit seinem Attentat nicht gescheitert: Es wäre einer der schwersten Interner Link: antisemitischen Anschläge der deutschen Nachkriegsgeschichte geworden. Der Rechtsextremist Stephan B. wollte am 9. Oktober 2019 – am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur – in einer Synagoge ein Massaker anrichten. Er versuchte, die verriegelte Eingangstür mit Waffengewalt zu überwinden, doch diese hielt zahlreichen Schüssen und selbstgebastelten Sprengsätzen stand. Als der Angreifer nicht in die Synagoge gelangte, erschoss er den Ermittlern zufolge eine 40-jährige Passantin sowie einen 20-jährigen Mann in einem nahegelegenen Dönerlokal. Zwei weitere Menschen wurden schwer verletzt.
Live-Übertragung der Tat im Internet
Die Sicherheitsbehörden gehen von einer rechtsextremistischen Tat aus. Der damals 27-Jährige habe aus antisemitischen und rassistischen Motiven gehandelt. Interner Link: Die Bundesanwaltschaft zog die Ermittlungen früh an sich, da sie den Angriff als staatsgefährdende und terroristische Tat einstufte.
Stephan B. filmte die Tat mit einer Helmkamera und übertrug die Bilder live ins Internet. In dem Video äußert er sich massiv judenfeindlich und bezieht sich auf Interner Link: antisemitische Verschwörungstheorien. In einem im Internet kursierenden Dokument soll der Attentäter als sein Ziel angegeben haben, "so viele Anti-Weiße zu töten wie möglich, vorzugsweise Juden".
Das Interner Link: Internet hat für rechtsextreme Organisationen und rassistische und antisemitische Gewalttäter in den vergangenen beiden Jahrzehnten massiv an Bedeutung gewonnen: Insbesondere soziale Medien und Videoplattformen spielen eine zentrale Rolle für die Verbreitung von Propaganda und die Rekrutierung von Nachahmern. Immer wieder veröffentlichen Interner Link: Rechtsterroristen menschenverachtende Schriften im Internet – so wie Anders Breivik, bevor er vor neun Jahren in Norwegen 77 Menschen ermordete. Zudem gab es in den vergangenen Jahren mehrere Fälle, in denen Rechtsterroristen ihre Taten streamten – so auch der 29-jährige Attentäter, der im australischen Christchurch 51 Menschen in zwei Moscheen ermordete und seine Tat live bei Facebook übertrug.
Gerade diese Vernetzung löste zuletzt vermehrt Diskussionen über den Interner Link: Begriff des Einzeltäters aus. Stephan B. gehörte zwar keiner rechtsextremen Gruppe an, er radikalisierte sich aber durch eine virtuelle Form der Gemeinschaft.
Forderung nach besserem Schutz für jüdisches Leben
Nach dem Anschlag von Halle forderten viele, jüdisches Leben in Deutschland besser zu schützen. Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Halle warf der Polizei vor, die Synagoge habe trotz einer entsprechenden Bitte keinen Polizeischutz erhalten. Die meisten Synagogen in Deutschland werden polizeilich bewacht.
Prozess dauert an
Stephan B. wurde nach der Tat festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Er wurde im April 2020 angeklagt, im Juli begann der Strafprozess gegen ihn vor dem Oberlandesgericht Naumburg. Der Vorwurf lautet unter anderem auf zweifachen Mord und mehrfachen versuchten Mord. Aus Platzgründen wird im Landgericht Magdeburg verhandelt – das Interesse von Journalistinnen und Journalisten an dem Prozess ist groß. Der Angeklagte legte ein Geständnis ab und räumte ein, er habe an jenem Tag ein Massaker in der Synagoge anrichten wollen. Reue zeigte er laut Prozessbeobachtenden nicht. Zuletzt hatten mehrere Zeuginnen und Zeugen die Schrecken des Attentats anschaulich geschildert. Der Prozess dauert an.
Der erste Jahrestag
Zum Gedenken an die Opfer und Hinterbliebenen des Anschlags finden am 9. Oktober 2020 diverse Veranstaltungen und Aktionen in Halle statt. So soll unter anderem eine Schweigeminute eingelegt werden, Gedenktafeln sollen sowohl an der Synagoge als auch vor dem Imbiss, in dem eines der Todesopfer starb, eingeweiht werden. Auch eine zentrale Gedenkfeier ist geplant. Diese soll, um möglichst vielen trotz der Corona-Pandemie eine Teilnahme zu ermöglichen, an mehreren Orten in Halle als Livestream übertragen werden.