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Parlamentswahl in Bulgarien 2023

Redaktion

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Am 2. April wählten die Bulgarinnen und Bulgaren ein neues Parlament. Es waren die fünften Wahlen zur Volksversammlung innerhalb von zwei Jahren.

Das Gebäude des bulgarischen Parlaments in Sofia. (© picture-alliance, Bildagentur-online/Joko | Bildagentur-online/Joko)

Gewinner der Parlamentswahl in Bulgarien ist das Mitte-Rechts-Bündnis GERB-UDF des früheren Regierungschefs Borissow. Es erhielt 26,5 Prozent der Stimmen, wie die Wahlkommission nach Auszählung aller Stimmen mitteilte. Auf Platz zwei liegt demzufolge der liberal-konservative Block PP-DB mit mehr als 24 Prozent, gefolgt von der pro-russischen nationalistischen Partei „Wiedergeburt“ mit 14 Prozent. Insgesamt haben sechs Parteien die Vier-Prozent-Hürde überwunden. Damit könnte die Regierungsbildung erneut schwierig werden.

Warum fanden vorgezogene Neuwahlen statt?

Nach dem letzten Urnengang am 2. Oktober 2022 scheiterten sowohl die beiden Erstplatzierten, GERB-UDF und PP-DB, als auch die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) damit, eine Regierung zu bilden. Die bulgarische Verfassung sieht vor, dass nach drei gescheiterten Anläufen zur Regierungsbildung ein neues Parlament gewählt werden muss. Es sind die fünften Wahlen binnen zwei Jahren. Interimsmäßig amtiert seit August 2022 der parteilose Politiker Galab Donew als geschäftsführender Ministerpräsident. Er führt derzeit auch die Gespräche für einen möglichen Beitritt Bulgariens zur Euro-Zone und zum Schengenraum.

BulgarienWie wird gewählt?

Die Volksvertretung Bulgariens ist ein Einkammerparlament. Die 240 Abgeordneten der Narodno Sabranie ("Volksversammlung") werden per Verhältniswahl in 31 Wahlkreisen gewählt. Die Verfassung sieht eine Legislaturperiode von vier Jahren vor. Zur Wahl stellen sich Parteien mit ihren Listen. Sowohl für Parteien und Parteikoalitionen gilt eine Vier-Prozent-Hürde für den Einzug in die Volksversammlung.

Bulgarien ist eine parlamentarische Demokratie mit präsidialen Elementen. Der direkt vom Volk gewählte Präsident hat in manchen Fragen, etwa der Außen- und Verteidigungspolitik, große Mitspracherechte. So ist das bulgarische Staatsoberhaupt auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Im November 2022 wurde das Wahlgesetz geändert. Auch bei elektronischen Wahlmaschinen muss künftig ein Beleg ausgedruckt werden. Dieser Papierzettel ist die Grundlage für die Auszählung der Stimmen. Die Entscheidung des Parlaments kam mit einer Mehrheit der Stimmen aus GERB sowie liberalen und sozialistischen Abgeordneten zustande.

Wer trat zur Wahl an?

Prägend für die politische Situation der vergangenen Jahre ist die Partei GERB („Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“) von Bojko Borissow. Er war, mit zwei kürzeren Unterbrechungen, von 2009 bis 2021 Ministerpräsident von Bulgarien. Nach eigener Aussage will Borissow nicht noch einmal für das Amt kandidieren, er gilt dennoch als wichtigster Kopf seiner Partei. Unter Borissow gab es eine ganze Reihe von Korruptionsskandalen, in den Jahren 2020 und 2021 fanden Massenproteste gegen seine Regierung statt. GERB ist deshalb als Partei isoliert, verfügt aber über eine verhältnismäßig große Kernwählerschaft. Innenpolitisch ist GERB konservativ, außenpolitisch bekennt sie sich zur Westbindung des Landes, ökonomisch verfolgt sie ein wirtschaftsliberales Programm.

Aus den Anti-Korruptions-Protesten der vergangenen Jahre ist die Partei „Wir setzen den Wandel fort“ (PP) entstanden. Sie wird von Kiril Petkow angeführt, der Ministerpräsident war, und Assen Wassilew. Beide sind Absolventen der amerikanischen Eliteuniversität Harvard und setzten sich für Korruptionsbekämpfung ein. Politisch ist die PP im Mitte-Links-Spektrum angesiedelt. Bei der Parlamentswahl im Jahr 2023 trat sie im Bündnis mit der konservativ-liberalen Partei „Demokratisches Bulgarien“ (DB) an.

Die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) steht für einen Ausbau des Sozialstaats. Spitzenkandidatin war erneut Kornelija Ninowa. Die BSP vertritt im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine pro-russische Positionen. Früher war die BSP eine der einflussreichsten Kräfte in Bulgarien, seit 2017 hat ihre Bedeutung jedoch abgenommen. Auch bei der jetzigen Wahl verzeichnete die BSP wieder leichte Verluste.

Die DPS vertritt die Interessen der türkischen Minderheit in Bulgarien – in diesem Milieu hat die Partei eine stabile Stammwählerschaft. Das zeigt sich auch an dem fast unveränderten Wahlergebnis. Vorsitzender der DPS ist seit 2016 Mustafa Karadaja.

Stetig gewachsen ist der Einfluss der rechtspopulistischen Partei "Wiedergeburt" von Kostadin Kostadinow. Sie ist nationalistisch, euroskeptisch und pro-russisch ausgerichtet. Die Partei fordert, dass Bulgarien im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine neutral bleibt. Bei dieser Wahl hat die Partei„Wiedergeburt“ ihr Ergebnis um fast vier Prozent gesteigert.

An der Vier-Prozent-Hürde gescheitert ist diesmal dagegen die nationalkonservative Partei "Bulgarischer Aufstieg" vom ehemaligen Interims-Ministerpräsidenten Stefan Janew. Der Ex-General wurde 2022 als Verteidigungsminister entlassen, nachdem er sich weigerte, den russischen Überfall auf die Ukraine als "Krieg" zu bezeichnen.

Den Wiedereinzug ins Parlament knapp geschafft hat dagegen die Partei des Sängers und Fernsehmoderators Slawi Trifonow – „Es gibt ein solches Volk“ (ITN).

Wahlkampfthemen

Ein wichtiges Thema war die fortlaufende politische Krise des Landes. Außer einer kurzen Phase, in der eine durch die PP geführte Koalition das Land regierte, leiteten stets Interimsregierungen die Amtsgeschäfte in der Hauptstadt Sofia.

Die politische Instabilität steht in einem Kontrast zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes: Bulgariens Unternehmen meldeten für das Geschäftsjahr 2022 Rekordgewinne, die Wirtschaft wuchs nach Angaben der EU um 3,9 Prozent.

Laut Aussagen der Interimsregierung ist die Staatskasse Bulgariens trotzdem leer: Finanzministerin Rosiza Welkowa sagte im Februar, dass ihr Land derzeit nicht die Kriterien für einen Beitritt zur Euro-Zone erfülle. Die ursprünglich für das nächste Jahr geplante Einführung der europäischen Währung wurde auf frühestens 2025 verschoben. Umfragen zufolge lehnt derzeit ohnehin eine Mehrheit der Bulgaren den Beitritt zur Euro-Zone ab. Welkowa plant nun, die Gewinne der nicht-staatlichen Unternehmen mit einer Sondersteuer zu belegen. Das Parlament soll darüber Ende April abstimmen. Die PP zweifelt derweil die Aussagen der Ministerin an und sieht keine akute Finanzkrise des bulgarischen Staates.

Zu den kontroversen Themen zählte weiterhin die Haltung Bulgariens zu Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Politische Akteure aus unterschiedlichen Lagern plädieren für eine engere Bindung an Russland. Die GERB-Partei und die PP, derzeit die beiden wichtigsten politischen Kräfte im Land, vertreten dagegen eindeutig pro-ukrainische Positionen. Eine zentrale Streitfrage im Wahlkampf war, ob Bulgarien Waffen und Munition an die Ukraine liefern soll. Laut Umfragen befürchteten zwei Drittel der bulgarischen Bevölkerung, das Land würde durch mögliche Waffenlieferungen in den Krieg hineingezogen. Der amtierende bulgarische Präsident Rumen Radew lehnt Militärhilfe für die Ukraine ab und offiziell ist Bulgarien neben Ungarn das einzige NATO-Mitglied, das bislang keine Waffen an die Ukraine geliefert hat. Auch beteiligt sich das Land nicht an der europäischen Initiative zur gemeinsamen Munitionsbeschaffung. Laut Medienberichten sollen jedoch im vergangenen Jahr unter der damaligen Regierung von Premierminister Petkow Rüstungsgüter aus bulgarischer Produktion über Drittstaaten in die Ukraine geliefert worden sein.

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