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Vor 45 Jahren: Entführung der "Landshut" | Hintergrund aktuell | bpb.de

Vor 45 Jahren: Entführung der "Landshut"

Redaktion

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Am 13. Oktober 1977 entführten palästinensische Terroristen die Passagiermaschine "Landshut". Ihr Versuch, damit inhaftierte RAF-Terroristen freizupressen, scheiterte.

Zwei unbekannte Personen stehen am 17. Oktober 1977 in der Tür der entführten Lufthansa-Maschine "Landshut" auf dem Flughafen von Dubai, Vereinigte Arabische Emirate. (© picture-alliance/AP)

Am 13. Oktober 1977 entführte ein vierköpfiges Terrorkommando der "Volksfront zur Befreiung Palästinas" (PFLP) die Lufthansa-Maschine Landshut. Die Boeing 737 befand sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Weg von Palma de Mallorca nach Frankfurt am Main. An Bord des Flugzeugs befanden sich 86 Passagiere, drei Flugbegleiterinnen, der Co-Pilot und der Pilot.

Den vier Palästinensern war es gelungen, Waffen und Sprengstoff an Bord zu schmuggeln. Die Terroristen forderten den Piloten dazu auf, nach Zypern zu fliegen. Zunächst musste das Flugzeug jedoch zum Auftanken in Rom landen.

Die PFLP wollte mit der Entführung den Fokus der Weltöffentlichkeit auf die Situation der Palästinenserinnen und Palästinenser lenken. Zudem forderte die eng mit deutschen Linksextremisten vernetzte Terrororganisation die Freilassung von elf in der Bundesrepublik inhaftierten Terroristen der ersten Generation der Interner Link: "Roten Armee Fraktion" (RAF), darunter Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe und Irmgard Möller. Darüber hinaus wollte das Kommando zwei in türkischen Gefängnissen einsitzende Palästinenser freipressen. Als Lösegeld verlangten die Entführer 15 Millionen US-Dollar.

Zuvor hatte die linksterroristische RAF am 5. September 1977 den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer entführt. Mit den Entführungen versuchten die Terroristen den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, um die Freilassung der inhaftierten RAF-Terroristen zu erzwingen. Die linksterroristische Gewalt fand im Jahr 1977 ihren Höhepunkt und ging als "Deutscher Herbst" in die Geschichte ein.

Ablauf der Geiselnahme

Von Rom flog die Maschine weiter nach Zypern. Vermittlungsversuche der "Palästinensischen Befreiungsorganisation" (PLO) waren ohne Erfolg. Auch weitere arabische Länder verweigerten eine Landung. Die Entführer erzwangen eine Landung in Dubai, wo das Flugzeug mehr als 54 Stunden stand.

Dem Piloten Jürgen Schumann gelang es zwischenzeitlich, den Behörden mittels einer Positionsmeldung die Anzahl der Entführer zu berichten, wovon die Terroristen aus den Interner Link: Medien erfuhren und dem Piloten drohten, ihn beim nächsten Vorfall zu erschießen. Eine von der Bundesregierung vorgeschlagene Befreiungsaktion der Anti-Terror-Einheit "Grenzschutzgruppe 9" (GSG 9) in Dubai, lehnten die Vereinigten Arabischen Emirate ab.

Die Entführer hofften im sozialistischen Südjemen Zuflucht zu finden. Doch die dortigen Machthaber blockierten die Landebahn in Aden. Das Flugzeug musste auf einer Sandpiste notzulanden. Der Pilot Schumann inspizierte das Triebwerk auf mögliche Schäden. Ohne Wissen der Entführer nahm er zugleich Kontakt zum jemenitischen Militär auf und forderte es erfolglos zum Eingreifen auf. Weil er aus Sicht der Geiselnehmer zu spät zurückkehrte, wurde er erschossen. Copilot Jürgen Vietor musste in der Nacht zum 17. Oktober in das sozialistisch regierte Somalia weiterfliegen, das mit der damaligen Bundesrepublik gute Beziehungen pflegte.

Befreiung der Passagiere

Das Flugzeug landete in der somalischen Hauptstadt Mogadischu. Die Terroristen drohten für den Fall, dass die Bundesregierung ihre Forderungen nicht erfülle, die Geiseln zu erschießen. Zum Schein verhandelte die Bundesregierung mit der PLFP über die Freilassung von RAF-Gefangen sowie der Lösegeldzahlung und konnte mit falschen Versprechungen einen Aufschub der gestellten Ultimaten erreichen.

Vor allem mit der Zusage finanzieller Unterstützung konnte die somalische Regierung dazu bewegt werden, einer bewaffneten Befreiung durch eine deutsche Spezialeinheit zuzustimmen. Am 18. Oktober um 0:05 Uhr stürmte eine Einheit der GSG 9 die Maschine. Die auf Entführungen spezialisierte Einheit war als Reaktion auf das Versagen deutscher Sicherheitsbehörden beim Interner Link: Olympia-Attentat 1972 gegründet worden.

Der Sondereinheit unter dem Kommando von Ulrich Wegener gelang es, alle Geiseln zu befreien. Bei der Erstürmung wurden drei der Entführer getötet, eine vierte Entführerin schwer verletzt. Die geretteten Geiseln flogen noch am selben Tag nach Deutschland.

Ende des "Deutschen Herbsts"

Der Versuch der RAF, ihre Gesinnungsgenossen zu befreien, war spätestens zu jenem Zeitpunkt endgültig gescheitert. Die deutsche Regierung war auch im Fall des Anfang September 1977 entführten Hanns Martin Schleyer zu keinerlei Zugeständnissen an die Terroristen bereit. In der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober begingen die RAF-Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in ihren Zellen in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim Suizid. Irmgard Möller verletzte sich mit einem Messer schwer. Am 18. Oktober wurde Hanns Martin Schleyer ermordet. Seine Leiche wurde am nächsten Tag im Kofferraum eines Autos im französischen Mulhouse gefunden. Damit endete nach der 44 Tage währenden Geiselnahme Schleyers und der Landshut-Entführung der sogenannte Interner Link: "Deutsche Herbst".

Die Entführung der Landshut war ein prägendes Ereignis in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat Ende 2020 den Auftrag erhalten, die verdichteten Ereignisse des sogenannten “Deutschen Herbstes“, für die die Entführungsgeschichte der Landshut-Maschine im Oktober 1977 exemplarisch steht, schwerpunktmäßig in ihre Bildungsarbeit einzubinden. Eine dafür eingerichtete Projektgruppe gibt online Einblicke in ihre Arbeitsprozesse und die verschiedenen Stationen des Projekts Interner Link: "Lernort Landshut".

Mehr zum Thema:

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Interner Link: Hanno Balz: Die mediale Darstellung der "Landshut"-Entführung

Interner Link: Frank Bösch: Die Entführung der "Landshut" und die Globalisierung der 1970er Jahre

Interner Link: Die Geschichte der RAF

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