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40 Jahre Schengener Abkommen | Hintergrund aktuell | bpb.de

40 Jahre Schengener Abkommen

Redaktion

/ 7 Minuten zu lesen

Am 14.06.1985 unterzeichneten fünf europäische Länder das Abkommen von Schengen über den Abbau von Personenkontrollen an den Binnengrenzen. Mittlerweile gehören dem Schengen-Raum 29 Staaten an. Einige von ihnen, darunter Deutschland, haben vorrübergehende Grenzkontrollen eingeführt.

Am 15.05.2025 stehen zwei Beamte der Bundespolizei an der A 93 bei Kiefersfelden (Bayern) und kontroliieren den Einreiseverkehr nach Deutschland. (© picture-alliance/dpa, picture alliance / dpa | Matthias Balk )

Die Entstehung des Schengen-Raums

Am 14. Juni 1985, auf einem Schiff in der luxemburgischen Kleinstadt Schengen an den Grenzen zu Deutschland und Frankreich, schrieben fünf Staaten europäische Vertragsgeschichte: Die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg unterzeichneten das Interner Link: Übereinkommen von Schengen (Schengen I). Dieses erste Abkommen war eine politische Absichtserklärung: Es sah vor, die Kontrollen an den Binnengrenzen der Mitgliedstaaten schrittweise abzubauen, um das Zusammenwachsen Europas zu fördern. Mit dem Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommen (Schengen II) am 26. März 1995 in Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, sowie auch Portugal und Spanien wurden die Ziele des Schengen I-Abkommens umgesetzt und ausgeweitet. Neben der Abschaffung der Personenkontrollen an den Binnengrenzen wurden sogenannte Ausgleichsmaßnahmen geschaffen, um die innere Sicherheit der Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Dazu gehören eine gemeinsame Visa-Politik und Asylpolitik, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit von Justiz und Polizei sowie die Überwachung der gemeinsamen Außengrenzen.

Mittlerweile gehören dem Schengen-Raum 29 Länder an: Alle EU-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme von Irland und Zypern sowie die Nicht-EU-Mitglieder Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. Die Republik Irland ist nicht dem Schengen-Raum beigetreten, da das Land sonst Grenzkontrollen zu Nordirland – Teil des Vereinigten Königreichs – einführen müsste. Zypern befindet sich in einem Evaluierungsprozess und führt weiterhin dauerhafte Grenzkontrollen durch. Kroatien trat 2023 dem Schengen-Raum bei. Bulgarien und Rumänien erfüllen laut EU-Kommission schon seit 2011 die formellen Voraussetzungen, um sich dem Schengen-Raum anzuschließen, jedoch blockierten einzelne EU-Staaten lange ihren Beitritt. Seit Januar 2025 sind Rumänien und Bulgarien nun Vollmitglieder des Schengen-Raums.

Was gilt laut des Schengener Abkommens?

Das Schengener Abkommen trägt wesentlich dazu bei, das Prinzip der EU-Freizügigkeit für die Bevölkerung erfahrbar zu machen. Kern der EU-Freizügigkeit ist, dass die Bürgerinnen und Bürger innerhalb der EU überall wohnen und arbeiten und sich auch zwischen den Mitgliedstaaten frei bewegen können. Das Reisen ohne Passkontrolle wird durch das Schengener Abkommen ermöglicht.

Prinzipiell wird bei Grenzkontrollen zwischen Binnengrenzen innerhalb der Europäischen Union und den EU-Außengrenzen unterschieden. An den Außengrenzen werden dauerhafte Grenzkontrollen durchgeführt, während innerhalb des Schengen-Raums Kontrollen nur in Ausnahmefällen zulässig sind. Da Deutschland ausschließlich an Schengen-Mitgliedsstaaten grenzt, entfallen an den Landesgrenzen dauerhafte Passkontrollen (zeitlich begrenzte Ausnahmen sind jedoch möglich und werden aktuell auch umgesetzt, siehe unten). Der Flug- und Seeverkehr bleiben weiterhin kontrollpflichtig. Außerdem gestattet der Schengener Grenzkodex verdachtsunabhängige Stichprobenkontrollen in Grenznähe sowie in Fern- und Durchgangsbahnhöfen.

Welche Ausnahmen sieht das Schengener Abkommen vor?

Im Mai 2024 wurde der Schengen-Kodex reformiert. Externer Link: Der Schengener Grenzkodex gestattet es den Mitgliedstaaten, in eng definierten Ausnahmefällen zeitlich befristete Kontrollen an Binnengrenzen einzuführen. Jede Regierung kann diese Kontrollen einseitig anordnen. In Deutschland trifft das Bundesministerium des Innern die formale Entscheidung. Gleichzeitig müssen diese Maßnahmen der EU-Kommission gemeldet werden.

Im Genauen: Mitgliedstaaten können auf seiner Grundlage beim Vorliegen „einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit“ vorübergehend ohne Zustimmung der EU Kontrollen an ihren Grenzen anordnen. Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission sowie die anderen Länder müssen spätestens vier Wochen vor der Einführung der Kontrollen über das Vorhaben informiert werden – falls die Gründe für die Kontrollen nicht ein schnelleres Handeln notwendig machen.

Kontrollen der Binnengrenzen sind im Falle einer „ernsthaften Bedrohung“ zunächst nur für die Dauer von sechs Monaten erlaubt. Besteht die Bedrohung fort, kann dieser Zeitraum um jeweils sechs Monate bis zu einer Gesamtdauer von maximal zwei Jahren verlängert werden. Liegt aus Sicht des Mitgliedstaats sogar eine „schwerwiegende, außergewöhnliche Situation“ vor, darf auch darüber hinaus ein weiteres halbes Jahr lang kontrolliert werden. Hat sich die Situation in diesem Zeitraum immer noch nicht verbessert, ist ein letzte Verlängerung um sechs Monate möglich. Insgesamt können die Grenzkontrollen so bis zu drei Jahre am Stück aufrechterhalten werden.

Kontrollen an den Binnengrenzen sollen nur für den Fall wiedereingeführt werden, wenn kein anderes Mittel zur Abwehr der als Grund angeführten Gefahr erfolgversprechend ist. Der Schengen-Kodex formuliert Kontrollen der Binnengrenzen dabei als „letztes Mittel“: Mitgliedstaaten müssen die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen bewerten und begründen. Grenzkontrollen sind aber auch möglich, wenn „außergewöhnliche Umstände“ vorliegen, die das Funktionieren des Schengen-Raums insgesamt gefährden. Hier muss jedoch der Europäische Rat – das Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitglieder – zustimmen.

Wer nutzt die Ausnahmeregelungen?

Im Juni 2025 haben elf Schengen-Mitglieder Kontrollen an allen oder einem Teil ihrer Grenzen bei der EU angemeldet. Neben Deutschland sind dies: Die Niederlande, Österreich, Slowenien, Spanien, Dänemark, Frankreich, Norwegen, Schweden, Bulgarien und Italien.

Die vorgebrachten Argumente für die Ausnahmesituationen unterscheiden sich. Mit der Abwendung „irrregulärer Migration“, also der Einwanderung von Menschen, die dafür nicht die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen, argumentieren etwa Österreich und die Niederlande. Dänemark verweist auf eine mutmaßlich hohe Terrorgefahr, Schweden auf einreisende Kriminelle.

Welche Grenzkontrollen gab es bislang in Deutschland?

An der österreichischen Grenze werden seit 2015 Kontrollen durchgeführt. Im Oktober 2023 führte die Bundesregierung Kontrollen an den Grenzen zur Schweiz, Polen und Tschechien ein. Diese wurden seither mehrfach verlängert. Das Bundesinnenministerium begründete diese Maßnahme mit dem Kampf gegen Schleuserkriminalität und der Begrenzung „irregulärer Migration“. Phasenweise wurde auch die Grenze zu Frankreich kontrolliert. Während der Fußball-EM 2024 in Deutschland gab es an den Grenzen zu allen deutschen Nachbarstaaten temporäre Kontrollen.

Interner Link: Anfang September 2024 ordnete das Bundesinnenministerium an, neben der Landgrenze zu Frankreich künftig auch die Grenzen zu den Niederlanden, Luxemburg, Dänemark und Belgien zu kontrollieren. Seit dem 16. September 2024 sind demnach an allen deutschen Landgrenzen vorübergehende Grenzkontrollen möglich – die bei der Europäischen Kommission gemeldeten Maßnahmen waren zunächst auf ein halbes Jahr befristet. Das Bundesinnenministerium verlängerte zwischenzeitlich die Möglichkeit zur Durchführung von Grenzkontrollen bis zum 15. September 2025. In der Externer Link: Pressemitteilung des Bundesministerium des Innern vom 12.02.2015 wird die Verlängerung mit der „Erforderlichkeit, die irreguläre Migration weiter einzudämmen“ sowie dem „Schutz der inneren Sicherheit“ begründet.

So laufen die Grenzkontrollen ab

Polizeibeamte überprüfen den grenzüberschreitenden Verkehr und kontrollieren Ausweis- und Aufenthaltsdokumente von Einreisenden. Die Kontrollen finden in der Regel an Verkehrsstraßen wie Bundesautobahnen und Landstraßen statt, aber auch bei grenzüberschreitenden Zugreisen sowie an Flughäfen. Die Orte und Dauer der Kontrollen können dabei wechseln; eine flächendeckende Kontrolle aller deutschen Grenzübergänge findet nicht statt, vielmehr sollen sie regional unterschiedlich intensiv erfolgen. Der Verkehr soll dabei möglichst wenig beeinträchtigt werden. Reisende, die aus Ländern, die nicht Mitglied des Schengen-Raums sind und mit dem Flugzeug oder dem Schiff einreisen, wurden auch in der Vergangenheit in der Regel bereits durchgehend kontrolliert.

Maßnahmen der neuen Bundesregierung und Debatte um Zurückweisungen

Die neue schwarz-rote Bundesregierung will die Zahl der irregulär einreisenden Migrantinnen und Migranten weiter verringern. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat deshalb mit Wirkung zum 7. Mai die bereits bestehenden Grenzkontrollen an allen deutschen Grenzen intensiviert. Die Bundespolizei soll sowohl dichter kontrollieren als auch mehr Migrantinnen und Migranten direkt an der Grenze zurückweisen. Anders als bislang soll die Polizei auch Menschen zurückweisen, die Asyl beantragen wollen, solange diese keiner „vulnerablen Gruppe“ wie Kindern oder Schwangeren angehören. Die letzte Bundesregierung hatte hingegen Asylsuchende mit Verweis auf EU-Recht einreisen lassen. Im Inland sollte dann geprüft werden, welcher Staat laut Dublin-Verfahren für sie zuständig ist.

Ob diese neue Zurückweisungspraxis mit EU-Recht vereinbar ist oder nicht, ist Gegenstand der aktuellen öffentlichen Debatte mit zahlreichen Stimmen und Argumenten. Zwei Schlaglichter daraus: Das Bundesministerium des Innern sieht die Zurückweisungen als zulässig an. Die Aktivierung von Artikel 72 der Arbeitsweise der EU erlaube es demnach, die eigentlich geltenden europäischen Regeln zu Asyl- und Migrationsfragen zu ignorieren, wenn die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ und der „Schutz der inneren Sicherheit“ in dem Mitgliedstaat in Gefahr sind, was der Fall sei.

Das Berliner Verwaltungsgericht hingegen erklärte in einer Eilentscheidung die Zurückweisung von drei Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet für rechtswidrig. Ohne eine Klärung, welcher EU-Staat für ihren Asylantrag zuständig sei, hätten sie nicht abgewiesen werden dürfen, entschied das Gericht im Fall dreier Somalier, die am 9. Mai von Frankfurt (Oder) nach Polen zurückgeschickt wurden. Diese Entscheidung gilt formal nur für die drei Betroffenen. Das Gericht machte aber deutlich, dass es die Zurückweisung bei Grenzkontrollen in solchen Fällen generell für rechtswidrig hält.

Ob und wann die rechtliche Lage abschließend geklärt werden kann, bleibt abzuwarten.

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