Am 26. Juli 2023 kam es im westafrikanischen Staat Interner Link: Niger zu einem Militärputsch. Die nigrische Armee entmachtete Präsident Mohamed Bazoum, schloss die Grenzen, verhängte eine landesweite Ausgangssperre und erklärte in einer Fernsehansprache alle Verfassungsorgane für suspendiert. Als Gründe für den Staatsstreich nannte der Sprecher der Militärjunta, Oberst Amadou Abdramane, sowohl Sicherheitsbedenken als auch die in seinen Augen "schlechte Regierungsführung" des bisher amtierenden Präsidenten.
Abdramane und neun weitere Offiziere bildeten eine provisorische Militärregierung, den "Nationalen Rat für die Rettung des Vaterlandes". Am 28. Juli erklärte sich General Abdourahmane Tiani zum Präsidenten des Rates und damit zum Staatsoberhaupt von Niger. Nach Angaben von Bazoums Partei, der "Nigrischen Partei für die Demokratie und den Sozialismus" (französisch: Parti nigérien pour la démocratie et le socialisme, PNDS), wurden seit dem Putsch 180 Mitglieder der PNDS festgenommen.
Militärregierung will Bazoum wegen Hochverrats anklagen
Bazoums Wahl im Jahr 2021 war die erste demokratische Machtübergabe im Land seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960. Seit seiner Entmachtung steht Bazoum unter Hausarrest. Am 13. August, erklärte der neue Staatsführer Tiani, dass das abgesetzte Staatsoberhaupt des Hochverrats angeklagt werden solle. In Niger kann Hochverrat mit dem Tod bestraft werden.
Unabhängigkeit Nigers 1990 bis erste demokratische Wahlen 2021
Bis zu seiner Unabhängigkeit am 3. August 1960 war Niger eine französische Kolonie. Die heutigen Grenzen des Landes wurden weitgehend willkürlich auf der Berliner Konferenz 1885 von den europäischen Kolonialherren gezogen und trugen den historischen Gegebenheiten und den Siedlungsgebieten der einzelnen Ethnien keine Rechnung.
Nachdem Niger nach seiner Unabhängigkeit 14 Jahre von dem autokratischen Herrscher Hamani Diori regiert wurde, kam es im Jahr 1974 zu einem ersten erfolgreichen Militärputsch. Es folgten bis heute noch vier weitere, in den Jahren 1996, 1999, 2010 und 2023. Kurz vor der Vereidigung des abgesetzten Präsidenten Bazoum 2021 soll es einen erfolglosen Putschversuch gegeben haben.
Mit der Wahl von Bazoum im Februar 2021 hatte es Hoffnungen auf eine dauerhafte Stabilisierung der demokratischen Verhältnisse gegeben. Der PNDS-Politiker hatte sich knapp gegen seinen Herausforderer Mahamane Ousmane durchgesetzt. Bazoum folgte auf Mahamadou Issoufou (PNDS), der nach dem Militärputsch von 2010 ins Präsidentenamt gewählt wurde und nach zwei Legislaturperioden nicht noch einmal zur Wahl antreten konnte. Der neu ins Amt gewählte Präsident galt als Vertrauter von Issoufou.
Auch nach Ende der Interner Link: Kolonialzeit unterhielt Frankreich intensive wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Niger. Die französische Afrikapolitik verstand die Interner Link: früheren Kolonien lange als Einflusssphäre (Interner Link: "Françafrique").
Das Auswärtige Amt beschreibt die Lage in Niger nach dem Putsch als unübersichtlich. Vor allem Anhänger der Putschisten gingen nach dem Staatsstreich auf die Straßen, um gegen den französischen Einfluss (Interner Link: "Françafrique") und gegen die verhängten Sanktionen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Interner Link: ECOWAS zu demonstrieren. Zwei Tage nach dem Putsch untersagte das nigrische Innenministerium jegliche Demonstrationen mit der Begründung, die Bürger schützen zu wollen.
Fragile Sicherheitslage in Niger
In Niger, das in der wirtschaftlich schwachen Interner Link: Sahelzone liegt, gab es in den vergangenen Jahren zahlreichen Krisen. Natürliche Ressourcen sind knapp. Wiederkehrende Dürren führten in der Vergangenheit zu Nahrungsunsicherheit. Nach dem Putsch haben sich die Preise für Grundnahrungsmittel und Öl laut Angaben der Welthungerhilfe noch einmal deutlich erhöht. Niger hat trotz Armut Interner Link: eine der höchsten Geburtenraten weltweit, was zu weiteren Verteilungskonflikten führt. Korruption ist ein anhaltendes Problem.
Die Sicherheitslage wurde von der Bundesregierung 2022 als "fragil" eingeschätzt. Als Gründe werden Aktivitäten von kriminellen Gruppierungen und Terroristen in den Grenzgebieten genannt. In den Ländern der Sahelzone sind seit Jahren islamistische Terrorgruppen aktiv, u.a. Boko Haram. Dennoch galt Niger als "Stabilitätsanker" in einer instabilen Region.
Ausländische Staaten hatten seit Jahren Militärhilfe geleistet, um den Staat im Kampf gegen die Extremisten zu unterstützen. Für Deutschland war Niger ein wichtiger Partner. Dort befindet sich der Lufttransportstützpunkt Niamey, über den die Versorgung und der Abzug der Bundeswehrtruppen organisiert wird, die sich bis Ende 2023 im Rahmen der UN-Stabilisierungsmission Interner Link: MINUSMA in Mali befinden.
ECOWAS drohte mit Militärintervention
ECOWAS kam nach dem Putsch am 30. Juli zu einer Sondersitzung in der nigerianischen Hauptstadt Abuja zusammen und stellte den Putschisten ein Ultimatum: Binnen einer Woche, bis zum 6. August, sollten die Militärherrscher den Staatsstreich rückgängig machen – oder die ECOWAS-Staaten würden militärisch intervenieren. Die Interner Link: Afrikanische Union (AU) forderte die neuen Machthaber in Niger auf, sich innerhalb von 15 Tagen zurückzuziehen.
Der algerische Präsident Abdelmadjid Tebboune lehnte jede Form von militärischem Eingreifen in Niger kategorisch ab. Als Grenzstaat zu Niger fürchtet Algerien um die eigene nationale Sicherheit bei einer Eskalation. Die Regierungen in Interner Link: Mali und Interner Link: Burkina Faso, wo 2021 und 2022 ebenfalls Militärputschisten an die Macht kamen, stellten sich auf die Seite Nigers. Ein Einschreiten in Niger würde wie ein Angriff auf den eigenen Staat betrachtet werden. Das Ultimatum der ECOWAS verstrich – zu einer Militärintervention kam es nicht. Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft will nun nach einer "diplomatischen Lösung" suchen, stellt aber parallel dazu eine militärische Einsatztruppe auf.
Weitere internationale Reaktionen auf den Putsch waren:
Frankreich hat europäische Bürgerinnen und Bürger im Nachgang des Putsches aus Niger ausgeflogen. Frankreich und die USA unterhalten weiterhin Militärstützpunkte in Niger.
Deutschland hat seine Entwicklungszusammenarbeit mit Niger vorerst ausgesetzt. Das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung für das Land ausgesprochen.
UN-Generalsekretär António Guterres sowie der Interner Link: UN-Sicherheitsrat verurteile die Machtübernahme in Niger und forderte die Freilassung von Bazoum. Humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung soll weiter gewährleistet werden.
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