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Parlamentswahl in Finnland 2023 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Parlamentswahl in Finnland 2023

Redaktion

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Wahlsieger ist die konservative Nationale Sammlungspartei. Die rechtspopulistische Partei "Die Finnen" erreichte ihr bisher bestes Ergebnis und landeten auf Platz zwei. Die Sozialdemokraten unter Ministerpräsidentin Sanna Marin kamen in einem knappen Rennen nur auf den dritten Platz.

In der finnischen Stadt Espoo hängen Wahlplakate der Parteien für die Parlamentswahl 2023. (© picture-alliance/dpa, Lehtikuva | Heikki Saukkomaa)

Am 2. April wählten Interner Link: die Finninnen und Finnen ein neues Parlament. Nach dem vorläufigem amtlichen Ergebnis wurde die konservative Nationale Sammlungspartei ("Kansallinen Kokoomus", KOK) stärkste Kraft im finnischen Parlament. Die KOK erreichte demnach 20,8 Prozent der Stimmen. Mit knappem Abstand folgt die rechtspopulistische Partei "Die Finnen" ("Perussuomalaiset", PS), die auf 20,1 Prozent kommt – und damit ihr bislang bestes Ergebnis erreichte. Drittstärkste Kraft wurde die Sozialdemokratische Partei ("Suomen Sosialidemokraattinen Puolue", SDP) der derzeitigen Regierungschefin Sanna Marin mit 19,9 Prozent. Marin räumte ihre Niederlage bereits ein und gratulierte der Nationalen Sammlungspartei zu ihrem Wahlsieg.

2019 übernahm die Sozialdemokratin Sanna Marin das Amt als Ministerpräsidentin. Die damals 34-Jährige ist Finnlands jüngste Regierungschefin aller Zeiten und zählte zum Zeitpunkt der Amtsübernahme zu den jüngsten Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Welt.

Parlamentswahl 2019

Bei der Interner Link: Wahl vor vier Jahren wurde die Sozialdemokratische Partei Finnlands ("Suomen Sosialidemokraattinen Puolue", SDP) mit 17,7 Prozent der Stimmen knapp stärkste politische Kraft. Die rechtspopulistische Partei "Die Finnen" ("Perussuomalaiset", PS) kam auf 17,5 Prozent der Stimmen. Die konservative und wirtschaftsliberale Nationale Sammlungspartei ("Kansallinen Kokoomus", KOK) erzielte 17,0 Prozent. Die damals regierende liberale Finnische Zentrumspartei ("Suomen Keskusta") fiel von 21 Prozent auf 13,8 Prozent.

Mitte-Links-Bündnis regiert seit 2019

Auf die Mitte-Rechts-Regierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Juha Sipilä (Zentrumspartei) folgte 2019 ein Mitte-Links-Bündnis aus fünf Parteien: Neben der SDP und der Zentrumspartei gehörten zu der Koalition die Grüne Allianz ("Vihreä liitto"), das Linksbündnis ("Vasemmistoliitto") sowie die Schwedische Volkspartei Finnlands ("Svenska folkpartiet i Finland").

Neuer Ministerpräsident wurde der Sozialdemokrat Antti Juhani Rinne. Noch im selben Jahr musste er jedoch zurücktreten. Teile der Regierungskoalition verweigerten ihm das Vertrauen. Die Gründe dafür waren langhaltende Streiks und deren Folgen für die Wirtschaft.

FinnlandDas politische System

Finnland ist eine parlamentarische Demokratie mit Elementen einer Präsidialdemokratie. Interner Link: Der Staatspräsident oder die Staatspräsidentin wird alle sechs Jahre direkt vom Volk gewählt. Das aktuelle Staatsoberhaupt ist seit 2012 der 2018 wiedergewählte Sauli Niinistö von der Nationalen Sammlungspartei. Er hat vor allem repräsentative Funktionen. Das Staatsoberhaupt bestimmt jedoch Teile der Außenpolitik mit und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Zudem ernennt er formal den zuvor vom Parlament gewählten Ministerpräsidenten.

Zu den Kompetenzen des finnischen Parlaments gehören insbesondere gesetzgeberische Funktionen und die Genehmigung des Staatshaushalts. Das Einkammerparlament wird alle vier Jahre nach einem regional gegliederten Verhältniswahlrecht gewählt. Wahlberechtigt sind alle finnischen Staatsbürgerinnen und -bürger, die mindestens 18 Jahre alt sind. Das Land ist in 13 Wahlkreise eingeteilt, die entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil eine bestimmte Zahl an Abgeordneten in das Parlament entsenden. Das dünnbesiedelte Lappland wählt zum Beispiel nur sechs Abgeordnete, während die Hauptstadt Helsinki über 23 Abgeordnete bestimmen kann. Insgesamt werden 200 Sitze im Parlament vergeben.

In jedem Wahlkreis stellen die Parteien Kandidatenlisten auf. Jeder Wähler hat eine Stimme, mit der er einen Kandidaten oder eine Kandidatin und die entsprechende Parteiliste wählt. Die abgegebenen Stimmen werden dann in den Wahlkreisen nach dem D’Hondt-Verfahren in Mandate umgerechnet. Eine landesweit geltende Sperrklausel existiert nicht, allerdings gibt es innerhalb der Wahlbezirke rechnerische Grenzwerte bei den Stimmanteilen, die Parteien überspringen müssen, um einen Sitz zu bekommen.

Marin übernahm Ministerpräsidentenamt

Auf Rinne folgte im Dezember 2019 die vorherige Verkehrsministerin Sanna Marin als Regierungschefin. Die Koalition aus fünf Parteien wurde fortgeführt. Die Mitglieder des finnischen Kabinetts waren vergleichsweise jung – auch der Frauenanteil von 46 Prozent war höher als in den meisten anderen Ländern. Nachdem Marin 2020 auch SDP-Chefin wurde, waren alle Vorsitzenden der Regierungsparteien Frauen.

Wahlkampfthemen

Wichtige Themen im aktuellen Wahlkampf waren etwa die Sozial- sowie die Wirtschafts- und Finanzpolitik. So stritten die Parteien darüber, wie die für skandinavische Verhältnisse hohe Staatsverschuldung verringert werden könne. Auch über die im Vergleich zu anderen nordeuropäischen Ländern harte Corona-Politik wurde debattiert.

"Der Wahlkampf stand vor allem im Interner Link: Schatten des Ukraine-Krieges und des anvisierten Interner Link: NATO-Beitritts Finnlands", so Sven Jochem, Politik-Professor und Skandinavien-Experte an der Universität Konstanz. Finnland teilt eine über 1300 Kilometer lange Grenze mit Russland. Aufgrund des Überfalls Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 hatte sich Helsinki von seiner jahrzehntelangen militärischen Interner Link: Neutralitätspolitik verabschiedet. Alle größeren Parteien sowie laut Umfragen auch eine breite Mehrheit der Bevölkerung unterstützen den Beitritt des Landes zum westlichen Verteidigungsbündnis.

Nationale Sammlungspartei mit finanzpolitischem Schwerpunkt

Die Nationale Sammlungspartei legte ihren Fokus auf Wirtschaftspolitik. Traditionell setzt sich die Partei für weniger staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ein. Im Wahlkampf sprachen sich die Konservativen gegen einen weiteren Anstieg der Staatsverschuldung sowie für Steuersenkungen aus. Der ÖPNV Finnlands soll ausgebaut werden, ebenso die Digitalisierung. Außerdem will die Partei erreichen, dass Finnland energieautark wird. Die Nationale Sammlungspartei warb dafür, einen Zaun an der Grenze zu Russland zu errichten. Ihr Spitzenkandidat ist Petteri Orpo.

Sozialdemokraten setzen auf Bildung

Die sozialdemokratische Partei sprach sich gegen Kürzungen im Sozial- oder Gesundheitsbereich aus. "Steuerschlupflöcher" sollen geschlossen und so mehr Staatseinnahmen generiert werden. Die Partei will die Bildung in dem Land verbessern und Chancengleichheit ermöglichen. Außerdem setzen sich die Sozialdemokraten für mehr Teilhabe von Mädchen und Frauen ein. Das Land soll der Partei zufolge bis 2035 CO2-neutral und eine verwaltungsübergreifende Zusammenarbeit zum Klimaschutz etabliert werden. Die Unterstützung der Ukraine und die Sanktionspolitik gegen Russland wollte die SDP fortführen. Die Sozialdemokratische Partei wurde von der Ministerpräsidentin Sanna Marin in den Wahlkampf geführt.

Rechtspopulisten für restriktive Einwanderungspolitik

"Die Finnen" forderten eine strikte Einwanderungspolitik und einen starken Nationalstaat. Die Partei sieht die Einwanderungspolitik des Landes als gescheitert an. Zugewanderte sollen "ermutigt" werden, in ihre Heimatländer zurückzukehren. Mittlerweile bekennt sich die Finnenpartei anders als früher zur EU-Mitgliedschaft des Landes, nicht jedoch zur europäischen Währungsunion und zum Euro. Den EU-Emissionshandel will die Partei aussetzen. Die Energieproduktion durch fossile Brennstoffe soll erhalten und ausgebaut werden, um die Energiepreise zu senken. In der Bildungspolitik sprach sich die Finnenpartei gegen Inklusion aus. Spitzenkandidat der Partei ist Riikka Purra.

Koalitionspartnern drohen Verluste

Die Zentrumspartei versprach in ihrem Wahlprogramm, Finnland strom- und wärmeautark machen zu wollen. In der Sicherheitspolitik soll eine allgemeine Wehr- und Zivildienstpflicht eingeführt werden. In der Familienpolitik setzte die Partei auf Steuererleichterungen. Der Zentrumspartei wurde von Spitzenkandidatin Annika Saarikko angeführt.

Die Grüne Allianz setzte auf den Ausbau von erneuerbaren Energien, aber auch der Atomkraft. Die Grünen legten zudem einen Fokus auf die Bildungspolitik: Die Chancengleichheit soll verbessert und Studienplätze ausgebaut werden.

Auch das Linksbündnis forderten den Umstieg auf erneuerbare Energien. Zudem will die Partei einen Mindestlohn von zwölf Euro einführen. Modelle zu kürzeren und flexibleren Arbeitszeiten sollen erprobt werden.

Die liberale Schwedische Volkspartei vertritt traditionell die schwedische Minderheit und setzt sich für eine Zweisprachigkeit in Finnland ein. Ihre Spitzenkandidatin war Li Andersson.

Schwierige Mehrheitsfindung

Dass es zu einer Neuauflage der bisherigen Koalition aus fünf Parteien kommt, gilt als unwahrscheinlich. Zuletzt gab es zwischen den Sozialdemokraten und der Zentrumspartei eine Auseinandersetzung über die Rechte der indigenen Bevölkerung Finnlands.

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